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9. Erforderliche Maßnahmen

Gegen Ende September 1997 fand in Hongkong das Jahrestreffen des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank statt. In diesem Zusammenhang hat sich auch die Group of Ten (G10) mit der asiatischen Krise befaßt. Dabei stellte das Interim Committee of the Board of Governors of the International Monetary Fund fest: „The Committee stressed the importance of openess and accountability of economic policy making, and of transparency, to achieving policy credibility and confidence building in a global environment." [ „Communique of the Interim Committee of the Board of Governors of the International Monetary Fund", Deutsche Bundesbank, Auszüge aus Presseartikeln, Nr. 56 / 28. September 1997, S. 5] Dieser Satz umschreibt eine Strategie, wie Krisen, ähnlich der „Ginseng-Krise", zu vermeiden sind. Sie ist allerdings im Detail noch auszuformulieren. Sechs Punkte erscheinen dabei wichtig:

  1. Eine Wechselkursordnung im internationalen Währungssystem: Es ist zu vermeiden, daß freie Wechselkurse immer wieder zum Spielball der Spekulation und feste Wechselkurse von der Spekulation getestet werden. In einer globalen Wirtschaft sollten die Wechselkurse dem Verlauf der Kaufkraftparitäten folgen. Sicherzustellen ist das, wenn erforderlich, durch gemeinsame Deviseninterventionen. Allein die Ankündigung gemeinsamen Handelns wird ausreichen, die Spekulation wieder ihrer eigentlichen Aufgabe zuzuleiten, nämlich stabilisierend zu wirken. Folgen die Wechselkurse dem Pfad der Kaufkraftparitäten oder wird gegen eine noch unterbewertete Währung spekuliert, dann sollte der Internationale Währungsfonds, auch durch Einsatz eigener Mittel, gemeinsam mit dritten Staaten zur Sicherung des Wechselkurssystems intervenieren und eine Krise vermeiden helfen. Eine erfolgreiche Abwehr der Spekulation bedeutet, daß danach die eingesetzten Mittel wieder zurückfließen. Sie würden also dem Internationalen Währungsfonds nicht verloren gehen.

  2. Ein Asiatisches Währungssystem: Den ASEAN-Staaten wäre zu raten, ähnlich dem Europäischen Währungssystem, ein Asiatisches Währungssystem aufzubauen mit festen Wechselkursen, Bandbreiten und Stufenflexibilität. Interventionen zur Abwehr von Spekulationen bei preisgerechtem Verlauf der Wechselkurse ist sinnvoller als zweistellige Milliarden Dollarhilfen, nachdem die Spekulation obsiegt hat. Auf einem Treffen von zwölf asiatischen Staaten, den USA, Kanada, Australien und Neuseeland sowie dem IMF, der Weltbank und der Asiatischen Entwicklungsbank wurde betont, „daß der Internationale Währungsfonds (IMF) bei künftigen Währungskrisen in Asien eine bedeutende Rolle in einem neuen Rahmen der regionalen Zusammenarbeit spielen muß." [ „Kein Parallelfonds für Asien", Neue Zürcher Zeitung, 20.11.1997, S. 9]

  3. Liberalisierung des Geld- und Kapitalverkehrs: Sie sollte in Entwicklungs- und Schwellenländern vorsichtig gehandhabt werden. Zu achten ist darauf, daß ein freier grenzüberschreitender Warenaustausch auch von den erforderlichen monetären Transaktionen begleitet werden kann. Eine darüber hinausgehende Liberalisierung setzt einen so hohen Entwicklungsstand voraus, der in der Regel in diesen Ländern nicht gegeben ist. Indien z.B. hat seinen Kapitalverkehr stufenweise liberalisiert; es wurde von der Währungskrise nur wenig berührt. „Die jüngste Börsenkrise hat die Haltung der Regierung bestärkt, bei ihrem Gang in Richtung einer vollen Wechselkurs-Liberalisierung weiterhin einen vorsichtigen Kurs zu steuern. ... Aber der Wirtschaftsberater sieht mehr denn je die Notwendigkeit einer dauerhaften Handelsdefizit-Senkung, einer Stärkung des Finanzsystems und einer geringen Inflation, bevor die volle Konvertibilität der Rupie erreicht ist." [ „Börsenkrise wirft in Indien keine hohen Wellen", Neue Zürcher Zeitung, 12.11.1997, S. 24]

  4. Überwachung durch den Internationalen Währungsfonds: Es ist zu begrüßen, daß der IMF einen Special Data Dissemination Standard entwickelt hat und noch weiter entwickelt, mit dem er die wirtschaftliche Entwicklung der Mitgliedsländer überwacht. Ein solches System kann erheblich zur Früherkennung von Schwachstellen in der wirtschaftlichen Entwicklung eines Landes beitragen.

  5. Transparenz: Die Devisenmärkte müssen unterrichtet sein, ob und in welchem Umfange eine Währung unter- oder überbewertet ist. Die Devisenmärkte sollten daher über Veränderungen der Kaufkraftparitäten informiert werden. Noch steht eine entsprechende Statistik nur in einigen Ländern und nur für einige Währungen zur Verfügung. Der IMF hat erstmals die Ergebnisse seiner Überwachung von Mitgliedsländern der Presse kundgetan. Bisher geschah das nicht, da man befürchtete, daß eventuell ungünstige Berichte für die Märkte dieses Landes negative Folgen haben könnten. Ob eine solche These zutrifft, wird die Zukunft zeigen.

  6. Bankaufsichtliche Maßnahmen: Der grenzüberschreitende Geld- und Kapitalverkehr ist ein Pendant zum grenzüberschreitenden Waren- und Dienstleistungsverkehr. Es sollte Aufgabe der Bankenaufsicht sein, einen Blick darauf zu werfen, wie sich die Geld- und Kapitaltransaktionen im Vergleich zu den Waren- und Dienstleistungströmen entwickeln. Die Spekulation gegen asiatische und andere Währungen setzt im allgemeinen voraus, daß die Spekulation Milliardenbeträge bei Banken in den anzugreifenden Währungen aufnimmt. Das geschah selbst in Ländern, in denen es nicht gestattet ist, nichtansässigen Interessenten Landeswährung anzubieten, wie z.B. in der Ukraine: „Der Zentralbank-Vorsitzende Jusch-tschenko beschuldigte die Geschäftsbanken, die Regeln für den Verkauf von Hryyna gegen Dollars massiv zu mißachten." [ „Währungsturbulenzen in der Ukraine", Neue Zürcher Zeitung, 25.11.1997, S. 10] Es ist daher notwendig, daß sich die Bankenaufsicht in solchen Situationen stärker einschaltet und die Banken zur Zurückhaltung zu mahnt.

Auch in einer freizügigen globalen Wirtschaft ist ein Ordnungsrahmen erforderlich, der störende spekulative Transaktionen zu verhindern sucht. Geschieht das nicht, dann ist abzusehen, wann Stimmen laut werden, die Freizügigkeit des internationalen Wirtschaftsverkehrs einzuschränken.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juni 1999

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