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TEILDOKUMENT:
[Essentials]
[Einleitung] Die jüngsten Ereignisse in Albanien geben einen plastischen Eindruck, welche Rückwirkungen das Scheitern der gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Transformation auf die Nationalstaatsbildung haben kann. Versagende Staaten (failing states) haben sich in den letzten Jahren als die wichtigste Ursache für kriegerische Konflikte und die Bedrohung regionaler Stabilität erwiesen. Die hektischen Reaktionen des Westens sind ein augenfälliger Beleg, daß politische Prognosen in vielen Staaten Osteuropas weiterhin von hoher Ungenauigkeit und geringer Dauer gekennzeichnet sind. Für Bemühungen zur Konfliktvermeidung oder -minderung sind dies denkbar schlechte Voraussetzungen. Die Ukraine war noch 1994 Gegenstand von Spekulationen, die ein Auseinanderbrechen des 1991 unabhängig gewordenen Landes nach dem heute in Albanien zu beobachtenden Szenario nahelegten. Diese Ansicht vertrat auch der US-amerikanische Geheimdienst CIA. Daß diese sich als falsch erwiesen, ist zum einen einer glücklichen Verkettung historischer Umstände innerhalb der Ukraine geschuldet, zum anderen aber auch einer mehr oder weniger falschen Sichtweise der ausländischen Analytiker, die vor allem die ethnische Dimension der Konfliktlagen betonten und dabei die politisch-ökonomischen Interessen der Akteure unterschätzten. Heute ist die Ukraine als Nationalstaat konsolidiert, und bei dieser Aussage ist die Gefahr eines Irrtums sehr gering. Der Charakter der weiterhin existierenden Konflikte hat sich verlagert: weg von Bedrohungen des staatlichen Zusammenhalts an sich hin zu solchen seiner inneren Ordnung dies gilt vor allem für die Krim, in geringerem Maße für den Donbass. Die sporadisch aufflackernden außenpolitischen Konflikte mit der Russischen Föderation waren bisher keine Bedrohung für die Ukraine und haben zu ihrer stärkeren politischen Eigenständigkeit beigetragen. Außenpolitisch wird eine stärkere Integration in europäische und transatlantische Strukturen angestrebt, realistischerweise aber keine NATO-Mitgliedschaft. Die politische Transformation ist mit der Verabschiedung der neuen Verfassung am 28. Juni 1996 formal weitgehend abgeschlossen, wenn auch die Neuordnung des Verhältnisses von den Regionen zum Zentralstaat im Rahmen eines politischen Kompromisses ausgeklammert wurde. Das Parteiensystem bleibt weiterhin schwach; dies ist jedoch nicht unbedingt ein Nachteil für die Stabilisierung der politischen Verhältnisse. Der Aufbau einer umfassenden Rechtsordnung und vor allem einer funktionsfähigen, wirklich unabhängigen Justiz wird noch Jahre dauern und gefährdet den Fortschritt der wirtschaftlichen Transformation. Nach einer Zeit der Hyperinflation konnten beachtliche Stabilisierungserfolge erzielt werden, die in die Einführung der nationalen Währung Hrywnja am 2. September 1996 mündeten. Zwar hat die Wirtschaft einen beachtlichen Offenheitsgrad erreicht, doch haben sich auf dem Binnenmarkt viele politisch geschützte Monopole gebildet. Die Direktinvestitionen sind gering und werden durch unübersichtliche bürokratische Regelungen und Korruption an der die ausländischen Investoren aktiven Anteil haben behindert. Die Exporte steigen, doch aufgrund der hohen Importabhängigkeit bei Energie kann die Zahlungsbilanz nur mit Hilfe internationaler Kredite ausgeglichen werden, die zu steigender Verschuldung führen. Der Strukturwandel ist langsam und bedroht damit die erreichten Erfolge in den anderen Transformationsbereichen. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Mai 1999 |