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TEILDOKUMENT:


[Essentials]

  • Zehn Jahre nach dem Systemwechsel von 1989 ist die Slowakische Republik (SR) noch immer eine nicht konsolidierte, instabile Demokratie. Die Regierungszeit Vladimír Meciars schwächte die junge Demokratie ungemein, polarisierte das Land im Innern und isolierte es außenpolitisch.
  • Die außenpolitischen Probleme der SR und insbesondere die unsichere innenpolitische Lage unter Meciar führten dazu, daß die Slowakei ihre „historische Chance" verpaßte, zusammen mit seinen Nachbarn der NATO beizutreten und mit der EU Beitrittsverhandlungen aufzunehmen.
  • Seit den Parlamentswahlen am 30. Oktober 1998 besteht eine „Links-Mitte-Rechts"- Regierung unter dem reformorientierten Christdemokraten Mikulás Dzurinda. Diese Koalition von Koalitionen mit sehr unterschiedlichen Ausrichtungen verfügt über die für eine Verfassungsänderung notwendige Dreifünftelmehrheit im Parlament. Damit scheint der Weg in Richtung Demokratie, zu marktwirtschaftlichen Reformen und einer politischen Westintegration geebnet.
  • Wirtschaftspolitisches Ziel der Regierung Dzurinda ist die Abkühlung der überhitzten Wirtschaft und die Einführung von Strukturreformen. 1999 sollen mit einem Sparprogramm die Reduktion des Leistungsbilanzdefizites von 10,1 Prozent auf fünf bis sechs Prozent sowie ein konsolidiertes Haushaltsdefizit von über fünf Prozent auf zwei Prozent des BIP erreicht werden.
  • Im Mai 1999 stellte die Regierung weitere Austeritätsmaßnahmen und einen ehrgeizigen Zeitplan zur Bankenprivatisierung bis Ende 2000 vor, nachdem die Slowakische Krone Tiefstwerte von über 47-48 Sk/Euro gegenüber 43 Sk/Euro erreicht hatte. Für 1999 wird eine negative Wachstumsrate des BIP prognostiziert, während die Regierung von einem realem Wachstum von drei Prozent (1998 4,4 Prozent) ausgeht.
  • Die Regierung Dzurinda bemüht sich, die Demokratiedefizite und die internationale Isolation zu überwinden, und wirbt um eine Mitgliedschaft in der NATO, der EU und der OECD. Seit der Regierungsübernahme haben sich die Beziehungen zu den mitteleuropäischen Ländern und den internationalen Organisationen deutlich verbessert. Sollte der Demokratisierungs- und wirtschaftliche Reformkurs durch die Heterogenität der bestehenden Koalition nicht gefährdet werden, so besteht eine Chance auf Rückkehr in den Kreis der Visegrád Troika.


[Überblick]

Die Entstehung der Slowakischen Republik (SR) als souveräner Staat am 1. Januar 1993 wird in allgemeinen auf das tschechisch-slowakische Pattergebnis der Parlamentswahlen im Juni 1992 zurückgeführt, als sich die Tschechoslowakei gerade in einem Prozeß radikaler gesamtgesellschaftlicher Systemveränderung befand. Nach dem Wahlausgang standen sich zwei Parteien gegenüber - die slowakische Bewegung für eine demokratische Slowakei (HZDS) von Vladimír Meciar und die tschechische Bürgerlich-Demokratische Partei (ODS) unter V. Klaus -, die in fast allen Bereichen gegensätzliche Positionen vertraten, jedoch eine Föderalregierung bildeten und eine gemeinsame Transformationspolitik fortsetzen sollten. Die Unvereinbarkeit der Koalitionsverbindung bestand vor allem darin, daß die Wahlgewinner speziell in der Wirtschaft divergierende Transformationsvorstellungen hatten sowie ein unterschiedliches Demokratieverständnis und einen eigenen Führungsstil.

Die politische Elite, die nach 1989 und verstärkt nach 1992 in der Slowakei an die Macht gelangte, setzte sich überwiegend aus ehemaligen Reformkommunisten des „Prager Frühlings" von 1968 sowie KP-Kadern zusammen. Diese Generation ist von der Idee der Reformierbarkeit der sozialistischen Wirtschaft und dem Glauben an einen „dritten Weg" zwischen Sozialismus und Kapitalismus geprägt. Seite an Seite mit den Nationalisten kritisierten sie Prags wirtschaftliche Umgestaltung und weckten Illusionen über spezifisch slowakische, schmerzlose Lösungen. Die starke Vertretung der Reformkommunisten in der slowakischen Führungsschicht (von 150 Abgeordneten des Nationalrats waren 99 ehemalige KP-Mitglieder) wurde möglich, weil sie sich geweigert hatten, das tschechoslowakische Lustrationsgesetz konsequent anzuwenden.

Gleichzeitig war die Ausrufung der SR Ergebnis von Bestrebungen nationalistisch und separatistisch orientierter slowakischer Kreise, vor allem aus den Reihen der Nationalpartei (SNS) und der HZDS, die schließlich in der Verselbständigung der Slowakei mündeten: Am 17. Juli 1992 verkündete der Slowakische Nationalrat einseitig die Souveränität der SR, noch während der Koalitionsgespräche zwischen der HZDS und ODS. Am 1. September 1992 wurde die slowakische Verfassung verabschiedet, die am 1. Oktober 1992 in Kraft trat. Damit war die SR de facto selbständig. Nachdem die Unterhändler der HZDS und ODS zu keiner Einigung bei der Gestaltung der weitreichenden Reformvorhaben sowie bei der Lösung der umstrittenen tschechisch-slowakischen Kompetenzenaufteilung zwischen der föderalen und der Landesebene gelangten und die selbständige SR deklariert war, bestand Klaus auf einer raschen Auflösung des gemeinsamen Staates, auf die er sich schließlich mit Meciar einigte. Diese Entscheidung wurde am 25. November 1992 in einer sehr knappen Abstimmung des Parlaments (einer bzw. zwei Stimmen der Drei-Fünftel-Mehrheit in beiden Kammern) ratifiziert, was der Spaltung nachträglich Legalität verlieh.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 2000

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