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Brauchen wir im Informationszeitalter eine weitere Notrufnummer? : Notruf 114 bei Verlust oder Missbrauch von elektronischen Berechtigungen / Michael A. Denck ; Petra Staudenmeyer - [Electronic ed.] - Bonn, 2001 - 9 Bl. = 31 KB, Text & Image files . - (()FES-Analyse / Informationsgesellschaft ; 4)
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001

© Friedrich-Ebert-Stiftung


INHALT






  1. Wachsende Verbreitung von EC- und Kreditkarten erfordert einfachen Schutz vor Missbrauch
  2. Zentrale Notrufnummer baut auf etablierten Sicherheitsprozessen auf
  3. Einbindung der Polizei bei Authentifizierung von Hilfesuchenden
  4. Realisierung einer Notrufnummer 114 bedarf politischer Unterstützung


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Summary:

Für Hilfe in Notsituationen genügten bislang die Notrufnummern 110 und 112 für Polizei und Feuerwehr. Angesichts einer zunehmenden Verbreitung von EC- und Kreditkarten mit elektronischen Berechtigungen wächst die Notwendigkeit für eine im Notfall einfach zu nutzende Sicherheitslösung. Die in dieser Studie vorgestellte Idee ist die Einführung einer einheitlichen Notrufnummer 114, die Schutz vor Missbrauch von elektronischen Berechtigungen bietet. Dabei soll auf bestehende Sicherheitsprozesse aufgebaut werden. Zusätzlicher Sicherheitsnutzen kann auch durch die Bereitstellung des Notrufs über das Internet entstehen.

Die Realisierung einer einheitlichen Notrufnummer bedarf politischer Unterstützung, da der Sachverhalt § 13 Telekommunikationsgesetz unterliegt. Dieses Gesetz, das auch den Notruf 110 und 112 regelt, unterliegt zudem europäischem Recht, so dass eine europaweite Lösung angestrebt werden muss. Für die Etablierung wird eine Betreibergesellschaft aus beteiligten Unternehmen vorgeschlagen.

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1. Notwendigkeit einer einheitlichen Notrufnummer


Der heutige Schutz vor Missbrauch von elektronischen Berechtigungen

Wer heute sein Portemonnaie vermisst, muss die verschiedenen Telefonnummern der jeweiligen kartenausgebenden Gesellschaft kennen, um seine Kreditkarte, EC-Karte, etc. vor Missbrauch sperren zu lassen, denn jedes Unternehmen hat eigene Ansprechpartner für diese Notfälle vorgesehen. Dies ist auch gut, denn jedes Institut überprüft nach eigenen Kriterien die Berechtigung des Anrufers zum Sperren seiner Karten. Erst nach Überprüfung mehrerer Identifikationsmerkmale wie z. B. eines Geheimwortes, einer Geheimzahl, einer vielstelligen Vertragsnummer oder der Unterschrift per Fax wird die gewünschte Sperrung vorgenommen.

Doch wer hat schon in einer Notsituation alle relevanten Telefonnummern der zuständigen Stellen immer griffbereit, um eine Sperrung vornehmen zu lassen. Neben den unterschiedlichen personengebundenen Karten kommen noch weitere Medien hinzu, die ein Gefahrenpotenzial darstellen: Das Mobiltelefon, das Homebanking-Konto oder auch die zukünftig noch weiter verbreitete digitale Signatur können dem Besitzer durch ungewollten Missbrauch einen erheblichen Schaden zufügen. Bereits an dieser Stelle soll der zukünftige einheitliche europäische Personalausweis erwähnt werden. Dieser wird in Zukunft mit einer Chip-Karte versehen sein, die den Ausweis mit weiteren sensiblen personenbezogenen Funktionen, z. B. Sozialversicherungsdaten, ausstattet. Auch hier entsteht ein heute noch nicht abzuschätzendes Risiko bei Abhandenkommen der Karte, dem durch eine einheitliche Notrufnummer entgegen gewirkt werden kann. Ob es sich im Notfall nun um eine Kreditkarte, ein Mobiltelefon, eine Kundenkarte oder den Mitarbeiterausweis handelt, alle haben eine Gemeinsamkeit – eine individuelle Telefonnummer für das Sperren des betreffenden Mediums, um den Besitzer vor Missbrauch zu schützen.


Eine zentrale Notrufnummer als Schutz vor Missbrauch

Die Idee, die dieses Papier vorstellt, ist die Einführung einer einheitlichen Notrufnummer, zum Beispiel einer einfach zu merkenden 114. In einer Notsituation meldet sich der Hilfsbedürftige über die 114 bei dem dahinter stehenden Call-Center und gibt an, welche Karte bzw. welcher Zugang gesperrt werden soll. Das Call-Center vermittelt den Anrufer direkt an die jeweils zuständigen Stellen, die eine Sperrung vornehmen können. Dort wird die Authentizität des Anrufers geprüft und es können die nötigen Schritte zur Sperrung des Mediums veranlasst werden.

Für die Durchschlagkraft eines einheitlichen Notrufs bei Verlust oder Missbrauch von elektronischen Berechtigungen ist es ein entscheidender Faktor, dass die Telefonnummer knapp und einprägsam ist. Im optimalen Fall lehnt sich die zentrale Notrufnummer an die bestehenden Notrufe 110 und 112 für Polizei und Feuerwehr an.

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Abb. 1: Zukünftige Notrufverteilung

Angesichts einer zunehmenden Verbreitung von Karten und elektronischen Berechtigungen wächst die Notwendigkeit für eine im Notfall einfach zu nutzende Sicherheitslösung. Betrachtet man die Entwicklung der Kreditkartennutzung in den vergangenen Jahren, so erkennt man einen starken Aufwärtstrend. So sind 1999 in Deutschland allein durch die beiden Kreditkarten-Emittenten Visa und Mastercard zusammen 91 Millionen Karten ausgegeben worden. Hinzu kommen noch etwa 50 Mio. EC-Karten sowie Mitarbeiterkarten und Kundenkarten von Unternehmen. Die in den vergangenen Jahren rasant angestiegene Zahl der Mobiltelefone soll hier nur am Rande erwähnt werden.

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Abb. 2: Verbreitung der EC-Karten in Deutschland

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass mit dieser Entwicklung auch die Zahl der Missbrauchsfälle steigt. Allein in Deutschland wurden 1999 monatlich bis zu 135.000 Kredit- und EC-Karten als verloren oder gestohlen gemeldet. Wie die Kriminalstatistik belegt, bezahlen Kriminelle immer öfter mit gestohlenen Kredit- und Scheckkarten. Das Bundesinnenministerium rechnet in den nächsten Jahren mit einem weiteren Anstieg der Missbrauchsfälle. So wird allein beim Kreditkartenbetrug für das vergangene Jahr ein Anstieg von 20 % erwartet.

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Abb. 3: Ursachen des Kreditkartenmissbrauchs –
Diebstahl bleibt größtes Missbrauchsrisiko

Eine der verschiedenen in Frankfurt ansässigen Zentralen für Sperrungen von EC-Karten, die BIK GmbH, registriert etwa 70.000 Anrufe monatlich. 40.000 Kontakte führen zu Sperrungen von EC-Karten, was bedeutet, dass 30.000 Personen die falsche Institution angerufen hatten. Diese 30.000 Anrufer werden in der Regel am Telefon an die zuständigen Institutionen, z. B. Visa oder die Hausbank, verwiesen.


Transparenz steigert das Sicherheitsgefühl und das Vertrauen in die Neuen Medien

Für viele Bürger ist es heute zunehmend schwierig, bei der ständig steigenden Zahl von Karten den Überblick über alle Geheimnummern und Passwörter zu behalten. Hinzu kommt, dass im Verlust- oder Missbrauchsfall der Hilfsbedürftige oft nicht mehr weiß, wie und vor allem wo er welche Karte bzw. Berechtigung sperren lassen kann. So ist im Zeitalter des elektronischen Geldes einerseits eine Zunahme an Medien für elektronische Zahlungsvorgänge zu verzeichnen, andererseits hält das notwendige Vertrauen der Menschen in die Sicherheit der „virtuellen Welten" damit nicht Stand. Mit der Zunahme an elektronischen Berechtigungen und personengebundenen Karten schwindet allmählich die Transparenz und einhergehend damit auch das Vertrauen der Bürger in die vielfältigen Möglichkeiten, die uns moderne Medien bieten.

In diesem Kontext ist zudem zu berücksichtigen, ob mit einer Einführung der Notrufnummer 114 für elektronische Berechtigungen die Akzeptanz des eCommerce steigen könnte, da bisher der Sicherheitsaspekt ein wesentliches Hindernis für den Durchbruch des eCommerce ist. Das Sicherheitsbedürfnis des Menschen steht in Zusammenhang mit Stabilität und Konstanz in einer sich immer rascher wandelnden Welt, in der wir trotz unvollständiger Information zum Handeln angehalten sind. Da es trotz des heutigen Informationszeitalters für keinen Menschen möglich ist, Handlungsentscheidungen mit möglichst umfassenden Informationen abzudecken, können gezielte vertrauensbildende Maßnahmen hier eine wertvolle Hilfestellung leisten.

Sicherlich tragen Berichte über erfolgreiche Hackerangriffe in vermeintlich sichere Bereiche nicht gerade zur Vertrauensbildung bei. Es ist auch richtig, dass elektronische Berechtigungen – wie alle von Menschen geschaffenen Systeme – nicht vollständig sicher sind. Die Frage in diesem Kontext ist also nicht, wie diese Berechtigungen durch komplexe Verschlüsselungstechniken und Sicherheitsvorkehrungen noch sicherer werden könnten, sondern wie das Risiko eines Schadens durch einen zu schaffenden Notruf minimiert werden kann. Wenn der Bürger mehr Transparenz über die Möglichkeiten einer Sperrung hat bzw. wenn eine pragmatische Lösung für Hilfe im Notfall gegeben ist, dann akzeptiert und nutzt er auch eher die Vielfältigkeit der Neuen Medien.

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2. Die Funktionsweise des Notrufs 114

Über eine neu einzuführende Notrufnummer wie der einfach zu merkenden 114 gibt der betroffene Bürger an, dass z. B. seine EC-Karte und seine Kreditkarte abhanden gekommen sind. Das 114 Call-Center macht in diesem Fall nichts anderes, als den Anrufer mit den zuständigen Kartensperrzentralen zu verbinden. Erst hier muss sich der Hilfesuchende gegenüber den Sperrzentralen authentifizieren, um seine Karten sperren zu lassen. Die Notrufnummer 114 nimmt weder eine Identitätsprüfung noch eine Sperrung vor. Die Rolle des Notruf-Call-Centers soll auf die unbürokratische und schnelle Vermittlung zwischen dem Hilfesuchenden und der zuständigen Sperrstelle begrenzt sein. Mit der Einführung einer zentralen Notrufnummer soll nicht das Ziel verfolgt werden, berechtigungsrelevante Kundendaten der Karten emittierenden Unternehmen in einem zentralen Call-Center zu speichern, um dadurch einen Karten-Sperr-Service für die Hilfesuchenden anzubieten. Eine solche Aufgabenerweiterung würde zu einer ungewollten Machtkonzentration des Notrufs führen. Ferner würde durch die zentrale Datenhaltung der Bankverbindungen ein nicht zu vertretendes Sicherheitsrisiko durch kriminelle Angriffe erst provoziert, anstatt das Risiko zu vermindern. Bei einer zentralen Speicherung der Kundendaten stünde zudem der Aufwand, die Daten auf dem aktuellen Stand zu halten, in keinem akzeptablen Kosten-Nutzen-Verhältnis. Aus diesem Grund soll, wie im oben genannten Beispiel illustriert, auf die bestehenden Prozesse der verschiedenen Sperrzentralen aufgesetzt werden.

Letztendlich unterliegen die verschiedenen elektronischen Berechtigungen unterschiedlichen Sicherheitsniveaus. Jeder Kartenherausgeber legt für sich selbst seine eigenen Sicherheitsregeln fest. So genügt es, für die Sperrung einer Smart Card für Pay-TV die Kartennummer bzw. Anschrift anzugeben. Eine genauere Identifizierung des Anrufers ist nicht notwendig. Hingegen unterliegt die Sperrung einer Kreditkarte aus nachvollziehbaren Gründen einem wesentlich höheren Sicherheitsniveau. Eine Kreditkartensperrung erfolgt erst nachdem der Anrufer einwandfrei nachgewiesen hat, dass er berechtigt ist, die entsprechende Karte sperren zu lassen.

In dem neuen Call-Center für den Notruf 114 sollten aus zweierlei Gründen nicht Computer, sondern Menschen die Anrufe weitervermitteln. Zum einen können Menschen im Vergleich zu Telefoncomputern auf die Notsituation der Hilfesuchenden wesentlich verständnisvoller und situationsgerechter eingehen. Zum anderen können die neuen Call-Center aus arbeitsmarktpolitischen Gründen in strukturschwachen Regionen aufgebaut werden.

Abschließend soll im Rahmen der Funktionsweise noch die Kostenfrage angesprochen werden. Bei Verlust der Geldbörse ist in der Regel auch das Kleingeld bzw. die Telefonkarte abhanden gekommen. Da es sich beim Verlust oder bei Diebstahl von Kredit- oder EC-Karten um eine Notsituation handelt, die sicherlich nicht lebensbedrohend ist, die jedoch innerhalb kürzester Zeit zu einem erheblichen materiellen Schaden führen kann, muss die Möglichkeit für schnelles Handeln eine Grundvoraussetzung sein. Folglich soll die Nutzung des Notrufs für den Hilfesuchenden in der akuten Situation kostenfrei sein. Auf den Aspekt Kosten sowie die Finanzierung des Notrufs wird im Abschnitt „Betreibergesellschaft aus beteiligten Unternehmen" näher eingegangen.

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Abb. 4:
Ablauf eines Notrufs über die Sperrvermittlung 114

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3. Mögliche zusätzliche Leistungen eines Notrufs 114

Neben den soeben dargestellten, klar definierten Aufgaben lassen sich für eine Sperrvermittlung weitere Dienstleistungen als Zusatznutzen vorstellen.


Zusätzliche Sicherheit auch für Berechtigungen im Internet

Die Angst vor dem Datenmissbrauch aufgrund nicht ausreichender Sicherheitsvorkehrungen beim Internet-Bankgeschäft schreckt noch viele interessierte „Online-Kunden„ ab. Mehr als zehn Millionen Online-Konten sind inzwischen bei den Banken registriert. Der Bundesverband Deutscher Banken schätzt, dass in wenigen Jahren die Schwelle von 20 Millionen Konten erreicht sein wird. Auch wenn es sich hierbei nicht um eine EC- oder Kreditkarte handelt, eine elektronische Berechtigung ist für Online-Banking dennoch erforderlich. Wie kann heutzutage ein Online-Konto aus Sicherheitsgründen „offline„ geschaltet werden? Wer ist zuständig, wenn Passwörter eines Internetkontos in die falschen Hände geraten? Mit Sicherheit wäre eine Sperrvermittlung über den Notruf 114 für das Internet-Banking ein wichtiger Baustein, um das Vertrauen der Kunden in die Neuen Medien zu erhöhen.


Die Dienstleistung der Sperrvermittlung 114 im Internet abbilden

Die Dienstleistung der Sperrvermittlung kann heute ohne hohe Kosten zusätzlich im Internet abgebildet werden. Dabei sollte sich auch der Umfang des Internetangebotes lediglich auf eine Vermittlung beschränken. Somit könnte auf den Internetseiten eine vollständige Auflistung aller aktuellen Sperrzentralen vorgehalten werden, ergänzt durch eine einfach gestaltete Menüführung, die es dem Hilfesuchenden ermöglicht, die Sperrung seiner elektronischen Berechtigungen bei der zuständigen Stelle zu initiieren. Selbstverständlich werden die Datensätze verschlüsselt über das Internet an die entsprechende Sperrstelle übermittelt. Ein zusätzlicher Nutzen des Internetangebotes wäre dann, dass selbst ein taubstummer Bürger auf diese Weise über die Homepage sein Anliegen für eine Sperrung von Berechtigungen mitteilen kann. Nach den ersten Erfahrungen mit der Integration eines Notrufes über das Internet könnte dann auch der Gedanke aufgegriffen werden, die etablierten Notrufsysteme 110 und 112 über das Internet für hör- oder sprachgeschädigte Bürger einzusetzen.


Vertrauensketten als Bindeglied zwischen Hilfesuchendem und der zuständigen Sperrstelle

Wer gegenüber einer Sperrzentrale seine Identität nicht eindeutig nachweisen kann und infolgedessen auch nicht seine Autorisierung für das Sperren der personengebundenen Berechtigungen, dem ist auch mit einem Call-Center wie dem Notruf 114 nicht weitergeholfen. Sorgfältige Maßnahmen zur Prüfung der Identität vor der Sperrung einer elektronischen Berechtigung sind zum Schutz vor böswilliger Schädigung der Bürger unerlässlich. Nicht immer hat der hilfsbedürftige Anrufer hierfür die Mittel, insbesondere in einer Notsituation.

Hier kann das Prinzip der sogenannten „Vertrauenskette„ zum Einsatz kommen. Ein Bürger, der sich gegenüber dem Call-Center nicht eindeutig authentifizieren kann, wendet sich mit einem Dokument, das ihn eindeutig legitimiert, an die nächste Polizeidienststelle oder eine andere vertrauenswürdige Institution, z. B. eine Bank. Die Beamten bzw. die Angestellten überprüfen dort die angegebene Identität und bestätigen auf einer besonderen Telefonleitung gegenüber der Sperrvermittlung 114 die Identität des Bürgers. Die Sperrvermittlung 114 wiederum leitet in einem solchen besonderen Fall einen „identifizierten„ Sperrauftrag an die zuständige Sperrzentrale.

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Abb. 5: Vertrauenskette mit Einbindung der Polizei
für die Authentifizierung des Hilfesuchenden


Ergänzung von Sicherheitssystemen privatwirtschaftlicher Unternehmen

Das eigentliche Dienstleistungsspektrum eines Notrufs 114 könnte auch um ein Serviceangebot für privatwirtschaftliche Unternehmen erweitert werden. Denkbar wäre, dass Unternehmen die Sicherheitslogistik des Call-Centers für die eigene Betriebssicherheit nutzen. So wird heute die Zutrittskontrolle der Mitarbeiter oftmals durch eine Zugangsschleuse mittels elektronischer Mitarbeiterausweise durchgeführt. Auf einem solchen Mitarbeiterausweis – meist ein EC-Karten-ähnlicher Ausweis – werden zukünftig immer mehr Funktionen untergebracht sein. In absehbarer Zeit werden auf den Mitarbeiterausweisen zusätzlich die Nutzungsberechtigung der Firmencomputer hinterlegt werden, es können kostenstellenbezogene Einkäufe über das Internet abgerechnet werden, und nicht zuletzt wird der Mitarbeiterausweis einen Zugriff auf das Gehaltskonto, z. B. um das Kantinenessen zu bezahlen, ermöglichen. Verliert ein Mitarbeiter einen solchen Ausweis, so können für das jeweilige Unternehmen kaum kalkulierbare Schäden entstehen. Um hier potenziellem Missbrauch vorzubeugen, könnten Unternehmen das Call-Center 114 in ihre eigenen Sicherheitsstrukturen einbinden. D.h. der Mitarbeiter meldet den Verlust seines Mitarbeiterausweises über das Call-Center 114 der zuständigen Stelle des eigenen Unternehmens, die umgehend eine Sperrung des Mitarbeiterausweises vornehmen kann.

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4. Rahmenbedingungen für die Umsetzung eines Notrufs 114


Die Realisierung bedarf politischer Unterstützung

Ohne politische Unterstützung kann eine bundes- bzw. europaweite Notrufvermittlung 114 nicht realisiert werden, da der Sachverhalt § 13 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) unterliegt. [ Juristische Hinweise durch Prof. Dr. Alexander Roßnagel, Universität Gesamthochschule Kassel] Nach der Kommentarliteratur für das TKG umfasst der Notruf den Polizeiruf 110 und den Feuerwehrnotruf 112. Die Einführung der Notrufnummer 114 in Anlehnung an die bestehenden Notrufe wäre also nur möglich, wenn die Sperrvermittlung 114 als Notruf von der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post anerkannt würde. Sollte aufgrund der bestehenden Gesetzeslage die Notrufnummer 114 von der Regulierungsbehörde nicht anerkannt werden können, wäre eine Reform des TKG erforderlich. Da der Notruf mittlerweile europarechtlich geregelt ist, wäre zudem ein Alleingang der Bundesrepublik Deutschland nicht möglich. Vielmehr müsste hier die Bundesrepublik eine Gesetzesänderung auf europäischer Ebene initiieren.


Alternative 1: Fünfstellige Telefonnummer analog einer Telefonauskunft

Kann der Vorschlag „Notruf-Sperrvermittlung 114„ aufgrund des TKG nicht als Notruf anerkannt werden und ist eine Gesetzesreform nicht durchsetzbar, ist rein rechtlich § 43 TKG zu beachten, der die Nummernverteilung regelt. In diesem Fall könnte alternativ eine fünfstellige Auskunftsnummer eingesetzt werden, die mit 118 beginnen würde, also 118xx.


Alternative 2: Elfstellige Nummer aus dem FreeCall Rufnummernblock

Als zweite Alternative bei einer gesetzlichen Nichtanerkennung der Notrufnummer 114 wäre eine 0800er-Nummer für entgeldfreie Mehrwertdienste in Betracht zu ziehen, die allerdings von einer siebenstelligen weiteren Rufnummer gefolgt wird.

Obwohl die beiden alternativen Lösungen sicherlich auch ein erster Schritt wären, geht doch viel vom Charme einer einfachen, einheitlichen Notrufnummer für Verlust und Missbrauch von elektronischen Berechtigungen verloren. Es ist fraglich, ob eine der alternativen Lösungen eine ebenso starke Verbreitung und Durchschlagkraft bewirken könnte wie die einfach zu merkende Notrufnummer 114.

Als Vergleich: Die flächendeckende Einführung der Notrufnummern 110 und 112 war Anfang der 70er Jahre nach Ansicht vieler Politiker viel zu teuer und deshalb politisch nicht durchsetzbar. Heutzutage sind die Notrufnummern 110 und 112 ein essentieller Bestandteil für Hilfe der Bürger in lebensbedrohlichen Situationen und aus dem täglichen Leben nicht mehr wegzudenken. Es erforderte damals einer konzertierten Aktion der Innenminister zusammen mit dem Bundeskanzler, um dieses durch die Björn-Steiger-Stiftung initiierte Vorhaben zu realisieren.


Eine Betreibergesellschaft aus beteiligten Unternehmen managen die Finanzierung

Nun stellt sich die Frage, wie eine Sperrvermittlung 114 finanziert werden kann. Das Finanzierungsmodell der Notrufnummern 110 und 112 soll aus heutiger Sicht nicht in Betracht gezogen werden. Hier tragen seit 1973 die jeweiligen Bundesländer die Betriebskosten.

Für die Etablierung des neuen Notrufsystems 114 erscheint es aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll, eine Betreibergesellschaft zu gründen. Zu den Teilhabern dieser Gesellschaft sollten möglichst viele Unternehmen zählen, die Karten bzw. elektronische Berechtigungen herausgeben. Hierzu zählen u. a. Banken, Versicherungen, Kreditkartengesellschaften, Mobilfunk-Provider, Trust Center, sensible Unternehmen mit Mitarbeiterausweisen oder Internet-Provider.

Jeder über den Notruf 114 vermittelte Anruf an die zuständige Sperreinrichtung (Mitglied der Betreibergesellschaft), wird dem zuständigen Unternehmen mit einer pauschalen Gebühr berechnet. Somit ist seitens der Betreiber eine aufwandsgerechte Zuordnung der Kosten für ein solches Call-Center gegeben. Den beteiligten Unternehmen steht es dann frei, ob und wie sie die entstandenen Kosten dem Kunden verursachergerecht weiterbelasten.

Über die Betreibergesellschaft kann unter einem gemeinsamen Marketingdach für die Sicherheit und den Schutz der Kunden in einer Notsituation geworben werden. Dies ist ein Aspekt, der letztendlich auch als Instrument zur Kundenbindung gesehen werden kann. Durch eine abgestimmte Marketingstrategie könnte sich ein solches neues Sicherheitssystem in der breiten Bevölkerung zügig etablieren lassen.


Notwendige Schritte für eine Umsetzung

Für die Realisierung einer einheitlichen Notrufnummer 114 zum Schutz bei Verlust oder Missbrauch von elektronischen Berechtigungen sind zunächst folgende Punkte zu klären:

  • Prüfung, ob das TKG eine dreistellige Notrufnummer erlaubt
  • Im negativen Fall, Initiierung einer Gesetzesreform
  • Regelung der gesetzlichen Grundlage auf europäischer Ebene
  • Parallele Erstellung eines Konzeptes für eine Betreibergesellschaft

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Zu den Autoren:

Michael A. Denck arbeitet im Innovationsmanagement einer Zentralbank in Frankfurt am Main. Im Rahmen der Initiative D21 leitet er das Projekt „Umsetzung Notruf 114„.

Petra Staudenmayer arbeitet im Bereich Öffentlichkeitsarbeit in einer Zentralbank in Frankfurt am Main.

Kontakt und weitere Publikationen: www.denck.de


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