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TEILDOKUMENT:


[Essentials]

  • Verglichen mit 1990 haben sich 1998 die Kennziffern für die gesamtwirtschaftliche Leistung, die Einkommen der Bevölkerung sowie die demographische Situation Rußlands deutlich verschlechtert. Auch 1999 und im Folgejahr ist keine durchgreifende Besserung zu erwarten.
  • Die gesamtwirtschaftliche Produktion sowie die Agrarproduktion sind gegenüber 1991 um rund 40 Prozent gesunken, die Industrieproduktion um rund 50 Prozent. Die das zukünftige Produktionspotential mitbestimmenden Sachanlagen-investitionen verminderten sich um 75 Prozent, und das humane Kapital wurde durch „brain drain" (Abwanderung von etwa 75.000 Wissenschaftlern) erheblich geschädigt.
  • Die großen Staatsbetriebe der Sowjetepoche liegen weitgehend brach und ihre Umstellung auf die neuen Verhältnisse gelang nur in Ausnahmefällen (vor allem in Großunternehmen der Erdgas- und Erdölförderung sowie der Metallurgie). Die Kleinbetriebe und Neugründer leiden unter inkompetenter Bürokratie, hoher und ständig wechselnder Besteuerung sowie einer wuchernden Korruption.
  • In langfristiger Perspektive als kritisch anzusehen ist vor allem die Struktur der Auslandsverschuldung: Selbst im günstigsten Fall der Aussetzung von Tilgungszahlungen bis 2010 ist die faktische Zahlungsunfähigkeit Rußlands vorprogrammiert.
  • Als kritisch gelten ferner die Verfügbarkeit der natürlichen Ressourcen, die Rohstofflastigkeit der Exporte, die Bevölkerungsentwicklung, die Nutzung des intellektuellen Potentials und die Kapazität des politischen Systems, den erforderlichen Konsens zu fördern und durch die Verfassung legitimierte Entscheidungen zu realisieren.
  • Spezifische Engpässe ergeben sich aus einem abnehmenden Bevölkerungspotential, aus Schäden an Infrastruktur und Umwelt, aus der Vernachlässigung der realwirtschaftlichen Erneuerung in Industrie, Landwirtschaft und Transportsystem (abzulesen an fehlenden bzw. fehlgeleiteten Investitionen) und einem konzeptionellen Defizit bei der Förderung von Forschung und Entwicklung.
  • Der Faktor der governance ist heute die entscheidende Begrenzung für die Entwicklung des Landes. Kompetenz und Integrität der Akteure waren und sind vor allem im öffentlichen Sektor und in der Politik nicht garantiert, der generelle und deshalb auch schwer widerlegbare Korruptionsverdacht wirkt sich auf alle Bereiche der Wirtschaft und Gesellschaft lähmend aus.

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[Überblick]

Die mit der verfrühten Fixierung des Rubelkurses im Juni 1995 begonnene Gratwanderung der russischen Wirtschaftspolitik endete am 17. August 1998 mit einem Absturz. Die Währungskrise Rußlands wurde zur Wirtschaftskrise und diese zur politischen Krise. Die Bemühungen um eine Konsolidierung der anhaltend prekären innenpolitischen Lage sind um Jahre zurückgeworfen, denn erste Ansätze zur Bildung eines Mittelstands wurden zerstört. ein Drittel der Bevölkerung lebt heute unter einem Existenzminimum von 22 US-Dollar pro Monat. Seither ist die russische Politik primär um Erleichterungen für den zu leistenden Schuldendienst bemüht, der die finanziellen Kapazitäten des Landes bei weitem übersteigt. Westliche Gläubiger schwanken zwischen kurzfristiger Verzweiflung und langfristiger Hoffnung und suchen nach Kriterien für eine Bewertung der Aussichten auf eine Stabilisierung. Die wegen der Wahlen zur Staatsduma und für das Präsidentenamt anhaltende Unsicherheit läßt keine eindeutigen Prognosen der ordnungspolitischen Orientierung und des wirtschaftpolitischen Kurses Rußlands zu. Es müssen deshalb zunächst die für die wirtschaftliche Entwicklung kritische Faktoren ermittelt werden, um das Spektrum langfristig relevanter Szenarien und den Spielraum der russischen Politik auszuloten.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 2000

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