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Die neuen Rahmenbedingungen: Globalisierung und Informatisierung



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Effizienzrevolution in den USA gibt weltweit die Renditeerwartungen vor

Mit Internationalisierung wird üblicherweise die Außenhandelsverflechtung eines Landes bezeichnet. Ein Maß hierfür ist beispielsweise der sog. Offenheitsgrad einer Volkswirtschaft (d.h. das Verhältnis der Summe von Exporten und Importen im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt). Hier ist auf den bemerkenswerten Befund hinzuweisen, daß die Außenhandelsquoten Deutschlands - entgegen der landläufigen Auffassung - heute kaum höher sind als sie es im Jahre 1913 waren. Globalisierung ist aber weit mehr als eine Intensivierung des internationalen Handels. Sie beschreibt den Zustand und den Prozeß einer zunehmenden wirtschaftlichen Verflechtung sowie die daraus resultierenden Abhängigkeiten verschiedener Länder und ihrer Wirtschaftssubjekte in weit mehr Dimensionen als dem grenzüberschreitenden Güterverkehr. Globalisierung erfaßt alle Glieder der Wertschöpfungskette eines Unternehmens und damit neben den Gütermärkten auch die Finanz-, Technologie- und zunehmend auch die Arbeitsmärkte. Motor dieser neuen wirtschaftlichen Globalisierung ist die deutlich gestiegene Kapitalmobilität aufgrund des Abbaus von institutionellen Beschränkungen und der Verfügbarkeit weltumfassender Renditeinformationen.

Vereinfacht aber dennoch zutreffend gesagt: wirtschaftliche Globalisierung zeigt sich in der Reaktion der Unternehmensleitungen auf einen gestiegenen Rationalisierungsdruck, der selbst wiederum die Folge gestiegener Renditeansprüche der Inhaber und Zeichner von Risikokapitaltiteln ist. Dieser gestiegene Rationalisierungsdruck als Folge gestiegener Renditeerwartungen der (potentiellen) share-holder (Anteilseigner) ist nach dem Abklingen des sehr "profitablen" Wiedervereinigungsbooms seit den frühen 90er Jahren erkennbar. Ausgelöst wurde er durch die

  • globale Verfügbarkeite von Renditeinformationen,
  • die institutionelle Entgrenzung der nationalen Kapitalmärkte im Zuge von Deregulierungen und die damit verbundene
  • Steigerung der Kapitalmobilität.

Die Unternehmen reagieren darauf mit

  • Direktinvestitionen im Ausland,
  • global sourcing und
  • Fraktalisierung bzw. Virtualisierung von Unternehmensstrukturen.

Seit jeher gilt: "Kapital sucht sich den besten Wirt". Wenn auf dem "härtesten", tiefsten und breitesten Kapitalmarkt der Welt, dem US-amerikanischen, derzeit eine Rendite von 15 % die Voraussetzung ist, um Risikokapitaltitel unterbringen zu können, dann stellen diese 15 % eine Art globale "benchmark" dar. An ihr orientieren sich insbesondere Großanleger, deren Aufmerksamkeit sich immer weniger auf die Kapitalanlage in der heimischen Wirtschaft konzentriert.

Dieser gegenwärtige Maßstab von 15 % Risikokapitalrendite dürfte sich aus dem "turn-around-Schub" der US-Unternehmen ergeben haben. Seit Mitte der 80er Jahre war die US-amerikanische Wirtschaft in ihrer Wettbewerbsfähigkeit massiv bedroht. Die Unternehmen reagierten darauf mit drastischen Restrukturierungen mit der Folge einer "Effizienzrevolution". Neben fertigungstechnischen Rationalisierungen, Reallohnsenkungen und Entlassungen waren es insbesondere die Verminderung der Fertigungstiefe sowie die Abschmelzung der Lagerbestände, die das benötigte Kapital reduzierten. Insgesamt wird geschätzt, daß die US-Wirtschaft heute ca. 30 % weniger Kapital pro Umsatzeinheit benötigt als vor 10 Jahren. Damit liegen die amerikanischen Firmen auch in der Kapitalproduktivität signifikant über der deutschen Industrie. Auf diese Weise wurde eine hohe Eigenkapitalrendite von derzeit durchschnittlich knapp 25 % (1995: 23,2%) möglich, ein beachtlicher Wert, der allerdings ständig durch den globalen Wettbewerbsdruck bedroht ist und durch immer neue Effizienzgewinne sichergestellt werden muß. Im Vergleich dazu lag nach Angaben der Deutschen Bundesbank die Eigenkapitalrendite in Deutschland mit 12,8% und in Frankreich mit 11,7% (Werte von 1995) deutlich niedriger.

Die jederzeit verfügbaren Informationen über die globalen Kapitalverwertungsbedingungen, eine hohe Kapitalmobilität und eine damit verbundene zunehmende Interdependenz der (nationalen) Kapitalmärkte haben es mit sich gebracht und werden es mit weiter sich bringen, daß der Rationalisierungsdruck und die "Antworten" darauf so lange wirkmächtig bleiben werden, wie z.B. die Rendite der US-amerikanischen Wirtschaft deutlich über der deutschen liegt. Auch wenn die Kapitalrendite in Deutschland derzeit so hoch ist, wie sie in früheren Zeiten der Hochkonjunktur war, wird sie so lange keinen markanten Investitionsschub auslösen, wie anderswo, insbesondere in den Vereinigten Staaten, eine deutlich höhere Rendite erzielt werden kann.

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"Informatisierung" revolutioniert die Arbeitswelt

Mit dem Schlagwort der "Informatisierung der Arbeitswelt" wird häufig eine Art Umbruch der traditionellen Arbeitsstrukturen und Arbeitsinhalte beschrieben. Dies mag richtig sein. Richtig ist allerdings auch, daß dieser Umbruch nicht allein mit der Verbreitung der Informations- und Kommunikations-(IuK)-Technologien verbunden ist. Denn die Informatisierung der Arbeit ist nicht erst durch die Entwicklung und Einführung der IuK-Technologien entstanden, sondern sie ist Element einer historischen Entwicklung, die weit früher einsetzte als die Verwendung des ersten Computers im Produktionsprozeß. Menschliche Arbeitsprozesse waren nämlich in den allerseltensten Fällen ausschließlich stofflich-energetische Tätigkeiten, sondern waren immer auch von wissensverabeitenden Prozessen begleitet. Mit der fortschreitender Arbeitsteilung wurde ein steigender Anteil der "Denk-Arbeit" in einen Informationsverarbeitungsprozeß transformiert. Aus diesem Grunde vollzieht sich die Entwicklung der Informatisierung der Arbeit historisch unabhängig von der Entwicklung und dem Einsatz von Computern.

Desungeachtet bilden die technologische Entwicklung und der damit verbundene Strukturwandel das reale Fundament der Diskussion über die Informationsgesellschaft. Seit den späten 80er Jahren wirkt sich die eben beschriebene Globalisierung als "Phänomen" katalysierend auf die "Informationsgesellschaft" aus. Eine isolierte Analyse der Auswirkungen einzelner Trends auf die Arbeitswelt ist aufgrund der bestehenden Interdependenzen zwischen "Technik" und "Ökonomie" faktisch nicht mehr möglich. Globalisierung, technologische Entwicklung und Strukturwandel sind interdependente und sich gegenseitig beschleunigende Trends der Entwicklung hin zur Informationsgesellschaft. Zugespitzt kann man sagen: Informationsgesellschaft = IuK-Technologien + dienstleistungsorientierter Strukturwandel + Globalisierung.

Im wesentlichen sind es sechs "arbeitsweltrelevante" Merkmale, durch welche die "Informationsgesellschaft" charakterisiert wird:

Höhere Selbstbestimmung einerseits, höhere Kontrolldichte andererseits. Die Informatisierung der Arbeit differenziert die organisatorischen Strukturen aus, erhöht die zeitliche, räumliche und sachliche Autonomie der Beschäftigten und macht die Arbeit so flexibler. Aber integrierte Informationssysteme stärken auch die zentrale Steuerung und ermöglichen so eine höhere Kontrolldichte.

Beschleunigung des Trends zu höherer Qualifizierung. Der Qualifizierungstrend, der seit langem die individuellen Arbeitsmarktchancen bestimmt hat, wird um die Fähigkeit, sich qualifiziert in den Informationsver- und -abarbeitungssphären zu bewegen, ergänzt und weiter dynamisiert.

IuK-Technologien fördern neue Formen der Unternehmenskooperation und -organisation. Im Gefolge von IuK-Technologien lassen sich moderne Organisationsformen wie Lean-Production, Just-in-time-Fertigung und Unternehmensnetzwerke realisieren.

Auflösung des Raum-Zeit-Gefüges der Produktionsprozesse. Das parallele Wirken von Informatisierung und Globalisierung beschleunigt die Entkopplung der physischen Arbeit von der strukturierenden Arbeit. Diese Entgrenzung ermöglicht es, die Produktionsprozesse global zu steuern und damit auch die Produktionsfaktoren beliebig in Raum und Zeit zu einzusetzen.

Informatisierung erodiert die klassische Fachlichkeit. Der Querschnittscharakter der Informatisierung und die damit einher gehende Aufgabenerweiterung erodieren die auf der klassischen Fachlichkeit beruhende Kompetenzzuweisung. In dem Maße, wie sich Aufgaben und Zuständigkeiten überschneiden, wird auch die Abgrenzung zwischen Berufen immer weniger trennscharf. Berufe verlieren ihre spezifischen Tätigkeitsmerkmale.

Informatisierung erlaubt die Bewertung von Output statt Input. Im Wechselspiel von IuK-Technologien und flexiblen Organisationsstrukturen werden Arbeitnehmer immer weniger für Fleiß, Loyalität und Korrektheit, sondern ausschließlich für ein Resultat, einen "Output", honoriert. Denn dieser läßt sich zunehmend messen und bewerten.

Die Informationsgesellschaft führt in der Tendenz weg vom industriell geprägten sogenannten Normalarbeitsverhältnis und hin zu "neuen" Arbeitsformen. Diese "atypischen" Beschäftigungsformen stellen möglicherweise das "Normalarbeitsverhältnis" von morgen dar. Das zu verhindern, wäre ökonomisch nicht zu rechtfertigen. Gleichwohl kann und sollte die Politik darauf reagieren:

  • Die "neuen" Arbeitsformen bedürfen einer sozialrechtlichen Absicherung.
  • Die "Entbetrieblichung" der Arbeit erfordert neue Strukturen des kollektiven Interessensausgleichs.
  • Der beschleunigte Wandel der Berufsbilder zwingt zur schnelleren Erschließung neuer Ausbildungsberufe.
  • Die Erosion der Fachlichkeit sollte zu einer Neuerorientierung der beruflichen Bildung führen. Angesichts der beschleunigten Verkürzung der Halbwertszeit des Wissens ist die dreijährige Ausbildungszeit zu überdenken. Alternativ wäre eine zweijährige Berufsausbildung mit Pflichtelementen der Weiterbildung (z.B. alle 5-10 Jahre) denkbar.

© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Mai 1999

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