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6. Öffentliche Finanznot - Risiko und Chance für Verwaltungsreform

Wer die Modernisierung der Bundesverwaltung fordert, darf den Zusammenhang zur Finanzausstattung des Staates nicht vernachlässigen. Die derzeitige Finanznot der öffentlichen Haushalte war nicht nur maßgeblicher Auslöser für Reformen, sie wird auch zukünftig nicht ohne Auswirkungen auf die Reform des öffentlichen Sektors bleiben. In der gegenwärtigen Finanzkrise sind kurzfristige Sparmaßnahmen zwar notwendig, aber keinesfalls hinreichend. Sie bedürfen der Ergänzung durch mittel- und langfristige Sanierungskonzepte. Die Hüter der öffentlichen Finanzen müssen der Versuchung widerstehen, nur solche Sparmaßnahmen zu wählen, die unmittelbar kassen- und damit publikumswirksame Ergebnisse zeitigen. Sie werden auch und vor allem ohne großen Beifall wirken müssen, planvoll, mit langem Atem und sicher auch gelegentlich mit unpopulären Mitteln.

Zu befürchten ist jedoch vor allem, daß der allgegenwärtige Sparzwang ganz allmählich das Projekt Verwaltungsreform aushöhlt. Die akute Finanznot, die sich in der Folge der deutschen Einigung einstellte, wirkte zunächst freilich als Motor für die Modernisierung des öffentlichen Sektors. Gegenwärtig jedoch besteht die Gefahr, daß sich das Reformfenster wieder schließt, weil auch auf Bundesebene zunehmend die Haushälter das Sagen haben. Und deren ständige Botschaft lautet: Nichts geht mehr. Lautet aber das oberste Prinzip erst einmal, daß die Reform nichts kosten darf, was wird dann aus Informations- und Kommunikationstechnik, Fort- und Weiterbildung und anderen elementaren Modernisierungsdesideraten? Wie will man die Beschäftigten im öffentlichen Dienst für Reformprojekte gewinnen, wenn sie darin nur einen Deckmantel für Sparmaßnahmen befürchten müssen? Und vor allem: Was wird aus dem genuin politischen Impetus der Verwaltungsmodernisierung, die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes zu erhalten und zu verbessern, damit Politik und Verwaltung in den kommenden Jahren die Rahmenbedingungen für gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen gestalten können?

Was wir brauchen, ist eine grundlegende Strukturreform von Politik und Verwaltung, und die wird die Verwaltung nicht alleine bewerkstelligen können. Eine solche Strukturreform wird sich mit dem Projekt „Schlanker Staat", seiner Überproduktion von Papier, seinem Defizit bei der Umsetzung und seiner Vernachlässigung der Interessen der Beschäftigten nicht erreichen lassen.

Derzeit befindet sich Deutschland in einem überaus kreativen Prozeß der Verwaltungsreform mit Hunderten und Aberhunderten von Ideen, die hervorragend sind, im wesentlichen jedoch aus der Verwaltung oder aber aus der Wissenschaft kommen. Eine Verwaltungsreform der Verwalter aber wird es nicht geben können, auch dann nicht, wenn sie wissenschaftlich noch so kompetent und engagiert unterstützt wird. Notwendig ist vielmehr das Eingreifen der Politik, jetzt und hier, das Projekt Modernisierung duldet keinen Aufschub. Schon gar nicht beim Bund, denn hier sollte man in Sachen Verwaltungsreform mit gutem Beispiel vorangehen.

Die Regierung in Bonn aber neigt dazu, die Bundesverwaltung sich selbst zu überlassen. Im Ergebnis steht jenes Flickwerk, in dem jedes Ministerium tut, was es will und für richtig hält. Die Bundesregierung versucht, aus der Not des uneinheitlichen Vorgehens eine Tugend zu machen: „Mit vielen Mosaiksteinen wird gleichsam das Bild einer modernen Verwaltung aufgebaut" (Kabinettsvorlage vom 4. März 1998). Indessen fügen sich bei einem Mosaik die einzelnen Steinchen ja nicht etwa selbsttätig zu einem harmonischen Ganzen zusammen, sondern einzig durch das planvolle Wirken eines (einzigen!) verantwortlich gestaltenden Künstlers. Aus Kraut und Rüben der derzeitigen Modernisierungswirklichkeit aber läßt sich beim besten Willen kein Reformansatz erkennen. Entscheidendes Manko der Bundesregierung: Anders als in erfolgreichen Ländern und Kommunen ist Verwaltungsreform beim Bund keine Chefsache. Den Bundeskanzler und den Chef seines Kanzleramtes interessieren die Modernisierungsbestrebungen allenfalls am Rande. Dementsprechend fehlt es an klaren Konzepten und umsetzungsorientierter Projektorganisation.

Denn vor Organisationsentwicklung und Personalentwicklung, die diesen Namen verdienen, muß eine politische Diskussion und Zieldefinition stehen: Welches sind die zukünftigen Aufgaben des Staates? Die Sicherung bürgerlicher und sozialer Grundrechte, der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, eine leistungsfähige Infrastruktur, ein adäquates Bildungswesen usw. all das muß im einzelnen durchdekliniert und konkretisiert werden. Und auch der nächste Schritt muß mit der Politik oder durch die Politik getan werden: die Fixierung des erforderlichen, verantwortbaren Finanzrahmens für Bund, Länder und Kommunen; und zwar für alle drei, so daß auch die Kommunen eine verläßliche Planungsgrundlage haben. Erst dann kann gelingen, was manche bereits jetzt mit großem Engagement betreiben: die Binnenmodernisierung der öffentlichen Verwaltung.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juni 1999

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