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TEILDOKUMENT:

III. Die Bedeutung der Strukturfonds

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III. Die Bedeutung der Strukturfonds

Die europäische Strukturpolitik hat wesentlich zur Verbesserung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts unter den Mitgliedstaaten beigetragen. Sie bildet einen tragenden Pfeiler europäischer Solidarität. Hauptfinanzierungsinstrumente der EU im stadtentwicklungspolitischen Zusammenhang sind die europäischen Strukturfonds und die weitergeführten Gemeinschaftsinitiativen (vor allem URBAN II5 und INTERREG6). Hinzukommen EFRE-Mittel7 zur Erneuerung von städtischen Problemgebieten und Maßnahmen des ESF8.

Nach Art. 158, 159 des EU-Vertrags9 verfügt die Europäische Union über die Kompetenz zu einer eigenen Förderpolitik, die der Verwirklichung strukturpolitischer Ziele dient, bei der insbesondere regionalpolitische Belange zu ermitteln und in die Abwägung einzustellen sind. Die Zuständigkeit der Kommission umfasst insbesondere

  • die Festlegung der Aufgaben, der vorrangigen Ziele und der Organisation im Rahmen der Strukturfonds,
  • die Genehmigung der Fördergebiete,
  • die Genehmigung der von den Mitgliedstaaten vorgelegten Planungs- und Programmierungsdokumente,
  • die finanzielle und inhaltliche Kontrolle der Durchführung der Strukturfonds und die Vornahme von Finanzkorrekturen.

Es spricht außerdem vieles dafür, dass die EU-Kommission das Kohäsionsziel, das in Art. 158 des EU-Vertrags formuliert ist, auch kleinräumig umsetzen will. So überschreibt die Generaldirektion Regionalpolitik im Oktober 2001 eines ihrer Informationshefte mit dem Titel "quot;Verbesserung der Kohäsion im städtischen Raum". Das bedeutet: Die Kohäsionspolitik soll eine zweite Säule bekommen. Ziel dieser politischen Anstrengungen ist es, soziale Benachteiligung zu bekämpfen. Im Mittelpunkt der Strukturfondsförderung steht dabei die Erneuerung städtischer Problemgebiete.

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Mit der AGENDA 2000 sind im Rahmen der europäischen Gemeinschaftsinitiative URBAN erstmals "quot;städtische Gebiete" als neue und eigenständige Förderkategorie im Rahmen von Ziel 210 eingeführt worden. Die förderfähigen Maßnahmen des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) sind mit der neuen Strukturfondsperiode ab 2000 um Maßnahmen ergänzt worden, die der Erneuerung städtischer Problemgebiete dienen. Ferner besteht die Möglichkeit, unter der Europäischen Gemeinschaftsinitiative INTERREG III stadtentwicklungspolitische Fragestellungen und Vorhaben sowohl im Rahmen der direkt grenzüberschreitenden als auch der staatenübergreifenden Kooperation anzugehen und durchzuführen.11

Nach Angaben der Kommission stehen in der Förderperiode 2000 bis 2006 mehr als 17 Milliarden Euro an Fördermitteln für Ostdeutschland zur Verfügung. Welcher Anteil davon auf die Stadtentwicklung entfällt, ist nur schwierig zu ermitteln, er dürfte jedoch beträchtlich sein. Der zuständige Kommissar Barnier hat in einem kürzlich vorgelegten Zwischenbericht das mit den Strukturfonds in Ostdeutschland initiierte Wirtschaftswachstum auf 1,6% beziffert. Aus diesem Prozentsatz wird deutlich, welche Bedeutung der in den neuen Bundesländern möglichen Ziel 1-Förderung für diese Länder und damit zugleich für die Bundesrepublik insgesamt zur Zeit zukommt.

(1) Finanzielles Volumen und inhaltliche Schwerpunkte nach 2006

Die aktuelle Förderperiode läuft zwar noch bis 2006, dennoch ist die Diskussion um die Reform der Strukturfonds nach 2006 bereits voll im Gang. Begründet wird die frühe Reformdiskussion vor allem mit

  • der anstehenden Erweiterung der EU um bis zu 12 Staaten, die die Union vor bedeutende finanzielle Herausforderungen stellen wird und die nicht ohne Einschnitte in den Gebieten der EU der Fünfzehn bewältigt werden können, und
  • der geplanten Regierungskonferenz 2004, bei der die Kompetenzabgrenzung zwischen EU und ihren Mitgliedstaaten im Mittelpunkt stehen soll. Einzelne Inhalte der AGENDA 2000 können da-

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    bei bestätigt, zurückgenommen oder auch ausgebaut werden. Die Entscheidungen werden unmittelbare Auswirkungen auf den strukturpolitischen Förderkanon der EU haben.

In finanzieller Hinsicht stehen die deutschen Verhandlungspositionen fest:

  1. Die Ausgaben der EU müssen sich auch im neuen Finanzplanungszeitraum deutlich unterhalb der Obergrenze von 1,27% des Bruttosozialprodukts der erweiterten Union bewegen (aus den höchstens "quot;1,27% des Bruttosozialprodukts" wird der Gesamtaufwand der EU - Strukturfonds, Forschung, Landwirtschaft, Entwicklungshilfe, Verwaltungsaufwand u.a. - bestritten).
  2. Die von der EU-Kommission ins Gespräch gebrachte Beibehaltung der bisherigen Grenze für die EU-Strukturpolitik (0,45% des EU-BIP) für die Periode 2007 - 2013 ist nicht akzeptabel (in absoluten Zahlen würden sich dadurch deren Summe in dieser Zeit von ca. 270 Mrd. € auf ca. 350 Mrd. € erhöhen - jeweils in Preisen von 1999).12
  3. In der neuen Förderperiode (2007 - 2013) werden die Beitrittsländer13 bis zu 150 Mrd. €13[a] Strukturfondsmittel erhalten.14 Diese Mittel müssen weitestgehend durch Konzentration der Förderung in der alten Gemeinschaft aufgebracht werden.

Zu den inhaltlichen Schwerpunkten der künftigen Strukturpolitik besteht ebenfalls weithin Einigkeit:

  • Es geht einmal um die Heranführung der neuen Mitgliedstaaten an den Durchschnitt des europäischen Wohlstandsniveaus,
  • zum andern wird die europäische Strukturpolitik einen Schwerpunkt bei Maßnahmen mit nachprüfbar europäischem Mehrwert haben müssen.

(2) Ergänzungen aus Sicht der Stadtentwicklung

Aus Sicht der Stadtentwicklung empfiehlt es sich ergänzend zu berücksichtigen, dass europäische Förderung sich auf Maßnahmen beschränken sollte, die insbesondere:

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  • die Bewältigung von Entwicklungsproblemen europäisch bedeutsamer Großstadtregionen,
  • Infrastrukturinvestitionen in den Grenzregionen mit Effekten für alle Anrainer der EU,
  • bedeutsame Konversionsmaßnahmen bei strukturellem Umbruch,
  • Maßnahmen zum Ausgleich negativer Auswirkungen des Wohlstandsgefälles auf engem, innerstädtischem Raum und
  • Beiträge zur Umstrukturierung "quot;schrumpfender Städte"

zum Inhalt haben. Gleichzeitig sollte sich die EU mit sehr flexiblen Handlungs- und Förderrahmen begnügen und den Fördervollzug den nationalen und regionalen Verwaltungen überlassen15.

Viele Fragen müssen für die Zeit ab 2006 noch entschieden werden. Sollte es zu einer drastischen Reduzierung der Strukturfondsmittel kommen, würden sie städtebaulich insbesondere in den alten Ländern der Bundesrepublik nur noch punktuell wirken. Zu klären ist beim sog. Status-Quo-Szenario16 vor allem, ob und inwieweit der zukünftige Ziel I-Status17 der ostdeutschen Region erhalten bleibt, und bei einem Systemwechsel hin zu einem Nettofonds- bzw. Solidaritätsfondsmodell18 muss entschieden werden, wie der Bund den Ländern den Wegfall von EU-Mitteln für die Stadtentwicklung kompensieren kann. Die Strukturprobleme in Ostdeutschland müssen in jedem Fall gelöst werden.

Die Förderinhalte der laufenden Programme haben sich im Grundsatz bewährt, wobei - wie erwähnt - der bürokratische Aufwand deutlich verringert und entschlackt werden muss. Über die Höhe der Kofinanzierungssätze sollte verhandelt werden. Die in Ziel-1-Regionen mögliche Förderung von bis zu 75% sollte nach 2006 auf regionalpolitisch gut begründete Maßnahmen beschränkt werden. Insbesondere sollte diese Förderung nur in Städten eingesetzt werden, deren wachstumspolitische Bedeutung für die Entwicklung der ganzen Region von Bedeutung ist.

Sollte die EU-Kommission und eine Mehrheit der Mitgliedstaaten die Städtepolitik und die Erneuerung der städtischen Problemgebiete über

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die bisherigen Ansätze hinaus zu einem Förderschwerpunkt der Strukturpolitik machen wollen, wäre unter städtebaulichen Aspekten

  • eine Beschränkung auf Vorhaben mit besonderem europäischem Mehrwert (z.B. Konzentration auf europäisch bedeutsame Großstadtregionen),
  • eine Ausgestaltung, die die deutsche Position als Nettozahler verbessert, und
  • ein Auswahlermessen bei den zu fördernden Maßnahmen beim Mitgliedstaat bzw. den Regionen (Ländern) und keine Vorgaben für bestimmte Städte und Stadtteile aus Brüssel

zu sichern bzw. zu fordern.19 Die Mitgliedstaaten bzw. deren Länder (Regionen) wissen am besten, welche Konzepte im Detail die Geeignetsten sind. Nur über diese Beteiligten kann ein selbstregulierender Wettbewerb um die besten Lösungen in den Regionen entstehen. Die derzeit diskutierte themenbezogene Förderung im Rahmen eines neuen Zieles 2 sowie die Europäische Gemeinschaftsinitiative URBAN sollten in diesem Sinne in der Strukturfondsperiode nach 2006 ausgestaltet werden.

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