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Schlußfolgerungen

In Österreich steht, so wie in Deutschland, ein Erfolgsmodell der Nachkriegszeit unter einem erheblichen Anpassungsdruck, der einen Umbau dieses Erfolgsmodells erzwingt und auch noch weiter erfordern wird. Die Dynamik dieses Strukturwandels wird, gereiht nach Wichtigkeit, von den Phänomen EU-Binnenmarkt, Ostöffnung und Globalisierung bestimmt. Die Auswirkungen der mit dem EU-Binnenmarkt verbundenen Liberalisierungs- und Deregulierungstendenzen waren in Österreich stärker und tiefgreifender als ursprünglich erwartet. Dies hat - zusammen mit den Wirkungen einer raschen Budgetkonsolidierung - zu einer Phase eines gegenüber der EU unterdurchschnittlichen Wachstums der österreichischen Wirtschaft geführt. Diese Phase der Strukturanpassung und Strukturbereinigung dürfte nun in wesentlichen Bereichen abgeschlossen sein. Für die kommenden Jahre wird für Österreich wieder ein im Verhältnis zur EU durchschnittliches bis leicht überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum erwartet. Die Mitgliedschaft in der Wirtschafts- und Währungsunion wird für Österreich dagegen - von technischen Umstellungserfordernissen abgesehen - keine wesentlichen Strukturbrüche bringen, da Österreich bereits seit 22 Jahren im Rahmen seiner "Hartwährungspolitik" einen festen Wechselkurs zwischen Schilling und DM aufweist.

Angesichts der großen Ähnlichkeit in der Wirtschafts-, Sozial- und Steuerstruktur zeigt die Standortdebatte, die sowohl in Österreich wie in Deutschland geführt wird, eine Vielzahl von Gemeinsamkeiten. Dies betrifft etwa die Frage nach der Strategie eines Staates mit hohem Pro-Kopf-Einkommen - und damit hohen Lohnkosten - angesichts der Herausforderungen durch Ostöffnung und Globalisierung. Angesprochen sind hier etwa die Qualifikation und Produktivität der Arbeitskraft - wo Österreich gegenüber Deutschland eine etwas bessere Position haben dürfte - und Fragen der Rolle und Effizienz des öffentlichen Sektors - hier dürfte die Diskussion in Deutschland weiter gediehen sein als in Österreich.

Von besonderem Interesse sind freilich die Problembereiche, wo sich trotz grundlegenden Ähnlichkeiten deutliche Unterschiede zwischen Österreich und Deutschland ergeben. Unmittelbar sichtbar ist dies im Bereich der Steuerpolitik. Österreich hat im Bereich der Unternehmensbesteuerung viele der Maßnahmen durchgesetzt, die in Deutschland erst in Diskussion sind, so daß sich hier die Möglichkeit ergibt, Vor- und auch Nachteile einzelner Konzeptionen zu analysieren. Als wichtigste weiterführende Erfahrung können zwei Warnungen abgeleitet werden: Zunächst die vor der Illusion einer raschen "Selbstfinanzierung" von Steuersenkungen (im Gegensatz zur Wirkung von aufkommensneutralen Strukturänderungen). Es ist daher im Interesse der Seriosität der Finanzpolitik jeweils nötig, bei Steuerreformen, die mit Steuerausfällen verbunden sind, die Wirkungen auf Budgetsalden und Ausgabenstrukturen von vornherein mitzuberücksichtigen. Nachträgliche Korrekturen zu optimistischer Steuerreformen führen dagegen zu erheblichen ökonomischen und politischen Kosten. Damit verbunden ist der zweite warnende Aspekt: Das Beispiel Österreichs - aber auch anderer Staaten - zeigt, daß Steuerreformen langfristig nur dann erfolgreich sind, wenn die mit der Reform verbundenen Änderungen als gesellschaftlich und verteilungspolitisch fair betrachtet werden. Ansonst besteht die Gefahr, daß es entweder zu politisch-sozialer Instabilität oder zu nachträglichen "Kompensationsmaßnahmen" mit erheblicher Budgetbelastung kommt.

Ein weiterer Akzentunterschied zwischen Deutschland und Österreich zeigt sich in bezug auf wirtschaftliche Entscheidungsstrukturen. Sowohl auf gesamtwirtschaftlicher wie auf betrieblicher Ebene spielen kooperative Verhaltensweisen in Österreich eine vergleichsweise stärkere Rolle. Auch wenn die Bedeutung der von den Wirtschaftsverbänden getragenen "Sozialpartnerschaft" durch die nun volle Öffnung der österreichischen Volkswirtschaft zurückgegangen ist, übt sie doch nach wie vor einen erheblichen Einfluß aus und ermöglicht gerade bei Fragen der Arbeitsbeziehungen Konsens und Stabilität. Dies ist auch in Zusammenhang zu sehen mit der seit 1986 (wieder) bestehenden Regierungsform einer "großen Koalition" - wobei zu erwarten ist, daß diese Koalition auch nach den nächsten Wahlen 1999 fortgeführt werden wird. Die Konsensorientierung bedeutet zum Teil freilich auch die Gefahr, daß nötige Reformschritte nur langsam und unvollständig durchgeführt werden. Andererseits eröffnet die breite Einbeziehung aller Betroffenen auch die Möglichkeit, Reformen zu realisieren, die bei Konfliktstrategien scheitern würden. Die Gesamtbeurteilung kann dabei für jeden Staat nur unter Berücksichtigung der jeweiligen spezifischen politischen und ökonomischen Gegebenheiten erfolgen. Für Österreich läßt sich jedenfalls festhalten, daß die Bewältigung des massiven Strukturwandels, der in diesem Wirtschaftstandort in den vergangenen Jahren erfolgte, ohne die zugrundeliegende politische und soziale Stabilität wohl wesentlich schwieriger und weniger erfolgreich verlaufen wäre.




Literaturhinweise

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© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juni 1999

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