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TEILDOKUMENT:


[Seite der Druckausg.: 71 ]


Ottmar Schreiner
Rahmenbedingungen und Umsetzungsmöglichkeiten für eine integrative Arbeitsmarktpolitik Statement


1. Schwierige Ausgangslage

Der finanzielle Druck auf die Kommunen bedeutet zunächst eine ungünstige Ausgangslage, die zu einer Neuorientierung zwingt. Der Rückzug des Bundes aus der Arbeitsmarktförderung und die massiven Belastungen der Sozialhilfe schränken die Handlungsmöglichkeiten auf kommunaler und regionaler Ebene stark ein. Eine Neuorientierung kann also nur heißen, neue Beschäftigungschancen mit mehr Markt und weniger Staat zu suchen. Allerdings sollten die politisch Verantwortlichen vor Ort verstärkt dabei helfen und sich keinesfalls zurückziehen. Das Vertrauen auf die Selbstheilungskräfte des Marktes wird nicht funktionieren.

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2. Bündnis für Arbeit in den Regionen

Das Bündnis für Arbeit ist nicht gescheitert, gescheitert ist vielmehr der Versuch, die Gewerkschaften für eine einseitige angebotsorientierte Wirtschaftspolitik zu vereinnahmen. In vielen Betrieben, aber auch auf regionaler und kommunaler Ebene gibt es durchaus erfolgreiche Bündnisse zum Erhalt von Arbeitsplätzen, zur Sicherung der Berufsausbildung und zu einem sozial verträglichen Strukturwandel. Eine breitere Bewegung von unten ist immer noch möglich, sie sollte unser Ziel sein. Neue Beschäftigungsfelder erschließen lassen sich z.B. bei personenbezogenen, sozialen und wirtschaftsnahen Dienstleistungen sowie im Umweltschutz, im Verkehrssektor, in der Biotechnologie und im spezialisierten Handel. Weiterbildung und Ausbildung müssen von vornherein mit einbezogen sein.

Für diese Strategie gibt es mehrere Vorläufer. Einmal wurde mehr aus der Wirtschaftspolitik kommend in NRW das Modell der regionalen Entwicklungskonzepte entwickelt, aus der Arbeitsmarktpolitik heraus entstand das Konzept der lokalen Beschäftigungsinitiativen, teilweise gefördert durch die

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EU-Kommission (z.B. LEDER-PROGRAMM zum europäischen Erfahrungsaustausch). In Frankreich z.B. gibt es schon besser etabliert eine „economie sociale".

Der Osten kann vor allem auf die Erfahrungen mit den ABS-Gesellschaften aufbauen, die allerdings anders als im Westen zunächst auf prall gefüllte Fördertöpfe zurückgreifen konnten. Für die Zukunft könnte eine Kombination aus beiden Ansätzen ein erfolgversprechendes Konzept sein. Vertreter der Kommunen, der Tarifvertragsparteien und der arbeitsmarktpolitischen Akteure könnten im Rahmen ihrer Bündnisse für Arbeit auf die Region bezogene Konzepte entwickeln. Die Politik muß dabei vor allem als Moderator fungieren. Ziel ist es, die vorhandenen Mittel zu bündeln. Synergieeffekte zu erzielen und neue Ideen schneller umzusetzen.

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3. Die Politik der Bundesregierung ist ein schweres Hindernis

Das sogenannte Programm der Bundesregierung für Wachstum und Beschäftigung ist keine Hilfe für regionale Entwicklungskonzepte. Sie setzt eher auf Rückzug des Staates und nochmalige Erleichterungen für Unternehmen. Die erneuten Kürzungen in der Arbeitsmarktpolitik, die massiven und konzeptionslosen Streichungen, die inzwischen nur noch vierteljährliche Haushaltsführung der Arbeitsämter sind dabei absolut kontraproduktiv. Das AFG wird abgeschafft, statt dessen geht es im Sozialgesetzbuch III nur noch darum, kurzfristig und um fast jeden Preis den Ausgleich am Arbeitsmarkt zu fördern. Ansonsten dürfen die Arbeitsämter die Arbeitslosigkeit nur noch verwalten. Selbst die finanziellen Ziele werden so nicht erreicht, das, was an Mitteln für aktive Arbeitsmarktpolitik gekürzt wird, geht überwiegend für mehr Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe wieder heraus. Außerdem werden die Kosten auf Länder und Kommunen verlagert, allein durch das AFRG im ersten Jahr 1,7 Mrd. DM. Die gesamtfiskalischen Kosten der Arbeitslosigkeit betrugen 1996 ca. 160 Mrd. DM, davon entfielen knapp 12 Mrd. DM nach Berechnung des IAB auf die Gemeinden, auf die Sozialhilfe allein 6 Mrd. DM.

Dennoch ist das kein Grund zur Resignation. Neben dem politischen Kampf für eine Wende in der Beschäftigungspolitik kann gemeinschaftliche, regional gebündelte Eigeninitiative im Sinne von Hilfe zur Selbsthilfe immer noch Kräfte mobilisieren. Immerhin sind wir uns in einem Punkt mit der Bundes-

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regierung einig: Die Arbeitsverwaltung soll von bürokratischem Ballast befreit werden. Dezentralisierung soll die Handlungsmöglichkeiten der örtlichen Arbeitsämter wesentlich erweitern. Obwohl die Koalition hier die SPD-Vorschläge nur halbherzig übernimmt, bleibt mit dem Experimentiertopf und der Deckungsfähigkeit von Haushaltstiteln wesentlich mehr Flexibilität als bisher. Völlig unverständlich ist nur, daß selbst die zaghaften Ansätze einer Zusammenarbeit von Arbeitsamt und Sozialamt (§ 12 b AFG) zurückgenommen wurden. Deshalb besteht auch ein Widerspruch zur Sozialhilfereform, wo wenigstens dem Grundsatz Rechnung getragen wurde, daß eine gesellschaftliche Reintegration im wesentlichen über das Angebot von Arbeitsplätzen erfolgen soll.

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4. Die SPD-Alternative: Das moderne Arbeits- und Strukturförderungsgesetz

Für die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen zwischen Markt und Staat böte der SPD-Gesetzentwurf wesentlich bessere Alternativen:

  1. Arbeit fördern statt Arbeitslosigkeit bezahlen. Das ASFG hat deshalb einen Regelmechanismus, wonach die Arbeitsämter (über einen Zeitraum von vier Jahren) mindestens die Hälfte ihrer Mittel für Arbeits- und Strukturförderung ausgeben müssen. Eine Anschubfinanzierung von 3 bis 4 Mrd. DM würde 18 bis 20 Mrd. DM zusätzlich für aktive Maßnahmen mobilisieren.

  2. Vorfahrt für berufliche Qualifizierung.

    Wiedereinführung eines Rechtsanspruches für Qualifizierungsmaßnahmen. Darüber hinaus sollen vom technologischen Wandel oder Strukturproblem besonders betroffene Betriebe eine Förderung der innerbetrieblichen Qualifizierung erhalten.

  3. Neues Förderinstrument: Soziale Betriebe.

    Nicht auf Gewinn ausgerichtete soziale Betriebe können bis zu fünf Jahren Lohn- und Sachkostenzuschüsse erhalten. Sie dienen dazu, schwer vermittelbare und Langzeitarbeitslose über normale betriebliche Abläufe und begleitende Qualifizierung wieder einzugliedern. Positive Erfahrungen bestehen hier mit verschiedenen Landesprogrammen, vor allem in Niedersachsen.

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  4. Sozialhilfeempfänger voll integriert.

    Das ASFG macht Schluß mit der Doppelarbeit und unsinnigen Trennung zwischen Arbeits- und Sozialamt. Alle arbeitslosen Sozialhilfeempfänger sind für Maßnahmen der Arbeitsmarkt- und Strukturförderung voll leistungsberechtigt. Die Sozialhilfeträger zahlen zwar - quasi wie Arbeitgeber - einen Beitrag, im Saldo werden sie aber um 500 Mio. DM entlastet. Schätzungsweise 50.000 bis 60.000 Sozialhilfeempfänger könnten dadurch jährlich integriert werden.

  5. Das ASFG hat mit der Projektförderung, dem Eingliederungszuschuß bei Einstellung in jungen Betrieben und in kleineren Betrieben wirtschaftsnahe Förderinstrumente. Sie sind auf eine Kombination mit Mitteln aus Landesprogrammen und den europäischen Strukturfonds und ggf. privaten Fördermitteln, z.B. aus Sozialplänen ausgerichtet. In der Selbstverwaltung sitzen die relevanten Akteure zusammen. Es bietet sich an, hier regionale Entwicklungskonzepte und den absehbaren Bedarf an beruflicher Qualifizierung zu diskutieren. Selbstverständlich geht es auch darum, im Einzelfall die Verdrängung ungeförderter Arbeit und bloße Mitnahmeeffekte zu vermeiden.

© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | November 2000

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