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Deutsch-indische Wirtschaftsbeziehungen

1996 wuchs der deutsch-indische Warenhandel um 6 Prozent auf 8,6 Mrd. DM. Dabei stiegen die Exporte aus Deutschland nach Indien im Wert von 2,4 Mrd. DM um 10 Prozent, die Importe aus Indien im Wert von 3,96 Mrd. DM ebenfalls um 10 Prozent. 1996 waren die wichtigsten deutschen Exportgüter Maschinen (Anteil: 52,2 Prozent), elektronische (11,9 Prozent) und chemische Erzeugnisse (11,2 Prozent), Eisen und Eisenwaren (6 Prozent) sowie Kraftfahrzeuge (5,3 Prozent).

Importe aus Indien nach Deutschland sind von den klassischen Ausfuhrgütern Textilien (Anteil 1996: 22,9 Prozent) und Leder bzw. Lederwaren (18,3 Prozent) geprägt. Zulieferungen für den Transportsektor sind 1996 um 188 Prozent gestiegen und stehen damit an dritter Stelle der Importe. Zusätzlich bemüht sich die indische Industrie, auch Handel im Bereich Elektronik und Maschinenbau in Deutschland zu etablieren.

1996 erreichten die neu genehmigten deutschen Investitionen in Indien rd. 15,4 Mrd. Rs und übertrafen den Wert des Vorjahres um 15 Prozent. Deutschland nimmt damit in der Jahresbetrachtung für 1996 Platz 5 ein (vgl. Tabelle 7). Investitionsfördernd wirkt sich in bezug auf die deutsch-indischen Beziehungen aus, daß das zwischen beiden Länder vereinbarte moderne Doppelbesteuerungsabkommen im Dezember 1996 in Kraft getreten ist. Ein ebenso vereinbartes Investitionsschutzabkommen wird derzeit ratifiziert.

Auch bei den Joint Ventures zeigt sich eine Steigerung. 1995 sind 257 solcher Kooperationen genehmigt worden. 1994 waren es 204 Joint Ventures. Traditionelle Schwerpunkte sind dabei Chemie, Pharmazie, Elektrotechnik, Maschinen- und Anlagenbau. Zunehmend wird auch die Softwareindustrie einbezogen. Hinzu kommen zahlreiche deutsch-indische Kooperationen in der Automobilindustrie. Sowohl der Energiesektor als auch der Telekommunikationsmarkt werden von deutschen Investoren mit Interesse beobachtet. Auf beiden Sektoren sehen sie allerdings größere Chancen in der Rolle des Lieferanten als in der des Betreibers. Auch der Anteil Indiens an den gesamten deutschen Direktinvestitionen ist mit 1995 0,32 Prozent relativ gering. Die deutsch-indischen Kooperationen finden sich im wesentlichen in den Wachstumsregionen Bombay (ind. Mumbai) - Pune, Delhi - Faridabad, Bangalore sowie Madras (ind. Chennai) (vgl. Tabelle 8).

Tab. 7: Top Ten der 1995 und 1996 genehmigten

ausländischen Investitionen in Mio. Rs

Land

1995

1996

USA

70.544

100.559

Südkorea

3.142

32.209

Mauritius

18.085

23.340

Frankreich

4.204

16.716

Deutschland

13.395

15.379

Großbritannien

17.259

15.246

Japan

15.143

14889

Niederlande

9.665

10.487

Australien

15.042

8.344

Saudi Arabien

1

6.094

Andere

19.005

13.607

Summe (aller Länder)

320.717

361.468

Quelle: Indo-German Chamber of Commerce

Tabelle 8: Top 10 der Regionen deutsch-indischer Kooperationen (in Klammern Anteil finanzieller Kooperationen)

Region

1995

1996

Bombay (Mumbai) - Pune

71 (25)

92 (51)

Delhi - Faridabad

71 (45)

51 (38)

Bangalore

17 (11)

28 (18)

Madras (Chennai)

29 (17)

25 (15)

Gujarat

15 (5)

15 (8)

Calcutta

16 (7)

11 (4)

Tamil Nadu (ohne Madras)

8 (6)

11 (5)

Andhra Pradesh

11 (5)

9 (9)

Maharashtra (ohne Bombay-Pune)

3 (3)

9 (3)

Madya Pradesh

- -

4 (2)

Andere

11 (5)

14 (5)

Summe

252 (129)

269 (159)

Quelle: Indo-German Chamber of Commerce

„Handling of chaos" als Kernkompetenz

Das inzwischen teilweise durchaus positive Bild der indischen Wirtschaft wird nicht selten im Urteil der ausländischen Unternehmer durch die instabile innenpolitische Situation, religiöse Unruhen und die extreme Armut beeinträchtigt. Neben wirtschaftlichen Kerndaten beeinflussen kulturelle Besonderheiten oder auch Vorurteile die Attraktivität Indiens als Wirtschaftsstandort. In den internationalen Medien ist immer wieder über den Kashmir-Konflikt, zahlreiche religiöse Unruhen und Indiens Suche nach Identität berichtet worden.

Indien gilt als melting pot der Religionen. Gut drei Viertel der indischen Bevölkerung sind Hindus, gut ein Zehntel Moslems. Daneben sind in Indien noch zahlreiche weitere Religionen vertreten, die alle ihren Einfluß auf das tägliche Leben und insbesondere auch die wirtschaftlichen Handlungen nehmen. Für den ausländischen Investor können Auseinandersetzungen zwischen den Religionsgemeinschaften (z.B. die Probleme um die Moschee in Ayodhya) ebenso kritisch für Entscheidungen sein wie für die Personalauswahl. Toleranz gegenüber den unterschiedlichen Religionen ist auch im Geschäftsleben gefordert.

Eine Studie der Deutsch-Indischen Handelskammer von 1996 befragte deutsche Manager in Indien, was sie bei den indischen Kollegen besonders schätzen. Zu diesen Eigenschaften gehören ehrgeiziges Engagement, große Begeisterungsfähigkeit, Aufrichtigkeit, Loyalität und Zuverlässigkeit. Zum Überleben im indischen Alltag gehöre das Handling of Chaos, was die indischen Partner aus Sicht der Deutschen dann auch sehr gut beherrschen. Dabei zeige sich auch die hohe Lernfähigkeit und Kreativität der Inder. Hervorgehoben wird auch die Offenheit gegenüber Westlichem, obwohl die indischen Geschäftspartner gleichzeitig von Nationalstolz und kulturellem Selbstbewußtsein geprägt seien.

Als schlechte Eigenschaften werden von den Befragten Schlitzohrigkeit, Unehrlichkeit, mangelhafte Vertragstreue und das sich Verschaffen kurzfristiger Vorteile genannt. „Händlermentalität" sei nicht nur im Tourismus zu finden. Pünktlichkeit werde in Indien anders verstanden als in Deutschland. Und besonders lästig erscheinen den deutschen Managern Bürokratie, Ineffizienz und Korruption, die sich leider nicht nur in der Verwaltung bzw. in öffentlichen Unternehmen fänden.

Indisches Business ist überwiegend familienzentriert und von hierarchischen Strukturen geprägt. Neben relativ konservativen indischen Geschäftsleuten findet sich eine aufstrebende Schicht junger, häufiger auch im Ausland gut ausgebildeter Inder, die modern eingestellt sind. Generell gilt der Süden Indiens als konservativer und bodenständiger als der Norden. Auch über die wirtschaftlichen Entwicklungen scheinen sich die regionalen Disparitäten Indiens zu vergrößern. Die südindischen Staaten Andhra Pradesh, Karnataka, Kerala und Tamil Nadu scheinen über mehr Potential als andere indische Staaten zu verfügen, um von der Liberalisierung zu profitieren. Zwar leben in dieser Region nur 24 Prozent der indischen Bevölkerung, dafür aber 35 Prozent derjenigen mit guter Ausbildung, wie Ingenieure, Computer-Experten o.ä. Die Analphabetenrate ist im Süden deutlich niedriger als im gesamten Land, die Infrastruktur ist besser entwickelt. Religions- und Kastenspannungen sind im Süden weniger bedeutsam als im Norden. Südindische Geschäftsleute scheinen mehr nach außen orientiert und dem Ausland gegenüber offener als viele Geschäftsleute in reicheren nordindischen Staaten.

Ausgewählte Literatur

Bundesstelle für Außenhandelsinformationen: diverse Publikationen 1996, 1997

Desai, Ashok V. (1995): India after the Reforms. German Development Institute. Berlin.

The Economist (1997): A Survey of India. Februar.

Geissbauer, R./ Siemsen, H. (1996): German Direct Investment in China, India and Indonesia. Indo-German Chamber of Commerce, Bombay.

Halbach, A. J./ Helmschrott, H. X. (1993): Indien nach den Wirtschaftsreformen: Nimmt die Attraktivität für Direktinvestitionen zu? In: ifo Schnelldienst 33/93, S. 12-26.

Singh, Kavaljit (1997): German Investments in India (1991-1996): Issues and Concerns. Public Interest Research Group. Delhi.


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