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TEILDOKUMENT:


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Die Existenz der kommunalen Wohnungsunternehmen sichern


Kommunale Wohnungsunternehmen sind unverzichtbare Instrumente der Städte und Gemeinden, damit sie zu jedem Zeitpunkt den Wohnraumversorgungsauftrag für ihre Bürger erfüllen können. Das gilt insbesondere für jene Menschen, die sich aus eigener Kraft am Markt mit Wohnraum nicht versorgen können. Diese Aufgabe haben kommunale Wohnungsunternehmen in der Vergangenheit in der Bundesrepublik Deutschland mit Erfolg wahrgenommen. Dabei geht es nicht nur darum, eine bedürftige Minderheit mit Wohnraum zu versorgen, sondern im Interesse des sozialen Friedens bedarf es stets der gemischten Belegungsstrukturen. Das erfordert beim kommunalen Wohnungsunternehmen einen Wohnungsbestand, mit dem nicht nur Bedürftige in sozialen Ghettos Wohnraum von der Kommune erhalten, sondern darüber hinaus einen Wohnungsbestand, der so bemessen ist, dass auch andere Schichten der Bevölkerung Zugang zu den Wohnungen des kommunalen Wohnungsunternehmens haben. Nur so kann über soziale Vielfalt der erforderliche Beitrag zum sozialen Frieden geleistet werden.

Wer in diesem Zusammenhang vor dem Hintergrund der Bevölkerungsentwicklung mit dem Hinweis auf Leerstand die Rolle und Funktion kommunaler Wohnungsunternehmen in Frage stellt, verkennt, dass die Leerstandsproblematik, beginnend mit dramatischen Auswirkungen in Ostdeutschland, durch Marktprozesse allein nicht überwunden werden kann. Die Anpassung des Wohnraums an eine stagnierende oder rückläufige Nachfrage und die damit verbundenen Maßnahmen der Stadtentwicklung und des Stadtumbaues werden vom Markt allein nicht gelöst. Insbesondere in diesen Regionen und Teilmärkten sind die Städte und Kommunen auf ihr bewährtes Instrument der kommunalen Wohnungsunternehmen für Maßnahmen der Stadtentwicklung unverzichtbar angewiesen. Die häufig gleichzeitig auftretenden sozialen Verwerfungen, d. h. das Bestehen überforderter Nachbarschaften und die sozialen Erosionen in einem Teil der Wohnquartiere, werden vom Markt allein auch nicht gelöst, so dass

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auch unter diesem Gesichtspunkt kommunale Wohnungsunternehmen und ihr Wirken für die Städte und Gemeinden bewahrt werden müssen. Tatsache ist auch, dass vor allem die Preispolitik kommunaler Unternehmen im Interesse der Menschen stets eine preisdämpfende Funktion ausübt. Darüber hinaus stabilisieren sie mit ihren Investitionen und Aufträgen den ansässigen Mittelstand und das Bauhandwerk.

All das wird in jüngster Zeit immer häufiger in Frage gestellt, weil Städte und Gemeinden sich zunehmend von ihren Wohnungen oder ganzen Wohnungsgesellschaften trennen, um Haushaltseinnahmen zu erzielen. Sie bewirken damit zwar einmalige Einnahmen, die jedoch nicht geeignet sind, die strukturellen und finanziellen Defizite in den nachfolgenden kommunalen Haushalten zu beseitigen. Nach diesen Verkäufen sind im übrigen soziale Kosten zu erwarten, die dann die Kommunen langfristig belasten. Das gilt zum Beispiel für die Lösung von Wohnungsnotfällen, für den Erwerb, d. h. den Kauf, neuer Belegungsrechte und ganz besonders durch Mehrausgaben in der Sozialhilfe, wenn durch den neuen privaten Eigentümer alle Mieterhöhungsspielräume der ortsüblichen Vergleichsmiete ausgeschöpft werden. Städte und Gemeinden verzichten damit auf Instrumente, mit denen die Attraktivität der Stadt auf Dauer bewahrt oder wieder hergestellt werden kann. Denn die zuvor beschriebenen Aufgaben kommunaler Wohnungsunternehmen sind durch Marktprozesse allein nicht beherrschbar, aber für die Attraktivität einer Stadt auf Dauer unverzichtbar.

Im Interesse der Menschen und der Entwicklung unserer Städte und Gemeinden müssen die kommunalen Wohnungsunternehmen bewahrt und gestärkt werden. Nicht in allen Fällen werden sämtliche kommunale Wohnungsbestände für eine erfolgreiche kommunale Wohnungspolitik benötigt. Soweit Bestände veräußert werden, die für die kommunale Wohnungspolitik nicht zwingend erforderlich sind, sollte vorrangig der Weg einer sozial verträglichen Mieterprivatisierung gewählt werden. Die Mieterprivatisierung ist ein geeignetes Mittel zur Bewahrung sozialer Stabilität und zur Eindämmung der Stadtumlandwanderung. Sie leistet im übrigen einen wichtigen Beitrag zur Bewahrung oder Wiederherstellung gemischter Bewohnerstrukturen.

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Wohnen zur Miete


Wohnen zur Miete ist kein Wohnen zweiter Klasse. Nicht ohne Grund sind und bleiben Mietwohnungen und die verdichtete Geschossbauweise die Wohn- und Siedlungsform der Städte.

Viele Menschen wollen zur Miete leben, weil das die ihnen gemäße Wohnform ist: Alleinstehende und Ältere, Auszubildende und Studierende, Menschen, die aus beruflichen Gründen mobil sein müssen oder sich mit Eigentum und seinen Risiken nicht belasten wollen. Viele Haushalte sind dauerhaft aus finanziellen Gründen auf Mietwohnungen angewiesen.

Verdichtete Bauformen, die sich in der Regel in den Städten als Mietwohnungen entwickelt haben, erlauben die bestmögliche Verwendung knapper Siedlungsflächen, sichern grundsätzlich einen sparsamen Umgang mit Ressourcen und gewährleisten eine wirtschaftliche Nutzung der Infrastruktur.

Allein aufgrund der Tatsache, dass auf lange Sicht viele Haushalte in Deutschland zur Miete wohnen müssen oder wollen, haben Mieterschutz und Soziales Mietrecht eine hohe Bedeutung. Denn der Mieterschutz gewährt unabhängig vom rechtlichen Status und wirtschaftlichen Interesse des Eigentümers sicheres und bezahlbares Wohnen für alle. Je stärker die Marktposition von Eigentümern ist, deren wirtschaftliches Handeln vorwiegend auf legitime Renditenerzielung gerichtet ist und je geringer der Bestand an Wohnungen im öffentlichen Eigentum wird, desto wichtiger wird der Mieterschutz. Sicheres Wohnen darf nicht zum Privileg selbstnutzender Haus- und Wohnungseigentümer werden. Sicheres Wohnen darf sich nicht nur in der Form des Wohnens in Eigentum wiederspiegeln.

Das soziale Mietrecht ist deshalb nicht nur ein sozialstaatliches Gebot, es eröffnet dem Mietwohnungsbau auch Marktchancen. Denn erst durch den Mieterschutz wird die Mietwohnung zu einem sicheren Heim und zu einer geschützten Privatsphäre. Nur in Verbindung mit dem Sozialen Mietrecht kann die Mietwohnung den Wettbewerb mit dem selbstgenutzten Eigentum bestehen.

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Mit der zum 01.09.2001 in Kraft getretenen Mietrechtsreform ist im Wesentlichen ein fairer und gerechter Ausgleich der Interessen von Anbietern und Nachfragern gelungen. Die Zusammenfassung der mietrechtlichen Vorschriften im Bürgerlichen Gesetzbuch, die Neuordnung der Rechtsregelungen und die Modernisierung der Gesetzessprache haben das Mietrecht insgesamt verbraucherfreundlicher gemacht. Im Interesse beider Partner des Mietverhältnisses sind Regelungen, die Streit vermeiden, z. B. feste Abrechnungs- und Einwendungsfristen für Betriebskosten, die Stärkung des Vergleichsmietensystems, Darstellungen bei der Haftung für Kautionsrückzahlungen u. ä. Mit der Verkürzung der Kündigungsfrist für Mieter wird den Mobilitätserfordernissen Rechnung getragen. Im Bereich der mietrechtlichen Behandlung von Lebenspartnerschaften werden veränderte Lebensformen und Lebensinhalte berücksichtigt. Die Rechte behinderter Mieter werden gestärkt.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | August 2002

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