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Wirtschaftspolitik - Die Weichen werden gestellt

Mit Beginn des Transformationsprozesses wurden viele Wirtschaftsprogramme formuliert: der Bericht der Macro-Economic Research Group (MERG, 1993) von ANC-nahen Ökonomen, das Reconstruction and Development Program (RDP, 1994) des ANC sowie anschließend die National Strategy for Growth and Development (Ministry in the Office of the President, 1995), die Konzepte Growth for All (SAF, 1996) und Social Equity and Job Creation (Labour Caucus at Nedlac, 1996), schließlich das GEAR (Department of Finance, 1996).

Die Wirtschaftspolitik der Regierung orientiert sich heute am GEAR, das das Grundbedürfniskonzept des RDP ablöste: 10 Jahre Pflichtausbildung für alle; Bau von 1 Mio. Einfachhäusern innerhalb von fünf Jahren; Anschluß an Elektrizität für zusätzlich 2,5 Mio. Haushalte bis zum Jahr 2000; Zugang zu sauberem Wasser, adäquate sanitäre Versorgung und primäre Gesundheitsversorgung für alle; Landverteilung an die Landlosen. Mit Hilfe des RDP sollten zugleich Investitionen stimuliert werden. Das RDP geriet von Anfang an in Schwierigkeiten, weil die Finanzierung nicht gesichert war. Problematisch waren vor allem die Investitionen (Energie, Wasser, Transport, Kommunikation, Häuserbau), die allein die staatliche Investitionsquote auf 21% hätten steigen lassen.

Nach Abschluß des RDP 1996 übernahm das Finanzministerium die Führung auf der Suche nach der makroökonomischen Strategie: Es formulierte das GEAR, das die nachfrageorientierten Maßnahmen des RDP durch eine angebotsorientierte Wachstumsstrategie ablöste. Im übrigen entsprach dieses Maßnahmenpaket den Forderungen des IWF und der Weltbank und setzte sich zum Ziel:

  • zur Reduzierung der Inflationsrate das Haushaltsdefizit des Staates auf 4% zu senken;

  • die Geldpolitik restriktiv einzusetzen (Orientierung an der Geldmenge M3; Zinspolitik);

  • die öffentlichen Unternehmen zu privatisieren;

  • den Arbeitsmarkt im Rahmen des „collective-bargaining-systems" flexibel zu handhaben;

  • Investitionen durch Steueranreize zu fördern;

  • die Beschäftigung von Arbeitslosen durch Unterstützung des SMME zu erhöhen;

  • den Wechselkurs des Rand so zu gestalten (leichte Unterbewertung), daß die südafrikanische Industrie wettbewerbsfähiger sein würde.

Flankiert wurde das GEAR von Initiativen zur Ankurbelung der einheimischen und ausländischen Investoren, von denen die wichtigste die SDI ist (Spatial Development Initiative). SDI will über die staatliche Finanzierung von Industriezonen ca. 118.000 neue Arbeitsplätze schaffen. Letztendlich sollten alle diese Maßnahmen zur Steigerung des BIP führen und damit das Beschäftigungsproblem lösen helfen. Aus dem Wachstum würde sich auch die Masse für Umverteilungsmaßnahmen ergeben.

Bei der Umsetzung der Programme ergeben sich vielfältige Probleme:

  1. Investitionsneigung und -verhalten wie auch Exporterfolge lassen sich nicht von der Regierung kontrollieren. Sie kann lediglich die Rahmenbedingungen setzen und hoffen, daß die Anreize entsprechend wirken.

  2. Erhöhungen der öffentlichen Investitionen führen nicht ohne weiteres zu einem Crowding-in von Privatinvestitionen. Nach bisherigen Erfahrungen ist die gewünschte und notwendige Investitionsquote von 26%, die ergänzt werden sollte durch einen ausländischen Kapitalzufluß in Höhe von 4% des BIP, nicht über eine Erhöhung der staatlichen Investitionsquote möglich. Ein Crowding-out-Effekt scheint eher möglich zu sein.

  3. Auch die Privatisierung von Staatsunternehmen muß nicht zu höheren Privatinvestitionen führen.

  4. Ebensowenig läßt sich mit der Liberalisierung des Handels, durch Abbau der Zölle und NTH, und durch die leichte Unterbewertung des Rand eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit erzielen. Durch den erhöhten Konkurrenzdruck (unangemessene Sequenzierung der Senkung der Zölle) könnten einige Unternehmen auf der Strecke bleiben. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit ist auch mit den TFP verbunden, die wiederum von Unternehmensentscheidungen und dem Vorhandensein hochqualifizierter Experten abhängen und nicht von der Liberalisierung des Außenhandels.

  5. Auch das als erforderlich angesehene Wachstum der Nicht-Goldexporte von durchschnittlich 8% erweist sich als zu hoch. Eine Exportoffensive könnte jedoch entscheidende Impulse für das Wachstum des BIP geben.

  6. Das Wachstum des BIP kann auch zu unerwünschten Nebeneffekten führen: Dabei steigen auch die Investitionsgüter-Importe, die vorübergehend Zahlungsbilanzprobleme auslösen können. Wenn die Kapitalgüter-Importe produktiv eingesetzt werden und auch der Export ansteigt, stellen diese kein Problem dar. Nehmen aber die Importe von Konsumgütern zu, die nicht produktiv verwendet werden können, wird die Geldpolitik - um die Stabilität des Rand zu sichern - versuchen, durch restriktive Maßnahmen inflationäre Tendenzen einzuschränken.

  7. Das Stabilisierungsziel (restriktive Haushaltspolitik, niedrige Neuverschuldung) kann leicht in Konflikt mit dem Wachstumsziel geraten. Dies betrifft auch die Einrichtung von Exportproduktionszonen, die den Unternehmen Steuerfreiheit garantieren.

  8. Das Konzept der Flexibilität der Löhne steht im Widerspruch zu den Zielen der Gewerkschaften, denn die Flexibilität je nach Sektorproduktivität, Region und Unternehmen verlangt eine Abkehr von der bislang praktizierten „voice-regulation". Das neue Arbeitsgesetz Employment Equity Bill, das die Bevorzugung benachteiligter Gruppen bei Einstellungen regelt, wird von den Unternehmen als Belastung und Gefahr für den Wettbewerbskurs gesehen. Es bewirkt offenbar auch eine Abwanderungswelle weißer Experten, die der südafrikanischen Wirtschaft bereits Schaden zugefügt hat. Der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften wird immer spürbarer.

Die damit zu erwartenden Konflikte könnten möglicherweise durch präventives Konfliktmanagement und Verhandlungen gelöst werden. Die Aufgabe besteht in der Bewältigung der Beschäftigungskrise, in der Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit und der Wachstumsraten aber auch in der Lösung der Probleme der regionalen Kooperation und der ländlichen Entwicklung. Südafrika wird diese Strukturprobleme nur über einen langen Zeitraum überwinden können.


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