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Jemen - elf Jahre nach der Vereinigung / Paul Pasch - [Electronic ed.] - Bonn, 2001 - 15 S. = 48 KB, Text . - (FES-Analyse) Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001 © Friedrich-Ebert-Stiftung
Politische Rahmenbedingen der Vereinigung Anfänge des Demokratisierungsprozesses [Essentials]
Politische Rahmenbedingen der Vereinigung Die etwa 3000 Jahre alte jemenitische Geschichte hält den Gedanken eines gemeinsamen Kulturerbes wach, führte allerdings in der Vergangenheit zu keiner territorialen oder politischen Einheit. Über die Jahrhunderte hinweg entstanden im Süden und Südwesten der arabischen Halbinsel viele Reiche unterschiedlicher Größe. Die Trennungslinie zwischen den beiden zeitgeschichtlichen Jemen zogen die Großmächte, die seit dem 19. Jahrhundert das Land beherrschten: das Osmanische Reich im Norden bis 1918 und Großbritannien im Süden bis 1967. Selbst in der Zeit der Existenz zweier unabhängiger Staaten haben sich die Jemeniten stets einer Nation zugehörig gefühlt und den Wunsch nach staatlicher Einheit nie aufgegeben. Bedingt durch die gegensätzliche politische Entwicklung in beiden Ländern, schien die Realisierung dieses Wunsches in weite Ferne gerückt. Heftige Grenzstreitigkeiten in den siebziger und achtziger Jahren führten immer wieder zu Spannungen und militärischen Auseinandersetzungen. Eine Krise in der südjemenitischen Führung im Januar 1986 hatte weitreichende Auswirkungen auf die politische Entwicklung in beiden Staaten. Damals übernahm erneut der dogmatische marxistische Flügel der Jemenitischen Sozialistischen Partei die Macht, sah sich jedoch aufgrund weltpolitischer Veränderungen durch den Zusammenbruch des kommunistischen Systems zu umfangreichen Liberalisierungen gezwungen. Ab 1988 kam es so zu einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen beiden jemenitischen Staaten, die ihren Ausdruck in der Bildung gemeinsamer Komitees zur Koordinierung der weiteren Entwicklung fanden. Am 22. Mai 1990 wurde der Jemen vereint, geführt von einer paritätisch besetzten Regierung aus Vertretern des Nordens und des Südens. Offensichtlich stand die Entwicklung des neuen Staates von Beginn an unter keinem günstigen Stern. Die anfängliche Euphorie wich alsbald den drückenden Alltagssorgen. Eine Klausel im Vereinigungsvertrag besagte, dass die beiden großen politischen Gruppen, der Allgemeine Volkskongress (GPC) im Norden und die Jemenitische Sozialistische Partei Jemens (YSP) im Süden, beibehalten und zusätzlich andere politische Parteien erlaubt werden sollten. Doch der Süden wies den Vorschlag des Norden zurück, einer aus beiden Parteien bestehenden politischen Gruppierung namens Nationale Front" beizutreten. Die YSP befürchtete, ihren Parteiapparat aufgeben zu müssen und damit an Einfluss zu verlieren. Die Vereinigung, die auf Regierungsebene mittlerweile mit voller Kraft vorangetrieben wurde, rief jedoch bei der Bevölkerung in beiden Landesteilen immer stärkeren Widerstand hervor. Die Stämme im Norden betrachteten die zunehmende Macht der Zentralregierung als Bedrohung ihrer Position: Sie fürchteten die Erstarkung der nationalen Armee durch die Vereinigung mit der gut ausgerüsteten Armee des Südens. Die Stämme lehnten darüber hinaus Adens sozialistische, atheistische und kommunistische Neigungen ab und waren überzeugt, das gesellschaftliche System des Südens werde die Wertvorstellungen und die Moral des Nordens aushöhlen. Diese Position führte dazu, dass die Stammesvertreter sich mit islamischen Kräften und konservativen Finanzkreisen zusammentaten. Daraufhin kam es in den von den Stämmen kontrollierten Gebieten zu Unruhen und zu von Islamisten angeführten Demonstrationen. Die neue Zentralregierung glaubte, Saudi-Arabien stehe hinter diesen Bewegungen, da ein vereinter, demokratischer und pluralistischer Jemen den Interessen Saudi-Arabiens widerspreche. In der Tat war es ein offenes Geheimnis, dass die Stämme des Nordens seit vielen Jahren beträchtliche finanzielle Zuwendungen von der saudiarabischen Regierung erhielten und dadurch in eine nachvollziehbare Abhängigkeit von Riad gelangt waren. In Südjemen gelang es den Islamisten nach der Aufhebung des Parteienverbotes, ihre Aktivitäten gegen den Vereinigungsprozess zu intensivieren. Außerdem bröckelte durch den Zusammenbruch der kommunistischen Regime im Osten Europas die traditionelle Vormachtstellung der Kommunisten langsam ab und die vor allem finanzielle Unterstützung des Südens blieb aus. Insgesamt empfanden sich viele Südjemeniten als ungleiche Partner in einem vom Norden dominierten vereinigten Staat. Am 13. September 1990 wurde als drittgrößte Partei das Jemenitische Reformbündnis (ISLAH) gegründet. Das Bündnis wird von Scheich Abdullah Al-Asmar geleitet, dem Oberhaupt des größten und stärksten Stammesverbandes. Einige dieser Stämme verfügen über starke wirtschaftliche Beziehungen zu Saudi-Arabien. Die ISLAH übt nach wie vor auch eine große Anziehungskraft auf Jugendliche aus, die sich der islamischen Tradition verbunden fühlen. Mit Hilfe dieser jungen Menschen war die ISLAH bemüht, gegen die Vereinigung und einige Artikel der Verfassung, die sie für nicht islamisch" hielten, Stimmung zu machen. Die Ausweitung der Regierungsmacht auf die von den Stämmen kontrollierten Gebiete veränderte die Stellung der Stammesoberhäupter, da die Regierung ihnen nun Privilegien anbieten konnte. Die Stammesfürsten bildeten die sogenannte Jemenitische Institution, indem sie in die Geschäftswelt eindrangen und/oder Parlamentsabgeordnete wurden. Doch letztendlich bedienen sie sich nach wie vor der herkömmlichen Verhandlungsstrategien: Sie greifen auf bewaffneten Widerstand zurück oder versuchen, ihre Forderungen an die Regierung durch die Entführungen von Touristen durchzusetzen, was dann immer wieder ein kurzfristiges Interesse der Weltöffentlichkeit am Jemen provoziert. Der Golfkrieg 1990-91 brachte unerwartet neue große Belastungen für den Vereinigungsprozess. Die jemenitische Unterstützung von Saddam Hussein im Irak führte dazu, dass die Golfstaaten, insbesondere Kuwait und Saudi Arabien, ihre finanzielle Unterstützung für den Jemen einstellten und dass eine Millionen jemenitischer Arbeitsmigranten aus Saudi-Arabien und den Golf-Staaten nach Hause geschickt wurden. Dies hatte erhebliche wirtschaftliche und soziale Konsequenzen, da die Geldtransfers dieser Gastarbeiter ausblieben und die Heimkehrer nur mit größten Schwierigkeiten in die jemenitische Wirtschaft integriert werden konnten. Freilich war die kritische Unterstützung des Jemens für Saddam Hussein nur einer von mehreren Gründen für die Abstrafung durch Saudi-Arabien. Seit längerem hatte es zunehmende Probleme an der saudisch-jemenitischen Grenze gegeben, die in den Jahren vor dem Golfkrieg immer wieder zu saudischen Militär-Expeditionen auf jemenitisches Gebiet geführt hatten. Die Verhandlungen über die Grenzziehung östlich von Saada hatten sich festgefahren, da Saudi-Arabien Anspruch auf die ölreichen jemenitischen Gebiete nordöstlich von Marib erhob. Als dann die jemenitische Regierung im Überschwang der Vereinigungseuphorie erklärte, die alte Streitfrage über den Grenzverlauf im Asir-Gebirge vor die Vereinten Nationen bringen zu wollen, war die saudische Geduld erschöpft. Und als schließlich der Jemen Anfang 1991 zu Beginn des Golfkrieges im Sicherheitsrat auch noch die amerikanisch-arabische Allianz in Frage stellte und eine regionale Lösung forderte, war das Maß voll. Dies alles waren willkommene Anlässe für eine Abstrafung des Jemen. Eine tiefere Sympathie des jemenitischen Volkes für Saddam Hussein hatte es dagegen nicht wirklich gegeben. Tatsächlich war es in Sana´a immer wieder zu spontanen Demonstrationen gegen den Überfall Iraks auf Kuwait gekommen. Der tiefere Grund für das saudische Verhalten dürfte eindeutig in der Absicht gelegen haben, das gerade neu erstehende demokratische Nachbarland zu schwächen, war doch der vereinte Jemen bevölkerungsmäßig und militärisch sehr stark geworden. Anfänge des Demokratisierungsprozesses Seit der Abschüttelung des Imamats im September 1962 kämpften die Modernisierer für die Demokratisierung des Jemen mit dem Ziel, eine soziale Gerechtigkeit verfolgende demokratische Gesellschaft aufzubauen. Solange das Land geteilt war, gelang es weder im Norden, noch im Süden, diesem Ziel näher zu kommen. Mit der Vereinigung im Mai 1990 wurden auf beiden Seiten die Rufe der Modernisierer nach mehr Demokratie laut, angesichts der traditionellen und konservativen Gesellschaftsstruktur eine enorme Herausforderung. Einen ersten Schritt in diese Richtung bedeuteten die ersten Parlamentswahlen im April 1993, die zweimal verschoben worden waren. Sie sollten eine 35 monatige Übergangsphase zur Einführung der Demokratie mit dem Ziel der Einbeziehung gesellschaftlicher Kräfte außerhalb der beiden großen Volksparteien beenden. Im August 1992 war ein Wahlausschuss aus 17 Vertretern aller politischen Parteien und Gruppen berufen worden, der den rechtmäßigen Ablauf der ersten parlamentarischen Wahlen gewährleisten sollte. An der ersten Wahl im vereinigten Jemen beteiligten sich 22 politische Parteien und Gruppen sowie viele unabhängige Kandidaten. Die Wahlbeteiligung betrug 84,5 Prozent. Die 301 Sitze des ersten gemeinsamen Parlaments verteilten sich, nachdem sich 36 unabhängige Abgeordnete sich nach der Wahl den drei großen Blöcken anschlossen, wie folgt: Die General Peoples Party (GPC) dominierte mit 143 Sitzen, gefolgt von der Yemeni Socialist Party (YSP) mit 68 und der ISLAH mit 66 Sitzen. Zwölf unabhängige und 12 Abgeordnete aus fünf kleinen Parteien vervollständigten das Parlament. Diese Sitzverteilung beendete die paritätische Machtteilung zwischen GPC und YSP. Die sozialistische YSP hatte im Süden zwar 90 Prozent der Stimmen erzielt, der aber stellte nur ein Fünftel der Bevölkerung des vereinten Jemen. Die veränderten Rahmenbedingungen schufen somit neue Spielregeln. Obwohl die GPC sowohl mit der YSP als auch mit der ISLAH jeweils allein eine Regierung hätte bilden können, kam es zu einer breiten Koalition zwischen allen drei großen Parteien und den wenigen Vertretern der kleinen Ba´ath-Parteien. Die GPC stellte den Präsidenten, die YSP den Premierminister und ISLAH den Parlamentspräsidenten. Als Schritt zur Einbindung weiterer gesellschaftlicher Kräfte in die politische Verantwortung wurde der 1979 im Nordjemen ins Leben gerufene Konsultativrat von 15 auf 45 Mitglieder erweitert. Angesehene Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens beider Landesteile wurden für dieses die Staatsführung beratende Gremium vom Staatspräsidenten ernannt. Bald nach den Parlamentswahlen, die als großer Sieg der Demokratie gefeiert wurden, zeigte sich jedoch, dass die politischen Führer des Landes den Ideen von Pluralismus und Demokratie noch nicht wirklich gewachsen waren. Die drei Koalitionspartner waren in einen permanenten Konflikt verstrickt, in dem jeder versuchte, seine eigenen Interessen durchzusetzen bzw. Entscheidungen zum Vorteil des Anderen zu blockieren. Vor allem die YSP war absolut hartnäckig in der Frage der geplanten Verfassungsänderung, die dann auch erst nach dem Bürgerkrieg beschlossen wurde. Auf Forderung der ISLAH sollte die Sharia zur Quelle der Rechtsprechung erhoben werden. Beinahe zwangsläufig führten so die politischen Auseinandersetzungen zu einem militärischen Konflikt, insbesondere vor dem Hintergrund der noch immer nicht erfolgten Vereinigung der Streitkräfte beider ehemaliger Staaten. Versuch der erneuten Trennung Obwohl für die Bevölkerung im Norden wie im Süden des Landes seit den Parlamentswahlen von 1993 feststand, dass eine Rückkehr zur Spaltung des Landes nicht mehr möglich war, gewannen in der YSP Politiker an Einfluss, aus deren Sicht der südjemenitische Anteil an der Vereinigung nicht durch eine entsprechende Vertretung der Sozialisten in der gemeinsamen Regierung honoriert wurde. Gleichzeitig wurde deutlich, dass es ein Fehler gewesen war, die beiden Armeen nicht zu vereinigen, sondern nebeneinander bestehen zu lassen. Gezielte einseitige Truppenverlagerungen der nördlichen Armee hatten dazu geführt, dass sich die im Norden stationierten südjemenitischen Truppen eingeschlossen fühlten und damit das komplizierte militärische Gleichgewicht empfindlich gestört war. Daraufhin begann die YSP im April des Jahres 1994 öffentlich gegen die Vereinigung zu opponieren. Dieser Widerstand führte zu der Kriegserklärung vom 4. Mai und nach 17 Kriegstagen am 21. Mai 1994 zur Abspaltung der Demokratischen Republik Jemen von der Republik. Die politischen und militärischen Auseinandersetzungen zwischen dem Norden und dem Süden, ausgetragen zwischen GPC und YSP, endeten mit dem militärischen Sieg des Nordens und einer erheblichen Demütigung des Südens, im Sprachgebrauch der GPC Selbstmord der Sozialisten genannt. Vor allem die Plünderung von Aden und die Absetzung südjemenitischer Regierungsvertreter, Beamter und Funktionäre auf allen Arbeitsebenen hat den Graben zwischen den beiden Bevölkerungsteilen sehr vertieft. Trotz der Krise, die der Jemen nach der Vereinigung zu bewältigen hatte, war eine erneute Abspaltung des Südens keine wirkliche Option zur Lösung der anstehenden Probleme. Der Wunsch nach Einheit der Nation war so tief in der Bevölkerung verwurzelt, dass er über die Enttäuschungen bezüglich der mit dem Vereinigungsprozess zu erwartenden aber ausbleibenden Entwicklungsfortschritte hinweghalf. Vor diesem Hintergrund schwand die Unterstützung für die separatistischen Bestrebungen der YSP in der breiten Bevölkerung ziemlich schnell. Seither scheint die YSP sich in einer Art Legitimationskrise zu befinden. 1994, nach dem versuchten Putsch gegen Vereinigung und Demokratie, verließ die YSP die Regierung und ging in die Opposition bzw. in die selbst auferlegte Isolation. Die nach der Vereinigung vorsichtig begonnene Liberalisierung und Modernisierung der YSP hatte nun vorerst keine Chance mehr. Der Entwurf eines neuen, nach sozialdemokratischem Vorbild entworfenen Parteiprogramms wurde nicht weiter verfolgt: Die Partei erstarrte förmlich unter ihrer dogmatischen Führung, die jegliche innerparteiliche Diskussion unterdrückte. Damit wurden auch erste Annäherungsversuche an westliche sozialdemokratische Parteien erst einmal zu den Akten gelegt. Nach wie vor scheint die YSP in sich gespalten. Erst im Sommer 2000 gelang es ihr nach 15 Jahren einen ordentlichen Parteitag abzuhalten. Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit bleibt auch elf Jahre nach der Vereinigung und sieben Jahre nach Beendigung des Bürgerkrieges das zentrale Thema innerhalb der YSP. Streitigkeiten zwischen Parteiführung und 1986 bzw. 1994 exilierten Parteiaktivisten nehmen kein Ende. Dennoch gelang auf dem Parteitag eine richtungsweisende innenpolitische Neuorientierung, ist die Partei doch jetzt gewillt, die Rolle einer konstruktiven Oppositionspartei zu übernehmen und ihre Ideen in Planung und Entwicklung des Landes einzubringen. Festigung der Demokratie und sozialer Wandel 1997 hatte das Interesse der Bevölkerung am Demokratisierungsprozess nicht zuletzt wegen des Boykotts der Wahlen durch die YSP nachgelassen. Bei den Parlamentswahlen im April lag die Wahlbeteiligung mit 61,4 Prozent recht niedrig. Nachdem 47 von 56 unabhängigen Abgeordnete nach der Wahl zur GPC bzw. ISLAH überwechselten, ergab sich für die GPC mit 224 (von 301) Sitzen eine komfortable zwei Drittel Mehrheit. Die ISLAH mit nunmehr 63 Mandaten stellt die Opposition, sie wurde jedoch durch die Wiederwahl von Sheikh Abdullah al-Ahmar zum Parlamentspräsidenten in die Verantwortung kooptiert. Von den restlichen 14 Parlamentariern können sieben Unabhängige der YSP zugerechnet werden, die durch den Boykott der Wahlen entscheidend an Einfluss und an finanziellen Ressourcen verloren hat. Trotz offensichtlicher Schwächen ist der Demokratisierungsprozess im Jemen einzigartig auf der arabischen Halbinsel. Politischer Pluralismus und Meinungsfreiheit sind gewährleistet, und das Parlament dient als öffentliches Forum politischer Debatten und als Treffpunkt gesellschaftlicher, tribaler und regionaler Gruppen. Parlamentssitzungen werden in der Regel vom staatlichen Fernsehen direkt übertragen und haben daher langfristig das Potential, Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung zu nehmen. Mit einer gewissen Besorgnis wurden im Westen die Entwicklungen in der zweiten Jahreshälfte 2000 beobachtet. Im August hatte der im September 1999 wiedergewählte Präsident Ali Abdullah Saleh einige Verfassungsänderungen vorgeschlagen. U.a. sollte der ernannte Konsultativrat in ein legislatives Shura Council mit 111 Mitgliedern umgewandelt und die Legislaturperioden für Parlament und Staatspräsidenten um je zwei Jahre verlängert werden. Die turnusmäßigen Parlamentswahlen im April 2001 wurden für zwei Jahre ausgesetzt. Die von Präsident Salah vorgeschlagenen und vom Kabinett gebilligten Maßnahmen waren Gegenstand eines nationalen Referendums anlässlich der Kommunalwahlen vom 20. Februar 2001 und wurden mit 73,4 Prozent von der jemenitischen Bevölkerung akzeptiert. Diese Entwicklung wurde von ausländischen Beobachtern als Zeichen gewertet, dass der Demokratisierungsprozess stockt und Präsident Saleh den Boden für ein autokratisches Regime bereitet, in dem sein Sohn Ahmed Ali eine herausragende Rolle spielen könnte. Tatsächlich bedeutet die Durchführung der ersten Kommunalwahlen in der Geschichte des Jemen trotz der zum Teil chaotischen Umstände einen eindeutigen und unumkehrbaren Schritt in Richtung Demokratisierung und Dezentralisierung. Die Kompetenzen kommunaler Selbstverwaltung der neu eingerichteten Stadt- und Bezirksräte wurden bis Mitte Juni 2001 festgelegt, und das Ministerium für Kommunalverwaltungen wurde aufgefordert, bis Ende Juli einen Vorschlag über die notwendige Budgetzuteilung vorzulegen. Die Kommunalwahlen, bei denen es zu teilweise erheblichen Unregelmäßigkeiten kam und in deren Verlauf rund 30 Menschen ihr Leben verloren, wurden als Erfolg der regierenden GPC gefeiert. Das offizielle Wahlergebnis wurde am 4. März 2001 wie folgt veröffentlicht, allerdings fehlen wichtige Daten wie Wahlbeteiligung, Anteil von Frauen usw.: Von den 401 Wahlbezirken für die Bezirksräte entfielen 277 auf die GPC, 78 auf ISLAH, 30 auf Unabhängige, und die YSP errang 16. Von den 6.213 Mitgliedern der Stadträte gehören 60 Prozent (3.771) der GPC und ein knappes Viertel (1433) der ISLAH an. Neben 749 Unabhängigen" (rund 12 Prozent) stellt die YSP 218 Vertreter. Mit Abdulkhader Ba Jammal ernannte Präsident Saleh einen erfahrenen Strategen zum Premierminister. Die Regierungsumbildung war notwendig geworden, da Premier Al Iryani aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr das notwendige Charisma verkörperte, um den Reformprozess voranzutreiben. Das neue Kabinett umfasst 35 Minister, überwiegend reformorientierte Technokraten. Bei der Vereidigung des Kabinetts forderte Präsident Saleh die neue Regierung auf, bis zu den nächsten Parlamentswahlen im April 2003 eine den Ansprüchen der jemenitischen Bevölkerung gerecht werdende Plattform unter dem Motto Veränderung und Modernisierung in den Bereichen Erziehung, Gesundheit sowie sozialer und wirtschaftlicher Entwicklung zu schaffen und den Kampf gegen die Korruption aufzunehmen. Der Auftrag des Präsidenten spiegelt sich denn auch im Regierungsprogramm vom Mai 2001 wieder, das sich auf folgende fünf Schwerpunkte konzentriert: Reform und Dezentralisierung der öffentlichen Verwaltung: Festigung der Kompetenzen der Kommunalverwaltungen und Erweiterung der Volksbeteiligung; Kampf gegen Korruption und Willkür der Bürokratie; Modernisierung des Verwaltungsapparates. Verbesserung von Aus- und Fortbildungskapazitäten: Vereinheitlichung des Ausbildungswesens; Bereitstellung moderner Techniken für die universitäre Ausbildung, Schaffung von Stipendienprogrammen; Pflege von Sportstätten und Förderung des Breitensports. Wirtschaftsentwicklung: Reduzierung der Staatsausgaben und Erhöhung der vom Öl unabhängigen Einnahmen; Erleichterung des Steuereinnahmeverfahrens; Reform des Banksektors, Entwicklung von Infrastruktur und Bodenschätzen; Verbesserung des Investitionsklimas; alle diese Maßnahmen sollen mit dem Ziel umgesetzt werden, in den nächsten Jahren ein jährliches Wachstum von 5,5 Prozent zu erzielen; gezielte Förderung berufstätiger Frauen. Bewahrung des kulturellen und religiösen Erbes: Ausbau der Infrastruktur historischer Stätten; Entwicklung einer Strategie zur Bewahrung des kulturellen Erbes; Ausbau des Umweltschutzes; Instandhaltung von Moscheen und Waqf-Einrichtungen. Förderung der Menschenrechte und Reform der Justiz: Ausbau der gerichtlichen Berufungsinstanzen; Förderung der Meinungsfreiheit und Informationsverbreitung; Förderung der Zivilgesellschaft; Förderung der Menschenrechte und Einrichtung eines Hohen Komitees für Menschenrechte. Dem Regierungsprogramm von Premierminister Ba Jammal wurde nachgesagt, dass es einerseits zu ambitiös sei und andererseits lediglich als Lippenbekenntnis gegenüber den westlichen Gebernationen diene. Es bleibt abzuwarten, wie weit die neue Regierung innerhalb der nächsten zwei Jahre die notwendigen Reformen umsetzen kann. Kontroverse Diskussionen wird es geben. Bereits Anfang Juni kam es zu einer ersten Regierungskrise, als die religiösen Schulen per Präsidialerlass in das staatliche Erziehungssystem integriert werden sollten. Sozialer Wandel Sicher hat der Demokratisierungsprozess im Jemen eine landesspezifische Charakteristik. Konservatismus, tribale Interessen und der Islam bestimmen vor allem die ländliche Gesellschaft. Immer wieder kommt es vor, dass bestimmte Stämme auf bewaffneten Widerstand zurückgreifen oder ihre Forderungen an die Regierung durch die Entführung von Touristen durchzusetzen versuchen. Allerdings haben sich auf der anderen Seite sehr engagierte zivilgesellschaftliche Institutionen gebildet, die dafür eintreten, die demokratischen Freiräume zu erhalten und die Verfassung zu verteidigen. So agieren z.B. das Forum for Civil Society und die NOSHATA`A Organization vehement als Verfechter der jemenitischen Pressefreiheit, wenn Sicherheitskräfte willkürlich Journalisten bei der Ausübung ihrer Arbeit behindern. Frauen im Jemen: In der soziokulturellen Entwicklung des Jemen im 20. Jahrhundert verdient die Stellung der Frauen besondere Beachtung. Die heutigen Forderungen jemenitischer Frauen nach größerer Teilhabe am gesellschaftlichen Leben beinhalten ein erhebliches soziales und politisches Modernisierungs- und Mobilisierungspotenzial. Die Abschüttelung des Imamats hatte auch zum Ziel, bisher unterprivilegierten Gruppen mehr Rechte zu gewähren. Mit einsetzender Demokratisierung begannen Frauen ihre Rolle in der Gesellschaft, im Islam und im Vergleich mit Frauen anderer Gesellschaften neu zu bedenken. Schon jetzt hat die Präsenz von Frauen in der jemenitischen Öffentlichkeit zu einer Diskussion grundlegender Wertvorstellungen des Islam und den in der jemenitischen Gesellschaft vorherrschenden Handlungsnormen geführt. Diese Diskussionen berühren immer stärker auch politische Entscheidungsprozesse. Zahlreiche Frauenorganisationen ermutigen Frauen, die ihnen in der Verfassung gewährte Gleichberechtigung in die Praxis umzusetzen. Tendenzen einer Wandlung in der Beziehung zwischen Mann und Frau im sozialen, politischen und ökonomischen Bereich sind bereits erkennbar, stellen aber zugleich eine enorme Herausforderung für eine seit Jahrhunderten geschlossene Gesellschaft dar. Frauen spielen in der Besetzung von Führungspositionen und öffentlichen Ämtern nach wie vor eine untergeordnete Rolle. Allerdings wurde mit der Ernennung von Dr. Wahiba Fara´a, der ehemaligen Präsidentin der Königin Arwa Universität, zur Ministerin für Menschenrechte zum ersten Mal eine Jemenitin in die Regierungsverantwortung bestellt. Mit Muna Ba Sharahil und Fatima Mohammad Bin Mohammad wurden zwei Frauen in den 111-köpfigen Shura-Rat berufen, während mit Dr. Oras Sultan Naji und Oloof Saeed Ba-Khobaiva zwei Vertreterinnen der GPC im jemenitischen Parlament vertreten sind. Die neue Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, ein Programm zur Förderung berufstätiger Frauen aufzulegen. Im Jemen sind neben dem Women National Committee zahlreiche zivilgesellschaftliche Frauenorganisationen tätig, die der Regierung bei der Umsetzung ihres Zieles behilflich sein könnten. Modernisierung der Wirtschaft Vor der Vereinigung 1990 gehörten sowohl der Nord- als auch Südjemen zu den am wenigsten entwickelten und zu den am höchsten verschuldeten Ländern der Welt. Daher richteten sich viele Hoffnungen auf die Vereinigung des Landes. Während der private Wirtschaftssektor auf Investitionen für eine Entwicklung von Landwirtschaft, Fischerei und Tourismus hoffte, richtete sich das Augenmerk der Regierung auf den Rohölsektor. Mit großem Optimismus werden die neuen Rohöl- und Naturgasfunde begleitet, da davon ausgegangen wird, dass mit zunehmender wirtschaftlicher Liberalisierung die internationalen Ölfirmen dazu beitragen werden, weitere Öl- und Gasvorkommen zu erschließen. Nach großen makroökonomischen Erfolgen bis zum Jahre 1997, die vom Internationalen Währungsfonds als beispielhaft gewürdigt wurden, folgte 1998 ein Einbruch, der aber seit Mitte 1999 aufgefangen werden konnte. Für das Jahr 2000 wird das Wirtschaftswachstum trotz Einbußen im Tourismus und in der Landwirtschaft auf 2,8 Prozent geschätzt und die projizierte Inflationsrate läge mit 8 Prozent um 3,5 Punkten unter der des Vorjahres. Der Wechselkurs des Jemenitischen Rial ist seit Mai 1999 mit einem Wert von 160 Rial pro US-$ stabil. Mit einem jährlichen Durchschnittseinkommen von US-$ 380 gehört der Jemen im Jahr 2000 nach wie vor zu den ärmsten Ländern der Welt (LDC). Die Lebenserwartung beträgt 54 Jahre, das Bevölkerungswachstum ist mit 3,8 Prozent nach wie vor extrem hoch. Die Bevölkerung wird sich bis zum Jahre 2020 auf mehr als 36 Millionen Menschen verdoppelt haben. Die sozialen Indikatoren verbessern sich nur langsam: 56 Prozent der Bevölkerung (76 Prozent der Frauen) sind Analphabeten; die Einschulungsquote bei Jungen beträgt ca. 80 Prozent, bei Mädchen ca. 39 Prozent. Die Schulquote im Alter von 13 Jahren liegt bei 32 Prozent (Jungen) bzw. 13 Prozent (Mädchen). Die Arbeitslosigkeit beträgt mehr als 20 Prozent, regional sogar bis zu 50 Prozent. Die Tendenz ist wegen geburtenstarker, erwerbsfähig werdender Jahrgänge steigend. Bei der Armutsbekämpfung verlässt der Staat sich nach wie vor auf das soziale Auffangnetz von Familien und Stämmen. Darüber hinaus ist die Food and Agriculture Organization der Vereinten Nationen jährlich mit rund US-$ 250 Millionen zur Unterstützung bedürftiger Familien im Jemen engagiert. Im Verhältnis zu den Staaten des Golfkooperationsrates (GCC) ist nach dem Abschluss des Grenzabkommens mit Saudi-Arabien im Juni 2000 eine gewisse Entspannung eingetreten. Mittelfristig dürfte das bedeuten, dass wieder jemenitische Arbeitskräfte angeworben werden und somit Gastarbeiterüberweisungen und eventuell bilaterale Finanzhilfen in die jemenitischen Kassen fließen werden. Die Zusammenarbeit zwischen dem Jemen, der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds trägt Früchte, auch wenn einige Reformprojekte noch nicht nach den Vorstellungen der Bretton-Woods-Institutionen umgesetzt wurden. Hierzu gehören die Reform des Öffentlichen Dienstes, der Wirtschaftsjustiz, des Steuerwesens und der Abbau der Diesel-Subventionen. Zur Abfederung sozialer Härte setzt die Weltbank seit 1997 ein Sonderprogramm (Social Fund for Development) in Höhe von ca. 30 Mill. US-$ um. Eine dreijährige Enhanced Structural Adjustment Facility (ESAF) in Höhe von 265 Mill. Sonderziehungsrechten (SZR) sowie eine Extended Fund Facility (EEF) in Höhe von 106 Mill. SZR waren bereits im Oktober 1997 durch den IWF zugesagt und wurden mittlerweile zum größten Teil ausgezahlt. Bei der Überprüfung der vereinbarten Reformprojekte zeigte sich der IWF 1999 sehr zufrieden, da fast alle quantitativen Kriterien erfüllt wurden. Öl- und Gaswirtschaft: Im Jahr 2000 war der Erdölsektor für 87 Prozent der Exporterlöse des Landes und der damit verbundenen Deviseneinnahmen sowie für 70 Prozent der Staatseinnahmen verantwortlich. Seit 1991 wurde die Fördermenge auf 440.000 Barrel pro Tag in mittlerweile 60 ausgewiesenen Explorationsblöcken verdoppelt. Seit 1997 ist die Preussag Energie an der Erschließung neuer Ölfelder beteiligt. Bedingt durch den hohen Ölpreis haben sich die Erdöleinnahmen des Staates seit 1999 beinahe verdoppelt. Mithin könnte es zu gewissen Ermüdungserscheinungen bezüglich der Konsolidierung der gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen kommen. Mit seinen natürlichen Gasreserven von schätzungsweise 16.900 Milliarden Kubikfuß verfügt der Jemen über 0,33 Prozent der weltweiten Gasreserven. Die Gasförderung stagniert auf niedrigem Niveau, da angesichts der regionalen Konkurrenz finanzkräftige Investoren für die Anschubfinanzierung zwecks Erschließung und Ausbau der Gaslagerstätten ausbleiben. Elektrizität: Das derzeitige staatliche Elektrizitätsversorgungssystem ist nach wie vor von Unterkapazitäten und hohen Verlusten gekennzeichnet. Nur ein Viertel der Bevölkerung hat Zugang zur öffentlichen Stromversorgung, weitere 11 Prozent werden durch private Generatoren versorgt. Erneuerbare Energien spielen bisher keine Rolle. Dies könnte sich jedoch mittelfristig ändern, wenn die Subventionen für Diesel schrittweise auf Weltmarktniveau abgebaut werden Telekommunikation: Die mit 1,34 pro 100 Einwohnern nur geringe Zahl von verfügbaren Anschlüssen, fehlende Zugangsmöglichkeiten ländlicher Regionen zum Festnetz insgesamt wie auch das veraltete analoge Mobilnetz sind ausschlaggebend für den geplanten Aufbau eines GSM-Netzes. Landwirtschaft: Die Landwirtschaft beschäftigt zwar nach wie vor mehr als 60 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung, ihr Anteil am Bruttosozialprodukt ist jedoch von 25 Prozent in 1991 auf 17 Prozent im Jahre 1999 gesunken. Der Jemen ist mehr denn je davon entfernt, seine Bevölkerung durch die eigene Landwirtschaft zu ernähren. Die Ausgaben für importierte Nahrungsmittel wie Weizen und Mehl steigt stetig, von 57 Prozent in 1990 auf 80 Prozent im Jahre 1999. Der Anbau von Qat, einer Pflanze, deren Substanzen Amphetamine enthalten und deren Konsum zu den nachmittäglichen Konstanten des jemenitischen Lebens gehören, bringt unverhältnismäßig hohe Erlöse und führte zu einer Verdrängung des traditionellen Kaffee- und Weizenanbaus. Intensiver landwirtschaftlicher Anbau ist nur auf 1,6 Mill. Hektar möglich. Wasserknappheit, wiederkehrende Dürreperioden und schwierige Geländeformationen mit Oberflächenerosion lassen eine intensive Kultivierung der restlichen 53,4 Mill. Hektar nicht zu. Der volkswirtschaftliche Schaden durch den bewässerungsintensiven Anbau von Qat, für den 70 Prozent der jemenitischen Familien bis zu 60 Prozent ihres Einkommens aufwenden, ist unermesslich. Vor allem weil die Qat-Wirtschaft einen hohen Anteil am Bruttoinlandsprodukt hat, sollte nicht übersehen werden, dass die durch den Qat-Anbau verbrauchten knappen Wasserressourcen den dringend notwendigen Anbau von Lebensmitteln verhindern. Fischereiwesen: Jemen hat mit einer Küstenlänge von mehr als 2.200 km Zugang zu überaus artenreichen und ergiebigen Fischfanggründen im Arabischen und im Roten Meer. Die Regierung ist um den Ausbau der Fischfang-Kapazitäten bei gleichzeitigem Schutz der Ressourcen bemüht. Zur Zeit erwirtschaftet das Fischereiwesen rund 3 Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP). Das seitens der Europäischen Kommission erlassene Einfuhrverbot wurde Mitte 1999 für Betriebe mit nachweislich verbesserten Hygienebedingungen aufgehoben. Verarbeitende Industrie: Der verarbeitenden Industrie kommt nach wie vor eine untergeordnete Rolle zu. Rund 2 Prozent aller Arbeitskräfte erarbeiteten 1999 rund 4 Prozent des BIP. Wichtigste Sektoren sind die chemische Industrie und die Nahrungsmittelindustrie mit jeweils 40 Prozent. Tourismus: Tourismus bietet ein großes Potential. Dennoch stagniert dieser Sektor seit 1998 bei rund 10.000 jährlichen Touristen, von denen Deutsche, Italiener und Franzosen die größten Gruppen bilden. Grund für die Stagnation sind die immer wieder vorkommenden Entführungen von Touristen. Containerumschlaghafen und Freihandelszone Aden: Von dem im März 1999 fertiggestellten Containerhafen in Aden sowie der daran angeschlossenen Freihandelszone hatte sich die jemenitische Regierung eine Initialzündung zur Belebung der Binnenwirtschaft erhofft. Trotz modernster Technik und vor allem wegen der günstigen Lage ist es Aden bisher nicht gelungen, ein ernstzunehmender Konkurrent der effizient geführten Häfen von Djibuti, von Jebel Ali (VAE) und Salahlah (Oman) zu werden. Zwar ist beim Containerumschlag ein hohes Wachstum zu verzeichnen, jedoch waren die Ausgangswerte sehr niedrig. Die Umschlagkosten in Aden liegen um ein Viertel höher als die der Konkurrenzhäfen. In absehbarer Zukunft kann daher nicht damit gerechnet werden, dass die ursprünglich geplanten Hafenerweiterungen durchgeführt werden. Obwohl die Freihandelszone eine Vielzahl von Investitionsanreizen bietet, konnten ausländische Investoren in nennenswerter Zahl nicht gewonnen werden. Mitverantwortlich hierfür sind interne Kompetenzrangeleien und die träge Bürokratie. Die Hoffnung, Aden endlich zum erhofften Durchbruch zu verhelfen, ruht auf saudischen Investoren sowie auf technischer Hilfe durch die Europäische Kommission. Privatisierungsvorhaben: Mit Hilfe des Internationalen Währungsfonds wurde ein ehrgeiziges Privatisierungsprogramm entwickelt, das aber offensichtlich nur halbherzig verfolgt wird. Ein Gesetz zur Privatisierung von Staatsunternehmen ist Ende 1999 verabschiedet worden, und im Sommer 2000 wurde ein Privatisierungskomitee eingesetzt. Bisher wurden 30 kleinere Unternehmen privatisiert. Zu den zu privatisierenden Großprojekten, deren Umsetzung jedoch stockt, gehören National Bank of Yemen, Yemen Cement Company, Public Telecommunikations Company, Yemenia Airlines, Aden Refinery, Yemen Drugs Industry and Commerce Company und die Yemen Bank for Reconstruction. Ausblick Die Jemeniten sind in der Region ein vergleichsweise großes und sehr selbstbewusstes Volk. Ihre Identität ist in einer eigenen hochstehenden Kultur begründet, die weit vor die Entstehung des Islam zurückreicht. Die innen- und außenpolitischen Verhältnisse haben sich auch durch die Wiederwahl von Präsident Ali Abdullah Saleh weiter stabilisiert. Das jemenitische Regime erweist sich als stabil und kann im regionalen Vergleich auf eine recht gut entwickelte demokratische Praxis und Konfliktfähigkeit verweisen. Der von der Regierung verfolgte Modernisierungsprozess beinhaltet mit den internationalen Gebern abgestimmte Reformen in den wichtigsten Sektoren und ein ehrgeiziges Dezentralisierungsprojekt. Das in Zusammenarbeit mit Weltbank und Internationalem Währungsfonds entwickelte wirtschaftliche Reformprogramm beruht auf drei Hauptkomponenten: makroökonomische Stabilisierung, strukturelle Reformen und soziale Schutzmaßnahmen. Während die makroökonomische Stabilisierung bereits erste Erfolge wie z.B. die Konsolidierung der Auslandsschulden aufweist, entwickeln sich die notwendigen strukturellen Reformen (Reform der öffentlichen Verwaltung, Privatisierung der Staatsunternehmen, Reform des Banksektors und Anpassung des Rechtssystems) nur zögerlich. Das größte Problem des Jemen ist das hohe Bevölkerungswachstum, mit dem weder die wirtschaftliche Entwicklung noch die knappen Wasser- und Bodenressourcen Schritt halten können. Von der Regierung getragene Beratungsprogramme zur Familienplanung greifen nur langsam, während die Armut vor allem im ländlichen Raum gravierend zunimmt. Im Human Development Index der Vereinten Nationen nimmt der Jemen von 174 Ländern den 151. Rang ein. Ein wesentlicher Faktor hierfür ist die unzureichende gesundheitliche Versorgung. Ein soziales Sicherungssystem ist außerhalb der Familie und des Stammes sowie durch die Beschäftigung beim Staat nicht vorhanden. Insgesamt wird das Potential für eine wirtschaftliche Entwicklung des Jemens vor allem aufgrund der Erdgas- und Erdölvorkommen und der auszubauenden Freihandelszone in Aden positiv eingeschätzt. In den letzten 20 Jahren hat der Jemen den Sprung vom Mittelalter in die Neuzeit vollzogen. Mit dem Vereinigungsprozess seit 1990, dem Golfkrieg von 1991 und dem Bürgerkrieg von 1994 wurden einige schwerwiegende und langfristige Probleme gelöst. Die Erwartungen an die politische, wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes erfordern allerdings ein gewisses Maß an Geduld. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2001 |