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Wie soll man für billiges Bauland sorgen?

Grundstückskosten sind ein wichtiger Bestandteil der Erstellungskosten von neuen Wohnungen. Sie wirken sich unmittelbar auf die Mieten aus und mittelbar auf die Höhe der Subventionen, die zur Versorgung einkommensschwacher Haushalte mit angemessenen Wohnungen benötigt werden. Billiges Bauland ist auch die Voraussetzung für kostensparendes horizontales Bauen (1 1/2 Geschosse, keine Keller und Tiefgaragen). Andererseits steht flächenintensives Bauen im Konflikt mit Naturschutzinteressen. Letzteren ist eher mit hohen Baulandpreisen gedient, die einen Anreiz für flächensparendes Bauen darstellen.

Die Kosten für Bauland spiegeln dessen relative Knappheit wider. Stellt man Bauland im Überfluß bereit, wird es billig. Umgekehrt führt jede Forcierung des Wohnungsbaus bei Bauland-Knappheit zu immer höheren Bodenpreisen. „Überfluß" im Wohnungsbauinteresse kann auch heißen: Schutz vor dem Zugriff anderer Verwendungsinteressen (insbesondere für gewerbliche Zwecke). Die grundsätzliche Alternative zur Herstellung von Überfluß ist Preiskontrolle. Dem Problem der Knappheit muß dann durch Rationierung begegnet werden. Diese kann gezielt zu Gunsten der Wohungsversorgung einkommensschwacher und anderer im Markt benachteiligter Zielgruppen vorgenommen werden - natürlich mit dem Effekt, daß sich das Wohnen für die anderen verteuert.

Hohe Knappheitspreise für Bauland sind ein geographisch begrenztes Problem. Sie treten typischerweise in Ballungsräumen mit hoher Wohnungsnachfrage auf und führen dazu, daß einkommensschwache Wohnungssuchende in ferne Randlagen abgedrängt werden. Es käme also darauf an, mehr Bauland in den Ballungsräumen bereitzustellen, um das Preisgefälle zwischen Ballungsräumen und Peripherie zu verringern. Natürlich ist das - bei bereits vollbebauten innerstädtischen Räumen - weitgehend nur an den Stadträndern möglich. In anderen Worten: Es gilt, das räumliche Baulandangebot in Einklang mit dem räumlichen Arbeitsplatzangebot, aus dem sich ein Großteil der räumlichen Struktur der Wohnungsnachfrage ableitet, zu bringen.

Politikansatz 1:

Per Gesetz kommunale Widerstände gegen die Ausweisung von Bauland für Wohnungen ausschalten!

Kommunen zögern häufig, neues Bauland für Wohnungen auszuweisen, weil politisch durchsetzungsfähige Interessen dem im Wege stehen. Alteinwohner wünschen Exklusivität im Interesse von Wohnqualität und Grundstückswert. Die Gemeinden selbst präferieren Gewerbebauten statt Wohnungen wegen der damit verbundenen höheren Steuereinnahmen. Darüber hinaus gibt es die Tendenz, Planungsoptionen für die Zukunft offenzuhalten. Die politische Durchsetzungsfähigkeit derartiger Wohnungsbauverhinderungs-Interessen läßt sich verringern, wenn die relevante Willensbildung/Planungskompetenz teilweise von der kommunalen auf eine höhere Ebene verlagert wird. Ansatzpunkte hierfür sind Landes- oder Bundesvorgaben für die kommunale Baulandausweisung sowie Sanktionierungsinstrumente (u.a. finanzieller Art). Für sie gälte es, eine gesetzliche Basis zu schaffen.

Politikansatz 2:

Die Bereitstellung von Bauland für die Kommunen finanziell attraktiver machen!

Länder oder auch der Bund können den Kommunen finanzielle Mittel zur Bereitstellung von preiswertem Bauland zuweisen.

Die Ausweisung von Bauland kann für die Kommunen auch attraktiver werden, wenn sich die finanziellen Vorleistungen zur Erschließung verringern. Dies würde erreicht:

  • durch eine noch stärkere Beteiligung der privaten Grundeigentümer an den Erschließungskosten, was einer gesetzlichen Grundlegung bedürfte;

  • durch die Vergabe der finanziellen Erschließungspflichten und -rechte an Privatfirmen. Die Rechte bestehen dabei in der (unterschiedlich gestaltbaren) Beteiligung am Verkaufserlös.

Politikansatz 3:

Die Ausweisung innerstädtischer Reserveflächen für den Wohnungsbau propagieren!

Innerhalb der bebauten kommunalen Gebiete, vor allem in Städten, gibt es viele Flächen (frühere Bahngelände, Gewerbebrachen, dünn bebaute Wohngebiete), die für den Wohnungsbau nutzbar gemacht werden könnten. Dies geschieht u.a. deshalb nicht, weil es gegen herrschende Vorstellungen ist. Hier gälte es, einen Bewußtseinswandel zu propagieren.

Politikansatz 4:

Die Umwidmung von Wohnarealen in einträglichere Gewerbe- und Bürogebiete gesetzlich erschweren!

Dies ist die defensive Version des ersten, auf eine Ausweitung von Wohnungsbauland zielenden Politikansatzes. Die Erhaltung von Wohnarealen wirkt einem Ansteigen der Knappheitspreise für Wohnbauland entgegen. Gleichzeitig erhöht es allerdings die Knappheitspreise für gewerbliches Bauland, insbesondere in präferierten zentralen Lagen. Werden Wohngegenden nicht nur vor konkurrierender Nachfrage geschützt, sondern für eine dichtere Wohnbebauung freigegeben, sinkt generell der Knappheitspreis von Wohnbauland. Der Bodenpreis in der verdichteten Zone wird dennoch steigen (der Preis pro qm Wohnfläche jedoch nur, wenn die verdichtete Bebauung zu einer höheren Wohnqualität führt).

Da kommunale Interessen einer gewerblichen Bebauung tendenziell den Vorzug geben, müßten entsprechende Riegel auf Länder- oder Bundesebene vorgeschoben werden. Allerdings müßten entsprechende Nutzungsvorgaben mit einer sehr langen, durch neue Mehrheiten nicht mehr revidierbaren Geltungsdauer versehen werden. Andernfalls wird der Spekulation und der dazugehörigen Pervertierung der Grundstücksnutzung zur Druckausübung (z.B. Verkommenlassen von Wohnbauten) Vorschub geleistet.

Politikansatz 5:

Dafür sorgen, daß ausgewiesenes Bauland auch bebaut wird!

Ausgewiesenes Bauland wird aus unterschiedlichen Gründen dem Wohnungsbau vorenthalten. Man kann es für den Wohnungsbau verfügbar machen und so den örtlichen Knappheitspreis für Bauland verringern (bzw. seiner Verteuerung entgegenwirken), indem man

  • den Eigentümer gegebenenfalls zum Verkauf zwingt,

  • für den Eigentümer die Bauenthaltung finanziell unattraktiv macht.

Der erstgenannte Weg würde den Erfolg umfassend sichern, bedarf aber einer relativ weitreichenden Einschränkung des Eigentumsrechts - ein hoher Preis für eine relativ bescheidene Entlastungswirkung auf dem Wohnungsmarkt.

Der größte finanzielle Anreiz zu einer baldigen Bebauung geht von einer Sondersteuer auf unbebautes Bauland aus. Auch eine höhere allgemeine Grundsteuer verschärft die Strafe auf Nichtnutzung von Bauland. Sie wirkt sich anderweitig aber evtl. negativ auf den Wohnungsmarkt aus, weil sie Eigenheimnachfrage in die billigeren Marktsegmente sowie in den Markt für Mietwohnungen drängt und dort die Preise steigen läßt.

Politikansatz 6:

Grunderwerbssteuer senken!

Die Grunderwerbssteuer treibt einen Keil zwischen Kauf- und Verkaufspreis für ein Grundstück. Sie senkt die Verkaufsbereitschaft und wirkt damit preistreibend. Senkt man sie ab, erhöht sich das Angebot an Grundstücken und entlastet das Preisniveau. Ein Teil der Verkäufer tritt freilich auch wieder als Nachfrager auf, wodurch sich der Verbilligungseffekt abschwächt.

Politikansatz 7:

Preisobergrenzen für neu ausgewiesene Wohnbaugrundstücke festsetzen!

Durch Preiskontrollen kann man verhindern, daß das knappe Gut „Bauland" gemäß der Kaufkraft der Nachfrager zugeteilt wird und die einkommensschwachen Nachfrager vom Markt verdrängt werden. Zu diesem Zweck müssen die auf den preiskontrollierten Grundstücken errichteten Wohnungen für diese Nachfragergruppe reserviert werden - und zwar zu „Sozialmieten". Die Kosten für ein derartiges Vorgehen entfallen

  • auf die von den Preiskontrollen betroffenen Grundeigentümer, denen die Realisierung möglicher Knappheitsrenten verwehrt wird;

  • auf alle Nachfrager außerhalb der Zielgruppe; denn für sie würde sich das Baulandangebot verknappen und somit verteuern (zum Nutzen übrigens der von Preiskontrolle verschonten Grund- und Wohnungseigentümer).

Das gleiche soziale Ziel ließe sich erreichen, wenn die Nachfragekraft der zu unterstützenden Haushalte durch Wohngeld erhöht würde. Die Kosten würden dann auch die Steuerzahler in ihrer Gesamtheit zahlen und nicht exklusiv die genannten Gruppen.

Damit die Preiskontrolle nicht zur Angebotszurückhaltung führt, muß der Spekulation auf spätere Preisfreigaben der Boden entzogen werden. Der sicherste Weg ist hier der Zwangsverkauf des für den sozialen Zweck ausgewiesenen Bodens, wie es z.B. im Rahmen von kommunalen Entwicklungsmaßnahmen geschieht (vgl. auch Politikansatz 5).

Einwand: Aller Erfahrung nach wirft die nachhaltige Reservierung der begünstigten Wohnungen für die Zielgruppe ein erhebliches Kontrollproblem auf. Wenn die Bereitstellung preiskontrollierten günstigen Baulandes nicht in sehr großem Maßstab gelingt, wird eine kleine Minderheit der Zielgruppe privilegiert, u.a. auf Kosten einer kleinen Minderheit von Grundbesitzern.

Politikansatz 8:

Grund und Boden verstaatlichen und Privaten gegen eine Benutzungsgebühr zur Verfügung stellen!

Die wohnungspolitische Wirkung ist ähnlich wie in Politikansatz 7 dargestellt, jedoch umfassender steuerbar. Der Staat kann die Nutzungsgebühr gemäß seinen wohnungspolitischen Prioritäten festlegen. Dabei kann die Verwaltung der öffentlichen Eigentumsrechte an Grund und Boden durchaus anderen Behörden bzw. Treuhändern überantwortet werden als jenen, die die Planungshoheit haben. Mit den Prinzipien der freien Marktwirtschaft ist die Aufhebung des Privateigentums an Grund und Boden vereinbar, weil der Boden an sich weder herstellbar noch verbrauchbar ist und insofern keine Ware darstellt. Mit dem Kaufpreis für Boden wird keine wirtschaftliche Leistung entgolten, sondern eine Renten-abwerfende Machtposition abgelöst.

Eine schwache Variante dieses Politikansatzes ist die Ausweisung von Erbbaurechten auf Grundstücken, die sich im Besitz der öffentlichen Hand befinden bzw. auch zu diesem Zweck aufgekauft werden.

Einwand: Das private Nutzungsrecht an einem öffentlichen Grundstück kann nicht losgelöst von den auf ihm vorgenommenen Investitionen (Erschließung, Bauten) übertragen werden. In den Kaufpreis eines Hauses fließt deshalb immer auch der Knappheitswert des genutzten Grundstücks mit ein. Man kann diesen Bestandteil des Kaufpreises als eine Ablösegebühr betrachten. Diese wirkt sich natürlich auch auf die Miete aus. Für noch unbebaute Grundstücke hingegen gilt das nicht.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juli 1999

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