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Krisenmanagement in Thailand : Premier Thaksin als Vorstandschef der Thailand Inc. / Rolf Hanisch - [Electronic ed.] - Bonn, 2002 - 23 S. = 74 KB, Text . - (FES-Analyse)
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2002

© Friedrich-Ebert-Stiftung


INHALT






  • Die aktuelle Situation Thailands ist weiterhin durch die Nachwirkungen der Wirtschaftskrise Ende der neunziger Jahre geprägt. Die Freigabe und der crash des Baht-Kurses im Juni 1997 führten damals zur Zahlungsunfähigkeit vieler in Dollar verschuldeter Unternehmen und Banken, zum Zusammenbruch des vorher schon angeschlagenen Vermögenswertsektors, zu wachsender Arbeitslosigkeit und allgemeiner Verunsicherung der Menschen und Unternehmen.

  • 1999 und 2000 erlebte Thailand schon wieder ein positives Wirtschaftswachstum. Es lag allerdings nur bei gut der Hälfte des Wachstums der Boomjahre und basiert nicht auf Wirtschaftsreformen, die nur langsam vorankommen, sondern auf dem wieder anspringenden Exportwachstum. Dieses wurde weniger durch die Baht-Abwertung stimuliert, als vielmehr durch die expandierende Nachfrage auf dem Weltmarkt im „high-tech„-Bereich.

  • Die Krise hat alle Schichten der Bevölkerung getroffen. Sie hat einen etwas größeren Teil der Unterschichten unter die Armutslinie gedrückt, hat aber auch zu fühlbaren Einkommens- und Vermögensverlusten der Mittel- und der Oberschichten geführt. Es gab aber auch Profiteure bzw. relative Aufsteiger, zu den letzteren gehört der im Januar 2001 gewählte Premierminister Thaksin Shinawatra.

  • Thaksin gehörte schon vor der Krise zu den reichsten Unternehmern im Lande. Auch sein (Börsen-) Vermögen schrumpfte. Sein Unternehmenskonglomerat musste jedoch nie mit einer drohenden Insolvenz kämpfen wie die Firmen vieler anderer bisher Super-Reicher im Lande. Er blieb auch in der Krise liquide. Auf deren Höhepunkt gründete er eine eigene Partei, mit der er in einem Erdrutschsieg die politische Landschaft veränderte und sich mit großer Mehrheit an die Regierung katapultierte.

  • Thaksin versucht, eine aktivere staatliche Politik als die Vorgängerregierung zu betreiben. Die inzwischen hohe Staatsverschuldung setzt ihm jedoch Grenzen. Ein wesentliches Instrument ist u.a. der Versuch, die Banken wieder zu einer großzügigeren Ausleihpraxis zu veranlassen bzw. durch staatliche Kreditprogramme die Nachfrage zu stimulieren. Er zielt dabei u.a. durch Kostenentlastung auf die Verbrauchs- und (durch Kredithilfen) auf die Investitionsbereitschaft und -fähigkeit der ärmeren meist ländlichen Schichten der Bevölkerung.

  • Nach einem guten Jahr an der Regierung sind überzeugende messbare Ergebnisse noch nicht zu verzeichnen, doch kann dies angesichts der kurzen Zeit nicht überraschen. Ob sie sich überhaupt einstellen werden, ist aber durchaus ungewiss. Die Risiken des Kurses sollten zudem nicht unterschätzt werden. Der Stress, unter den die jungen demokratischen Institutionen durch diese „Chief Executive Officer„ gesetzt werden, ist schon deutlich sichtbar.


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Die Wirtschaftskrise und ihre technische Bewältigung

Thailand hatte Mitte 1997 durch die drastische Abwertung des Baht die „Asienkrise„ ausgelöst und geriet dabei selbst tief in die Rezession (1997: -1,4 %, 1998: - 10,8 %). Die Unternehmen und auch die Banken hatten sich erheblich in US-Dollar verschuldet, ohne diese Fremdwährungsverbindlichkeiten abzusichern. Durch die drastische Abwertung verdoppelten sich praktisch die Auslands-Schulden und ihr Schuldendienst für die binnenmarktorientierten Unternehmen, die ihre hohen Investitionen in immer unrentablere und riskantere Projekte auch durch eine Ausweitung ihrer Baht-Kredite finanzierten. Damit wurde auch in Asien mit einer Kreditquote von 155 % zum BIP (1996) ein Rekord erreicht.

Viele Kredite waren spekulativ in den lange äußerst lukrativen Vermögenswertsektor (Immobilien, Aktien) angelegt worden. Dieser schwächelte allerdings schon vor dem Ausbruch der Krise, die er damit mit auslöste, und brach nun vollständig zusammen. Opfer waren nicht nur die Spekulanten, auch die expansive Bauwirtschaft sowie die Banken und insbesondere die Finanzgesellschaften, die diesen riskanten Unternehmungen Kredite ausgegeben bzw. die für andere Ausleihungen Immobilien als Sicherheiten akzeptiert hatten, die nun im Wert einbrachen. Viele dieser Schuldner konnten ihre Kredite nicht mehr bedienen, waren praktisch bankrott. Es kam zu Entlassungen und Einkommensverlusten. Hatten gerade auch die expandierenden Mittelschichten in den Boomjahren ziemlich bedenkenlos konsumiert und einen immer geringeren Anteil ihrer steigenden Einkommen gespart, so führten nun Entlassungen, Einkommenskürzungen sowie die allgemeine Verunsicherung zu einer Kaufzurückhaltung und wieder zum vermehrten privaten Sparen der Haushalte. Der Einbruch der privaten Verbrauchsnachfrage erholte sich inzwischen zwar wieder etwas, erreichte bisher - anders als in den anderen Krisenstaaten - aber immer noch nicht wieder das Niveau von vor der Krise. Damit verdüsterten sich auch die Geschäftsbedingungen der übrigen binnenmarktorientierten Unternehmen ohne Dollar-Schulden. Ihre Märkte und Margen schrumpften. Zudem gerieten sie in Liquiditätsschwierigkeiten, da sie kaum noch von den nun übervorsichtig agierenden Banken neue Kredite erhalten konnten und wenn, dann hatten sie für diese zunächst deutlich höhere Zinsen zu zahlen.

Auch diese hoch in Baht verschuldeten Unternehmen gerieten in Schwierigkeiten und konnten ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen. Diese Rückzahlungsverweigerung geschah praktisch in einem rechtsfreien Raum. Ein uraltes Insolvenzgesetz bot den Kreditgebern keine praktikable rechtliche Handhabe, um säumige Schuldner zu sanktionieren und im Zweifelsfall durch ein Insolvenzverfahren wenigstens einen Teil ihrer Außenstände wiederzubekommen. Das nutzten wohl auch nicht wenige pfiffige Unternehmer aus, die sich nun in den Strom der allgemeinen Zahlungsunfähigkeit einreihten, obwohl sie durchaus in der Lage waren, ihre Schulden zu bedienen.

Die Kredite, die nicht bedient wurden („Non-Performing Loans„, NPL), schossen in die Höhe und beliefen sich schließlich auf nicht weniger als 2.729 Mrd. Baht (65 Mrd. $), fast 48 % aller Ausleihungen (im Mai 1999). Die relativ meisten NPL im Verhältnis zu den Gesamtausleihungen hatten die Finanzgesellschaften, oft Tochterunternehmen der Banken und übergewichtig engagiert in dem riskanten Vermögens- und Verbrauchersektor. Sie waren überwiegend nicht zu retten, wurden vom Staat übernommen und schließlich meist geschlossen. Ihre Zahl wurde von 91 auf 23 reduziert. Ihr Anteil an allen Aktiva des Finanzsystems fiel von 24 % (1996) auf 4 % (2000). Die Banken waren unterschiedlich angeschlagen: Die staatlich kontrollierten Banken standen mit ihrer NPL-Quote (70 %) kaum besser da als die Finanzgesellschaften. Die privaten Banken hatten sich hingegen nur mit einer Quote bis etwas über 50 % auseinanderzusetzen, das war allerdings immer noch hoch genug. Für die im Lande agierenden ausländischen Banken betrug die NPL-Quote nur 10 %.

Auch die Restrukturierung und der Schein-Abbau der NPL gelang den privaten Banken erheblich zügiger als den staatlichen Banken, wie auch nur den ersteren inzwischen die Rückkehr in die rechnerische Gewinnzone gelang. Gleichwohl waren die nicht eintreibbaren Kredite auch für die privaten Banken extrem hoch. Sie vermochten sich jedoch durch eigene Kraft zu rekapitalisieren: durch Aufnahme neuen Kapitals bei ihren Aktionären, durch Ausgabe von Anleihen und durch Hereinnahme bzw. Aufstockung des Kapitalanteils ausländischer Banken, die zwei kleinere Banken vollständig übernahmen. Die in diesen Aktiengesellschaften bisher immer noch dominierenden Gründer- und Eigentümergesellschaften mussten damit eine erhebliche Verwässerung ihrer Eigentumsanteile hinnehmen, wenn sie den Totalverlust (wie bei vielen Finanzgesellschaften) vermeiden wollten. Die staatlich kontrollierten Banken, obwohl noch maroder, nach noch größerer Misswirtschaft, hatten es leichter: Sie erhielten Finanzspritzen durch den Staat, die dieser sich über die Ausgabe von Anleihen auf dem Kapitalmarkt beschaffte. Der Staat hatte letztlich wohl auch keine andere Wahl, als die Konsequenzen von Misswirtschaft, Unvermögen, Gier und auch illegaler und krimineller Praktiken zu sozialisieren. Die Alternative wäre gewesen, dass man die Kosten den Einlegern und Sparern aufgebürdet hätte (etwa durch Abwertung der Konten). Das hätte das Finanzsystem noch nachhaltiger beschädigt.

Ganz ungeschoren kamen die privaten Sparer jedoch nicht davon. Sie werden allerdings subtiler und damit erträglicher zur Kasse gebeten: Durch Ausweitung der Spanne zwischen Haben- und Sollzinsen suchen die Banken ihre Abschreibungen auszugleichen und wieder in die Gewinnzone zu kommen. Damit ist auch eine Absenkung der Habenzinsen verbunden, die schließlich gelegentlich sogar leicht unter die Preissteigerungsrate fiel - was nichts anderes heißt, als dass Sparer entsparen. Der Staat verfügte nun über dubiose Vermögenswerte und Forderungen im Buchwert von etwa 21 Mrd. $ aus dem Nachlass der übernommenen Finanzgesellschaften und einiger Banken. Sie wurden mit mäßigem Erfolg auktioniert. Anfang 2000 wurde die Aktion beendet. 15 % der Vermögenswerte waren nicht loszuschlagen. Etwa ein Viertel musste von einer staatlichen Gesellschaft übernommen werden, da sich offenbar kein anderer Käufer oder nur zu einem noch niedrigeren Preis fand. Der erzielte Durchschnittserlös lag bei kaum mehr als einem Drittel des Buchwertes.

Die Kosten für die Finanzierung des Finanzdebakels für den Staat sind also immens. Aus der Portokasse können sie nicht bezahlt werden. Es mussten Staatsanleihen ausgegeben werden, also Schulden gemacht werden. Nun zahlte sich immerhin die bisherige konservative Fiskalpolitik mit Überschüssen und Schuldenabbau in den letzten Jahren vor der Krise aus. Die Staatsverschuldung betrug zu Beginn der Krise nur 5 % des BIP, unter Einrechnung der staatlichen Unternehmen und Körperschaften 14 %. Die Krise führte zu einer Ausweitung der Staatsverschuldung auf 39 %/BIP (bzw. 57 %/BIP). Etwa zwei Drittel davon entfallen auf die Kosten für den Finanzsektor, u.a. 14 % für die übernommenen Finanzgesellschaften, 10 % für die Rekapitalisierung der übernommenen privaten sowie der Staatsbanken. Allein der Zinsdienst der Aufwendungen für den Finanzsektor beläuft sich seither auf 1,5 - 2,5 %/BIP p.a.

Der Abbau der NPL der Banken musste Priorität haben und möglichst zügig erfolgen. Die Krise erzwang ein neues praktikableres Insolvenzgesetz und führte auch zur Einrichtung eines speziellen Insolvenzgerichtes. Die Banken waren jedoch angehalten, die meisten überfälligen kleineren Kredite bilateral zu restrukturieren. Die Zentralbank setzte ihnen dafür sogar eine Quote von 15.000 zu erledigende Fälle pro Monat. 12.000 wurden immerhin erreicht. Die meisten strittigen Fälle gehen dann vor die Zivilgerichte, wo sie wieder im Stau stecken. Anfang 2001 sollen es über 55.000 Fälle gewesen sein, deren Abarbeitung sechs bis sieben Jahre dauern kann, wenn es nicht gelingt, die Verfahren zu beschleunigen. Hinzu würden noch ein bis zwei Jahre für die Auktionierung der eingezogenen Sicherheiten kommen.

Der mittleren und großen Problemfälle nahm sich die Zentralbank an. Für die Unternehmensschulden richtete sie einen Vermittlungsausschuss ein, der Restrukturierungsverhandlungen zwischen den Gläubigern und den Schuldnern moderieren soll. Lediglich die Schuldner, die sich nicht dazu bereit erklären, sowie die Fälle, in denen keine Einigung erzielt werden kann, werden vor das Insolvenzgericht gebracht werden. Man war nicht sehr erfolgreich. Die Zielgruppe umfasst nicht weniger als 2.845 Unternehmen („Corporations„) sowie 11.541 kleine und mittlere Unternehmen (Small and Medium Enterprises, SME) mit insgesamt umgerechnet ca. 52 Mrd. $ bzw. knapp 7 Mrd. $ Verbindlichkeiten, die sie nicht bedienten.

Nur 39 % der Unternehmen und 65 % der SME waren bereit und schließlich auch willens, einen Umschuldungsplan mit ihren Gläubigerbanken auszuhandeln. Beide Seiten taten sich jedoch schwer, Kompromisse einzugehen bzw. sich in das Unvermeidliche zu finden. Im wesentlichen einigte man sich auf Umschuldungen (Verlängerungen der Zahlungsfristen) und auf verlängerte tilgungsfreie Zeiten. Zins- und noch seltener Schuldrückzahlungsreduktionen wurden in einem Viertel der Fälle für die ersten Jahre vereinbart, die später jedoch meist durch entsprechend höhere Zahlungen zu kompensieren sein werden. Die Banken waren also nur bereit, den Schuldnern längere Zahlungsfristen einzuräumen, nicht aber diese von einem Teil ihrer Verpflichtungen zu entlassen. Ihre tatsächlichen Zugeständnisse in dieser Hinsicht beliefen sich auf gerade 1,8 % der restrukturierten Schulden bei den Privatbanken und 0,9 % bei den staatlichen Banken. Dem entsprach die geringe Bereitschaft der Schuldner, ihre Schulden, die sie öffentlich nicht bedienen können, wenigstens teilweise gegen Anlage- oder Kapitalvermögen zu tauschen. Diese Maßnahmen spielten nur in 5 % bzw. 4 % der umstrukturierten Kredite eine Rolle. In diesen freiwilligen Verfahren dauerte es im Durchschnitt für SME 45 Tage bis ein derartiger Restrukturierungsplan ausgehandelt und unterschrieben werden konnte. 5.811 Unternehmensschuldner (40 %) mit über der Hälfte der NPL waren nicht bereit, sich an dem Verfahren zu beteiligen bzw. ließen es scheitern.

Sie landeten vor dem Insolvenzgericht, das bis ins Jahr 2001 jedoch noch immer nicht voll und adäquat personell besetzt war und zudem auch noch unter einer hohen Rotation der Richter leidet. Von Juni 1999 - März 2001 entschied das Gericht für 187 Schuldner, mit Verbindlichkeiten über umgerechnet 25 Mrd. $, über ein Reorganisationsverfahren. Für 1.626 mit umgerechnet 2,8 Mrd. $ wurde die Liquidation angeordnet. Das bedeutet: Größere Unternehmen mit Schulden von im Durchschnitt ca. 134 Mill. $ wurden meist reorganisiert, kleinere mit Schulden im Durchschnitt von fast 2 Mill. $ wurden liquidiert.

Die Bilanzen der Banken weisen bis April 2001 eine Verminderung des Anteils der NPL an allen Ausleihungen auf 17,4 % aus. Das wurde auch durch den Umstand ermöglicht, dass einige Banken Vermögensgesellschaften gründeten, in die sie ihre NPL zum Teil mit Abschlägen, z.T. mit den Buchwerten, übertrugen, die diese zu verwerten haben. Rechnet man diese noch mit ein, so gelten immer noch 31,8 % der Kredite als notleidend.

Alles in allem erweckt der Prozess des Abbaus der NPL den Eindruck, dass man sich häufig nur mit einem Schein-Abbau begnügt, Bilanzkosmetik für die Banken, Weiterwursteln für viele Schuldner. Voraussetzung dafür war die Definitionsänderung von NPL durch die Zentralbank, der zufolge jedes Umstrukturierungsabkommen ohne jegliche Qualitätskontrolle ein Ausscheiden eines Kredites als „notleidend„ bewirkt. Wo lediglich Liquiditätsprobleme den Zahlungsverzug bewirken, sind die beschriebenen Ergebnisse des Verfahrens auch gerechtfertigt und notwendig. In vielen größeren Unternehmens-Konglomeraten fand tatsächlich ein Reorganisationsprozess statt, wurden Anlagevermögen und Unternehmensbeteiligungen, die nicht zum Kern-Geschäft gehören, abgestoßen und verkauft. Ein nachhaltiges Anspringen der Konjunktur, die eine deutlich bessere Auslastung der auf Kreditbasis errichteten Anlagen ermöglicht, wird diese Schuldner und ihre Gläubiger entlasten. Im Augenblick sieht es danach allerdings nicht aus. Eindeutige Fehlinvestitionen, gescheiterte Spekulationen, spurlos verschwundene Gelder werden sich auch in Zukunft nicht rechnen können. Etwa ein Drittel der umstrukturierten Kredite wurden inzwischen schon wieder notleidend. Diese Zahl dürfte noch steigen.

Die Nachfrageschwäche des Binnenmarktes führte zu einer Ausweitung der brachliegenden Produktionskapazitäten. In der Industrie sank die Auslastungsrate von 72 % (1996) auf 52 % (1998). In den reinen binnenorientierten Investitionsgüterindustrien (Transport auf 23,4 %, Eisen und Stahl auf 36 %, Baumaterial 45 %) sank die Auslastungsrate sogar noch deutlich tiefer. Unter diesen Bedingungen kann die Bereitschaft zu investieren nicht besonders groß sein. Die Kreditnachfrage ist deshalb niedrig, auch die Banken sind nun bei Neuausleihungen vorsichtiger und zurückhaltender geworden, zumal viele (insbesondere kleinere und mittlere) Unternehmen immer noch nicht bereit sind, ihr Geschäftsgebaren offenzulegen, zwei oder drei Bilanzen für die unterschiedlichen Zwecke führen. Kein makro-ökonomischer Indikator und kein Sektor brach folglich so ein wie die privaten Bruttoinvestitionen: um - 31 % (1997) und weitere - 53 % (1998) und noch einmal - 5 % (1999). Insgesamt fielen sie damit bis 1999 auf ein Drittel des Niveaus vom Stand 1996 und beginnen sich erst seither wieder zu erholen (2000: + 14,6 %). Der Staat kürzte anfangs - unter dem Einfluss des IWF - auch seine Investitionen, weitete sie aber in den übrigen Krisenjahren leicht aus. Damit halbierte sich der Anteil der Bruttoinvestitionsrate am BIP vom langjährigen Extremwert 41,6 % (1996) auf 19,9 % (1999). Mit den geschrumpften Neuinvestitionen wurden natürlich auch, wie erwähnt, der Investitions- und Bausektor sowie die Importe, die überwiegend aus Investitions- und Zwischengüter bestehen, in Mitleidenschaft gezogen.

Die drastische Abwertung des Baht konnte kaum dem Exportsektor schaden, musste diesen sogar stimulieren und zwar umso nachhaltiger, je höher die im Lande in Baht anfallenden Produktionskosten sind. Thailand erlebte jedoch 1996-2000 einen anhaltenden Rückgang seiner Exportpreise in Dollar. Der Preisverfall von insgesamt - 22 % in diesem Zeitraum halbierte damit etwa den Abwertungsvorteil für die Exporteure. Gleichwohl konnte das Exportvolumen in all diesen Jahren - 1999 und 2000 sogar schon wieder zweistellig mit + 11 % und 22 % - gesteigert werden. Damit stiegen und boomten schließlich auch die Exporteinnahmen, fast wie in alten Zeiten.

Aufschlussreich ist allerdings ein näherer Blick auf den Exportboom: Nicht daran beteiligt sind die Primärgüterexporte, die tatsächlich zurückgingen (1996-2000 um - 20 %). Diese sind inzwischen für Thailand ohnehin relativ unbedeutend (1996: 16 % der Exporte) und wurden durch die Krise noch weiter marginalisiert (2000: 10 %). Es konnten allerdings auch nicht, wie man erwartet hätte, die arbeitsintensiven Industrien (Bekleidung, Schuhe, Edelsteine und Schmuck u.a.) zulegen. Deren Dollareinnahmen gingen um - 10 % zurück. Eher mäßig entwickelten sich gleichfalls die ressourcengestützten Industrieexporte, die, mit Ausnahme der Zuckerexporte (- 50 %), nur um 22 % zulegen konnten. Der eigentliche Boomsektor, wenn auch mit einigen Schwankungen (Rückgang 1998, kräftiger Anstieg 2000), war der „high-tech„-Sektor. Er steigerte seine Exporteinnahmen im genannten Zeitraum um 53 %. Es ist dieser Sektor, der unter allen Wirtschaftsbereichen wohl am stärksten von ausländischen Unternehmen geprägt und kontrolliert wird. Die Wertschöpfung im Lande ist allerdings noch längst nicht so „high-tech„, wie die Bezeichnung suggeriert. Tatsächlich handelt es sich um high-tech, die im Ausland entwickelt und in wesentlichen Teilen importiert, in Thailand montiert und weiter verarbeitet und zum größeren Teil exportiert wird. „Forschung und Entwicklung„ in Thailand: nahezu vollständige Fehlanzeige. Dieser Sektor ist deutlich kapital- und importintensiver als die anderen Exportzweige. Die relative Verminderung der lokalen Kosten für alle Exporteure durch die Baht-Abwertung, musste hier deshalb am wenigsten ins Gewicht fallen. Mit anderen Worten: Weniger die Baht-Abwertung, sondern mehr noch das Anziehen der Nachfrage in den Industrieländern spielte hier, neben den vernetzten Produktionsstrategien der Transnationalen Unternehmen, die entscheidende Rolle. 1999 (um + 4,2 %) und 2000 (um 4,4 %) - gezogen von der Exportnachfrage - wuchs die Wirtschaft und erreicht damit etwa wieder das Niveau von 1995.

Es bleiben jedoch noch einige Rechnungen offen: Dabei handelt es sich einmal um den Überhang der notleidenden und allgemein zweifelhaften Kredite, der wohl auch nach den viel zu niedrigen amtlichen Zahlen noch außergewöhnlich hoch ist, ferner um die stark angestiegene öffentliche Verschuldung, die allenfalls im internationalen Vergleich noch als passabel gelten kann, denn sie liegt noch unter der Euro-Norm. Immerhin: Die Auslandsverschuldung konnte durch die in den Krisenjahren anhaltende positive Leistungsbilanz (höhere Exporte, niedrigere Importe) deutlich abgebaut werden. Von 100,8 Mrd. $ (1995) und 109,2 Mrd. $ (1997) fiel sie auf 80,2 Mrd. $ (2000). Es gelang dabei auch eine beschleunigte Reduzierung der kurzfristigen Verbindlichkeiten, deren Anteil von 52 % auf 19 % sank. Der Schuldendienst im Verhältnis zu den Einnahmen an den Waren- und Dienstleistungseinnahmen verdoppelte sich von 1995 (11,4 %) bis 1998 (21,4 %), lag 2000 aber schon wieder bei passablen 15,4 %.

Die Krise hatte alle Schichten der Bevölkerung getroffen. Arbeitsplätze wurden abgebaut, die Einstiegschancen der Berufsanfänger verdüsterten sich, Einkommen wurden abgesenkt, Vermögen, sofern vorhanden, wurden vernichtet oder doch reduziert. Es traf natürlich nicht alle Schichten in gleichem Umfang „gerecht„, und es traf auch nicht jeden Einzelnen.

Die größte Aufmerksamkeit verdienen natürlich die Armutsgruppen. Die amtliche Statistik erhebt alle zwei Jahre Daten eines großen Samples (zuletzt 1996, 1998 und 1999) über die Haushaltseinkommen und -ausgaben und setzt einen Warenkorb der notwendigen Ausgaben fest. Bleiben die Einkommen bzw. Ausgaben der Haushalte unter dieser Schwelle, gelten sie als arm. Die Verbrauchsmesslatte wurde 1996 von 8,1 %, 1999 von 14,3 % der Haushalte unterschritten, die Einkommensmesslatte von 11,4 % bzw. 14,3 %. Mehrheitlich (zu 50-60 %) werden nicht die gleichen Armutshaushalte durch beide Indikatoren erfasst. Bezogen auf alle Haushalte waren dies 1996 4,4 %, 1999 8,9 %. Bei diesen handelt es sich wohl um den Kern der absolut Armen. Diese Daten sind unerfreulich. Von einer sozialen Katastrophe kann gleichwohl nicht gesprochen werden. Die Errungenschaften der Boomjahre, an denen auch die Unterschichten begrenzt teilhatten, wurden damit deutlich korrigiert, nicht jedoch aufgehoben. Für 1998 wurde der Anteil der Armutshaushalte noch mit 27,6 %, 32,6 % bzw. 20 % (in oben erwähnter Reihenfolge) ermittelt. Auch die Mittelschichten, quantitativ und möglicherweise auch qualitativ die bisher größten Gewinner des Booms, kamen nicht ungeschoren davon. Sie haben Vermögenswertverluste (Immobilien, Aktien) und Einkommensverluste hinzunehmen. So erlebte das mittlere Management in Bangkok, das im Durchschnitt sein Jahreseinkommen zuvor von 26.400 $ (1995) auf 31.800 $ (1997) erhöhen konnte, nun einen Einbruch auf 18.900 $ (1998), wenn sie ihres Jobs nicht ganz verlustig gingen. Dieser Einbruch von 43 % entsprach den Verhältnissen in den Hauptstädten der übrigen asiatischen Krisenstaaten Seoul und Kuala Lumpur und wurde nur von Jakarta noch übertroffen (- 71 %).

Auch die Wirtschaftselite wurde kräftig durchgeschüttelt. Der Börsenwert aller notierten Unternehmen halbierte sich in Baht (1996/2000), sank in US-Dollar umgerechnet sogar auf weniger als 30 %. Der Börsenwert ist jedoch nur ein vorübergehender Indikator, der sich auch wieder erholen wird, allerdings in absehbarer Zukunft nicht auf seine alten spekulativen Spitzenwerte von 1993. Der Verfall der Börsenkurse wird mehr die Kleinanleger aus den Mittelschichten getroffen haben, wenn diese in der Krise verkauften bzw. verkaufen mussten. Wichtiger für die die Aktiengesellschaften immer noch kontrollierenden Gründer-Familien ist es, ob sie ihre Kapitalanteile und ihre Managementgewalt in den börsennotierten und nicht-notierten Unternehmen halten konnten, diese vermindern mussten oder gar ganz verloren. Die ganze Bandbreite ist unter der Wirtschaftselite in der Krise festzustellen: Es gibt Verlierer, Absteiger, erfolgreiche und weniger erfolgreiche Konsolidierer und Aufsteiger. Zu den eher wenigen Aufsteigern gehört Thaksin Shinawatra.

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Der Aufstieg Thaksin Shinawatras

Thaksin (Jahrgang 1949) stammt aus einer wohlhabenden Händlerfamilie in der vierten Generation in Thailand. Er startete seine Traumkarriere mit einer Ausbildung zum Polizeioffizier, die er mit einem Ph.D. in Kriminologie an einer amerikanischen Universität abschloss (1979). Im Polizeidienst war er bis 1987. Frühzeitig erkannte er die Möglichkeiten des dann boomenden und sich diversifizierenden Computer-, Internet- und Telekommunikationsmarktes. Noch im Dienst, aber schon mit einer eigenen Firma, konnte er die Polizei mit Computern ausstatten. Seine Verehelichung mit der Tochter eines hohen Polizeioffiziers war dabei gewiss nicht hinderlich. Schon Anfang der 90er Jahre war er in der Lage, nacheinander vier Unternehmen an die Börse zu bringen und sich so Kapital für die weitere Expansion zu beschaffen. Zu seinem Wirtschaftsimperium gehören weitere 60-70 Unternehmen, die nicht börsennotiert sind. Vor Ausbruch der Krise wurde sein Vermögen auf 2,1-2,4 Mrd. $ taxiert. Im Land gab es nur noch zwei reichere Familien: die Eigentümer eines großen Nahrungsmittelkonglomerats (5,5 Mrd. $) sowie der größten Bank (3 Mrd. $). Insgesamt wurden damals in Thailand zehn bis vierzehn Dollar-Milliardäre gezählt.

Die Baht-Abwertung, der Börsencrash, Vermögensverluste schleiften alle diese Milliarden-$-Vermögen. Nur zwei, darunter Thaksin (und seine Familie), wurden von einem amerikanischen Wirtschaftsmagazin immer noch als Dollar-Milliardäre geführt. Nach seiner offiziellen Vermögensdeklaration verfügten er, seine Frau und seine beiden minderjährigen Töchter allerdings im November 1998 „nur„ über 25,3 Mrd. Baht (= 575 Mill. $). Im Jahr 2000 übertrugen („verkauften„, auf Kredit steuersparend!) er und seine Frau große Aktienpakete an den inzwischen volljährigen Sohn, der damit zum größten Aktienbesitzer im Lande vor einem Schwager Thaksins aufstieg. Thaksin deklariert inzwischen (im Juni 2001) ein privates Vermögen von 576 Mill. B, das sind nur 4 % seines deklarationspflichtigen Familieneinkommens (15.262 Mill. B = 646 Mill. $). Bezieht man das nicht deklarierungspflichtige Aktienvermögen von Sohn und Schwager mit ein, verfügt die Familie über ein Vermögen von gegenwärtig 34,2 Mrd. B (= 777 Mill. $).

Die Börsenentwicklung der Shinawatra-Unternehmen, an denen die Familie Anteile hält, entwickelte sich deutlich besser als die Börse allgemein. Während die Marktkapitalisierung der letzteren von Januar 1997 bis Dezember 1998 um die Hälfte einbrach, bis Dezember 1999 sich wieder auf 90 % (zum Stand Januar 77) erholte, um bis September 2001 wieder auf das Krisenniveau zurückzufallen, stiegen die Shinawatra-Unternehmen bis Anfang 98 sogar um ein Viertel, verloren bis Ende des Jahres (75 % gegenüber dem Ausgangsniveau), boomten bis Ende 1999 auf 232 % über der Ausgangsmarke und lagen im September 2001 immer noch bei 179 %. Die Gewinne (nach Steuern) der drei börsennotierten Unternehmen entsprachen - wenn auch erratisch - dieser Kursentwicklung. 1998 machte nur das Flaggschiff, die Shin Corp., einen Verlust (- 1 Mrd. Baht), der allerdings durch die Gewinne der anderen beiden Unternehmen leicht ausgeglichen wurde (insgesamt + 3,7 Mrd. Baht nach Steuern). 1999 machten alle drei Konzerne 12,4 Mrd. B, danach 9,7 Mrd. B (2000) und 10,4 Mrd. B (2001, 240 Mill. $) Gewinne nach Steuern.

Ohne Zweifel, Thaksin war auch in der Krise liquide und dürfte sich nicht nur an die Spitze der Wirtschaftselite im Lande gesetzt, sondern auch den Abstand zu den übrigen Mitgliedern vergrößert haben. Thaksin hatte allerdings schon 1994 die operative Leitung seiner Unternehmen abgegeben, um in die Politik zu gehen. Seine erste politische Arena wurde eine kleine Partei (Palang Dharma), die von einem asketischen General a.D. gegründet und dominiert wurde. In dieser Partei brachte er es bis zum Vorsitzenden und in mehreren Koalitionsregierungen zum Außenminister und stellvertretenden Premierminister. Innere Spannungen und ein Einbruch in der Wählergunst (praktisch nur im heißumkämpften Bangkok) führten zur Marginalisierung dieser Partei.

Auf dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise, Mitte 1998, gründete Thaksin seine eigene Partei, die er „Thai Rak Thai„ (Thais lieben Thais: TRT) nannte. Der notwendige organisatorische Unterbau auch einer neuen Partei kann sehr schnell geschaffen werden, wenn es dieser gelingt, Provinzbosse und ihre Klientelnetze auf ihre Seite zu ziehen. Also begann Thaksin diese Broker in den Provinzen zu umwerben und das bedeutete: von den anderen Parteien abzuwerben, unter deren Etikett sie im Parlament saßen. Schon im März 2000 gab es Gerüchte, dass mehr als 150 zu Thaksin übergelaufen seien, die allerdings den Wechsel erst kurz vor der Wahl vollziehen können, da sie in der Legislaturperiode sonst ihr Mandat verlieren würden. Im Oktober 2000 wurden schon 162 mögliche „party hopper„ ausgemacht, davon 109 in Richtung TRT. 23 von ihnen hatten einen Parteiwechsel schon mindestens dreimal praktiziert, weitere 17 mehr als zweimal. Diese Broker sind überwiegend lokale Wirtschaftsbosse, die in der nationalen Politik Einfluss erringen wollen, um ihre nicht selten auch illegalen Geschäfte besser absichern und befördern zu können. Sie sind in Klientelnetzen organisiert, wobei der Boss meist selbst ein Parlamentsmandat anstrebt und seine Gefolgsleute in der Legislative als Fraktion „kommandiert„, mit diesen geschlossen in eine Partei ein- und auch wieder austritt bzw. eine solche selbst gründet. Arm und bedürftig sind sie nicht, so dass man sie (wie ihre Wähler) billig kaufen könnte. Vielleicht befinden sich einige unter ihnen - durch die Krise - in Zahlungsschwierigkeiten. Sie sind auf Sieg programmiert, nicht nur in ihren Wahlkreisen, das haben sie selbst in ihrer Hand, sondern auch in der erfolgreichen Koalition, die die Regierung stellen kann.

Die Überläufer zu Thaksin aus diesem Lager mussten aber schon vor der Wahl eine herbe Enttäuschung erleben. Die neue Verfassung hatte auch hier einige Fußangeln ausgelegt: Sie schrieb einerseits die Wahl von einem Fünftel der Abgeordneten durch die nationale Verhältniswahl über Parteilisten, andererseits die Unvereinbarkeit von Regierungsamt und Parlamentsmandat vor. Das bedeutet, dass Abgeordnete Minister werden können, aber ihr Mandat aufgeben müssen. Die so entstehende Vakanz kann in den Einerwahlkreisen nur durch Nachwahlen, auf den Parteilisten jedoch durch Nachrücker gefüllt werden. Regierungschef Chuan, wohl um die in seiner Partei nicht so zahlreichen lokalen Bosse zu halten, wollte sich bei der Rekrutierung seiner nächsten prospektiven Regierung nicht negativ festlegen. Thaksin kündigte hingegen schon im August 2000 an, dass er in seine Regierung nur Parteilistenabgeordnete berufen werde. Das ist, nicht nur wegen des Wahlrechts, durchaus plausibel: Die eigentliche und einzige Stärke der lokalen Bosse liegt in der örtlichen, nicht in der nationalen Arena, für die sie meist keine Ausstrahlungskraft haben und von der man sie möglichst aufgrund ihrer ausgeprägt parochialen Interessen fernhalten sollte. Damit wurden zwei Klassen von Abgeordneten geschaffen, nicht ganz unproblematisch, aber wohl immer noch die relativ bessere Lösung. Einige einflussreiche Bosse plazierten sich daher auf Thaksins Parteiliste, schafften es dann jedoch dennoch nicht, in seine Regierung aufgenommen zu werden. Einigen (oder vielen?) Überläufern ist ihr Seitenwechsel gewiss auch durch materielle Zuwendungen schmackhaft gemacht worden. Das sollten dann aber Einmalzahlungen bleiben. Als einige dieser Abgeordneten später zu ihren Diäten (77.000 Baht/Monat = 1.800 $) ein regelmäßiges Gehalt von der Partei, also von Thaksin, reklamierten - von 100.000 Baht/Monat (= 2.400 $) war die Rede - wies dieser dieses Ansinnen brüsk zurück, erklärte sich aber immerhin doch bereit, „einige Ausgaben„ zu übernehmen bzw. in Einzelfällen „auf Antrag„ Unterstützung zu leisten.

Thaksin vermittelte sehr schnell den Eindruck, dass er der eigentliche Herausforderer der amtierenden Regierungskoalition Chuan Leekpai’s ist. Er verdrängte damit dessen Vorgänger und den Führer der stärksten Oppositionsfraktion im Parlament, ex-General Chavalit, der praktisch schon im November 1999 resignierte und die Führerschaft Thaksins in einer zukünftigen neuen Regierung anerkannte.

Die Meinungsumfragen signalisierten sehr bald ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Chuan und Thaksin, zwischen den Demokraten und der TRT, und schließlich sogar einen deutlichen und offenbar uneinholbaren Vorsprung für Thaksin - allerdings bei einem meist hohen Anteil von Unentschlossenen. Erst im Dezember 2000 - wenige Wochen vor der Wahl - brach diese durch Umfragen ermittelte Zustimmung für Thaksin in Bangkok dramatisch ein, wie auch der Anteil der Unentschlossenen deutlich zurückging. Der Grund war offensichtlich das Verdikt der Anti-Korruptionsbehörde, dass Thaksin als stellvertretender Premier 1997 sein Vermögen nicht korrekt deklariert habe, da die schon Jahre zuvor auf Konten seines Dienstpersonals (!) verschobenen Aktienpakete (zuletzt umgerechnet 100 Mill. $) von ihm nicht berücksichtigt worden seien. Das Verfahren war damit allerdings noch nicht abgeschlossen. Der Sachverhalt war nicht einmal strittig, andere - auch sehr prominente Politiker - wurden wegen des gleichen Deliktes für fünf Jahre von der Politik ausgeschlossen. Auch Thaksin drohte dieses Schicksal. Der Oberste Gerichtshof hatte endgültig zu entscheiden. Dieser ließ sich Zeit. Erst im August 2001 kam es unter dubiosen Umständen und mit einer problematischen Begründung zu einer 8:7 Entscheidung zugunsten Thaksins. Das war im Wahlkampf und zur Wahl am 6. Januar 2001 nicht vorherzusehen.

Meinungsumfragen wollten auch immer wieder ermittelt haben, dass ein großer Teil der Wähler Korruption als ein zu beseitigendes Übel ansieht. Ob hier die Auffassung eines nicht repräsentativen Sample ermittelt wurde oder ob die Befragten nur an die Selbstbereicherung der Politiker „ganz oben„ dachten, ist nicht zu klären. Jedenfalls hatte der sich entfaltende Parteienwettbewerb in der Wahldemokratie zu einer deutlichen Verbreiterung und damit „Demokratisierung des Korruptionssystems„ geführt. Wählerstimmen - und über diese verfügen jetzt auch die Einflusslosen, die Ärmsten der Armen - werden gekauft und folglich auch verkauft - auch wenn es sich nicht selten nur um einige hundert Baht handelt. Mit dem Demokratisierungsprozess wurden die Wahlkämpfe folglich immer teurer. Für die Wahlen vom Januar 2001 wurden sie auf 25-36 Mrd. B (580-840 Mill. $) geschätzt. 1996 vermutete man sie noch bei 20 Mrd. Baht.

Ganz gewiss kleckerte Thaksin nicht, sondern klotzte. Aber auch seine Konkurrenten ließen sich nicht lumpen. Die Verfassungsgeber (von 1997) hatten sich ernsthafte Mühe gegeben, die Korruption auf allen Ebenen zu bekämpfen und ihre Vorkehrungen wurden auch umgesetzt, was ja nicht selbstverständlich ist. Dazu gehört u.a., dass man den politischen Wettbewerb zu entkommerzialisieren sucht. Zu diesem Zweck führte man Staatszuschüsse an die Parteien ein (1999/2000 waren dies 216 Mill. B, 2000/01 200 Mill. B). Spenden wurden anzeigepflichtig. 1998/99 wurden ca. 50 Mill. B von insgesamt 1.421 Spendern, davon allerdings allein 30 Mill. von Thaksin und seiner Frau, deklariert. Die Werbeausgaben in den Print- und elektronischen Medien waren zu veröffentlichen (2000: 188,6 Mill. B). Jeder Kandidat durfte im Wahlkampf nur bis zu 1 Mill. B ausgeben. Das wären bei 3.722 Wettbewerbern etwa 3,7 Mrd. B gewesen. Stimmenkauf und Wahlbestechung im weitesten Sinne war natürlich, wie bisher, verboten und wurde noch weiter präzisiert. Ganz offensichtlich wurde erheblich mehr ausgegeben, auch wenn alle genannten Zahlen nicht sehr genau sind.

Namentlich die Praxis des Stimmenkaufs soll bei den Januar-Wahlen 2001 eher schlimmer als geringer gegenüber früheren Wahlen gewesen sein. Das spricht alles nicht gegen die neue Verfassung und die durch diese geschaffenen neuen Institutionen und Regeln, sondern weist nur darauf hin, dass der Verfassungsakt selbst die handelnden Akteure noch nicht ändert. Es muss sich nun erst zeigen, ob die alten Praktiken sich unter den neuen Regeln noch „rechnen„. Heute muss der Polit-Unternehmer zahlreiche Hürden nehmen, bei denen er durchaus straucheln kann. Das war früher durchaus nicht so. Korrupte Politiker hatten allenfalls einen Regimewechsel zu fürchten. Heute ist das Risiko, dass hohe Wahlkampf- und Wahlbestechungsgelder sich als Fehlinvestitionen erweisen, deutlich gestiegen. Der Polit-Unternehmer kann z.B. heute nicht mehr kontrollieren, ob seine Geschäftspartner, die örtlichen Broker und die Wähler, ihn nicht betrügen, die Zuwendungen kassieren, dieser aber nur unzureichend weiterleiten bzw. ihn trotzdem nicht wählen. Eine Korrektur des Auszählverfahrens machte dies möglich. Tatsächlich erlitten zahlreiche Polit-Unternehmerdynastien, wenn sie sich nicht zu Thaksin geschlagen hatten, ungewohnte und überraschende Wahlniederlagen. Zahlreiche NGO’s und die Medien suchen heute Stimmenkauf und Wahlbetrug an die Öffentlichkeit zu zerren. Die Wahlkommission ist unabhängig und verfügt über Sanktionsgewalt, „gelbe„ und „rote Karten„ zu vergeben, die mit dem Verlust des eben erkauften Mandates verbunden sind. Die gelbe Karte ermöglicht allerdings dem Betrüger, sich an den dann fälligen Nachwahlen zu beteiligen. Man wird bei all dem an Doping, Dopingkontrollen und -sanktionen im Sport erinnert.

Die Senatswahlen vom März 2000 ließ die Kommission in einigen Wahlkreisen bis zu fünfmal wiederholen, weil immer wieder illegale Ungereimtheiten nachgewiesen werden konnten. Inzwischen gab es allerdings ein Roll-back. Die dennoch durchgerutschten Politiker begannen, die Kommission zu attackieren, die Amtszeit der Kommissare der ersten Stunde wurden tatsächlich turnusgemäß nicht verlängert. Vom Vorsitzenden der zweiten Kommission konnte man einiges Verständnis für die Wahlbetrüger voraussetzen. Er hatte nach seiner Wahl zum Senator selbst eine „gelbe Karte„ erhalten.

Für die Parlamentswahlen wurden Bestechungsvorwürfe gegen 311 der 400 in Einerwahlkreisen gewählten Abgeordneten laut. Die Kommission ließ in 62 noch im selben Monat neu wählen, wieder wurden schmutzige Praktiken festgestellt. In sieben Wahlkreisen wurde (im Juni 2001) ein drittes Mal neu gewählt. Die Prüfung der übrigen Vorwürfe brauchte ein ganzes Jahr. Die Kommission stand unter massivem Druck der Politikerlobby auf der einen, der Medien und Demokratie-Lobby auf der anderen Seite. Sie hatte jeden Fall einmütig zu entscheiden, was ihr unter diesen Umständen schwerfiel. Schließlich wurde im Februar 2002 noch 14 Abgeordneten - davon nur zwei mit roter Karte - das Mandat aberkannt und Neuwahlen für den folgenden Monat angesetzt. In diesen beteiligten sich, bis auf einen, fast alle gelbe Karten-Träger. Sieben wurden auch dieses Mal gewählt. Das ist alles nicht befriedigend, wie die Demokratie-NGO’s reklamieren, gleichwohl im Trend doch eher gegenüber früheren Traditionen fast ein Fortschritt. Nicht wenige dieser Polit-Unternehmer werden es dennoch immer noch schaffen, ins Parlament und sogar in die Regierung zu kommen, um sich an der Staatsbeute zu mästen. Nicht wenige verheddern sich jedoch in einer Schlinge, die für sie quasi noch im Vorfeld der eigentlichen Selbstbereicherung ausgelegt wurde: die Eigendeklaration ihrer Vermögensverhältnisse. Schummeln sie schon dabei, kann sie das ihr Mandat bzw. Amt kosten, auf fünf Jahre. Es traf schon einen Innenminister und verschiedene Senatoren. Niederlagen gibt es allerdings auch, wie der Fall Thaksin belegt, der allerdings nicht der beschriebenen Politunternehmer-Kaste angehört. Und schlielich: Es stürzten in der letzten Legislaturperiode schon mehrere Minister über Korruptionsaffären.

Thaksin gewann jedenfalls die Parlamentswahlen am 6. Januar 2001 mit einem Erdrutschsieg, wie ihn das Land in dieser Form noch nie erlebt hatte. Er erhielt 41 % der Stimmen und 248 (der 500) Mandate. Während die Demokraten von Premier Chuan zwar auch Einbußen erlitten, sich aber - mit bedeutendem Abstand nach beiden Seiten - als größte Oppositionspartei etablieren konnten, wurden die kleinen Parteien nahezu weggefegt. Die einst großen Parteien, die auch Regierungschefs stellten, wurden zu Randparteien degradiert. Thaksin nahm zunächst drei von ihnen in seine Regierungskoalition, Anfang 2002 folgte eine weitere. Zwei Koalitionspartner lösten sich schließlich selbst auf und traten der TRT bei. Damit verfügt Thaksin über eine überwältigende Mehrheit von (Anfang 2002) 74 % der Mandate. Sein Materialeinsatz wird eine Rolle gespielt haben, allerdings wohl nicht allein und vielleicht noch nicht einmal in erster Linie.

Thaksin führte einen inhaltlichen Wahlkampf und der traf auf eine weithin mit der von den Demokraten geführten Regierung enttäuschten Wählerschaft, die den Schock der Krise noch nicht verdaut hatte und über den Fortschritt der Bewältigung derselben frustriert war. Thaksin versprach, die Regierung und damit das Land wie ein Unternehmensboss, wie ein Chief Executive Officer (CEO), zu führen und damit aus der Krise zu steuern. Er brachte einen großen Teil der Unternehmer hinter sich, weil er versprach, das Problem der notleidenden Kredite u.a. durch eine staatliche Auffanggesellschaft abzubauen, gegen die sich die Demokraten immer gewehrt hatten. Auch nationalistische Töne gegen den IWF, der sein Strukturanpassungsprogramm allerdings schon im Juni 2000 abgeschlossen hatte, und gegen den Ausverkauf an Ausländer schlug er an. Das klang natürlich wie Musik in den Ohren der abgewirtschafteten Unternehmer, die ihre Schulden nicht bezahlen, ihre Unternehmen dennoch weiter kontrollieren wollen.

Den Armen und insbesondere den ländlichen Massen versprach er zahlreiche Leistungen und Zuwendungen, die diese tatsächlich kaum ausschlagen konnten (Arzt- und Hospitalbesuch für 30 Baht, Stundung des Schuldendienstes der Landbewirtschafter, 1 Mio-Baht-Kredit für jedes Dorf), auch wenn Zweifel über die Finanzierung in den Medien und Intellektuellenkreisen geäußert wurden.

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Thaksin auf den Kommandohöhen des Staates

Thaksin verfügt also über eine überwältigende Mehrheit im Parlament, mit einer persönlichen Partei, die die kleineren Koalitionspartner entweder zu erdrücken oder gar aufzusaugen und die Opposition zu marginalisieren droht. Die Rede ist daher schon von der „UMNO-isierung„ der Politik Thailands. Tatsächlich lässt Thaksin immer wieder anklingen, dass er sich am Führungsstil des Malaysischen Präsidenten Mahathir und dessen UMNO-Partei, inklusive dessen anti-westlicher Ausfälle sowie der repressiven Medienpolitik, orientieren möchte.

Für das Projekt der politischen Reform, so vortrefflich durch die Verfassung von 1997 auf den Weg gebracht, sind die weiteren Aussichten daher eher pessimistisch zu beurteilen. Die klugen Verfassungsväter hatten eine fünfjährige Karenzzeit vorgeschrieben, bevor die Verfassung wieder novelliert werden kann. Diese läuft bald aus. Der Wille zur Verfassungs-reform ist schon bekundet worden. Die parlamentarische Mehrheit - ohne Einbeziehung der Opposition - wäre gegeben. Rückschläge waren allerdings bisher schon zu verzeichnen. An ihnen ist die Person und Persönlichkeit Thaksins nicht unbeteiligt. Trotz oder gerade wegen seiner Machtfülle reagiert er sehr dünnhäutig auf öffentliche Kritik, zögert auch nicht, eigentlich unabhängige Institutionen zu beschädigen. Sein Versuch, das Land wie eine Firma zu führen („Thailand Inc.„) und als allmächtiger Vorstandsvorsitzender („CEO„) zu kommandieren, beansprucht, die Problemlösungen zu rationalisieren und Entscheidungsprozesse und ihre Umsetzung zu beschleunigen. Es ist dabei allerdings die Gefahr zu beobachten, dass er der Gejagte dieses Zeitanspruchs wird, also Tempo vor Qualität geht.

Es bleibt abzuwarten, ob der CEO-Stil in der inzwischen recht pluralistisch verfassten thailändischen Gesellschaft sich wirklich durchsetzen kann. Er wird sich dauerhaft nur legitimieren lassen, wenn er nachhaltige Problemlösungen ermöglicht und nicht erkennbar parochiale Interessen vorrangig bedient. Auf diesen Voraussetzungen beruht das Erfolgsmodell Singapurs, nicht jedoch Malaysias, unter allerdings ganz anderen Bedingungen als in Thailand. Für Thaksin ist es nicht leicht, in dieser Hinsicht zu reüssieren, auch wenn er durchaus mit den besten und geläuterten Absichten ans Werk ginge. Seine Unternehmen dominieren nun einmal einen Schlüsselsektor der modernen Ökonomie, den er - auch zu Recht - weiter ausbauen will. Interessen-Kollisionen, sei es auch nur „üble Nachrede„ in diese Richtung, sind daher kaum zu vermeiden, auch wenn ihm persönlich juristisch kaum noch etwas gehört. Auch kann er sich nicht auf eine geschlossene Reformer-Fraktion stützen. Es wurde schon beschrieben, dass er sich auf eine Reihe dubioser Gesellen einlassen musste, um seine Partei aufzubauen. Bisher hat er diese allerdings recht geschickt aus der Regierung halten und auch in der Fraktion neutralisieren können.

Als besonders gekonnt kann die Behandlung eines der wichtigsten Bosse, Snoh Thienthong, gelten, der in „seiner„ Faktion immerhin ca. 60 Abgeordnete „kommandiert„. Dieser hatte durch Seitenwechsel bisher schon zwei Premierminister gestürzt. Er strebte unter Thaksin das wichtige Innenministerium an, das dieser aber lieber mit einem Freund aus der gemeinsamen Zeit an der Polizeiakademie besetzte. Snoh musste sich schließlich mit dem Posten eines „chief adviser„ außerhalb der Regierung begnügen, koordiniert als solcher aber die Parlamentsfraktion. Er meldet von dieser potentiell nicht einflusslosen Position immer wieder seine Ansprüche und Forderungen an, vergisst auch nicht den Hinweis, dass er der „Königsmacher„ (und „-mörder„) sei. Er konnte sich bisher jedoch in keiner wesentlichen öffentlich gemachten Kontroverse durchsetzen. Thaksin kann (auch von Snoh) kaum parlamentarisch gestürzt werden. Die unzufriedenen Abgeordneten können aber Sand ins Getriebe streuen, und sie taten dies auch schon ausgiebig, indem sie gezielt den Parlamentssitzungen fern blieben, ein Quorum verhinderten und anstehende Entscheidungen verzögerten. Man begründete die so ausgedrückten Frustrationen mit der „unfairen„ Verwendung der Regierungsausgaben. Es bleibt abzuwarten, ob diese hungrigen Mäuler nicht doch noch gestopft werden müssen oder auch schon werden, ohne dass dies bisher an die Öffentlichkeit gelangt.

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Thaksin’s Krisenmanagement

Thaksin hat mit einem umfassenden und detaillierten Wahlprogramm - es umfasst ca. 100 einzelne Programmpunkte und Versprechungen - die Wahlen gewonnen. Das Kampagnenmotto „Denke neu - handle neu„ vermittelte den Eindruck der Frische, der Unverbrauchtheit, der Innovationskraft und hob sich damit von der zuletzt als „langweilig„ perzipierten Chuan-Regierung ab. Vielfach wurde jedoch nur eine akzentuierte Fortsetzung der bisherigen Politik gefordert. Viele Versprechen mussten allerdings auch Wähler beeindrucken, die keinen Einblick in das Wie und Warum der Krise haben bzw. in erster Linie an die Bedienung der eigenen Interessen denken. Alles in allem wurde eine aktivere staatliche Politik angekündigt, die allerdings auch nicht widerspruchsfrei agiert.

Thaksin sucht nicht mehr - wie die Chuan-Regierung - nationalistische Töne zu vermeiden. Es gibt gelegentliche Seitenhiebe gegen den IWF und auch gegen Transnationale Konzerne (TNK). An eine Ent-Globalisierung der thailändischen Wirtschaft ist jedoch nicht gedacht. Insofern steht - anders als in Malaysia - nicht einmal die Einschränkung des freien Kapitalverkehrs und die Fixierung des Baht an den Dollar zur Debatte. Natürlich braucht man ausländisches Kapital nach wie vor, und man weiß das. Die Revitalisierung der Börse, um die sich sowohl die Chuan- als auch die Thaksin-Regierung bemühen, ist ohne ausländische Anleger kaum möglich. Tatsächlich erlebte sie in diesem Jahr bisher einen zweiten Höhenflug seit der Krise 1997/98, der ganz wesentlich von ausländischen Anlegern getragen wird. Es wäre mit erheblichen Verwerfungen zu rechnen, wenn TNK nicht mehr in die Realwirtschaft investieren, sich vielleicht zurückziehen würden. Die Thaksin-Regierung sucht daher die Anlagebedingungen weiter zu verbessern, u.a. auch mit dem Ziel, dass TNK ihre regionalen Hauptquartiere in Bangkok einrichten - man konkurriert hier gegen Singapur! Steuerliche Vergünstigungen, und (nun eingeführte) sehr langfristige Landpachtmöglichkeiten werden nicht genügen. Wichtiger ist eine funktionierende Infrastruktur und das heißt in erster Linie Verkehrsinfrastruktur zur Auflösung des Stauraumes Bangkok.

Wichtig ist auch die Durchsetzung einer „good governance„, also eine Regierungs- und Bürokratiereform. Diese ist angedacht, aber noch längst nicht verwirklicht. Vom Teilbereich Korruptionsbekämpfung weiß man nach ursprünglich gutem Start gegenwärtig nicht mehr so recht, was man davon noch halten soll. Ferner wird eine Höherqualifizierung der Arbeitskräfte dringend notwendig, da Thailand in Zukunft immer weniger mit den dynamischen Billiglohnländern (China, Vietnam) konkurrieren kann. Ein Ausbildungsreformgesetz wurde schon 1999 auf den Weg gebracht. Neuere Impulse hat die Thaksin-Regierung bisher nicht gesetzt. Das gilt auch für ein Feld, für das man es am wenigsten vermuten würde, da es sich um das ureigenste Interessengebiet Thaksins handelt, wo er sich zudem durch professionelle Kompetenz auszeichnet: die breitenwirksame Durchsetzung der Informationstechnologie, der Computer (in den Schulen) und der Nutzung des Internet. Bisher ist praktisch nichts geschehen. Beobachter wollen sogar Rückschläge - von einem international niedrigen Niveau - festgestellt haben. In den Regierungsbehörden sollen Computer in den Rumpelkammern verrotten, da die Behördenleiter sie nicht bedienen können. Immerhin soll anlässlich der nächsten Regierungsumbildung auch ein „Internet„-Minister ernannt werden. Man wird abzuwarten haben, was das zu bedeuten hat.

Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht natürlich das „populistische Programm„ Thaksins. Er tat viel, um dieses schnell auf den Weg zu bringen. Hierbei handelt es sich um den Versuch, durch Stimulierung der Nachfrage mittels Armuts- und allgemein Entwicklungsförderung im ländlichen Raum die Unternehmen zu veranlassen, wieder zu investieren. Durch Abbau der Problem-Schulden (NPA) und Lockerung der Geldpolitik soll die Bereitschaft der Banken erhöht werden, investitionswilligen Unternehmen die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen, für die der Staat zusätzlich außerdem einen eigenen Investitionsfonds bereitstellte.

Thaksin hat die Armutsprogramme nicht erfunden. Die Krise hat die ärmere Bevölkerung unter allen gesellschaftlichen Gruppen am stärksten getroffen. Damit nahm die auch vorher schon krasse soziale Ungleichheit noch weiter zu. Die Krise hat zu einer Ausweitung der staatlichen Armutsförderung geführt. In nicht weniger als 52 verschiedenen Programmen wurde sie 1996/1999 real mehr als verdoppelt auf absolut über 34 Mrd. Baht. Die für die Armutsförderung bereitgestellten Mittel, die überwiegend international finanziert werden, stiegen von 1,8 % (1996) auf 4,2 % (1999) der Regierungsausgaben, das entspricht 0,3 % (1996) bzw. 0,7 % (1999) des BSP. Würden all diese Transfers die Zielgruppe tatsächlich erreichen - wovon man zum größeren Teil leider nicht ausgehen kann - so würde das Einkommen der Armen um nicht weniger als ein Viertel erhöht werden. Die Zielgenauigkeit von Thaksins Armutsprogrammen dürfte jedoch eher geringer sein. Diese Probleme sollen nur an einem Beispiel illustriert werden.

In Thailand gibt es über 70.000 Dörfer mit 10,7 Mill. Haushalten (ca. 2/3 aller Haushalte) und ca. 5,6 Mill. landwirtschaftliche Betriebe, von denen allerdings inzwischen nur etwa 40 % ihrer Eigentümer ihr Einkommen ausschließlich, weitere 32 % überwiegend aus dem landwirtschaftlichen Betrieb erzielen. Generell gilt: die Einkommen der Dorfbewohner und der Landbewirtschafter liegen deutlich unter denen der Städter, insbesondere der Bewohner des Großraums Bangkok. Die (statistisch) Armen finden sich gleichfalls fast ausschließlich auf dem Land, hier allerdings nicht relativ gleichmäßig verteilt, sondern in einer begrenzten Anzahl von Dörfern deutlich konzentriert. Diese Zielgruppe der Armen zu finden, ist daher nicht leicht. Flächendeckende ländliche Förderprogramme werden im Sinne der Reduzierung des Anteils der absolut Armen große Streuverluste aufweisen. Allerdings sollte auch nicht übersehen werden, dass Fördermittel, die den ländlichen Raum erreichen und dort vielleicht überproportional von den mittleren und höheren ländlichen Einkommenssegmenten angeeignet werden, einen gewissen Beitrag zur Egalisierung der nationalen Einkommensschichtung leisten - allerdings auf Kosten einer weiteren Spreizung der Einkommen auf dem Lande. Die relativ besten Ergebnisse bei der Erreichung der Armutszielgruppe hat man bisher bei den Beschäftigungsprogrammen erzielt, bei der Unbeschäftigte gegen unterdurchschnittliche Löhne - die das Programm eben für wohlhabendere Schichten unattraktiv machte! - meist temporär beschäftigt werden. Das investive Element dieser Transfers dürfte vermutlich auch eher als unbedeutend veranschlagt werden, obwohl systematische Erkenntnisse darüber nicht vorliegen.

Die Thaksin-Regierung sucht vor allem die Kreditlasten der Landbewirtschafter zu vermindern und verstärkt neue Kredite in den ländlichen Raum zu lenken. Durch ein „One Tambon - one Product„-Programm versucht man zudem, inhaltliche Anregungen für Produktentwicklungen zu geben und Vermarktungskanäle zu entwickeln. Die stärkere Nachfrage nach diesen Investitionsgütern sollte die entsprechenden Industrien und Dienstleistungen stimulieren - in der vagen Hoffnung, dass diese sich im Lande befinden und die inländische Wertschöpfung derselben mehr als marginal ist. Die Mehrproduktion für den Binnen- wie für den Exportmarkt würde gleichzeitig die Einkommen der Produzenten erhöhen, ihre Rückzahlungsfähigkeit und Bereitschaft sicherstellen, die übrige Wirtschaft stimulieren. Mit diesen Programmen will man zu viele Ziele gleichzeitig verwirklichen, die sich letztlich gegenseitig behindern. Sie sollen wie ein „big push„ wirken, müssten also zügig und flächendeckend umgesetzt werden. Der notwendige Feinschliff – also die Suche der Armutsgruppen, Formulierung und Durchsetzung von Kriterien und Bedingungen, die die investive Nutzung sicherstellen - muss mit diesem Tempogebot kollidieren. Darüber hinaus gibt es ein Sonderproblem: Die Bereitschaft und Fähigkeit, Außenmittel produktiv zu investieren, nimmt mit dem Grad der Armut eher ab.

Alles in allem begann die Thaksin-Regierung deutlich zügiger mit der Einleitung ihrer ruralen Programme als etwa noch die Chuan-Regierung. Diese hatte z.B. 1999 einen „Farmers Rehabilitation and Development Fund„ beschlossen, der mit 10 Mrd. Baht ausgestattet werden sollte und Kredite an Bauerngruppen von mindestens 50 Mitgliedern für geprüfte landwirtschaftliche Projekte ausgeben sollte. Anfang 2002 hatte der Fonds immer noch nicht zu arbeiten begonnen. Bürokratische und politische Konflikte im Apparat sollen die Ursache gewesen sein. Die Thaksin-Regierung suchte nun, durch Entlassung von 51 Provinzadministratoren dieses Programm zu revitalisieren und ab Mitte 2002 - so ist es geplant - beginnen zu lassen. Das eigene Flaggschiff-Programm ähnelt dem bisher lahmen Chuan-Projekt, es ist nur größer und einprägsamer, das „1 Million Baht pro Dorf„-Kreditprogramm:

Jedes Dorf - unabhängig von der Einwohnerzahl - kann einen Kredit bis zu der genannten Höhe beantragen, wenn 75 % der Dorfbewohner (inzwischen auf 50 % gesenkt) sich auf einen entsprechenden Antrag einigen können. Empfänger sind zu wählende Dorfausschüsse, die das Geld an einzelne Landbewirtschafter für investive Zwecke weiterreichen. Die Ankündigung des Programms löste eine wahre „Stampede„ von Anträgen von Ansiedlungen aus, den „Dorfstatus„ zugesprochen zu bekommen. In anderen Fällen vermochten fixe Jungs sich die Identitätskarten und die Zustimmung von Dorfmigranten zu besorgen, um als faktisch selbsternannter Ausschuss die Kredite zu beantragen. Einige flogen dabei auf. Tatsächlich sieht die Kreditsumme für die potentiellen individuellen Nutzer höher aus als sie tatsächlich ist. Bei einer Dorfgemeinschaft von 50 Mitgliedern wären es 20.000 Baht (500 $), bei 100 nur noch 10.000 Baht pro Haushalt. Die meisten ländlichen Haushalte drücken da schon ganz andere Schuldverpflichtungen, sehr oft auch als Konsequenz staatlicher Förderprogramme, die den Dörflern von den Beamten aufgeschwatzt worden waren - und die sich oft nicht rechneten.

Tatsächlich hielt sich der Andrang, diese Mittel zu beantragen, dann doch in Grenzen. Folgt man den offiziellen Verlautbarungen, lagen am 11. Juli 2001 6.527 Anträge vor, von denen gerade 701 genehmigt worden seien. Am 25.7.01 wollte man jedoch mit der Auszahlung an 7.125 Dörfer beginnen. Am 17.8.01 hieß es, dass inzwischen 300 Mill. Baht an die individuellen Nutznießer ausgezahlt worden seien - das würde etwa 300 Dörfern entsprechen. In vielen Dörfern kommt kein Konsens über die Beantragung der Kredite zustande. In anderen meint man, schon genug Schulden zu haben bzw. man will weiter schuldenfrei bleiben. Schließlich weiß man nicht, was man mit dem Geld sinnvoll anstellen soll oder vermag nicht, die bürokratischen Hürden (Antrag- und Projektformulierung) zu nehmen. Die Regierung sucht Hilfestellung zu leisten, indem sie im November 2001 ca. 70.000 arbeitslose College- und Juniorcollege-Abgänger in die Dörfer als „Sekretäre„ schickte, um den Dorfbewohnern bei der Beantragung und Verwendung der Mittel behilflich zu sein. Die jungen Leute wurden für 10 Monate (a 6.360 Baht = 148 $/Monat) eingestellt. Allein dieses Beschäftigungsprogramm wird die Regierung 10 Mrd. Baht kosten. Die Auswahl der „Sekretäre„ erfolgte auf Provinzebene, ohne transparente Kriterien, und kam damit gleich wieder in den Ruch des Klientelismus. Zu diesem Zeitpunkt behauptete die Regierung, schon 80 % der Mittel aus dem Dorfprogramm ausgegeben zu haben. Unabhängige Beobachter hielten 50 % noch für zu optimistisch. Wenn eine Reihe von Dörflern aus durchaus ehrenwerten Motiven sich am Programm nicht beteiligen wollen, gibt es andere, die offenbar auf ein „Schnäppchen„ setzen, die Kredite nicht investieren, sondern konsumieren - von einem Handy-Boom ist die Rede, eine der Firmen Thaksins wird sich freuen! - bzw. die Kredite zur Rückzahlung anderer Schulden nutzen. Wie bedeutsam diese anekdotisch berichteten Erscheinungen sind, wird sich zeigen, wenn es bei diesen Krediten an die Rückzahlung geht.

Ein Altschulden-Erlass ist eine populäre Forderung, die von organisierten Landbewirtschaftern immer wieder in der Hauptstadt vorgebracht wird. Das taten sie schon vor der Krise mit gelegentlichem Erfolg, das tun sie nicht minder auch während der Krise. Tatsächlich hätte die Exportlandwirtschaft Profiteur der Baht-Abwertung sein müssen und war es auch in engen Grenzen 1998. 1999 und 2000 brachen die realen landwirtschaftlichen Produzentenpreise jedoch ein. Vier Fünftel der Landbewirtschafter haben Kredite von der staatlichen BAAC erhalten, die ihre Tätigkeit im Jahrzehnt vor der Krise erheblich im ländlichen Raum ausgeweitet hatte. Bei dieser handelt es sich faktisch um einen Zwitter zwischen einer Wohlfahrtseinrichtung und einer Bank. Die Kreditbedingungen werden ihr politisch vorgeschrieben. Die Regierung sorgt stillschweigend für ihre Refinanzierung und den Ausgleich etwaiger Fehlbeträge. Die NPL sind entsprechend auch in normalen Zeiten hoch. Sie werden allerdings nicht veröffentlicht. Publiziert werden nur die Rückzahlung und die Rückzahlungsrate der anstehenden Darlehen, nicht jedoch der Zinsen. In den Jahren vor der Krise zahlten die Einzelhaushalte 13-14 % nicht zurück, die Genossenschaften und Farmers Associations blieben etwa 30 % der anstehenden Darlehen schuldig. In der Krise schnellten die nicht bedienten Schulden der einzelnen Haushalte auf ca. 25 % , der Genossenschaften auf 40 % herauf.

Thaksin versprach im Wahlkampf einen Schuldendiensterlass für Außenstände unter 100.000 Baht für drei Jahre. Manch ein Wähler mag dies als einen vollständigen Schuldenerlass missverstanden haben und noch verstehen. Man ging damals von einer Kostenbelastung von 18 Mrd. Baht p.a. aus, einer recht stattlichen Summe. Es wurde dann allerdings doch erheblich weniger. Man rechnet gegenwärtig mit 5,4 Mrd. Baht, obwohl man die potentiell Begünstigten auf Kreditnehmer mit Außenständen von bis zu 200.000 Baht ausgeweitet hat. Allerdings bot man den Teilnahmeberechtigten auch Anreize, sich nicht zu beteiligen: Wer seinen Schuldendienst gestundet bekommt, erhält in dieser Zeit keine neuen Darlehen. Wer auf die Stundung verzichtet, kann eine Zinsreduktion um 3 % (etwa 17-33 % der Zinskosten) in Anspruch nehmen. Von den ca. 5 Mill. Kreditnehmern, davon 3,5 Mill. Individualhaushalte, die übrigen in Genossenschaften, qualifizierten sich ca. 2,4 Mill. als Berechtigte. 1,2 Mill. mit einer ausstehenden Kreditsumme von 54 Mrd. Baht (21 % aller Ausleihungen der Bank) nutzen das Stornierungsangebot. 1,1 Mill. wählten die Zinsreduktion. Die Nagelprobe wird auch in diesem Programm später erfolgen: Wie viele der Schuldner werden nach diesen drei Jahren bereit und in der Lage sein , ihren Schuldendienst wieder aufzunehmen. Kritiker vermuten eine weitere Verwässerung der Rückzahlungsmoral. Ganz von der Hand zu weisen ist dies nicht.

Das gilt auch für die Bemühungen der Thaksin-Regierung, die urbane Wirtschaft durch Revitalisierung des Kreditgeschäftes zu beleben. Im Wege stehen hier immer noch die relativ hohen NPL. Durch Gründung einer staatlichen Vermögensgesellschaft wurden diese den staatlichen Banken und nur z.T. den privaten Banken abgenommen, allerdings nicht zum Nennwert und mit einer Klausel, die bei einem günstigeren als erwarteten Verkauf die Banken nachträglich am Erlös beteiligen soll. Gleichwohl bleiben die Geschäftsbanken immer noch vorsichtig bei ihren Neuausleihungen, obwohl sie in Liquidität „schwimmen„ und man ihnen weitere Liquidität durch Lockerung der Reservehaltepflichten verschafft. Sie fürchten, durch Neuausleihungen wieder in die NPL-Falle zu geraten, und das ist nicht ganz unbegründet. Als ziemlich sichere Alternative können sie hingegen heute relativ attraktiv verzinste Anleihen zeichnen, die der Staat emittieren muss, um die Finanzrestrukturierungskosten und die Konjunkturprogramme finanzieren zu können. Thaksin blieb schließlich nichts anderes übrig, als den mehrheitlich staatlichen Banken die Anweisung zu geben, ihre Neu-Ausleihungen auszuweiten. Er hat damit einen sehr riskanten Weg eingeschlagen. War der crash von 1997 ff. doch auch eine Folge der Krise der allzu sorglosen und unprofessionellen und letztlich überdehnten Ausleihungen des Bank- und Finanzsektors.

Der messbare Erfolg von „Thaksinomics„ blieb bisher aus. Das liegt z.T. an der Kürze der Zeit. Viele Maßnahmen konnten erst Mitte 2001 und später beginnen und natürlich nicht sofort greifen. Ob sie überhaupt die von ihnen erhoffte Wirkung erzielen, muss sich allerdings erst noch erweisen. Auch Thaksin hat inzwischen erkannt, dass das Defizit-spending bei einer Staatsverschuldung von inzwischen über 60 % des BSP nicht weiter forciert, sondern eher heruntergefahren werden muss. Die Wirtschaft erlebte 2001 nur ein mageres und enttäuschendes Wachstum von + 1,3 %, u.a. auch verursacht durch den Einbruch der Exporte (um ca. - 5 %). Die Prognosen der Investmentbanken und Forschungsinstitute sind im Durchschnitt von + 2,4 % für 2002 auch nicht sehr erwartungsvoll. Sie sind allerdings noch etwas optimistischer als die Planungsbehörde mit einer Wachstumserwartung von + 2 % für 2002. Über diese Voraussagen wird jedoch nach wie vor weniger in Thailand als durch die Konjunkturentwicklung in den USA und den anderen wichtigen Märkten entschieden. Thailand verfügt über eine vom Weltmarkt abhängige Ökonomie. Daran wird sich auch in Zukunft kaum etwas ändern lassen. In der Vergangenheit hat Thailand die Chancen des Weltmarktes zu nutzen gewusst. Inzwischen haben sich allerdings die äußeren und inneren Bedingungen gewandelt. Reformen in Thailand sind notwendig, um unter diesen veränderten Herausforderungen, neue Nischen und Chancen besetzen, die immer damit auch verbundenen Risiken aber besser abzufedern.

Eine Stärkung des Binnenmarktes - wie sie von Thaksin erhofft wird - würde diesen Erfordernissen nicht widersprechen und durchaus auch in die richtige Richtung weisen, wenn die notwendigen Effizienz- und Produktivitätssteigerungen der Wirtschaft nicht behindert werden. Dazu ist auch eine bildungsmäßige „Aufrüstung„ der Arbeitskräfte notwendig, ferner die wenigstens allmähliche Etablierung von Forschungs- und Entwicklungskapazitäten und eine Reform des corporate governance. Wichtig ist auch eine Ausweitung des Wettbewerbs auch auf dem Binnenmarkt, was durch partiellen Ausschluss ausländischer Unternehmen kaum möglich sein wird, ein robustes Finanzsystem, das Sparen ermöglicht und sinnvolle (rentable) Investitionen mit-finanziert. Schließlich ist unverzichtbar eine „good governance„, die den notwendigen Infrastruktur-, Sicherheits- und Rechts- sowie den Sozial- und Regulierungsaufgaben des Staates effizient und unparteiisch nachkommt und diese Aufgaben (auch ohne Pump) finanzieren kann. Die Liste ist nicht besonders originell. Sie wird vom Mainstream der Politik, der Wirtschaftswissenschaftler, auch wohl der Wirtschaft kaum bestritten. Diese Reformpostulate waren auch vor der Krise dringlich und sichtbar. Die Krise hat die Aktualität einerseits akzentuiert und parochiale Reformgegner (zeitweise?) geschwächt, andererseits wird der Reformprozess durch die tagesaktuellen Erfordernisse des Krisenmanagements auch behindert, wiegen die unvermeidlichen Reformkosten unter den Bedingungen der öffentlichen und privaten Krisen-Knappheit doppelt schwer.


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