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Standort und Wettbewerbsfähigkeit

Bisher wurde zum einen gezeigt, daß Arbeitsplatzverlagerungen von Deutschland ins Ausland nur in einem sehr geringen Umfang stattfinden. Dies ist aus der Sicht theoretischer Überlegungen eigentlich erstaunlich. Daß ausländische Konzerne in Deutschland kaum expandieren, scheint dagegen durch die Schwierigkeiten bei feindlichen Übernahmen erklärt werden zu können. Zudem wäre dieser Befund aus der Sicht der etablierten Direktinvestitonstheorien kaum ein Hinweis auf eine deutsche Wettbewerbsschwäche.

In den 50er und 60er Jahren waren die USA in den meisten Industriezweigen technologisch führend und hatten deshalb auch ein im internationalen Vergleich hohes Lohnniveau. Dies zwang die US-amerikanischen Konzerne, mehr und mehr Produktion ins Ausland zu verlagern, um neue Märkte zu beliefern und zugleich die im Ausland niedrigeren Produktionskosten zu nutzen. Damals waren die international dominierenden Multinationalen Konzerne zumeist US-amerikanische Unternehmen.

Mit der weitgehenden Angleichung der technologischen Niveaus zwischen den USA und vielen europäischen Ländern sowie Japan ist es nur konsequent, daß deren Konzerne zunehmend diesem Muster folgen und ausländische - insbesondere überseeische - Märkte durch eine Produktion vor Ort beliefern. Es ist also auch in keiner Weise verwunderlich, wenn deutsche Unternehmen Teile der Produktion ins Ausland verlagern, um dort ihre häufig überlegenen Fähigkeiten (sog. ownership-specific advantages, wie Produkt- und Produktionstechniken, know how im Marketing und Vertrieb oder andere Managementfähigkeiten) mit billigeren Produktionsfaktoren, insbesondere billigeren Arbeitskräften zu kombinieren.

Umgekehrt ist es auch nicht verwunderlich, daß ausländische Unternehmen keine Produktion nach Deutschland verlagern: Die hohe durchschnittliche Produktivität in Deutschland nützt ihnen wenig. Die Produktivität ihrer Auslandsproduktion wird nämlich in erster Linie durch ihre firmenspezifischen Fähigkeiten (ownership-specific advantages), die sie selbst als Investor mitbringen müssen, bestimmt. Sie läßt sich also an vielen Standorten, die gewisse Mindestanforderungen erfüllen, erreichen. Die überdurchschnittlich hohen Arbeitskosten in Deutschland sind dagegen ein deutlicher Standortnachteil. Dieser müßte sich im Fall Deutschlands eigentlich besonders stark bemerkbar machen, da sich dieser Markt auch problemlos von Produktionsstätten in den Nachbarländern, wo die Arbeitskosten häufig deutlich niedriger liegen, beliefern läßt.

In einer mehr oder weniger offenen Weltwirtschaft haben Länder mit einer hohen Produktivität immer auch das Problem, daß "ihre" Unternehmen ihre Fähigkeiten teilweise ins Ausland transferieren - soweit dies technisch und organisatorisch möglich und rentabel ist - und von dort der Wirtschaft ihres Ursprungslandes auch als Konkurrenten entgegentreten, ohne daß dies durch entsprechende Produktionsverlagerungen durch ausländische Unternehmen in das eigene Land ausgeglichen würde. Aus der hohen Produktivität ergibt sich theoretisch zwingend über die mit ihr verbundenen höheren Arbeitskosten auch ein gewisser unvermeidbarer Standortnachteil, wenn es darum geht, mobile Produktion zu halten oder anzuziehen. Vor diesem Hintergrund scheinen an einem im internationalen Vergleich hoch-produktiven Standort wie Deutschland die Forderungen nach einer weiteren Absenkung der Arbeitskosten, um die überraschend wenigen tatsächlich zu beobachtenden Produktionsverlagerungen zu reduzieren, vollkommen abwegig.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juni 1999

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