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1. Zum Begriff „Produkte der Zukunft" auf dem Gebiet der IuK-Techniken

Der hier verwendete Ausdruck „Produkte der Zukunft" wurde in der Arbeitsgruppe „Werkstatt Produkte der Zukunft" entwickelt, deren Konzeption im Vorwort zu dieser Studie skizziert und in der Studie „Wohlstand für das nächste Jahrhundert - Ökologische Konzepte für eine gute Zukunft" ausführlich erläutert wird. Der Zukunftsbegriff bezieht sich in diesem Beitrag über die Perspektiven der IuK-Techniken lediglich auf die ökologische Dimension, d.h. auf mögliche Verbesserungen im Umweltschutz, in der Umweltforschung, -planung und -politik. Veränderungen der gesellschaftlichen Organisations- und Kommunikationsstrukturen oder zukünftige Auswirkungen auf die Beschäftigung werden im folgenden nicht berücksichtigt - so auch nicht die Konsequenzen der Informatisierung für die Arbeitswelt, die sich Zug um Zug durch die Automatisierung der Produktion ergeben. Vor dem Hintergrund der auf Verbesserung des Umweltschutzes zielenden Entwicklungen und Anwendungen auf dem Gebiet der IuK-Techniken im betrieblichen Umweltschutz werden nur in Ansätzen ihre beschäftigungserzeugenden Aspekte angesprochen. Gleiches gilt auch für den Umweltschutz im Haushaltsbereich. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht der betrieblich-gewerbliche Bereich, der das Voranschreiten der Informatisierung nach wie vor maßgeblich beeinflußt und zugleich die wichtigste Quelle der Umweltbelastungen darstellt. Der Wandel der Arbeit und die Haushaltsanwendungen der IuK-Techniken müssen im Rahmen weitergehender Untersuchungen behandelt werden.

Umweltprobleme entstehen im Zuge des kontinuierlichen, unvermeidlichen Stoffwechsels der Menschen mit der Natur. Dieser Stoffwechsel ist durch die moderne von industriellen Bedingungen geprägte Produktions- und Lebensweise eskaliert und geradezu potenziert worden. Doch die Quantität der Stoffverbrauchs- und -umwandlungsprozesse allein ist nicht von Bedeutung. Vielmehr sind die gewollten und ungewollten, geplanten und ungeplanten qualitativen Veränderungen der Produktionsstruktur und der Produktpalette in heutiger Zeit ökologisch problematisch, wie z.B. der zunehmende Anfall an Giftmüll zeigt. Umweltprobleme können im Prinzip im Zusammenhang mit jeder Art von Produktion und Verbrauch entstehen. Zugleich ist jeder Produktions- und Verbrauchsakt in jeder „Pore" mit Informationen versehen. Diese bilden in der Produktion eine unerläßliche Grundlage für Entscheidungen, auch in Fragen der Gestaltung von ökologisch günstigeren Produkten. Was liegt also näher, als die Technologien und wissenschaftlichen Systeme, die die Erfassung, Verarbeitung, Speicherung und Weiterleitung von Daten und Informationen ermöglichen, daraufhin zu überprüfen, wie sie zur

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ökologisch besseren Gestaltung der „Produkte der Zukunft" auf dem Gebiet der IuK-Techniken beitragen können?

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1.1. Die Notwendigkeit eines komplexen Produktbegriffs

Produkt bzw. Ware ist eine, vielleicht die Schlüsselkategorie der Marktwirtschaft, die nach dem Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus ihren Siegeszug angetreten hat. Eine produktbezogene Betrachtungsweise der Umweltprobleme ist vor allem im Hinblick auf die Veränderung von Produkten nach ökologischen Kriterien sinnvoll, wenn damit ein Beitrag zur Entwicklung von Produkten geleistet wird, die zu weniger Umweltbelastungen und somit zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung führen. Allerdings wäre es eine besondere Form von Warenfetischismus, wenn man übersehen würde, daß den Produkten notwendigerweise auch Verfahren und Infrastrukturen vorgelagert sind, die bereits an sich ökologisch problematisch sein können: Auch diese tragen zur Potenzierung und zu ökologisch problematischen qualitativen Veränderungen im Stoffwechsel des Menschen mit der Natur erheblich bei. Der Ausdruck „Produkte der Zukunft" ist also so weit zu verstehen, daß er nicht nur das unmittelbare, faßbare Produkt mit seinen jeweiligen konkreten Eigenschaften und deren Veränderungen bezeichnet, vielmehr erfaßt er auch die Aspekte, die sich auf günstige umweltrelevante Veränderungen der Verfahren bei Produktion und Verbrauch und der notwendigen Infrastrukturen erstrecken. Was nützt das Elektroauto der Zukunft, wenn etwa zu seiner Produktion oder zu seinem Betrieb (Treibstoffverbrauch, Wartung) Verfahren oder Infrastrukturen zu entwickeln wären, die die Umwelt in erheblichem Maße zusätzlich belasten?

Die Konzeption der „Produkte der Zukunft" muß so komplex sein, daß sie, ausgehend von einer produktbezogenen Betrachtungsweise, erlaubt, die Gesamtheit der mit dem jeweiligen Produkt verbundenen ökologisch relevanten Aspekte zu erfassen und gegebenenfalls zu verändern.

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1.2. Die Einbeziehung immaterieller Güter

Die Wirtschaftspraxis kennt neben den materiellen Gütern auch immaterielle. In einer forschungsintensiven Wirtschaftsweise sind in diesen immateriellen Gütern (Patente, Lizenzen, Schutz- und Markenrechte, Firmenwerte etc.) heute Milliardenwerte verkörpert. Auch diese sind „Produkte der Zukunft". Gelegentlich sind sie im Hinblick auf die Gestaltung der Zukunft sogar besonders bedeutsam, denn sie bestimmen mitunter die konkreten Entwicklungen mit. Im Zuge der Informatisierung ist mit der Software eine sehr wichtige und umfangreiche Kategorie derartiger immaterieller Produkte entstanden. Sie gehören, wie die Markterfolge von Microsoft und SAP belegen, zu den besonders dynamischen Elementen der modernen Marktwirtschaft. Da jedoch auch diese Produkte ökologische Wirkungen haben, wären sie an vielen Stellen umweltverträglicher zu gestalten. Sie könnten sogar eine Art „strategische Kommandohöhe" (G. Schröder) für die ökologisch günstigere Gestaltung der modernen Produktion darstellen.

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Soweit solche immateriellen Güter schließlich zu materiellen Produkten führen, kann man sie im Sinne des komplexen Ausdrucks „Produkte der Zukunft" mit diesen materiellen Produkten (Verkehrssysteme, Energieträger oder Werkstoffe) systematisch miterfassen.

Nun gibt es aber auch immaterielle Produkte, die sich sachproduktunabhängig auf Abläufe und Verfahren beziehen, z.B. in der industriellen Produktion. Produktionsplanungs- und -steuerungssysteme, Verkehrsleit- und Logistiksysteme etwa strukturieren diese Verfahren und wirken damit erheblich auf die quantitativen und qualitativen Veränderungen in der Umwelt ein. Ihr Ziel kann es geradezu sein, bestimmte Erscheinungen wie Verbräuche nicht entstehen zu lassen. Solche Produkte haben zwar einen materiellen Träger (Bänder, Disketten, CD-Roms), nur ist damit nicht der „Wert" und schon gar nicht der „ökologische Gebrauchswert" des entsprechenden immateriellen Produkts zu erfassen. Zu dieser Kategorie zählen sehr viele der Produkte auf dem Gebiet der IuK-Techniken. Der gestaltende, strukturierende Gehalt dieser Güter macht auch ihre möglicherweise ökologisch besondere Bedeutung aus: Sie verkörpern Wissen, das als solches - oder entsprechend ergänzt und bewertet - prinzipiell auch für die Gestaltung ökologisch günstiger Verhältnisse in allen Bereichen, in denen IuK-Techniken zum Einsatz kommen, genutzt werden kann. Im Zuge der fortschreitenden Automation und der in der Tendenz - nicht in jedem Einzelfall - damit zunehmenden ökologischen Probleme ist die Erschließung und Einbeziehung dieser immateriellen „Produkte der Zukunft" in eine ökologisch orientierte Produkt- und Produktionspolitik mit marktwirtschaftlichen Mitteln daher unerläßlich.

Den IuK-Techniken kommt dabei auch deshalb ein besonderer Stellenwert zu, weil sie das allgemeine Mittel (Werkzeug, tool) bei der Entwicklung und Nutzung von immateriellen Produkten der Zukunft sind. Sie stellen zudem mehr und mehr ein universelles technisches Hilfsmittel dieses Know-hows dar (Organisations- und Formulierungsmittel, Träger, Sprache), was wiederum damit zusammenhängt, daß Informationen ein untrennbarer Bestandteil eines jeden Tätigkeitsprozesses und Grundlage des sich darauf erstreckenden Wissens sind.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Januar 2000

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