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Wie kann man den Wohnungsbau verbilligen?

Geht man davon aus, daß unter den Anbietern von Wohnungen Konkurrenz herrscht, kann eine Verbilligung des Wohnungsbaus zwei Gruppen zugute kommen: den Wohnungsnutzern und den Grundeigentümern.

  • Kommt die Verbilligung durch die Ausweitung des Baulandangebotes zustande, profitieren ganz klar die Nutzer: Sie wohnen billiger oder leisten sich zum gleichen Preis mehr Wohnraum. Die Verlierer sind die Eigentümer schon vorher bebauten oder ausgewiesenen Baulandes, sofern es sich nicht in besonders nachgefragten Zentrallagen befindet. Der Knappheitspreis ihrer Immobilien sinkt. Ihre Mieteinnahmen gehen zurück.

  • Niedrigere Erstellungskosten (soweit sie nicht durch Qualitätseinbußen bedingt sind) kommen hingegen den Eigentümern von Neubaugrundstücken zugute, solange weiterhin hohe Nachfrage nach Wohnraum besteht und der Markt deshalb gleich hohe Mieten und Eigenheimpreise wie vor der Kostensenkung „hergibt". D.h., ein Teil der erzielbaren Miete wandert von der Tasche der Bauwirtschaft mitsamt ihren Zulieferern und Steuererhebern in die Tasche der Grundeigentümer.

  • Ist der Markt nach Wohnraum zu vorgegebenen Mieten gesättigt, erlauben niedrigere Erstellungskosten niedrigere Mieten und Eigenheimpreise und mobilisieren damit zusätzliche Nachfrage - und zwar ohne daß die Grundstückspreise sinken müssen. D.h., die Wohnungsnutzer werden besser gestellt und gleichzeitig können die Grundstückseigentümer ihre Knappheitsrente halten.

  • Niedrigere Erstellungskosten, die mit Qualitätsminderung einhergehen, kommen denjenigen Wohnungsnutzern zugute, die eine einfachere, aber billigere Wohnung präferieren. Hierzu gehören insbesondere niedrigere Einkommensschichten. Dies gilt freilich nicht, wenn die Qualitätsminderung voll auf höhere Folgekosten (Reparaturen, Energieverbrauch u.a.) durchschlägt.
    Sofern die Knappheit von Bauland keinen Riegel vorschiebt, indem sie die Kostenersparnis beim Bauen der Knappheitsrente des Bodens zuschlägt, regt die Verbilligung des Wohnungsbaus die private Wohnungsbautätigkeit an, ohne daß es dazu staatlicher Subventionen bedarf. Sie ist also eine Alternative zum Sozialen Wohnungsbau, eine Alternative, die den öffentlichen Kassen zugute kommt.

Ansatzpunkt 1:

Lockerere Bauvorschriften

Geringere staatliche Auflagen zur baulichen Qualität und der Ausstattung von Wohnbauten (u.a. Tiefgaragen, Energievorschriften, Schalldämmung) können deren Erstellung verbilligen. Beschleunigte Genehmigungsverfahren wirken in die gleiche Richtung.

Einwände:

  • Der ohne schwerwiegende Qualitätsverluste erzielbare Verbilligungseffekt ist minimal.

  • Das Problem sind nicht die Bauvorschriften, sondern die Anforderungen des Marktes. Der Markt akzeptiert die verringerte Qualität nicht, die mit Billigbauweise verbunden ist.

  • Billigwohnungen sind rechtlich möglich und würden von Einkommensschwachen auch akzeptiert. Das Problem ist der - politisch durchsetzungsfähige - Widerstand der Nachbarschaften gegen die Abwertung ihrer Wohnquartiere.

  • Geringere Gebäudequalität führt zu höheren Folgekosten (Reparaturen).

  • Kosten werden externalisiert (z.B. Parkraumchaos bei fehlenden Tiefgaragen).

  • Niedrigere Bauqualität fördert die Bildung von Unterschicht-Ghettos.

Ansatzpunkt 2:

Rationelleres Bauen

Wohnungsbau läßt sich auch ohne Abstriche bei der Qualität verbilligen. Diesem Ziel dienen einheitliche Baupläne, als Folge davon Verwendung massengefertigter Bauteile, durchrationalisiertes Zusammenfügen und bessere Baustellenlogistik, Zusammenfassung von Gewerken sowie von Planung und Durchführung, bessere Materialverwertung, Verarbeitung des Bauaushubs auf dem Grundstück, und andere Rationalisierungsmaßnahmen. Der Effekt ist besonders groß bei Großbauprojekten (über 50 Wohnungseinheiten).
Um die entsprechenden Techniken zur Anwendung zu bringen, muß die Nachfrage nach derartigem Bauen aktiviert werden. Die Politik hat hier drei prinzipielle Hebel zur Verfügung:

Anreize: Kopplung der Wohnungsbauförderung an rationelles Bauen (z.B. Preisobergrenzen für Förderung oder Zusatzförderung für kosteneffektive Bauvorhaben)

Propagierung durch aktive Information potentieller Bauherren sowie durch Vorzeigeprojekte

Öffentliche Aufträge an Anbieter durchrationalisierter Bauleistungen im Rahmen von großflächigen Erschließungsmaßnahmen

Einwauml;nde:

  • Durchrationalisiertes Bauen geht zu Lasten des Handwerks und der freiberuflichen Architekten.

  • Es tendiert zu ästhetischer Verödung (Beispiel Plattenbauten).

  • Stark verbilligte „Massenbauten" werden nur von den nachfrageschwachen Marktsegmenten angenommen. Das Resultat: Bildung von Unterschicht-Ghettos.

Ansatzpunkt 3:

Billigere Bauleistungen

Verbilligung beim Bau kann auf viererlei Weise erreicht werden:

  • größere Effizienz,

  • niedrigere Gewinne für die an Baudurchführung und -vorbereitung beteiligten Unternehmen und Freiberufler,

  • niedrigere Löhne für die Arbeitnehmer,

  • mehr Eigenarbeit der Bauherren.

Effizienz ist zum Teil eine Folge der technischen und rechtlichen Rahmenbedingungen (siehe Ansatzpunkte 1 und 2). Sie kommt aber auch durch verschärften Wettbewerb zustande. Die Wohnungspolitik kann den Wettbewerbsdruck auf die Anbieter von Bauleistungen erhöhen, indem sie bei der Wohnungsbauförderung aktiv eine große Zahl von Angeboten mobilisiert und konsequent nur diejenigen mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis berücksichtigt („Kungelei" zwischen Bauwirtschaft und Wohnungspolitik unterbinden!). Die Effizienzfrage stellt sich auch für die Vorleistungen wie z.B. die Baumaterialien. Der Preis für Bauholz ließe sich etwa durch eine Verkürzung der Vermarktungskette verringern.

Niedrigere Gewinne sind ebenfalls die Folge von schärferem Wettbewerb. Dieser ist vor allem zu Zeiten geringer Kapazitätsauslastung der Bauwirtschaft gegeben. Antizyklische Bauförderung (soweit es die Zinsen zulassen) kann dies verstärkt ausnutzen. Mehr Wettbewerb bezieht sich auch auf die gegenwärtig kartellartig festgelegten Gebührenordnungen für Architekten und Ingenieure. Hier wären Änderungen via Gesetzgebung nötig (z.B. Abkopplung der Honorare von den Baukosten).

Niedrigeren Arbeitskosten dient der Rückgriff auf ausländische Bauarbeiter.

Einwand: Macht einheimische Arbeitskräfte arbeitslos bzw. zwingt sie ebenfalls zum Akzeptieren niedriger Löhne. Da die Begünstigten zum großen Teil Eigenheimerwerber mittleren Einkommens sind, wird so von unten nach oben umverteilt.

Gegeneinwand: Im Zuge internationaler Wirtschaftskreisläufe entstehen neue Hochlohnjobs in anderen Bereichen, so wie dies auch bei Billigimporten der Fall ist.

Freiwillige Eigenarbeit der Bauherren läßt sich vermehrt einsetzen, wenn die Bauplanung diese Option systematisch miteinbezieht und für die nötigen Voraussetzungen (Werkzeuge, Einweisung u.a.) sorgt. Staatliche Anreize und Propagierung können auch hier aktivierend wirken.

Ansatzpunkt 4:

Mehr Weisungsbefugnis für Länder/Bund, um kommunalen Widerstand gegen Billigwohnquartiere auszuschalten

Die Erstellung von Billigwohnungen mit schlichter Ausstattung ist technisch und baurechtlich möglich. Sie trifft auch auf Nachfrage. Aber sie scheitert in großem Umfang am Widerstand der Kommunen gegen die Entstehung von Unterschicht-Wohnquartieren auf ihrem Gebiet. Da dieser Widerstand im Mehrheitswillen der jeweiligen Bürgerschaft verankert ist und auf kommunaler Ebene deshalb fast stets Mehrheiten findet, läßt er sich nur auf höherer politischer Ebene ausschalten. Das Recht auf angemessenen Wohnraum muß hier gegen den verständlichen Egoismus der betroffenen Nachbarschaften durchgesetzt werden. Diesem Ziel muß ein Teil der kommunalen Selbstbestimmung geopfert werden - ähnlich wie bei Infrastrukturmaßnahmen mit überregionaler Bedeutung.

Ansatzpunkt 5:

Billigere Erschließung von Bauland

Dies haben die Kommunen direkt in der Hand. Sie können sich hier mit weniger hohen Standards begnügen.

Ansatzpunkt 6:

Flächensparendes Bauen

Spielt dort eine Rolle, wo Bauland besonders teuer ist. Hängt dort von den kommunalen Planungsvorgaben ab. Ansonsten wäre größere Flächennutzung pro Wohnungsflächeneinheit billiger (am billigsten sind einstöckige, nicht unterkellerte Bauten).

Einwände: Anonymität von Wohnhochhäusern fördert asoziales Verhalten (Vandalismus etc.). Beeinträchtigung historischer Ortsbilder durch Hochbauten.

Ansatzpunkt 7:

Niedrigere Baulandpreise durch mehr Baulandangebot

Ein höheres Angebot an Bauland verringert dessen Knappheitspreis und verbilligt so unmittelbar das Bauen. Außerdem ermöglicht es, zumindest in Randlagen, billiges eingeschossiges Bauen mit seiner extensiven Flächennutzung. Ein höheres Baulandangebot ist vor allem in den Randlagen von Zentren (statt zentrumsfern) wünschenswert (umweltfreundlichere Transportkonsequenzen). Zu nutzen sind auch Gewerbebrachen und dünn bebaute Siedlungsgebiete, die für Verdichtung freigegeben werden können. Der Schlüssel zu all dem liegt bei der kommunalen Planung. Auf sie müßte durch Anreize und gesetzlichen Druck eingewirkt werden.

Einwand:Billigeres Bauland führt zu ökologisch unerwünschtem verschwenderischem Umgang damit (Zersiedelung, Landschaftsverbrauch, mehr Transportbedarf).

Ansatzpunkt 8:

Niedrigere Baulandpreise durch Grundstücksbewirtschaftung

Der Preis von Bauland kann durch administrativ verfügte Obergrenzen unter dem Knappheitspreis gehalten werden. Die Zuteilung an die Nachfrager erfolgt dann durch Rationierung. Alternativ kann preistreibende Nachfrage vom Grundstücksmarkt ferngehalten werden (z.B. durch Reservierung von Grundflächen für Wohn- statt Bürobauten, bzw. für große Wohnanlagen).

Einwände: Dies widerspricht marktwirtschaftlichen Grundsätzen. Es führt zur Zweiteilung des Marktes, wenn es nicht flächendeckend angewandt wird. Die Zuteilung solchermaßen billig gehaltener Wohnungen wird zum Privileg für relativ Wenige. Hoher Kontrollaufwand, wenn „Versilberung" des Privilegs durch baldigen Wiederverkauf oder durch Erheben von hohen Knappheitsmieten (da weiterhin marktpreistreibende Übernachfrage) verhindert werden soll. Reservierung von Grundflächen für Wohnbauten verbilligt nicht allgemein, sondern nur in teueren Zentrallagen. Dies ist wichtig für umweltverträgliche und städtebaulich erwünschte Siedlungsstrukturen, aber nicht unbedingt für Behebung von Wohnungsnot. Grundstücksbewirtschaftung ist ständig offen für Veränderungen in der politischen Willensbildung. Dies begünstigt die Spekulation und die dazugehörige Pervertierung der Grundstücksnutzung zur Druckausübung (z.B. Verkommenlassen von Wohnbauten).


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juli 1999

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