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Simbabwe / Felix Schmidt - [Electronic ed.] - Bonn, 2002 - 24 S. = 81 KB, Text . - (FES-Analyse) Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2002 © Friedrich-Ebert-Stiftung
Die Landreform Chiffre für grundsätzliche Probleme und Konflikte Die Präsidentschaftswahlen im März 2002 [Seite der Druckausg.: 1]
Die Landreform Chiffre für grundsätzliche Probleme und Konflikte Simbabwe geriet in den letzten beiden Jahren in die Schlagzeilen der Weltpresse, als die von der Regierung jahrelang vernachlässigte und dann plötzlich heftig proklamierte Landreform sich in zunächst vereinzelten, dann aber massenhaft auftretenden gewalttätigen Überfällen auf Farmen und andere landwirtschaftliche Betriebe (vornehmlich im Besitz von Weißen) artikulierte. Seither gerät die schon lange krisenhafte Entwicklung des Landes ins Blickfeld der internationalen Öffentlichkeit, und auch im Land selbst zeigt sich die Landreform als Symbol und Schnittstelle vieler grundsätzlicher Probleme der nationalen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft: Entwicklungsbemühungen der westlichen Welt basieren auf einem pluralistisch auszubuchstabierenden Wertekatalog, der Demokratie und Marktwirtschaft als zentrale Begriffe benennt. Bei der Armutsbekämpfung wird wirtschaftliches Wachstum als wichtigstes Element begriffen. Eine Steigerung der Agrarproduktion bedingt Investitionen in Infrastruktur und landwirtschaftlichen Betrieben. Eine gesicherte Regelung des Bodenrechts ist Grundvoraussetzung für Produzenten, Ressourcen in ihren Besitz einzubringen. Alle diese Bedingungen wurden in Simbabwe in den letzten Jahren durch die 'fast track' Landreform ignoriert und ins Gegenteil verkehrt. Rechtssicherheit wurde aufgehoben, Besitztitel an Boden wurden wertlos gemacht und damit das Risiko jeder Zukunftsinvestition im Agrarbereich massiv erhöht. Um die Ungerechtigkeiten aus der Kolonialzeit zu beseitigen, werden weiße Farmer entschädigungslos enteignet, auch wenn sie ihre Gehöfte erst nach der Unabhängigkeit 1980 erworben haben. Rechtssicherheit als Voraussetzung für Investitionen existiert nicht mehr länger, Desinvestitionen und Kapitalflucht sind die Folge. Noch schwerwiegender ist der 'brain drain' von Tausenden qualifizierter Simbabwer, überwiegend junge Schwarze, die ihr Glück lieber in Südafrika, Europa oder den USA suchen. Sie orientierten sich an Grundsätzen, die nicht dem Credo der regierenden Gerontokraten entsprechen, die sich auf antiimperialistische Rhetorik [Seite der Druckausg.: 3] konzentrieren und ihre Legitimation aus den Leistungen des Befreiungskampfes ziehen. Sie sehen in der Landreform auch nicht den dritten 'Chimurenga', wie der Befreiungskrieg auf Shona genannt wird, sondern schlicht ein Mittel der massiven Verelendung des Landes und den weiteren wirtschaftlichen Niedergang. Für die Regierung hingegen ist diese Befreiung von kolonialen Überbleibseln Grundvoraussetzung für die endgültige Unabhängigkeit, die wirtschaftlichen Folgen und die Verarmung der Bevölkerung werden dabei als notwendige Begleiterscheinung in Kauf genommen. Auch der Preis, sich von der Völkergemeinschaft zu distanzieren und abzukoppeln, ist nicht zu hoch. Selbst mit den afrikanischen Nachbarn, die des Neokolonialismus unverdächtig sind, wird der Konflikt in Kauf genommen. Besonders Südafrika, das durch die Wirtschafts- und Vertrauenskrise Simbabwes schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde, versucht, auf die Regierung Einfluss zu nehmen und sie zu einem Kurswechsel in diesem selbstzerstörerischen Akt zu bewegen. Dass es dem Präsidenten Mugabe mit der Landreform in erster Linie um den Machterhalt geht, ist inzwischen deutlich geworden. Schon immer war sein Herrschaftssystem auf Patronage aufgebaut, doch gingen ihm im Laufe seiner Herrschaftsjahre schrittweise die Mittel hierfür aus. Die Wirtschaftskrise reduzierte die Möglichkeiten, Günstlinge mit lukrativen Posten in staatlichen Unternehmen oder ähnlichem zu belohnen. So instrumentalisierte er nun geschickt die letzte ihm zur Verfügung stehende Ressource - den Boden -, um den Anschein zu erwecken, hier gehe es um die Korrektur von Ungerechtigkeiten aus der Kolonialzeit. So wird ein Rassenkonflikt konstruiert, der die weißen Großbauern als Gegner des legitimen Anliegens der armen Massen im Kampf um den Zugang zu Boden darstellt. Nachdem keine anderen sichtbaren Vorteile von Regierungsseite zu erwarten sind, sich im Gegenteil der Lebensstandard in den letzten sechs Jahren für die große Mehrheit der Simbabwer massiv verschlechtert hat, kam das Versprechen auf die Ressource Boden als letzte Verheißung vor den im März 2002 anstehenden Präsidentschaftswahlen. Mugabe tritt nach 22 Jahren an der Regierung wieder zur Wahl an, denn, so seine Begründung, nur er sei in der Lage, das Land aus der Krise zu führen. Dabei ist er derjenige, der die Hauptverantwortung für das jetzige Chaos trägt. Denn der Umbau in einen repressiven Staat beschränkt sich nicht allein auf die gewaltsame Landreform und ihre Begleiterscheinungen. Die Grundsätze der Gewaltenteilung stehen genauso auf dem Prüfstand wie die Unabhängigkeit der Justiz und der Medien. Auch die Parlamentswahlen im September 2000 und die darauf folgenden Nachwahlen waren bereits von massiver Gewalt, Einschüchterung und versuchten Wahlfälschungen begleitet. Allerdings hat sich der seit 1980 regierende Staatschef Mugabe inzwi- [Seite der Druckausg.: 4] schen dabei immer mehr in eine Sackgasse manövriert. Der Abbau der Bürgerrechte kann nur durch immer stärkere Repressionen aufrecht erhalten werden, was wiederum zu weiter sinkender Popularität führt. Die Regierung ist in einen Teufelskreis geraten, der durch die Wirtschaftskrise verschärft wird. Simbabwe ist mittlerweile das Land mit der am schnellsten schrumpfenden Wirtschaft unter allen Staaten geworden. Die sich beschleunigende Verelendung breiter Teile der Bevölkerung bildet einen Bodensatz von Hoffnungslosigkeit und Gewaltbereitschaft, der jederzeit in unkontrollierbare Aufstände ausbrechen kann. Die einzige Lösungsmöglichkeit auch dieser Krise sieht die Regierung in einer massiven Aufrüstung der staatlichen Sicherheitsorgane, also einer weiteren Zunahme von Repression, und in der Wiederwahl des seit 21 Jahren herrschenden Präsidenten. Die Präsidentschaftswahlen im März 2002 Bei den am 9. und 10. März 2002 stattfindenden Präsidentschaftswahlen kommt es zu einem Zweikampf zwischen Mugabe und Morgan Tsvangirai, dem ehemaligen Generalsekretär des Gewerkschaftsdachverbandes und heutigen Präsidenten der MDC.
Diese Wahlen finden in einem Klima von Gewalt und Einschüchterung statt. Der seit Jahresende 2001 voll ausgebrochene Wahlkampf führt ständig zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern beider Seiten. Mehrere Tote, Dutzende von Verletzten und Hunderte von Verhafteten, die meist aus dem MDC-Lager kommen, führen zeitweilig zu bürgerkriegsähnlichen Situationen. Wie jüngst in Bulawayo, der zweitgrößten Stadt des Landes, werden die Attacken vor allem gegen Veranstaltungen der Opposition "spontan", aber meist im Hintergrund gut orchestriert, oft von Mugabe-treuen Jugendlichen, von "Veteranen" oder deutlich als Anhänger der Regierungspartei auftretenden Gruppen ausgelöst, die dabei mitunter auf offene, zumindest aber auf stillschweigende Unterstützung der Polizei rechnen können. Greifen die Ordnungshüter ein, werden vorzugsweise Oppositionsanhänger festgenommen. In einigen Landesteilen führten die Auseinandersetzungen bereits zu massenhaften Fluchtbewegungen der Anwohner. Bedingungen für freie und faire Wahlen sind nach übereinstimmender Meinung aller Beobachter nicht gegeben. Die MDC will aber dennoch zur Wahl antreten, da sie hierin die letzte Möglichkeit sieht, einen Wandel auf friedlichem Wege durchzusetzen. Bei einer Wahlniederlage der MDC dürften sich vermutlich große Teile der Bevölkerung um ihren rechtmäßigen Wahlsieg betrogen sehen. Umgekehrt haben die Kriegsveteranen bereits angekündigt, dass sie einen Wahlsieg der Opposition [Seite der Druckausg.: 5] nicht akzeptieren und in diesem Falle in den Bürgerkrieg ziehen würden. Besonders eindeutig artikulierten sich die Chefs der Polizei, des Geheimdienstes und der Streitkräfte, die in einer gemeinsamen Erklärung verkündeten, nur ein "Held des Befreiungskrieges" (wie Mugabe) könne das höchste Staatsamt einnehmen und sie würden niemand anderen als Mugabe als Wahlsieger akzeptieren. Mugabe hatte immerhin auch eine Woche zuvor den Sold der Angehörigen der Sicherheitskräfte unabhängig von den eigentlich leeren Staatskassen fast verdoppelt. Die Hoffnung ist daher gering, dass sich die Gewaltspirale bis zum Wahltag (und wohl auch danach) wieder zurückdrehen lässt. Während die beiden Opponenten ihren Wahlsieg als sicher in der Tasche glauben, gehen Beobachter trotz der ungleichen Wahlkampf- und Wahlbedingungen von einem 50:50 Szenario aus. Ein Wahlsieg Mugabes hätte vermutlich zur Folge, dass er danach die internationalen Beziehungen zu verbessern trachtet, die Landreform als abgeschlossen erklärt und sich um Geberhilfe bemühen wird. Vielleicht erklärt er auch alsbald nach den Wahlen seinen Rücktritt und macht einem Nachfolger Platz. Dieser könnte der Parlamentssprecher Emmerson Mnangagwa sein, auch wenn er in der Bevölkerung nur wenig beliebt ist und seinen Wahlkreis bei den Parlamentswahlen 2000 haushoch gegen einen MDC Kandidaten verloren hatte. Ein Sieg der MDC würde auf erheblichen Widerstand des politischen Establishments stoßen und außerdem eine Verfassungskrise heraufbeschwören, da sich das Parlament nach wie vor mehrheitlich in Händen der ZANU(PF) befände. Dreißig von Mugabe ernannte Abgeordnete sind für die gesamte Legislaturperiode gewählt. Auch wird vielfach befürchtet, dass die MDC mangels Regierungserfahrung nicht in der Lage sei, die Krise des Landes zu lösen. Sicherlich würde es nach einer Übernahme der Regierungsverantwortung durch die Opposition zunächst eine Reihe von Schwierigkeiten geben, die freilich überwindbar scheinen, da die MDC zumindest teilweise mit einer gut ausgebildeten, jungen Mannschaft antreten wird. Die MDC hat bereits ein gegenüber der jetzigen Regierung deutlich verkleinertes Schattenkabinett der Öffentlichkeit vorgestellt, das überwiegend aus Experten der jeweiligen Fachressorts besteht. Auf jeden Fall dürfte das Regierungshandeln nicht noch schlimmer werden, als es jetzt bereits ist. Die Kandidaten Der heute 77jährige Robert Gabriel Mugabe fand nach der Unabhängigkeit Simbabwes im Jahre 1980 weltweite Anerkennung, als er sofort nach Beendigung des blutigen Befreiungskampfes zur nationalen Versöhnung aufrief und die weißen Rhodesier aufforderte, gemeinsam mit der schwarzen Mehrheit den jungen Staat Simbabwe aufzubauen. Diese überraschende Haltung des bekennenden Marxisten überdeckte die Tatsache, dass es bereits 1982 zu blutigen ethnischen Säuberungen in Matabeleland im Süden [Seite der Druckausg.: 6] Simbabwes kam, bei denen Tausende von Ndebele den Tod fanden. Die berüchtigte Fünfte Brigade der Armee, von Nordkorea ausgebildet, richtete schreckliche Massaker unter der Zivilbevölkerung an. Diese Grausamkeiten hat ein großer Teil des Volkes der Ndebele Mugabe bis heute nicht verziehen. Politisch strebte Mugabe lange den Einparteienstaat an, sein Ansinnen fand erst ein Ende, als es ihm gelang, die frühere Partei der Ndebele, die ZAPU, in einer Zwangsehe in seine ZANU(PF) zu integrieren. Die vor allem vom Stamm der Shona geprägte ZANU(PF) wird wiederum von den Zezuru dominiert, eine Untergruppe der Shona, der auch Präsident Mugabe und viele seiner engsten Vertrauten angehören. Obwohl Mugabe sich nie von seiner Stammeszugehörigkeit löste, fand eine wesentliche Prägung seines Charakters durch seine Erziehung durch Jesuiten statt. Seine hohe Begabung und sein scharfer Intellekt wurde frühzeitig erkannt und gezielt gefördert. Im Laufe der Zeit haben gerade diese Fähigkeiten ihn selbst von seinen engsten Beratern und Kabinettskollegen entfremdet und ihn immer mehr vereinsamen lassen. Heute ist er der festen Überzeugung, dass nur er allein in der Lage sei, die Geschicke des Landes zu lenken. Aussagen wie "keiner kann die Wirtschaft Simbabwes besser steuern als ich", oder "meinem Kabinett kann ich nicht trauen, die Landreform zu Ende zu führen, sie besitzen nicht mein Rückrat" belegen die Arroganz eines 21 Jahre autokratisch regierenden Staatsführers. Dies ist auch der Grund, weshalb keiner ihn davon abbringen konnte, trotz seines hohen Alters erneut als Präsidentschaftskandidat der ZANU(PF) ins Rennen zu gehen, obwohl seine Beliebtheit in der Bevölkerung mittlerweile extrem gering ist. Mugabe ist letztendlich eine tragische Figur; seine weltweit anerkannten Leistungen nach der Unabhängigkeit verblassen immer mehr und weichen dem Bild eines weiteren afrikanischen Despoten, dem die Wohlfahrt seines Landes völlig gleichgültig ist und dessen einziges Ziel zu sein scheint, sich bis zum Tode an die Macht zu klammern. Dabei ist er nicht mit habgierigen Tyrannen vom Schlag eines Mobutu oder Abacha zu vergleichen. Trotz vieler gegenteiliger Anschuldigungen dürfte er sich nicht in nennenswertem Umfang persönlich bereichert haben. Neben seiner ausgeprägten bis skrupellosen Machtbesessenheit sind es auch ideologische Gründe, die sein Handeln prägen. Seine strenge Erziehung hat ihn zu einem Asketen werden lassen, der weltlichen Genüssen kaum nachgeht, aber dafür auch so gut wie keine Toleranz gegenüber allen Andersdenkenden aufbringt. Seine Ausfälle gegen Homosexuelle, die er kulturell mit Hunden vergleicht, sind nur ein Beispiel dafür. Auch hat er seine marxistische Prägung nie vergessen, allenfalls als pragmatischer Politiker angesichts der Entwicklungen in der Welt unterdrückt. Als er im Oktober 2001 bei einer Beerdigungsrede verkündete, [Seite der Druckausg.: 7] dass man nach dem Fehlschlag der von fremden Mächten aufgezwungenen Strukturanpassungsprogramme nun endlich wieder zum Sozialismus zurückkehren könne, wirkte dies wie eine tiefe innere Befreiung. Er glaubt sicherlich fest daran, dass Simbabwe sich damit auf dem Weg zum Paradies befindet. Dieser intelligente, durch seine Lebenserfahrungen zunehmend verbitterte, in den 21 Jahren an der Macht sich von den Lebensrealitäten seiner Bürger immer weiter entfremdende alte Befreiungskämpfer tritt nun in einem von ihm persönlich wirtschaftlich zerrüttetem Land gegen einen politischen Gegner an, der unterschiedlicher kaum sein könnte: Morgan Tsvangirai, der ehemalige Gewerkschaftsführer, stammt selbst aus einfachen Verhältnissen. Er kann keine höhere Schulbildung nachweisen, seine Talente entwickelten sich während seiner Zeit als Minenarbeiter und in den Auseinandersetzungen in den unterschiedlichen Funktionärsposten in der simbabwischen Gewerkschaftsorganisation. Als Generalsekretär des nationalen Dachverbandes fand er Anerkennung sowohl in Simbabwe als auch international. Dieser junge, ungebildete Bursche könnte Mugabes Enkel sein. Mit so einem muss er in den Wahlkampf? Mugabe kann das nur als eine nachgerade beleidigende Zumutung begreifen. Kein Wunder, dass er sich bisher nie bereit fand, auch nur ein Gespräch mit Tsvangirai zu führen. Erst massiver Druck durch die benachbarten Präsidenten im SADC Raum konnte ihn dazu bewegen, ihm während einer Anhörung wenigstens zuzuhören. Zu sagen hatte er ihm allerdings nichts. Morgan Tsvangirai ist auch in seiner Persönlichkeit das Gegenteil Mugabes. Problemlos kann er in einem Stadion die Massen begeistern, er steht da als einer von ihnen, vom Volk. Mugabe hingegen wirkt immer distanziert und weit weg von allem Irdischen. Er denkt streng hierarchisch, selbst seine wichtigsten Kabinettsmitglieder oder seine beiden Vizepräsidenten stehen in der Hierarchie weit unter ihm. Tsvangirai hingegen wirkt hemdsärmelig. Seine Arbeitsweise ist teamorientiert, er sucht aktiv die Unterstützung seiner Berater. Tsvangirai hört zu, Mugabe doziert. Zwischen beiden sind nicht nur Generationenunterschiede, auch die Führungsstile sind völlig gegensätzlich. Bei öffentlichen Veranstaltungen kann man sich Tsvangirai vorstellen, zu Fuß und händeschüttelnd durch die Zuhörer zum Podium zu laufen. Mugabe braust mit seiner Präsidentschaftsentourage an, streng abgeschirmt vom Volk. Nach Ende des Auftritts nur rasch zurück in den Mercedes und in Hochgeschwindigkeit geht es wieder ins weiträumig abgesperrte Statehouse. [Seite der Druckausg.: 8] Politische Kultur und Akteure Simbabwe hat inzwischen praktisch ein Zweiparteiensystem, bei dem die ZANU(PF) und die MDC das politische Geschehen dominieren. Traditionell hat noch ZANU-Ndonga in der Gegend um Chipinge im Osten des Landes ein sehr begrenztes regionales Gewicht. Die einst von der internationalen Christdemokratie unterstützte Zimbabwe Union of Democrats (ZUD) um Margret Dongo, die in der vergangenen Legislaturperiode noch einen Parlamentssitz inne hatte, dürfte in der Zukunft keine Rolle mehr spielen. Der Präsidentschaftswahlkampf läuft auf einen Zweikampf zwischen Mugabe und Tsvangirai hinaus. Alle anderen Kandidaten werden nur marginale Ergebnisse erzielen. Wie erwähnt, stehen die beiden Hauptkandidaten für völlig unterschiedliche Wertauffassungen und Weltsichten. Für die beiden sie unterstützenden Parteien gilt dies mit Einschränkungen ebenfalls. Grundsätzlich erscheint die MDC als pro westliche Modernisierungspartei. Ihre überwiegend jungen, häufig gut ausgebildeten Führungskräfte kommen aus der Mittelschicht und sind meist in städtischen Berufen tätig. Prominent vertreten sind Anwälte und Universitätsabsolventen anderer Fachrichtungen. Nicht wenige haben in Europa oder den USA studiert. Der zweite Ursprung ihrer Klientel ist das Gewerkschaftsspektrum. Die Gewerkschaften dürfen für sich in Anspruch nehmen, die Partei überhaupt ins Leben gerufen zu haben. Die Tatsache, dass nun sowohl ein Gewerkschaftsflügel als auch ein bürgerlich-akademisch geprägter Mittelstand die Partei führen, bringt nicht selten ideologische Spannungen mit sich. Diese Spannungen und Konflikte dürften nicht ungewöhnlich sein und wurden bislang auch konstruktiv im Rahmen der innerparteilichen Auseinandersetzungen geführt. Eine Partei ohne ideologische Differenzen wäre wohl auch wenig zukunftsorientiert. Nachdem die MDC sich in nur zwei Jahren aus dem Nichts zu einer landesweit präsenten Partei entwickelt hat, werden auch in Zukunft Flügelkämpfe zu erwarten sein. Wichtig wird daher sein, ob die Führung auch weiterhin in der Lage ist, diese Konflikte konstruktiv aufzugreifen. Gelingt ihr dies, können sie sogar dazu dienen, die inhaltliche Debatte zu verstärken, sich von einer rein personenorientierten Fixierung, die so viele afrikanische Parteien kennzeichnet, abzusetzen und stärkere programmatische Akzente zu setzen. Die MDC hat sich bereits seit ihrer Gründung um ein ideologisches Profil bemüht. Schon während der Geburtsstunde, der sogenannten Working Peoples Convention, die Ende 1998 unter der Führung des Gewerkschaftsdachverbandes organisiert wurde, begannen einzelne Arbeitsgruppen mit der Erarbeitung von Ansätzen eines [Seite der Druckausg.: 9] Grundsatzprogramms, das dann 1999 als Manifest der MDC der Öffentlichkeit vorgestellt wurde und durchaus programmatisches Profil besaß. Die MDC versteht sich als sozialdemokratische Partei, die marktwirtschaftlich ausgerichtet ist. Unter diesen Prämissen wurden die einzelnen Politikbereiche, wie z.B. die Agrar-, Gesundheits-, und Wirtschaftspolitik in ihren Grundzügen vorgestellt. Für die Präsidentschaftswahlen hat die MDC ihr politisches Programm weiter ausgearbeitet. Hierzu gehört ein Sofortprogramm, das in Phasen aufgeteilt ist. Diese Prioritätenliste enthält die Maßnahmen in den ersten 48 Stunden (!) nach einer eventuellen Machtübernahme, die Entscheidungen in der ersten Woche, sodann ein 30 Tage-Programm und schließlich längerfristige Ziele einer MDC-Regierung. Experten aus verschiedenen Fachbereichen haben hierzu Hintergrundpapiere erstellt und stehen als Berater für die Umsetzung zur Verfügung. Hätte die Regierung nicht ein Finanzierungsverbot von außerhalb für politische Parteien durchgesetzt - obwohl die ZANU(PF) schon immer von außen unterstützt wurde und wohl auch weiterhin von außen Mittel erhält -, hätte die MDC ihr Regierungs- und ihr Grundsatzprogramm noch weiter mit Expertenhilfe von außen präzisieren können. Die Bereitschaft, internationale Erfahrungen und Beratung aufzunehmen, besteht in vielen einzelnen Politikfeldern. Ein beispielhaftes Thema, das zugleich ein wenig die wirtschaftspolitische Orientierung der MDC zu bewerten erlaubt, ist die notwendige Umgestaltung der Zentralbank, die sich an den Erfahrungen in Deutschland orientieren könnte. Während die MDC als junge Partei im Aufbau mit viel Engagement, Innovationskraft und Enthusiasmus an ihre Herausforderungen herangeht, stellt sich die ZANU(PF) völlig anders dar. Nach 21 Jahren an der Macht wirkt sie ausgelaugt und verbraucht. Wenn es um inhaltlich ideologische Debatten geht, finden diese nicht innerhalb der Partei statt, sondern der Präsident als einzig dominierende Figur verkündet radikale Kurswechsel der Partei auf Beerdigungen. Wie Ende letzten Jahres geschehen, als er die Rückkehr zum Sozialismus ankündigte. Einerseits besitzt die ZANU(PF) erhebliche finanzielle Ressourcen, Ergebnis ihres weitverzweigten Geschäftsimperiums. Zum anderen gibt es nach wie vor ein großes Reservoir an Talenten innerhalb und im Umfeld der Partei, das freilich gegenwärtig nicht genutzt wird. Der Präsident selbst duldet keine anders lautenden Meinungen. Auch moderate kritische Stimmen werden sofort unterdrückt. Selbst langjährige Weggefährten von hohem politischen Kaliber werden bei Anzeichen von Illoyalität oder auch nur geistiger Eigenständigkeit augenblicklich in die politische Wüste geschickt. Beispiele aus jüngerer Zeit sind Eddison Zvobgo, eine der führenden historischen Figuren der ZANU(PF), oder Cyril Ndebele, der weltweit anerkannte ehemalige Parlamentssprecher. [Seite der Druckausg.: 10] Interessant ist, dass keiner der kaltgestellten hochrangigen ZANU(PF) Politiker bislang den Schritt in die Opposition getan hat. Auch die Gründung einer eigenen Partei hat nach Edgar Tekere, dem früheren Generalsekretär der ZANU(PF), außer einigen halbherzigen Versuchen von unzufriedenen ehemaligen Abgeordneten der Partei niemand ernsthaft versucht. Es erstaunt auch, wie geschickt Mugabe seine Partei auf Linie zu halten versteht. Selbst wenn die internen Spannungen mitunter die Partei zu zerreißen scheinen, gelingt es ihm, durch eine bewährte Mischung von Belohnung und Bestrafung die Kontrolle in den Händen zu behalten. Meist spitzen sich die Spannungen vor dem Parteikongress zu. Aber während des Kongresses sind die unterschiedlichen Strömungen wieder im gleichen Flussbett vereint. Die nach chinesischem Vorbild strukturierte ZANU(PF) mit einem Politbüro für die wichtigsten täglichen Entscheidungen und einem großen Zentralkomitee für längerfristige Grundsatzentscheidungen, ist streng hierarchisch aufgebaut. Eine Verjüngung fand bislang kaum statt. Die beiden Vizepräsidenten sind wie Mugabe Ende 70, das Durchschnittsalter im Zentralkomitee liegt nicht viel darunter. Der Dissens innerhalb der Parteigliederungen kommt daher von unten. In vielen Parteistrukturen auf Provinzebene wurde die Unzufriedenheit so groß, dass die Spitze teilweise mit drastischen Mitteln reagierte. So konnte in den meisten Fällen zwar durch geschickt gesteuerte Wahlen die lokale Führung ausgewechselt werden, in manchen Fällen - wie in Masvingo - gelang dies aber nicht zur Zufriedenheit der Parteispitze. Hier griff Mugabe zum inzwischen bewährten Mittel des Einsatzes seiner Reservearmee, den Kriegsveteranen. Sie besetzten die Parteibüros und warfen die bestehende Führung schlicht hinaus. Ein Vorgehen, das auch in Distriktverwaltungen in mehreren Fällen angewendet wurde. Letztlich demonstriert die Mugabe-ergebene Parteiführung damit, dass es der ZANU(PF) bis heute nicht gelungen ist, sich von einer militanten Guerillabewegung zur Befreiung des Landes in eine zivile politische Partei umzuwandeln. So werden auch politische Auseinandersetzungen mit Kriegsrhetorik geführt. Der Kampf mit dem politischen Gegner kennt nur Sieg oder Niederlage, für Kompromisse gibt es keinen Raum. Entweder der Gegner wird vernichtet oder man selbst. Zunehmend werden auch andere Länder in dieses Freund-Feind Schema gepresst. Mittlerweile wird der Großteil der westlichen Welt als Feind Simbabwes betrachtet, dem allein daran gelegen ist, das Land zu zerstören. Ein derart fundamentalistisches Denken ist besorgniserregend, da es zunehmend die Möglichkeiten für einen Dialog verbaut und eine Lagermentalität fördert, die zum Nährboden für extremistische Tendenzen wird. Die Mittel sowohl zur innerparteilichen Disziplinierung wie gegenüber dem politischen Gegner sind allein Gewalt und Einschüchterung. Dies erklärt auch, warum bislang kaum Kritiker [Seite der Druckausg.: 11] offen zur Opposition übergelaufen sind. Als z.B. der Industrieminister Nkosana Moyo wegen der anhaltenden Fabrikbesetzungen durch Kriegsveteranen seinen Rücktritt erklärte, brachte er erst seine Familie im Ausland in Sicherheit. Er selbst sandte seinen Rücktritt per Fax von Johannesburg auf dem Weg in die USA an den Präsidenten. Bis heute haben er und seine Familie Simbabwe nicht mehr betreten. Die Kriegsveteranen Die Vorstellung der Regierung von Demokratie heißt: Kampf um die Macht mit allen Mitteln. Dabei hilft eine Schlägertruppe, die sogenannten "Kriegsveteranen". Sie sind gut organisiert und haben eine direkte Kommandostruktur außerhalb des Regierungsapparates. Die Farmbesetzungen werden mit Hilfe von Teilen der Armee, der lokalen Verwaltungsapparate und des Geheimdienstes CIO (Central Intelligence Organisation) organisiert. Auch die gewaltsamen Fabrikbesetzungen und Überfälle auf Schulen, Gerichte und andere Institutionen, die keine 100 prozentige Gefolgstreue nachweisen können, werden zentral gesteuert. Die Besetzungen in der Hauptstadt Harare z.B. wurden vom Provinzhauptquartier der ZANU(PF) aus geleitet. Die in der Zimbabwe National War Liberators Association zusammengeschlossene Gruppe der sogenannten Befreiungskämpfer trat erstmals 1997 massiv an die politische Öffentlichkeit, als sie erfolgreich für staatliche Renten als Kompensation für ihre Rolle im Befreiungskampf demonstrierte. Die Demonstrationen liefen zum Teil gewalttätig ab und brachten Mugabe in ernsthafte Bedrängnis. Ohne Rücksprache mit Kabinett oder Parlament sagte er damals die Auszahlung von Pensionen in Höhe von monatlich 2 000Z$ sowie eine Einmalzahlung von 50 000 Z$ an die Kriegsveteranen zu. Diese nicht im Haushalt eingeplanten Sonderzahlungen summierten sich auf 5 Mrd. Z$ (seinerzeit etwa 450 Mio. US$) und stürzten den Außenwert des Simbabwe-Dollars im November 1997 von 11Z$ auf etwa 20Z$ zum US$. Damit wurde der bis heute anhaltende wirtschaftliche Verfall Simbabwes eingeleitet, verursacht vor allem durch das nicht mehr kontrollierbare Haushaltsdefizit. Doch seit dieser Zeit ist es Mugabe gelungen, die Kriegsveteranen intelligent in seine eigene Machterhaltungsstrategie einzubinden. Heute dienen sie als eine eigene Parallelarmee, kontrolliert weder durch die Regierung noch durch die reguläre Armee. Ihren ersten nützlichen Dienst erledigten sie unmittelbar nach der Ablehnung des Verfassungsreferendums im Frühjahr 2000, als sie mit den Besetzungen der kommerziellen Farmen begannen. Später übernahmen sie Wahlkampfaufgaben in parlamentarischen Nachwahlen, indem sie die jeweiligen Wahlkreise mit beispiellosen Terrorkampagnen überzogen. Im Jahre 2001 wurde der Terror in die Städte getragen, die sogenannten Fabrikbesetzungen (Factory Invasions) begannen, bei denen vorgeblich "Arbeitskonflikte" in einzel- [Seite der Druckausg.: 12] nen Unternehmen durch Kriegsveteranen gelöst wurden. In Wirklichkeit ging es darum, die Einschüchterungsstrategien gegen jedwede andere Meinung, die nicht der offiziellen Regierungslinie entsprach, auch in die Städte zu tragen. Die Kommandostrukturen der Kriegsveteranen führen direkt in das Präsidentenamt. Benutzt werden zur Umsetzung der Anordnungen die Parteistrukturen der ZANU(PF), im Falle der städtischen Terrorkampagnen in Harare erfolgen sie durch das Provinzhauptquartier. Im Büro des Autors dieses Berichtes fand im April 2001 ebenfalls ein "Besuch" der Kriegsveteranen statt. Eine Verschleppung in das Parteihauptquartier, das auch als Folterzentrum bekannt ist, konnte glücklicherweise durch Intervention des deutschen Botschafters abgewendet werden. Aber auch Interventionen in lokalen Regierungsstellen, Städten und Gemeinden sind Aufgabe der Kriegsveteranen. Selbst die Gerichte wurden gestürmt und die Richter angehalten, patriotische und revolutionäre Urteile zu fällen, andernfalls würden sie von den Veteranen ihres Amtes enthoben. Das oberste Gericht wurde im Dezember 2000 von etwa 300 Kriegsveteranen gestürmt. Den Richtern wurde auch angedroht, dass sie auch zu Hause aufgesucht und angegriffen würden, wenn sie nicht freiwillig zurückträten. Auch der High Court wurde gestürmt und die dortigen Richter bedroht. In mindestens einem Fall wurde das Privathaus einer Richterin mit Steinen beworfen. Vor allem im augenblicklichen Wahlkampf ist eine Zunahme des Terrors durch die Kriegsveteranen zu erwarten. Bislang sind Tausende von Simbabwern durch Prügeleien, Vergewaltigung und Folter Opfer dieser Aktionen geworden, vor den letzten Parlamentswahlen sind mindestens 32 Menschen, alle aus Kreisen der Opposition, dabei ums Leben gekommen. Die Dunkelziffer dürfte jedoch weit höher liegen, da sich viele Familien nicht trauen, die wahren Todesursachen ihrer Angehörigen zu benennen. Wie sieht nun diese Reservearmee genauer aus? Die Vereinigung der Kriegsveteranen behauptet selbst, 40 000 Mitglieder zu besitzen. Tatsächlich wird allerdings nur von etwa 5-10 000 aktiven Mitgliedern ausgegangen. Die übrigen sind im wesentlichen Unterstützer der ZANU(PF) und arbeitslose Jugendliche. Am 11. Juni 2001 verstarb der notorische Führer der Kriegsveteranen, Chenjerai Hunzvi, im Krankenhaus. Hunzvi, ein in Polen ausgebildeter Arzt, der sich selbst den Beinamen "Hitler" gab, führte den Verband mit großer Härte. Er war auch in massive Korruptionsaffären verwickelt, bei denen der Verband Millionen verlor, welche die Mitglieder in Wirtschaftsprojekte investiert hatten. In einem Interview erklärte Hunzvi einmal, er habe den Beinamen Hitler als Zeichen seines Hasses auf die Weißen zugelegt. Er selbst war übrigens mit einer weißen Polin verheiratet. Nach seinem Tod zwang Präsident Mugabe im Handstreich seine Parteifreunde dazu, "Hitler" [Seite der Druckausg.: 13] Hunzvi zum Nationalhelden zu machen. Er verkündete öffentlich, die Politbüroentscheidung, Hunzvi zum Nationalhelden zu erklären, sei eine reine Formsache, da seine Heldentaten selbstredend seien. Damit wurden auch jene Mitglieder des Politbüros gezwungen, seiner Ernennung zum Nationalhelden zuzustimmen, die eigentlich gegenüber dieser Entscheidung erhebliche Vorbehalte hatten. Leise Kritik war immerhin hörbar, ob dies nicht die Leistungen der anderen Nationalhelden, der richtigen Freiheitskämpfer, in den Schatten stellen würde. Doch wurde ihm ein Ehrenbegräbnis als Nationalheld auf dem von Nordkorea gestifteten Heldenfriedhof zugebilligt. Mit diesem Begräbnis sind auch üppige Pensionen aus der Staatskasse für die Angehörigen verbunden. Hunzvis Heldentaten bestanden in erster Linie darin, Terror über das Land zu bringen. Er stand über dem Gesetz und hatte zum Beispiel bei den Nachwahlen die Aufgabe, durch Einsatz seiner Schlägertrupps die Wähler so einzuschüchtern, dass sie sich nicht mehr zur Stimmabgabe für die Opposition trauen. Seine Verbrechen und seine zynischen Äußerungen sogar der internationalen Presse gegenüber sind vielfältig belegt. Aktuelle und nachgerade programmatische Bedeutung hat seine lakonische Bemerkung gegenüber internationalen Wahlbeobachtern anlässlich der letzten Parlamentswahlen: "We will fight to make sure that Mugabe remains in power by any means necessary." Dieses "Vermächtnis" des "nationalen Helden" scheint auch für den aktuellen Wahlkampf Geltung zu haben. Denn dem Präsidenten Mugabe nutzt diese Truppe, vielleicht in Zukunft geführt von einem weiteren notorischen Kriminellen, Joseph Chinotimba, auch im Präsidentschaftswahlkampf. Schon vor Beginn der heißen Phase dieses Kampfes hatten die gewalttätigen Ausschreitungen dieser Reservearmee wieder zugenommen. Die "Veteranen" scheinen niemandem Rechenschaft ablegen zu müssen. Die Polizei, sonst bei kleinsten Verstößen gegen Recht und Ordnung sofort zur Stelle, scheint macht- und interesselos zu sein, wenn es zu Gewalttätigkeiten von den Kriegsveteranen kommt. Allerdings hat sich Mugabe damit auch in eine gefährliche Abhängigkeit begeben. Seine Wahlkampfstrategie basiert auf Gewalt und Einschüchterung, die eine Spirale in Gang setzt, die die Option, mittels politischer Argumente Überzeugungsarbeit zu leisten, ausschließt. Zunehmende Repression führt aber zu zunehmendem Unwillen. Auch wenn die Geduld und Friedensliebe der Simbabwer als außergewöhnlich angesehen wird, hat sie doch Grenzen. An dieser Stelle führt die Gewaltoption in eine Sackgasse. Oft wird die Frage gestellt, ob diese marodierenden Banden, die sich als Kriegsveteranen ausgeben, überhaupt noch kontrollierbar sind. Tatsächlich halten sich inzwischen besonders bei den Farmbesetzungen und dabei zunehmenden Plünderungen auch viele gewöhnliche Kriminelle schadlos. Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass angesichts der straffen und streng hierarchischen Führung diese [Seite der Druckausg.: 14] Gruppen weiterhin unter Kontrolle stehen und zielgerichtet gesteuert sind. Damit könnte dem Spuk ein schnelles Ende gemacht werden, wenn es den politischen Willen dazu gäbe. Ein Indiz für die strenge Kontrolle und Steuerung der Aktivitäten der Kriegsveteranen ist die Tatsache, dass nach erheblichen internationalen und lokalen Protesten die Fabrik- und anderen Besetzungen in den Städten sofort ein Ende fanden, nachdem während einer Kabinettssitzung die negativen Auswirkungen dieses Vorgehens deutlich gemacht wurden. Die Justiz In der Vergangenheit war die Justiz international wegen ihres hohen professionellen Standards und ihrer Unabhängigkeit von den anderen Gewalten des Staates anerkannt. Mehrfach wurden Urteile gegen die Exekutive gefällt. So wurden die Landbesetzungen durch Kriegsveteranen als illegal und verfassungswidrig erklärt, und der Polizeichef wurde aufgefordert, die Besetzer von den Farmen zu entfernen. Allerdings ignorierte die Polizei diese Urteile. Der Polizeichef Chihuri erklärte öffentlich, dass er der Regierungspartei diene und zurücktreten würde, wenn eine andere Regierung an die Macht käme. Obwohl Mugabe sie alle höchstpersönlich ernannt hatte, kritisierten er und andere Kabinettsmitglieder (z.B. der Justizminister Chinamasa und der Informationsminister Jonathan Moyo) die noch verbliebenen weißen Richter des Obersten Gerichtes als Überbleibsel des kolonialen Rhodesien. Anfang des Jahres 2001 wurden dann dem bis dahin soliden Gebäude des Justizwesens erhebliche Schäden zugefügt. Zunächst wurde der international hochangesehene Oberste Richter Gubbay in den vorzeitigen Ruhestand gedrängt. Justizminister Chinamasa teilte ihm mit, er könne für seine Sicherheit nicht garantieren, wenn er nicht zurückträte, und verkündete alsbald der Öffentlchkeit vorzeitigen Rücktritt von Richter Gubbay. Zwei andere Richter, James Devittie und Eshmael Chatikobo, reichten ebenfalls ihren Rücktritt ein. Einem weiteren Richter, Nick McNally, wurde ebenfalls, verbunden mit Drohungen, nahegelegt zurückzutreten. Er weigerte sich jedoch bislang, diesen Schritt zu tun. Obwohl viele andere Richter aufgrund ihrer Seniorität die Stelle des zurückgetretenen Obersten Richters Gubbay hätten einnehmen können, wurde Richter Godfrey Chydiausiku aus dem High Court auf diese Position gehievt. Seine Qualifikation wird im wesentlichen darin gesehen, der Regierung treu ergeben zu sein: Er hatte eine von der Regierung installierte Verfassungskommission geleitet, die weitgehend als abhängig vom Präsidenten angesehen wurde. Allgemein besteht die Ansicht, dass die Unabhängigkeit der Justiz praktisch nicht mehr gewährleistet ist. Eine Mission der renommierten International Bar Association kam im April 2001 nach intensiven Gesprächen im Lande zu dem Urteil: "The events of the past twelve months have put the rule of law in the gravest peril. The circumstances which have been disclosed show, in our view, conduct [Seite der Druckausg.: 15] committed by government which puts the very fabric of democracy at risk." Der Hauptgrund für die Zerstörung der unabhängigen Justiz ist der Wunsch, bei der Landreform ungehindert von juristischen Bedenken den von vielen als illegal angesehenen bisherigen Weg der sogenannten "Fast Track" Landreform fortzusetzen. Die verbliebenen Richter, solange sie nicht als neuernannte Anhänger der Regierung selbst strenge Verfechter dieses Vorgehens sind, bemühen sich, unter enormem Druck ihre Arbeit mit der größtmöglichen Professionalität durchzuführen. Dabei müssen sie erhebliche Risiken in Kauf nehmen. So ist es nichts Ungewöhnliches, dass ein Richter vor der Verkündung eines Urteils, besonders wenn es um eine Angelegenheit in der Landfrage geht, einen Anruf aus dem Präsidialamt erhält, bei dem deutlich gemacht wird, wie das Urteil auszusehen habe. Die Medien Die Lage der Medien ist höchst unterschiedlich, je nachdem ob es sich um elektronische oder um Druckmedien handelt. Die elektronischen Medien unter dem Schirm der ZBC (Zimbabwe Broadcasting Corporation) sind fest in der Hand der Regierung, werden als Propagandainstrument missbraucht und zielgerichtet dafür instrumentalisiert. Die Opposition hat keinen Zugang zu diesen Medien, sie ist aber Opfer von täglichen Dauerangriffen in Radio und Fernsehen. Dabei werden die Grundprinzipien journalistischer Ethik permanent verletzt, die Rolle eines öffentlichen Rundfunks ist in Simbabwe unbekannt. Ein neues Rundfunkgesetz hat zum Ziel, diesen Zustand auf Dauer festzuschreiben. Es konnte der Regierung nicht deutlich gemacht werden, dass sie selbst Opfer dieser Strukturen werden könnte, falls sie mal in die Opposition geriete. Aber diese Vorstellung ist der Regierung ohnehin fremd und grenzt an das Undenkbare. Anders sieht die Situation bei den Printmedien aus. Hier hat sich mittlerweile eine vielfältige Presselandschaft entwickelt, bei der auch sehr regierungskritische Blätter am Markt erscheinen und besonders in der städtischen Mittelschicht mit Interesse gelesen werden. Auch hier gibt es eine Regierungspresse, die ebenso einseitig berichtet wie die elektronischen Medien, aber sie findet ihr Korrektiv eben in den unabhängigen Zeitungen und Zeitschriften. Letztere entsprechen zwar ebenfalls nicht immer dem Stand professionellen Journalismus nach internationalen Kriterien, aber der Wettbewerb hat immerhin zu einer zunehmenden Verbesserung der Qualität geführt. Diese unabhängige Presse steht allerdings ständig in Gefahr, mundtot gemacht zu werden, und die zu Jahresbeginn erlassenen Gesetzen sind hierfür das ideale Instrument. Schon zuvor hatte Informationsminister Prof. Jonathan Moyo mehrfach angekündigt, man wolle sich diesen regierungskritischen Organen, die ohnehin vom imperialistischen Westen zum [Seite der Druckausg.: 16] Schaden des Landes missbraucht würden, widmen und ihnen den Mund stopfen. Im Falle der einzigen unabhängigen Tageszeitung Daily News wäre dies eines Nachts im Januar 2001 auch beinahe gelungen, als durch eine gewaltige Bombenexplosion die Druckerei des Blattes in die Luft flog. Als Drahtzieher hinter diesem Anschlag wird das Militär vermutet, da einerseits die Explosion von so gewaltiger Sprengkraft war, dass sie kaum mit einem handelsüblichen Sprengstoff durchgeführt worden sein konnte. Anderseits war der Anschlag so professionell geplant und ausgeführt, dass man dahinter Experten vermuten muss, die eben vor allem in militärischen Kreisen zu finden sind. Interessanterweise hatte Informationsminister Moyo kurz davor angekündigt, dass die Daily News bald nicht mehr auf dem Markt zu finden sein würde. Hier täuschte er sich allerdings. Bereits am nächsten Tag erschien das Blatt in einer Notausgabe, die bei befreundeten Druckereien gedruckt werden konnte. Seitdem ist kein Tag vergangen, an dem sie nicht auf den Straßen zum Verkauf aufgetaucht ist. Eine scheingesetzliche Grundlage zur Liquidierung einer unabhängigen Presse hat sich die Regierung jetzt rechtzeitig zu Beginn des Wahlkampfes gesichert. Im Januar wurde ein Gesetzespaket auf Mugabes Druck vom Parlament verabschiedet, das drakonische Maßnahmen gegen jegliche Opposition androht. Obwohl die Gesetze zunächst im Parlament durchfielen, da zu viele Mugabe-Abgeordnete fehlten, und üblicherweise dann erst nach einer Pause von sechs Monaten wieder eingebracht werden können, wurden die Gesetzesvorhaben sofort wieder vorgelegt und im Parlament durchgepeitscht. Internationales Aufsehen erregte das Verbot jeglicher journalistischer Tätigkeit von ausländischen Korrespondenten. Nur noch im Land wohnende simbabwische Bürger dürfen für internationale Medien berichten, wenn sie denn überhaupt eine jährlich zu erneuernde Genehmigung vom Informationsministerium erhalten. Journalistische Tätigkeit ohne Akkreditierung kann bis zu zwei Jahren Gefängnis kosten. Zudem kann die Akkreditierung von einer Medienkommission unter Leitung des Ministers jederzeit entzogen werden, wenn gegen einen ausdifferenzierten Verhaltenskodex verstoßen wird. "Nachrichten, die Angst oder Mutlosigkeit erzeugen können"(!) oder Kritik an der Armee, den Geheimdiensten, der Polizei oder gar am Präsidenten werden geahndet. Zwar wurde dieses Gesetz wieder etwas entschärft, nachdem selbst viele ZANU(PF)-Abgeordnete es als verfassungswidrig ansahen, er hängt aber als Damoklesschwert weiter über den unabhängigen Medien. Nach der Verabschiedung im Parlament wartet es nun auf die Inkraftsetzung durch den Präsidenten. Gleichzeitig wurde die internationale Konjunktur des Kampfes gegen den Terrorismus genutzt und in ein extrem repressives Gesetz über öffentliche Sicherheit und Ordnung umgesetzt. "Unterstützung des Terrorismus" oder "Verrat" gegenüber der Regierung sind mit der Todesstrafe oder lebenslänglicher [Seite der Druckausg.: 17] Haft bedroht. Gefängnis ist für alle vorgesehen, die die "Autorität des Präsidenten untergraben" oder gegen ihn "Feindseligkeit erzeugen". Weitere Einschränkungen bürgerlicher Freiheitsrechte und die generelle Pflicht zu polizeilicher Genehmigung von Versammlungen zielen eindeutig auf die aktuelle Wahlkampfsituation und die Einschränkung der Artikulationsmöglichkeiten der Oppositionsparteien. Es gab auch zuvor bereits Gebiete vor allem im ländlichen Simbabwe, die von den Kriegsveteranen zu "befreiten Zonen" erklärt wurden. Dort darf keine der regierungskritischen Zeitungen verkauft oder gelesen werden. Wer damit angetroffen wird, schwebt in Lebensgefahr. Selbst Reisenden wird davon abgeraten, Zeitungen der unabhängigen Presse in bestimmten Gebieten mit sich zu führen. Die Landreform Der Zugang zu Land war eines der Hauptmotive für den Befreiungskampf. Rhodesien war eine typische Siedlerkolonie mit dem Schwerpunkt auf Agrarproduktion, nachdem die britischen Kolonisatoren zunächst nur eingeschränkt Gewinne aus anderen ökonomischen Aktivitäten, wie der Rohstoffexploration ziehen konnten. Die vorwiegend aus Großbritannien stammenden Farmer siedelten meist auf dem fruchtbaren Hochland und bauten eine hochproduktive kommerzielle Landwirtschaft auf, die bald auch im Export erfolgreich war. Bis heute ist der simbabwische Tabak der wichtigste Devisenbringer des Landes und auf dem Weltmarkt wegen seiner Qualität führend. Nach dem Ende des Befreiungskrieges sollte eine Landreform, unterstützt mit internationaler, vornehmlich britischer Hilfe, die kolonialen Ungleichheiten beseitigen. Die überfüllten, ertragsarmen ländlichen Regionen (Communal Lands) sollten durch Umsiedlung auf kommerzielles Farmland entlastet werden. Zunächst gab es eine Reihe von Erfolgen in der ersten Phase der Umsiedlungspolitik. Zwischen 1980 und 1985 wurden 60 000 Familien auf über 2 Mio. Hektar umgesiedelt. Zwischen 1985 und 1990 waren es noch 10 000 Familien auf 447 791 Hektar. Schon bald jedoch erlahmte die Initiative, die Regierung erschöpfte sich in Planspielen und es gab keine weiteren Umsiedlungsaktionen. Zwischen 1992 und 1997 wurden zwar noch einmal knapp 800 000 Hektar Land akquiriert, aber das Land wurde nicht mehr verteilt. Viele der damals angeeigneten Farmen befinden sich heute in den Händen führender ZANU(PF) Politiker oder einflussreicher einheimischer Geschäftsleute. Erst 1998 wurde in einer Geberkonferenz (Donor Conference on Land) ein neuer Anlauf vorgenommen, bei dem wieder Zusagen der Geberländer zur finanziellen Unter- [Seite der Druckausg.: 18] stützung einer Landreform gemacht wurden. Die Regierung legte einen Rahmenplan (Land Reform and Resettlement Programme Phase II) vor, bei dem in den nächsten fünf Jahren weitere fünf Millionen Hektar Land von den Großfarmen für Umsiedlungszwecke erworben werden sollten. Auch diese Initiative schlief wieder ein. Die simbabwische Regierung beschuldigt die Geberländer, trotz Zusagen keine Finanzmittel bereitgestellt zu haben, während die Geber der Regierung den Vorwurf machen, sie habe die vereinbarten und notwendigen Vorbereitungsschritte für eine tragfähige Landreform nicht gemacht. Während dieser Phase hatte sich die Landverteilung folgendermaßen entwickelt, wobei festzuhalten ist, dass es sich bei den kommerziellen Großfarmen nicht alleine um Farmen in weißem Besitz handelt:
Erst im Jahre 2000, nach dem verlorenen Verfassungsreferendum und den darauf folgenden Farmbesetzungen (die es auch schon früher gab, die jedoch immer mit Hilfe der Polizei beendet wurden), machte die Regierung Ernst. Mugabe persönlich setzte sich für die nun mit großer Energie verfolgte Reform ein. Dabei werden Großfarmen nunmehr entschädigungslos enteignet, es sei denn, Geberländer kommen für die Entschädigung auf. Allein für Gebäude, Infrastruktur etc. werden Entschädigungen gezahlt, allerdings nicht in bar, sondern in Form von Regierungsanleihen. Auch sollen nunmehr nicht mehr 5 Mio. Hektar, sondern mindestens 8.3 Mio. Hektar der noch verbliebenen 12.1 Mio. Hektar kommerziellen Farmlandes enteignet und für Umsiedlungszwecke zur Verfügung gestellt werden. Die Regierung stellte im April 2001 eine überarbeitete Version des Umsiedlungsprogramms (Phase II) der Öffentlichkeit vor, in der diese neue Politik enthalten ist. Darin enthalten ist die viel diskutierte beschleunigte "fast Track" Landreform, die im Wesentlichen bedeutet, dass zwischen Juni 2000 und Dezember 2001 die für die Landreform benötigten Farmen enteignet und die neuen Siedler darauf angesiedelt werden sollen. Die Bereitstellung von Infrastruktur, die Entschädigungszahlungen sowie die Unterstüt- [Seite der Druckausg.: 19] zung der neu angesiedelten Bauern zur Aufnahme landwirtschaftlicher Produktion sollte dann zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Der Effekt dieser Fast Track Landreform waren bislang ein starker Einbruch der landwirtschaftlichen Produktion, eine Fülle von Rechtsstreitigkeiten zwischen den früheren Eigentümern und den neuen Siedlern, eine beispiellose Gewaltorgie auf dem Lande sowie eine humanitäre Tragödie unter den Tausenden ehemaliger Farmarbeiter, die von den enteigneten Farmen vertrieben werden und bei der Umsiedlungspolitik einfach unter den Tisch fallen. Viele von ihnen vagabundieren als interne Flüchtlinge durch die Wälder und versuchen, "irgendwie" zu überleben. Die Farmbesetzungen gehen auch zunehmend einher mit der Zerstörung der vorhandenen Infrastruktur, mit Plünderungen in großem Stil und dem Diebstahl kompletter Gerätschaften. Nicht zuletzt sind zudem bereits jetzt massive Schädigungen der Umwelt festzustellen. So hat die Wilderei auf den privaten Wildfarmen ungeahnte Ausmaße angenommen. Auch findet ein massiver Holzeinschlag statt. Hunderte von Hektar Grasland sowie Aufforstungen wurden einfach abgefackelt. Auch der Holzeinschlag bei groß gewachsenem Wald verbreitet sich, ohne auf eine nachhaltige Waldbewirtschaftung Rücksicht zu nehmen. Es dürfte sehr schwer fallen, diese chaotische Umverteilungspolitik wieder in geordnete Bahnen zu lenken, selbst wenn der politische Wille hierzu wieder vorhanden wäre. Inzwischen hat der Zustand der Rechtlosigkeit so weit um sich gegriffen, dass es nur unter großen Anstrengungen gelingen wird, diesen Trend zu stoppen. Die Krise hat die Agrarproduktion, den Tourismus, die Umwelt und die Wirtschaftskraft generell negativ beeinflusst. Sie gefährdet zudem sozialen Frieden und hat, wie beschrieben, auch das Justizsystem an den Rand des Zusammenbruchs gebracht. Eine marktwirtschaftlich orientierte Landreform mit progressiven Steuersätzen auf Landbesitz könnte ein wichtiger Beitrag zur Lösung des Dilemmas sein. Die Besteuerung des Bodens würde eine unproduktive Verwendung reduzieren und die Besitzer motivieren, ihr Land ökonomisch intensiver zu nutzen. Augenblicklich ist darüber natürlich keine rationale Debatte möglich, so bleiben solche Vorschläge ungehört bzw. auf Fachzirkel beschränkt. Wirtschaftliche Situation und Perspektiven Bei seinem letzten Besuch in Deutschland im September 1996 versuchte Präsident Mugabe auf einer Konferenz zur Handels- und Investitionsförderung, deutsche Investoren für sein [Seite der Druckausg.: 20] Land zu gewinnen. Ein Jahr zuvor hatten Deutschland und Simbabwe einen bilateralen Investitionsförder- und -schutzvertrag unterzeichnet. Unternehmen, die sich in den neu eingerichteten Export Processing Zones etablieren, kommen in den Genuss der nach 1995 verabschiedeten gesetzlichen Regelungen. Diese bieten verschiedene Anreize, u.a. eine 5-jährige Steuerfreiheit, die Befreiung von Importzöllen, Steuerfreiheit auf Dividendenzahlungen an im Ausland ansässige Kapitaleigner. Nach Ablauf der Steuerfreiheit wird ein reduzierter Einkommensteuersatz erhoben. Besondere Standortvorteile, die Simbabwe noch im Jahre 1996 aufzuweisen hatte, waren die geographische Nähe zu Südafrika, billige, aber gut ausgebildete Arbeitskräfte, eine für afrikanische Verhältnisse hervorragende Infrastruktur, ein intaktes Gesundheitswesen, stabile politische Rahmenbedingungen und eine hohe Rechtssicherheit. Fünf Jahre danach kann Simbabwe mit diesen Pluspunkten keine Investoren mehr gewinnen. Und viele, die sich damals von diesen Vorteilen überzeugen ließen, bereuen heute ihre damals getroffene Entscheidung. Alle Errungenschaften, die Simbabwe in der Vergangenheit als attraktives Land für Investoren auszeichneten, wurden sukzessive von Mugabe und seiner Regierung zunichte gemacht. Im Oktober 2001 stufte das World Economic Forum zusammen mit der Harvard Universität Simbabwe als die am wenigsten leistungsfähige Volkswirtschaft von 75 untersuchten Ländern ein. Im Vorjahr lag sie noch auf Platz 56. Die wirtschaftlichen Grunddaten des Landes sind katastrophal. Seit drei Jahren ist ein sich beschleunigender Rückgang der Wirtschaftstätigkeit zu verzeichnen. In seiner Haushaltsrede am 1. November 2001 zeichnete der Finanzminister Simba Makoni ein düsteres Bild: Danach wird für 2001 ein Schrumpfen des Sozialproduktes von 7.3% nach eigenen Schätzungen der Regierung erwartet. Die Landwirtschaft wird mit über 12% Kontraktion am stärksten betroffen sein. Inzwischen sind über 75% der Bevölkerung unter die Armutsgrenze gesunken. Der Lebensstandard ist inzwischen niedriger als zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit. Die Zerstörung der kommerziellen Landwirtschaft führt auch zu erheblichen Rückgängen der Devisenerlöse. Der Anbau von Tabak, dem wichtigsten Exportprodukt, ist davon bedroht, im Zuge der Farmbesetzungen massiv eingeschränkt zu werden. Nachdem die Produktion bereits im Erntejahr 2000/2001 gesunken war, ist in der laufenden Saison mit weiteren erheblichen Rückgängen zu rechnen. Daneben musste der Rindfleischexport nach Europa eingestellt werden, da wegen der durch die Farmbesetzungen verursachten Vermengung von Rindern und Wildherden (insbesondere Büffel) die Maul- und Klauenseuche ausgebrochen ist. Weitere Devisenbringer wie der Tourismus sind seit Beginn der Krise und [Seite der Druckausg.: 21] der negativen internationalen Medienberichterstattung ebenfalls stark rückläufig. Weltbank und IMF haben ihre Zusammenarbeit mit der Regierung eingestellt, weder wurden die getroffenen Vereinbarungen eingehalten, noch ist ein politischer Wille erkennbar, die Zusammenarbeit wieder aufzunehmen. Da bei beiden Institutionen inzwischen erhebliche Zahlungsrückstände aufgelaufen sind, können keine neuen Vereinbarungen getroffen werden, bevor nicht Anstrengungen von der simbabwischen Regierung unternommen werden, diese Rückstände zu tilgen. Aber auch die wirtschaftspolitischen Grundsatzentscheidungen der Regierung machen eine internationale Zusammenarbeit fast unmöglich. Der Wechselkurs ist auf einer völlig unrealistischen Größe eingefroren worden. Offiziell steht der Z$ im Verhältnis 55:1 zum US$, auf dem sogenannten Parallelmarkt werden 300-350 Z$ für den Greenback geboten (Stand Oktober 2001). Die Inflation lag in der zweiten Jahreshälfte 2001 bei etwa 70%. Seit Oktober beschleunigte sie sich weiter, die jüngsten offiziellen Schätzungen des Finanzministers gehen von über 86% im Jahresdurchschnitt aus, eine Beschleunigung auf über 100% zu Jahresbeginn 2002 ist nicht auszuschließen. Ursache der Inflation ist vor allem das immer größer werdende Haushaltsdefizit. In seiner Haushaltsrede geht der Finanzminister für 2002 von einem Defizit in Höhe von 14,9% des BSP aus. Für verantwortbar halten Fachleute ein Defizit von etwa 3% des BSP. Zu einem großen Teil werden das Defizit und die Devisenknappheit durch den Militäreinsatz Simbabwes im ehemaligen Zaire und heutigen Kongo verursacht. Die von der Regierung abhängige Zentralbank ist gezwungen, das Defizit über die Notenpresse zu finanzieren. Die Geldmenge ist innerhalb eines Jahres um fast 100% gestiegen. Zwar existieren keine genauen Zahlen, aber man kann davon ausgehen, dass sich auch die Umlaufgeschwindigkeit erhöht hat, wodurch der Inflationsdruck zusätzlich steigt. Obwohl eindeutig die monetäre Seite den Inflationsdruck ausgelöst hat, wird mit untauglichen Mitteln dagegen angegangen. So wurden zunächst Preisüberwachungskommittees gebildet und die Preise für Grundbedarfsgüter unter den Gestehungskosten fixiert. Über zwei Jahre lang legte eine chronische Treibstoffknappheit den Transportsektor praktisch lahm. Sie entstand durch massive Korruption und Versagen des Managements in der staatlichen Mineralölvermarktungsbehörde NOCZIM. Zusätzlich wurden lange Zeit falsche Preissignale bei Benzin und Diesel gesetzt. Ähnliche Entwicklungen traten daraufhin im Ernährungssektor auf. Seit Einführung der Preiskontrollen sind vielerorts Versorgungsengpässe entstanden. Diese Politik führt zur weiteren Zerstörung der industriellen Basis des Landes. Die Möglichkeit, die Ursache der Inflation - das rasante Geldmengenwachstum - zu bekämpfen, wird in der [Seite der Druckausg.: 22] Regierung offensichtlich nicht diskutiert. Im Gegenteil, auf der bereits erwähnten Beerdigungsrede eines Kriegsveteranen im Oktober 2001 verkündete Mugabe, dass man zum Sozialismus zurückkehren werde und alle Produzenten, die nicht bereit sind, zu den festgelegten Preisen zu verkaufen, enteignen und die Unternehmen in volkseigene Betriebe umwandeln werde, die von der Arbeiterschaft geführt würden. Damit brüskierte er offen seinen Finanzminister, der nicht die Möglichkeit hat, auf Beerdigungsreden seine Politik vorzustellen. Dieser nannte in seiner Haushaltsrede Ross und Reiter durchaus beim Namen. So erwähnte er auch, dass die Inflation vor allem aus der Geldmengenausweitung infolge der Staatsverschuldung herrührt. Er steht auch hinter dem notwendigen Strukturanpassungsprogramm. Mugabe hingegen verkündete auf jener Beerdigung mit revolutionärem Pathos, dass man sich nicht länger durch die Bretton Woods Institutionen mit derartigen Anpassungsprogrammen knebeln lassen werde und verwarf das gemeinsam entworfene Programm ESAP (Economic Structural Adjustment Programme). Nicht die eigenen Fehler, sondern die von außen kommenden Übel sind aus seiner Sicht verantwortlich für die wirtschaftliche Misere des Landes. Dabei wurde auch nie nur ansatzweise versucht, ESAP zu implementieren. Auch die Zinsen wurden inzwischen aufgrund der Intervention der Regierung auf ein Niveau gedrückt, die weit unterhalb der Marktzinsen liegen. Dadurch entstanden negative Realzinsen von etwa -65%. Die Folge sind massive Allokationsverzerrungen, Investitionen in produktive Sektoren sind kaum mehr möglich, da der Kapitalmarkt für viele Marktteilnehmer verschlossen bleibt. Allein durch politische Beziehungen können Darlehen aufgenommen werden, die dann i.d.R. nicht in produktive Bereiche fließen. Der Staat ist weitgehend zum Selbstbedienungsladen der herrschenden Klasse verkommen. Auch Präsident Mugabe macht immer wieder deutlich, dass aus seiner Sicht keine Trennung von (Regierungs-)Partei, Regierung und Staat notwendig ist. Im Gegenteil, er fordert die Angestellten im öffentlichen Dienst ausdrücklich dazu auf, dass z.B. der Staat und die Regierung seinen Präsidentschaftswahlkampf aktiv zu unterstützen hätten. Die Opposition ist als Feind zu sehen, der mit allen Mitteln vernichtet werden muss. Die Mittel sind auch dann legitim, wenn sie weit außerhalb der demokratischen Instrumentarien zu finden sind. Auch die Volkswirtschaft hat sich dieser Maxime unterzuordnen. Weigern sich Unternehmen, unter diesen Bedingungen weiter zu produzieren, werden sie der Wirtschaftssabotage geziehen, die von imperialistischen Mächten gesteuert würde. Der Kampf gegen derartige Saboteure wird als nationales Heldentum gewertet. [Seite der Druckausg.: 23] Ausblick Mit Mugabe an der Spitze des Landes sehen die Zukunftsaussichten des Landes düster aus. Nicht nur lassen sich die meisten augenblicklichen Probleme an seiner Regierungsführung festmachen, sondern er ist inzwischen so von seinem Weg überzeugt, dass es aussichtslos scheint, ihn zu einer Rückkehr zu einer rationalen und vernünftigen Gesamtpolitik zu bewegen. Derzeit liegen alle freilich abnehmenden Hoffnungen für eine bessere Zukunft in den Präsidentschaftswahlen. Bis zu diesen Wahlen sind keine Veränderungen zu erwarten. Es wird nicht zu massiven Volksaufständen kommen, denn die Simbabwer haben noch immer nicht die Hoffnung auf einen friedlichen, evolutionären Wandel aufgegeben. Die Richtung der selbstzerstörerischen Politik wird sich ebenfalls bis dahin nicht ändern, zu dominant ist Mugabes Linie innerhalb der Regierungspolitik. Auch wenn es viele im Regierungslager gibt, die mit dieser Linie genauso wenig einverstanden sind wie die Opposition. Was aber wird nach den Wahlen geschehen? Es lassen sich drei Szenarien möglicher Entwicklungen skizzieren: 1. Mugabe gewinnt die Wahl. Er setzt seine Politik fort, bis sich Simbabwe zu den anderen Katastrophenländern in Afrika gesellt. Die Wahlkampf- und Wahlmanipulationen geben diesem Votum sowohl intern als auch international jedoch nur geringe Legitimität und reduzieren damit auch die mögliche Stabilität der Regierung. Obwohl diese Situation aus internationaler Sicht nicht akzeptabel ist, wird aus humanitären Gründen die Völkergemeinschaft einspringen und mit Nahrungsmittelhilfe die größten Hungersnöte im Lande zu vermeiden helfen. Dabei ist vorstellbar, dass Mugabe seine harte Linie gegenüber der Gebergemeinschaft aufweicht und sich kompromissbereiter zeigt. Dies wird er dann tun, wenn die Landreform in seinem Sinne so weit fortgeschritten ist, dass sie nicht mehr umkehrbar ist. Geführt von einem Team von Experten um Finanzminister Makoni wird die Regierung wieder eine rationalere Politik verfolgen, und die Geber werden eine Wiederaufnahme der Unterstützung zusagen. Eine langsame Normalisierung auf niedrigerem Niveau kehrt ein, Simbabwe wird etwa auf das Entwicklungsniveau der ostafrikanischen Staaten sinken. 2. Mugabe tritt kurz nach der Wahl von seinem Amt zurück und hebt einen akzeptierten Wunschkandidaten auf den Thron. Dies könnten der Parlamentssprecher Emmerson Mnangagwa, der allerdings weder in der ZANU(PF) noch in der Bevölkerung sehr beliebt ist, oder Simba Makoni, der zumindest international hohe Anerkennung genießt, sein. Laut Verfassung hätte dieser Rücktritt allerdings Neuwahlen zur Folge. Dies gäbe der ZANU(PF) die Chance, sich zu reformieren und zu verjüngen. Die Simbabwer [Seite der Druckausg.: 24] würden ihr die Chance für einen versuchten Neubeginn einräumen. Die bei Mugabes Wahlsieg zu befürchtenden Unruhen bis hin zu Aufständen blieben aus bzw. wären geringer. 3. Die Opposition gewinnt die Wahlen trotz der massiven Gewaltanwendung und Wahlmanipulation von Seiten der Regierung. Es kommt zunächst zu erheblichen Turbulenzen. Vor allem die Kriegsveteranen und viele ZANU Anhänger weigern sich, das Ergebnis anzuerkennen. Die Ordnungskräfte (insbesondere die Armee) verhalten sich trotz der gegenteiligen Ankündigung der Chefs von Armee, Luftwaffe, Polizei und Geheimdienst vielleicht auch auf Grund des internationalen Drucks doch neutral bzw. unterstützen den demokratischen Neubeginn. Nach einigen Anfangsproblemen werden die bestehenden verfassungstechnischen Hürden (z.B. die Mehrheit der ZANU im Parlament, wobei 30 Abgeordnete ja von Mugabe ernannt sind, und zwar für die gesamte Legislaturperiode) genommen und langsam kehrt eine neue Normalität in der simbabwischen politischen Szene ein. Die neue Regierungsmannschaft durchlebt aufgrund ihrer mangelnden Erfahrung eine Reihe von Krisen, die aber mehr oder weniger bewältigt werden können. Obwohl alles darauf hindeutet, dass der Druck der Regierung, die Repression des Staatsapparates, die Gewalttätigkeit der Hilfstruppen und Anhänger Mugabes und die Manipulation der öffentlichen Meinung weder faire Wahlen noch realistische Chancen auf einen Wahlsieg der Opposition zulassen, ist auch das letzte Szenario nicht völlig auszuschließen. Die Chance für dieses Szenario liegt in der Tatsache, dass ein großer Teil der Simbabwer einen Wandel will. Viele durchschauen die Propagandamaschinerie, die alle Übel feindlichen und/oder ausländischen Mächten anlastet. Die Mehrheit hat erkannt, dass ihre Verarmung und die vielen anderen Probleme auf die Praktiken ihrer eigenen Regierung zurückzuführen sind. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | März 2002 |