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TEILDOKUMENT:

[Seite der Druckausg.: 39 ]



V. Vorschläge zur Bündelung und Vernetzung der Regulierungsstrukturen


Welche konkreten Gestaltungsmöglichkeiten ergeben sich nun aus diesen verfassungsrechtlichen Rahmenvorgaben für die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern im Bereich des Kommunikationswesens, wenn man das Ziel der „Vernetzung„ vor Augen hat? Im Folgenden soll dieser Frage anhand einiger konkreter, in der Diskussion befindlicher Modelle nachgegangen werden.

1. Bündelung der Zuständigkeiten innerhalb der Länder- bzw. Bundesebene



1.1 Gemeinsame Medienanstalt der Länder

In Studien der Bertelsmann-Stiftung wird beispielsweise vorgeschlagen, die Zuständigkeit der bestehenden Landesmedienanstalten auf die Wahrnehmung rein regionaler Aufgaben (insbesondere Zulassung und Aufsicht bei landesweitem / lokalem Rundfunk) zu beschränken, und alle bundesweiten Zulassungs- und Aufsichtsfunktionen auf eine bundesweite Medienanstalt der Länder zu übertragen [Vgl. Booz, Allen & Hamilton, Teil 2.].
Unterstützung für diesen Vorschlag wurde u.a. von den Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf (CDU) und Kurt Beck (SPD) zum Ausdruck gebracht [Vgl. epd medien Nr. 71 / 1998.].
In eine ähnliche Richtung zielen Überlegungen der Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten (ALM) in einem Positionspapier vom 23.3.1999 [epd medien Nr. 26 / 1999, S. 25 ff.].
Dieses zielt darauf ab, die Arbeitsgemeinschaft zu einer Einrichtung mit eigener Entscheidungskompetenz weiterzuentwickeln.

Mit diesen Vorschlägen wird der durch den Rundfunkstaatsvertrag vorgezeichnete Weg einer bundeseinheitlichen Medienregulierung über das materielle Medienrecht hinaus auch auf der administrativen Ebene konsequent fortgeführt. Er entspricht dem Grundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens und gibt aus verfassungsrechtlicher Sicht keinerlei Anlass zu Bedenken.

1.2 Zusammenlegung von Bundeskompetenzen

Mit der Zusammenfassung sämtlicher medienbezogener Kontrollfunktionen auf dem Gebiet des Jugendschutzes bei der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften hat der Bund bereits einen wichtigen Schritt zur Vereinheitlichung des administrativen Gesetzesvollzugs unternommen. Er ist damit den Ländern weit voraus, in deren Bereich Jugendschutzangelegenheiten auf dem Gebiet des Rundfunks und der Mediendienste zum Teil von gänzlich unterschiedlichen Stellen wahrgenommen werden.

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Demgegenüber ist der Bundesgesetzgeber auf dem Gebiet der Wettbewerbskontrolle den Weg der Rechtsvereinheitlichung nicht so konsequent gegangen. Neben dem Bundeskartellamt hat auch die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) bestimmte wettbewerbsrechtliche Kontrollfunktionen, insbesondere bei der Entgeltregulierung.

Zwar schreibt § 82 TKG eine enge Zusammenarbeit zwischen RegTP und Bundeskartellamt vor, die sich in der Frage der Abgrenzung relevanter Märkte und der Feststellung einer marktbeherrschenden Stellung sogar zu einem Einvernehmen verdichtet, jedoch sind die wettbewerbsrechtlichen Aufsichtsfunktionen voneinander getrennt und richten sich nach inhaltlich unterschiedlichen Rechtsvorschriften. Die Gefahr, dass sich die wettbewerbsrechtliche Aufsichtspraxis auseinander entwickelt und sich durch die unterschiedlichen Zuständigkeiten erhebliche Verfahrensverzögerungen ergeben, ist daher nicht von der Hand zu weisen. Um dem abzuhelfen, würde es sich empfehlen, die wettbewerbsrechtlichen Aufsichtsfunktionen des Bundes im Bereich der Telekommunikation entweder beim Bundeskartellamt oder bei der Regulierungsbehörde zu konzentrieren. Verfassungsrechtliche Bedenken stünden dem nicht entgegen.

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2. Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern



2.1 Gemeinsame Bund-Länder-Anstalt für das Kommunikationswesen

Die Errichtung einer gemeinsamen Bund-Länder-Anstalt mit echten Entscheidungskompetenzen verstieße gegen das Verbot der Mischverwaltung und wäre daher verfassungswidrig. Wollte man diesem Projekt näher treten, bedürfte es einer Grundgesetzänderung, wofür entweder die Erweiterung des Katalogs der Gemeinschaftsaufgaben in Artikel 91 a bzw. Artikel 91 b GG oder eine eigenständige Regelung, z.B. in Anlehnung an die Bestimmungen über die Finanzverwaltung in Artikel 108 GG, in Betracht käme.

2.2 Organleihe

Maßgebliches Kriterium für die Zulässigkeit einer Verwaltungskooperation zwischen Bund und Ländern ist die „eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung„, die eine eindeutige Zuordnung und Wahrung der jeweiligen (materiellen) Entscheidungskompetenz erfordert. Eine „Organleihe„, d.h. das Tätigwerden einer Landesbehörde für den Bund oder einer Bundesbehörde für die Länder, ist daher nur insoweit möglich, als die Schwelle der Verlagerung essentieller Entscheidungskompetenzen dadurch nicht überschritten wird. Dafür genügt es nicht, dass der jeweilige Kompetenzinhaber die für die Verwaltung maßgeblichen materiellen Rechtsvorschriften erlässt. Auch die administrative Entscheidungskompetenz beim Gesetzesvollzug selbst muss dem jeweiligen Kompetenzträger eindeutig zugeordnet sein [Vgl. auch Scherer / Hölscher, S. 51 ff.] .

Was dieser Vorschlag, der u.a. von der schleswig-holsteinischen Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) befürwortet wird [Unveröffentlichte Rede auf dem 4. Medienworkshop am 7.10.1999 in Kiel.] , konkret bedeutet, soll an den Beispielen Lizenzvergabe und Konzentrationskontrolle verdeutlicht werden.

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Einheitliche Lizenzvergabe

In Anlehnung an das US-amerikanische FCC-Modell wird gelegentlich vorgeschlagen, das telekommunikationsrechtliche und das medienrechtliche Regulierungsverfahren zusammenzufassen und die Vergabe der entsprechenden Lizenzen einer zentralen Behörde zu übertragen. Angenommen, Bund und Länder kämen überein, die RegTP auf dem Wege der Organleihe mit diesen übergreifenden Aufgaben zu betrauen, so würde es verfassungsrechtlich nicht ausreichen, dass die RegTP bei der medienrechtlichen Lizenzvergabe an die rechtlichen Vorgaben der Länder gebunden wird. Ohne ausdrückliche grundgesetzliche Ermächtigung ist eine eigenständige Länderbehörde (z.B. in Gestalt einer gemeinsamen Medienanstalt der Länder), die alle wesentlichen inhaltlichen Entscheidungen trifft, unabdingbar. Die RegTP könnte lediglich gewisse Hilfs- und Koordinierungsfunktionen bei der Vorbereitung und Ausführung dieser Entscheidungen übernehmen.

Im Ergebnis würde eine solche Lösung wohl weder zu einer wesentlichen Straffung des Verfahrensablaufs noch des Verwaltungsaufwands selbst führen. Sie würde allenfalls insoweit zu einer gewissen Verfahrensvereinfachung beitragen, als die entsprechenden Anträge nur noch bei einer einzigen Stelle einzureichen wären, die sich intern mit den zuständigen Länderstellen abstimmen und den Verfahrensablauf koordinieren würde.

Zusammenführung der Konzentrationskontrolle

Von größerer praktischer Relevanz könnte das Modell der Organleihe bei der Wettbewerbsregulierung sein. Die medienrechtliche und die kartellrechtliche Konzentrationskontrolle haben zwar einen unterschiedlichen Bezugsrahmen, doch gibt es bei den zu prüfenden Sachverhalten und Kriterien (Marktanteile, marktbeherrschende Stellung) Überschneidungen. Beide Kontrollsysteme beziehen sich auf den gleichen Gegenstand: die Machtposition von Unternehmen auf den Medienmärkten. Lediglich die Systematik der Abgrenzung der Märkte und das Sanktionsinstrumentarium unterscheiden sich voneinander. Da sich auch die publizistische Konzentrationskontrolle allein an wirtschaftlichen Indikatoren orientiert, ist der den Entscheidungen zugrunde liegende Datenkranz zumindest der Art nach weitgehend identisch. Es böte sich also an, im Wege der Organleihe dem Bundeskartellamt die Aufgabe zu übertragen, nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen auch die für die publizistische Konzentrationskontrolle relevanten Markt- und Unternehmensdaten zu erheben. Wichtig und unabdingbar ist nur, dass die Entscheidung über die auf der Basis dieser Daten zu treffenden medienrechtlichen Sanktionen bei der zuständigen Länderstelle (KDLM) verbleibt.

Je nach Umfang und Qualität der Kooperation unterscheiden sich auch die Anforderungen an die normative Qualität der erforderlichen Rechtsgrundlagen. Beschränkt sich die Kooperation auf eine bloße behördeninterne Amtshilfe, genügt eine Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern bzw. den beteiligten Stellen. Hat die Zusammenarbeit dagegen Außenwirkung auch auf die Bürger, bedarf es einer gesetzlichen bzw. staatsvertraglichen Rechtsgrundlage. Dies wäre in beiden oben genannten Beispielen der Fall. So würde etwa die Einschaltung des Bundeskartellamts in das Verfahren der medien-

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rechtlichen Konzentrationskontrolle eine Regelung im Rundfunkstaatsvertrag erfordern, mit der die Landesmedienanstalten zur Einholung und Beachtung der kartellamtlichen Stellungnahme verpflichtet werden und durch die das Kartellamt zugleich ermächtigt wird, die erforderlichen Daten bei den Unternehmen zu erheben. Die organisatorischen Voraussetzungen und verfahrensmäßigen Abläufe im Innenverhältnis selbst könnten dann in einer ergänzenden Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern geregelt werden.

2.3 Zusammenarbeit von Bundes- und Länderstellen auf der Ebene gegenseitiger Abstimmung und Koordination

Ein wesentlich größerer Spielraum für die Zusammenarbeit zwischen Bundes- und Länderstellen eröffnet sich, soweit es um bloße Abstimmungs- und Koordinierungsvorgänge geht, ohne dass die Entscheidungskompetenzen als solche berührt werden. Dabei können verschiedene Ziele verfolgt werden, wie:

  • Erarbeitung gemeinsamer Planungskonzepte und politischer Initiativen,

  • Vereinfachung, Straffung und Synchronisierung von Verfahrensabläufen,

  • Vermeidung bzw. Klärung von Kompetenzkonflikten,

  • Harmonisierung von Sachentscheidungen.

Je umfangreicher die Schnittstellenbereiche zwischen Bundes- und Länderzuständigkeiten im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung und Vernetzung des Kommunikationssystems werden, desto mehr entsteht ein solcher Abstimmungs- und Koordinierungsbedarf. Soweit es sich dabei um bloße Koordinierungsauflagen handelt, ist dies rechtlich unproblematisch. Kritisch wird es dann, wenn die Pflicht zu gegenseitiger inhaltlicher Abstimmung dazu führt, dass die Entscheidungsfreiheit der beteiligten Stellen in der Sache selbst eingeengt oder gar aufgehoben wird. Diese Schwelle wird überschritten, wenn für eine Entscheidung Einvernehmen zwischen der jeweiligen Bundes- und Landesstelle gefordert wird. Soweit lediglich verlangt wird, dass die am Verfahren beteiligten Stellen gegenseitiges „Benehmen„ herstellen (d.h. gegenseitige Abstimmung mit dem Ziel der Herstellung von Einvernehmen, ohne dass ein solches zwingend vorausgesetzt wird), bestehen keine Bedenken.

Um diese gegenseitige Abstimmung und Koordinierung zu effektivieren, könnte ein ständiger Ausschuss der in Betracht kommenden Bundes- und Länderbehörden eingerichtet werden. Bei Konsens gilt dessen Entscheidung als verbindlich; bei Dissens liegt das Letztentscheidungsrecht bei der jeweils zuständigen Stelle. Eine weitere Überlegung wäre, die jeweiligen Entscheidungsinstanzen auf Bundes- und Landesebene (z.B. RegTP und ggf. die zentrale Medienanstalt der Länder) örtlich und organisatorisch, jedoch unter Wahrung ihrer rechtlichen Selbstständigkeit, zu verbinden. Mit dem nachfolgenden Vorschlag für einen „Regulierungsrat„ (s.u. Kap. VI. 2.2) werden diese Überlegungen aufgegriffen.

2.4 Koordinierte Gesetzgebung

Die Koordinierung und Abstimmung auf der Verwaltungsebene bedürfen der entsprechenden

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Ergänzung auf der Ebene der Rechtsetzung selbst. Die Koordinierung von Bund und Ländern bei der legislativen Regulierung der Online-Dienste durch den Mediendienstestaatsvertrag der Länder und das Teledienstegesetz des Bundes beweist, dass dies grundsätzlich möglich ist. Die Schwierigkeiten beim Zustandekommen der Verständigung machen allerdings deutlich, wie wichtig es ist, noch bestehende Barrieren abzubauen und möglichst pragmatische Verfahrensregeln zu entwickeln.

[Seite der Druckausg.: 44 = Leerseite ]


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juli 2000

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