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[Essentials]

  • Die Reform der Vereinten Nationen zielt nach den Vorschlägen von Generalsekretär Kofi Annan auf die Konsolidierung der fragmentierten Organisation, die Straffung der Führungsstrukturen und auf Einsparungen von etwa einem Drittel der Verwaltungsausgaben. Positive Reaktionen der Staaten zu Beginn der 52. Generalversammlung im September garantieren noch nicht ihren Erfolg.
  • Tiefgreifende Veränderungen des VN-Systems zur Überwindung der strukturellen Defizite sind angesichts des fehlenden Konsenses innerhalb der Staatengemeinschaft über die künftige Rolle der VN im internationalen System nahezu unmöglich.
  • Die Aussichten auf eine Reform des Sicherheitsrats (SR) haben sich ein wenig verbessert. Die US-Regierung hat signalisiert, neben einer Erweiterung der Zahl der ständigen Mitglieder um zwei Industrienationen auch die Aufnahme von drei Entwicklungsländern in den Kreis der ständigen Mitglieder zu akzeptieren. Völlig ungeklärt ist allerdings die Gestaltung des Vetorechts.
  • Bei der Erweiterung des Sicherheitsrates ist ein quick fix, der Deutschland und Japan kurzfristig zu ständigen Mitgliedern macht, unwahrscheinlich. Wenn überhaupt, ist nur eine "Paketlösung" vorstellbar. EU-Partner Italien widersetzt sich einem deutschen ständigen SR-Sitz.
  • Vor dem Hintergrund dominierender innenpolitischer Probleme und eines geringen Interesses der deutschen Öffentlichkeit an den Vereinten Nationen sind klare außenpolitische Konturen einer zukünftigen deutschen Rolle in der Weltorganisation nicht zu erkennen.
  • Die anhaltende Finanzkrise der VN wird durch die miserable Zahlungsmoral einiger Mitgliedsländer verursacht. Die Außenstände zum ordentlichen Haushalt der Weltorganisation beliefen sich Ende 1996 auf 551 Millionen US-Dollar. Zusätzlich fehlen den VN allein im Peacekeeping-Bereich 1,6 Milliarden US-Dollar. Hauptschuldner sind die USA.
  • Um administrative Reformen zu erzwingen, haben die USA die Begleichung eines Teils ihrer Schulden an harsche Bedingungen geknüpft. Würde die Staatengemeinschaft diesen Konditionen zustimmen, müßten andere Nationen die Mindereinnahmen kompensieren. Alternative Finanzierungsmodelle haben auf absehbare Zeit keine Chance auf politische Durchsetzung. Die VN bleiben damit von der unregelmäßigen und sich stetig verschlechternden Zahlungsmoral ihrer Mitglieder abhängig.


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[Einleitung]

Seit Januar 1997 ist Kofi Annan neuer Generalsekretär der Vereinten Nationen (VN). Die Ernennung des siebten Generalsekretärs der Weltorganisation ereignete sich vor dem Hintergrund turbulenter Auseinandersetzungen über eine eventuelle zweite Amtsperiode von Boutros Boutros-Ghali zwischen den Vereinigten Staaten und der Mehrzahl der übrigen 184 Mitgliedstaaten der VN. Das diplomatische Tauziehen um die Besetzung der obersten Beamtenposition der VN stand im direkten Zusammenhang mit der seit Jahren andauernden Debatte um die Reform des multilateralen Systems der VN und mit den drastisch divergierenden Vorstellungen innerhalb der Staatengemeinschaft über Ziel, Zweck und Wesen einer solchen Neugestaltung. Die Tatsache, daß letztlich die USA ihren Kandidaten gegen den ursprünglichen Wunsch der Mehrheit der Mitgliedstaaten durchsetzen konnte, spiegelt nicht zuletzt die gegenwärtigen Machtverhältnisse innerhalb der Weltorganisation wider.

Forderungen nach Reformen sind so alt wie die VN selbst. Mit dem Ende des Ost-West-Konflikts hatten viele gehofft, daß nach der Aufhebung der jahrzehntelangen Blockade durch die Supermächte eine grundlegende Neugestaltung der Weltorganisation endlich beginnen würde. Zusätzliche Antriebskraft erhielten die Reformbestrebungen durch das 50jährige Jubiläum der Weltorganisation. Entsprechend stieg die Anzahl von Publikationen aus Wissenschaft, Politik und den VN selbst, die fundierte Reformvorschläge unterbreiteten. So hat der ehemalige Generalsekretär Boutros Boutros-Ghali zwischen 1992 und 1996 eine Reihe von vielbeachteten Empfehlungen erarbeitet – die Agenden für Frieden, Entwicklung und Demokratisierung –, die allesamt das VN-System für die Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte fit machen sollten. Die Generalversammlung hat seit 1992 fünf sogenannte High Level Open-Ended Working Groups on UN Reform einberufen, die unter Mitwirkung der Delegationen konsensfähige Reformmaßnahmen zu den Bereichen Sicherheitspolitik, Entwicklung, Sicherheitsrat, Finanzen und Stärkung des VN-Systems erarbeiten sollen. Bislang wurde in keiner einzigen Arbeitsgruppe Konsens über eine umfassende Abstimmungsvorlage erreicht. Die wenig konkreten Arbeitsergebnisse spiegeln im großen und ganzen nur die Uneinigkeit unter den Mitgliedstaaten bezüglich der Reformen wider.

Von den vielen Bereichen des Systems der VN, die Gegenstand von Reformvorschlägen waren, hat sich die Debatte der vergangenen Monate über die anstehenden Reformen überwiegend auf den Sicherheitsrat, die administrativen Reformen und – damit eng verknüpft – die Finanzierung der Weltorganisation konzentriert. Im folgenden werden die Grundzüge der derzeitigen Reformbemühungen dargestellt. Neben dem aktuellen Stand der Reformdiskussion in diesen Bereichen werden insbesondere die maßgeblichen Interessenlagen der wichtigsten politischen Akteure aufgezeigt, die den Rahmen abstecken, innerhalb dessen sich Reformen implementieren lassen. Auf Grund der herausragenden Rolle, die die USA innerhalb der Weltorganisation spielen, wird der Politik der Vereinigten Staaten gegenüber den VN besonderes Gewicht beigemessen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Mai 1999

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