FES HOME MAIL SEARCH HELP NEW
[DIGITALE BIBLIOTHEK DER FES]
TITELINFO / UEBERSICHT



TEILDOKUMENT:




Wie soll das Instrument „Wohngeld" eingesetzt werden?



Page Top

A. Welchen Stellenwert soll das Wohngeld in Zukunft haben?

Position A1:

Wohngeld ist unverzichtbar, um einkommensschwachen Haushalten angemessenen Wohnraum zu ermöglichen. Denn das Angebot an preisgünstigen „Sozialwohnungen" kann nicht schnell genug auf ungünstige Entwicklungen, wie steigende Mieten oder sinkende Einkommen reagieren. Politisches Ziel muß es jedoch sein, die Abhängigkeit von Wohngeld zu reduzieren.

Wohngeld ist eine sofort wirkende „Nothilfe". Es trägt dem im Zuge von Marktentwicklungen immer wieder eintretenden und kurzfristig nicht zu ändernden Fakt Rechnung, daß sich viele Haushalte keine angemessene Wohnung auf dem freien Markt leisten können. Anzustreben ist jedoch ein Zustand, in dem die entwürdigende ständige Überprüfung der Bedürftigkeit entfällt. Wohnungspolitisch heißt dies: genügend viele erschwingliche Wohnungen bereitstellen. Wohngeld schafft aber keine neuen Wohnungen. Vielmehr bedarf es dazu der Förderung des Baus von Wohnungen, insbesondere auch von „Sozialwohnungen". Darüber hinaus hätte allgemeine Sozial- und Wirtschaftspolitik dafür zu sorgen, daß die Zahl der armen Haushalte nicht weiter zu-, sondern wieder abnimmt. Der Hauptansatzpunkt hierfür wäre die Beschäftigungspolitik.

Das Wohngeld hingegen zum Hauptinstrument der Wohnungspolitik - unter Verzicht auf aktive Wohnungsbaupolitik - zu machen, wäre auch deswegen keine gute Lösung, weil es mit unkalkulierbaren Kosten verbunden wäre. Denn wenn der private Wohnungsbau nicht schnell genug reagiert, läßt die bestehende Wohnungsknappheit die Mieten stark ansteigen. Entsprechend hoch wird der Bedarf an kompensierenden Wohngeldzahlungen. Die Nutznießer sind die Wohnungseigentümer, deren Knappheitsrenten auch zu Lasten des Steuerzahlers steigen.

Eine Wohnungspolitik, die sich in erster Linie auf die Zahlung von Wohngeld stützt, kann der Tendenz des Wohnungsmarktes, sozial entmischte Wohnstrukturen („Sozialghettos") zu schaffen, nur dann entgegenwirken, wenn das Wohngeld sehr großzügig bemessen wird.

Position A2:

Wohngeld soll das Hauptinstrument der Wohnungspolitik werden, um die Versorgung einkommensschwacher Haushalte mit angemessenem Wohnraum zu sichern.

Wie jeder Markt funktioniert auch der Wohnungsmarkt am effizientesten, wenn sich das Angebot ungehindert an der Nachfrage orientieren kann und wenn der Preis die tatsächliche Knappheit widerspiegelt. Effizienz im Umgang mit knappen wirtschaftlichen Ressourcen garantiert jedoch noch keine sozialverträgliche Verteilung der Nutzungsrechte an knappen Gütern. Am besten lassen sich die Kriterien der Effizienz und der Sozialverträglichkeit miteinander in Einklang bringen, wenn die Bedürftigen durch Einkommenssubventionen marktfähig gemacht werden und Nachfrage ausüben können. Genau das leistet, spezifisch auf den Wohnungsmarkt gerichtet, das Wohngeld. Die mit Hilfe staatlichen Wohngeldes aufgestockte Kaufkraft der einkommensschwachen Wohnungssuchenden regt die private Wohnungsbau-Investition an und trägt zum Abbau des Wohnungsmangels bei. Diese Art der Förderung hat eine wesentlich höhere soziale Treffsicherheit als der Soziale Wohnungsbau mit seiner Subventionierung mittlerer und selbst hoher Einkommensbezieher.

Position A3:

Wohngeld soll das Hauptinstrument der Wohnungspolitik werden. Aber seine soziale Wirksamkeit ist zu erhöhen.

In seiner jetzigen Form gleicht das Wohngeld die Belastungen durch hohe Mieten oft nicht angemessen aus. Es ist sicherzustellen, daß es mit der Entwicklung der Mieten Schritt hält. Eine andere Zielvorgabe wäre von Nutzen: Statt die Miete auf eine bestimmte vorgegebene Höhe herunter zu subventionieren, sollte das Ziel eine bestimmte Relation von Mietausgaben zu Bruttoeinkommen (z.B. 20 %) sein. Dabei muß eine bestimmte Wohnfläche als angemessen zugrunde gelegt werden. Nur für diese Fläche ist die Miete zu subventionieren. Was darüber hinaus geht, ist Sache des einzelnen Haushaltes.

Position A4:

Das Wohngeld abschaffen und statt dessen das Einkommen bedürftiger Haushalte generell subventionieren.

Die Zahlung von Wohngeld nimmt eine unzulässige Bewertung der unterschiedlichen Bedürfnisse vor, die Menschen befriedigt haben wollen. Es stattet einkommensschwache Haushalte mit Kaufkraft für einen spezifischen Markt aus. Es stünde besser im Einklang mit den marktwirtschaftlichen Grundprinzipien, die Sozialhilfe zweckungebunden so weit aufzustocken, daß eine der Familiengröße angemessene Wohnung damit angemietet werden kann, wenn der einzelne Haushalt diesem Bedürfnis denn Priorität beimißt.

Einwand: Zumindest das Recht von Kindern auf angemessenen Wohnraum ist gegen anderweitige Ausgabenpräferenzen der Eltern in Schutz zu nehmen. Deshalb sollte kinderbezogene Einkommenssubvention immer eine an den Wohnzweck gebundene Komponente enthalten und nicht in voller Höhe bedingungslos ausgezahlt werden.

Page Top

B. Soll Wohngeld nach Wohnungsmerkmalen differenziert werden?

Position B1: Ja!

Grundsätzlich soll die einkommensschwache Zielgruppe dazu befähigt werden, Wohnungen in allen Segmenten des Wohnugsmarktes nachzufragen, und nicht auf ein besonderes billiges Teilsegment (etwa Altbauwohnungen) verwiesen werden. Andererseits wäre es ungerechtfertigt, die Mieter billiger Wohnungen mit geringerem Qualitätsstandard stärker zu entlasten als andere. Dies aber würde eintreten, wenn man die Höhe des Wohngeldes undifferenziert an den teueren Marktsegmenten ausrichtete.

Position B2: Nein!

Höheres Wohngeld für bessere Wohnungen verleitet Wohngeldbezieher dazu, sich teurere Wohnungen zu leisten, als es ihren eigenen Ausgabenprioritäten entspricht. Sie werden ja finanziell belohnt dafür. Einheitliches Wohngeld, das natürlich hoch genug für eine generelle angemessene Versorgung mit Wohnraum sein muß, überläßt es den einzelnen Haushalten, ob sie lieber bei der Wohnqualität oder bei anderen Ausgaben sparen wollen.

Einwand: Das Argument gilt nur, wenn genügend billige Wohnungen angeboten werden, um allen Wohngeldbeziehern die Option „Sparen bei der Wohnqualität" offen zu halten.

Page Top

C. Soll Wohngeld regional differenziert werden?

Position C1: Ja!

Der einzelne Haushalt hat praktisch keine Möglichkeit, sich die Wohnregion auszusuchen, die seiner Nachfragekraft entspricht. Er ist vor allem durch den Arbeitsplatz lokal/regional so gut wie gebunden. Das Ausweichen in billigere Wohngegenden außerhalb von Ballungsgebieten ist mit unzumutbar hohem materiellen und immateriellen Aufwand verbunden. Dies gilt ganz besonders bei einem raschen Anstieg der Mieten in einer Region. Andererseits wäre es nicht gerechtfertigt, die Bewohner von billigen Wohngegenden stärker durch Wohngeld zu entlasten als die in teueren. Dies aber würde eintreten, würde die Wohngeldhöhe uniform an den teueren Wohngegenden ausgerichtet.

Position C2: Nein!

Teuere Wohngegenden bieten eine Reihe von Vorteilen an „Lebensqualität" (Angebotsdichte in Bezug auf Güter und Dienstleistungen, Urbanität). Deshalb sind sie besonders begehrt, was sich in den Grundstückspreisen und folglich auch in den Mieten niederschlägt. Die Entscheidung für diese „Lebensqualität" hat ihren Preis. Die Bereitschaft, ihn zu zahlen, oder aber mit der geringeren „Lebensqualität" billigerer Wohngegenden vorliebzunehmen, ist eine Sache der individuellen Prioritätensetzung. Die Solidargemeinschaft Nation hat keinen Anlaß, die Vorzüge bevorzugter Wohngegenden zum freien Gut für Einkommens schwache zu machen.

Position C3:

Kommunen mit hohem Mietniveau sollen einen Aufschlag auf das Wohngeld zahlen!

Es gelten die unter Position C 1 vorgebrachten Argumente. Aber es ist nicht Sache der Solidargemeinschaft Nation, die Kostennachteile teuerer Wohngegenden zu kompensieren. Dies ist Sache derer, die aus der Attraktivität bevorzugter Wohngebiete Vorteil ziehen. Hierzu gehören u.a. die Grundstückseigentümer. Sie und andere Nutznießer sind auf kommunaler Ebene mit einer Zusatzsteuer zu belegen, um kommunales Zusatzwohngeld zu finanzieren.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juli 1999

Previous Page TOC Next Page