FDGB-Lexikon, Berlin 2009


Rote Ecke. R.E. waren Räume für polit.-ideolog., kulturelle und fachliche Veranstaltungen, die in den frühen 50er Jahren in den größeren VEB (s.a. Betrieb als Sozialisationsinstanz) eingerichtet wurden.
Der FDGB strebte die Einrichtung einer R.E. für jede Abt. eines Betriebes an. Die R.E. enthielt Stühle und Tische für Sitzungen und laienkünstler. Aktivitäten, eine kleine Wanderbibliothek sowie ein Rundfunkgerät. Ihre Wände waren mit Fahnen, Bildern, Büsten und agitator. Sprüchen geschmückt.
Als republikweites Vorbild stellte der FDGB die R.E. der Abt. Addiermaschinen des VEB Büromaschinenwerk Sömmerda heraus, die 1953 Sieger im Wettbewerb der R.E. der IG Metall geworden war. Dort fanden in der Mittagspause oder nach der Schicht Vorträge zu Themen wie „Die Frau und ihre Entwicklung in der Produktion“, „Liebe und Ehe im Sozialismus“ oder „Die Bedeutung der techn. begründeten Arbeitsnormen im Feldzug für strengste Sparsamkeit“ statt. Wechselnde Tafelausstellungen widmeten sich Themen wie „Unsere Produktion auf der Leipziger Messe“ oder „Die Geschichte der Sowjetarmee“. Eine ständige Präsentation führte die einzelnen Teilstücke einer Rechenmaschine vor, um neuen Kollegen die Einarbeitung zu erleichtern. Der fachlichen Qualifizierung dienten außerdem Lehrgänge für Härte- und Elektrotechnik. In der R.E. wurden Produktionsberatungen, Schulungsabende von SED, FDGB und FDJ sowie Feierstunden zum Tag des Aktivisten oder zum Internationalen Frauentag abgehalten. Auch die Zirkel (s.a. Zirkelwesen) für Literatur, Film, Foto, Musik und Schach trafen sich dort. Otto Hasenbein, der Vors. des Rates dieser R.E., bezeichnete sie 1954 als „das allumfassende Bildungsmittel“ seiner Abt. Im VEB Büromaschinenwerk Sömmerda existierten 1955 sechs R.E., von denen die ersten vier auf Anregung der früheren sowj. Direktion geschaffen worden waren (s.a. sowj. Referenzmodell).
Die R.E. als Frühform der betrieblichen Bildungsstätte verlor durch den Bau von Kulturhäusern ab Mitte der 50er Jahre an Bedeutung. In einigen Betrieben blieb sie noch bis in die 60er Jahre hinein erhalten. Westlichen Beobachtern fiel besonders die Dekoration der R.E. ins Auge. Gerd Rabbow, ein Student aus Münster, bezeichnete die R.E., die an Geburts- und Todestagen von Arbeiterführern sowie an Staatsfeiertagen besonders reich geschmückt wurden, 1965 als „atheist. Altäre“.
A.S.