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[Essentials]

  • Die Bedeutung Österreichs für die deutsche Wirtschaft wird oft unterschätzt. Bei einem Exportvolumen von 43,27 Mrd. DM war Österreich 1996 der siebtgrößte Exportmarkt für Deutschland. In vieler Hinsicht ist Österreich für deutsche Unternehmen als Heimmarkt zu betrachten, auch bei Investitionsentscheidungen. Mit Investitionen von 14,18 Mrd. DM ist Deutschland bei weitem der größte Auslandsinvestor in Österreich. Viele österreichische Betriebsstätten deutscher Unternehmen sind voll in den Ablauf des Stammunternehmens integriert oder haben eine Aufgabenstellung z.B. für die zentraleuropäischen Märkte.
  • Österreich steht beim Pro-Kopf-Einkommen an fünfter Stelle in der EU und weist in bezug auf Preisstabilität und Arbeitslosigkeit überdurchschnittlich gute Werte auf. EU-Mitgliedschaft und Ostöffnung haben freilich zu einem erheblichen Änderungs- und Anpassungsbedarf geführt. Das bisherige ökonomische und soziale Erfolgsmodell Österreich befindet sich daher in einer Phase des massiven Strukturwandels mit unterdurchschnittlichem Wachstum und budgetären Turbulenzen. Die Wachstumsschwäche scheint nun überwunden, der Strukturwandel ist aber noch nicht abgeschlossen.
  • Im Urteil der Investoren werden als Stärken des Standortes Österreich die hohe Qualifikation der Arbeitskräfte, die hohe Lebensqualität, verbunden mit einem stabilen sozialen Umfeld, günstige steuerliche Regelungen und die wirtschaftliche Integration in West- und Osteuropa hervorgehoben.
  • Als Schwäche des Standortes Österreichs gelten die Kostenbelastung durch die öffentliche Verwaltung, ineffiziente Marktregulierungen, zu geringe Flexibilität der Arbeitsmärkte und zu geringe Intensität von Forschung und Entwicklung. Diese Problembereiche stehen auch im Zentrum der Bemühungen um eine Verbesserung des Wirtschaftsstandortes Österreichs.
  • EU-Binnenmarkt und Währungsunion, an der Österreich mit Sicherheit teilnehmen wird, bewirken einen sich weiter verstärkenden Anpassungsdruck auf bisher weitgehend geschützte Bereiche. Von besonderer Bedeutung ist dies für die Sektoren Telekommunikation und Energiewirtschaft, das Bank- und Versicherungswesen und die Nahrungsmittelindustrie. In all diesen Bereichen gibt es auch erhebliche Interessen deutscher Unternehmen.
  • Österreich hat bis jetzt von der Ostöffnung deutlich profitiert und hat auch als Investor in vielen Staaten Zentraleuropas eine starke Position. Die Osterweiterung der EU wird von Österreich grundsätzlich begrüßt, für den Arbeitsmarkt und einzelne Dienstleistungsbereiche werden jedoch lange Übergangsfristen als erforderlich angesehen.
  • Bereits 1994 hat Österreich eine tiefgreifende Reform der Unternehmensbesteuerung durchgeführt: Abschaffung der Gewerbe- und der (betrieblichen und persönlichen) Vermögenssteuer bei teilweisem Ersatz durch eine Kommunalabgabe in Höhe von 3% der Lohnsumme. Der Körperschaftssteuer-Satz beträgt 35%. Für Kapitaleinkünfte (Zinsen, Dividenden, etc.) besteht eine als Quellensteuer erhobene Endbesteuerung von 25%, doch gibt es großzügige steuerliche Regelungen für Privatstiftungen. Die bis jetzt bestehende Anonymität (keine Legitimationspflicht) wurde für Wertpapierdepots wesentlich eingeschränkt ("Abschmelzregelung") und wird bezüglich Sparguthaben von der EU-Kommission bekämpft. Dies könnte zum Ersatz durch strengere Formen des Bankgeheimnisses führen.





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[Einleitung]

Von den europäischen und zum Teil auch der österreichischen Öffentlichkeit vielfach unbemerkt, hat Österreichs Wirtschaft und Gesellschaft in den vergangenen Jahren einen Strukturwandel erfahren, der in vielen Bereichen weit über die Entwicklung in anderen Staaten hinausgeht. Standen Mitte der 80er Jahre erst etwa 30% der österreichischen Wirtschaft im internationalen Wettbewerb, so sind es heute 60-65% mit weiter steigender Tendenz. Noch 1989 arbeiteten fast ein Drittel der Industriebeschäftigten in Unternehmen mit ausschließlichem oder mehrheitlichem öffentlichen Eigentum. Heute gibt es in keinem Industriebereich mehr staatliche Mehrheiten, die Privatisierung der Bundesanteile erfolgte dabei zum überwiegenden Teil über die Börse, das Management ist gegenüber den Aktionären verantwortlich. Allerdings agiert die staatliche Beteiligungsholding ÖIAG in den großen ehemaligen verstaatlichten Unternehmen (z.B. VOEST-Gruppe, Mineralölkonzern OMV) als "Kernaktionär" mit einem Anteil von über 25% um "feindliche Übernahmen" durch Konkurrenzunternehmen zu verhindern. In der Kreditwirtschaft hat mit der Bildung der "Bank Austria" und der "Erste Bank der österreichischen Sparkassen"-Gruppen ein starker Konzentrationsprozeß eingesetzt, gleiches gilt für die Nahrungsmittelindustrie. Post und Bahn wurden aus der staatlichen Verwaltung ausgegliedert, und die Elektrizitätswirtschaft reagiert auf die bevorstehende Marktöffnung mit betrieblichen und organisatorischen Umstrukturierungen.

Auch im Bereich des öffentlichen Sektors ergeben sich wesentliche Wandlungen: Die Priorität der Budgetpolitik verschob sich von der Beschäftigungspolitik zur Budgetkonsolidierung: Von 1993 bis 1998 konnte das Nettodefizit des Bundeshaushaltes von 4,6 auf 2,6 des BIP gesenkt werden (Nettodefizit des gesamten öffentlichen Sektors 1997: 2,9%). Bei anhaltend hohen Abgabenquoten erfolgten deutliche Veränderungen in der Steuerstruktur, worauf später eingegangen werden wird.

Der Umbau des bisherigen österreichischen Erfolgsmodells wurde durch den massiven Anpassungsdruck erzwungen, der sich aus EU-Integration und Ostöffnung für die österreichische Volkswirtschaft ergab. Diese "Umbau-Phase" führte auch dazu, daß Österreich, das bis dahin im Vergleich zum OECD- und EU-Durchschnitt meist überdurchschnittliche Wachstumsraten auswies, von 1995 bis 1997 langsamer wuchs als der Durchschnitt der anderen OECD- bzw. EU-Staaten. Nach Meinung der Wirtschaftsforschungsinstitute ist - bei weiterwirkendem Strukturwandel - ab 1998 der schwierigste Teil der Umstellung bewältigt (erwartetes reales BIP-Wachstum 1998: 2,9%). Für die nächsten fünf Jahre wird mit einem Wirtschaftswachstum gerechnet, das etwa dem europäischen OECD-Durchschnitt entspricht, bzw. leicht darüber liegt. Weiterhin ist Österreich jedenfalls mit einem BIP/Kopf 1996 von 17.427 ECU (Deutschland: 17.414 ECU) das fünftreichste Land der EU und weist mit 4,4% (EU-Klassifizierung) nach Luxemburg die niedrigste Arbeitslosenrate der Union auf. Die Inflation wird 1997 1,8% und 1998 voraussichtlich 1,5% betragen.

Der tiefgreifende Strukturwandel der österreichischen Volkswirtschaft war trotz einiger Turbulenzen mit erstaunlicher politischer und sozialer Stabilität verbunden. Trotz einer sehr aggressiven Opposition, speziell von seiten der FPÖ, konnte die seit 1986 bestehende Koalition aus SPÖ und ÖVP bei den Nationalratswahlen 1995 66,35% der Stimmen und damit über zwei Drittel der Nationalratsmandate erreichen. Das stabile soziale Klima zeigt sich u. a. in der für Europa weit unterdurchschnittlichen Streikhäufigkeit (so gab es 1996 in Österreich keinen einzigen Streik!).

Ein wesentlicher Grund für diese Stabilität liegt im System der österreichischen "Wirtschafts- und Sozialpartnerschaft", d.h. dem Zusammenwirken der großen Verbände von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Rückgrat dafür ist die allgemeine Pflichtmitgliedschaft bei einer jeweiligen "Kammer" (für Wirtschaft, bzw. für Arbeiter und Angestellte). In Urabstimmungen erhielt dieses System der Pflichtmitgliedschaft 1996 wieder eine massive Bestätigung. Zwar ist der Einfluß der Sozialpartnerschaft als Folge der größeren internationalen Offenheit der österreichischen Wirtschaft in den letzten Jahren zurückgegangen, er ist aber noch immer prägend im Zusammenwirken von Wirtschaft und Politik. Spezielle Lobbies spielen im politischen System Österreichs dagegen nur eine geringe Rolle, so daß es auch für ausländische Investoren sinnvoll ist, bei Bedarf mit den jeweiligen Kammerorganisationen in Kontakt zu treten.

Die tiefgreifenden struktutrellen Wandlungen des Wirtschaftsstandortes Österreich sind speziell auch für Investoren aus der Bundesrepublik Deutschland von Bedeutung. Mit einem Exportvolumen von 43,27 Mrd. DM (1996) steht Österreich an siebter Stelle der Exportmärkte Deutschlands (zum Vergleich: die deutschen Exporte nach China und Japan gemeinsam betrugen nur 32,8 Mrd. DM). Auch als Investitionsstandort spielt Österreich für deutsche Unternehmen eine erhebliche Rolle (Höhe der Unternehmensbeteiligungen 1995: 14,18 Mrd. DM).

Lag die Motivation für eine Investition in Österreich in der Zeit relativ geschützter Märkte zu einem erheblichen Teil in der Marktsicherung, so ist jetzt Österreich für deutsche Unternehmen im wesentlichen als "Heimmarkt" zu sehen. Investitionen in Österreich erfolgen daher verstärkt, um spezielle Voraussetzungen und Marktchancen auf Drittmärkten zu nutzen, vor allem aber als Teil eines integrierten Gesamtkonzepts der Standortplanung. Besonders deutlich wird dies bei der in Österreich in den letzten Jahren stark ausgebauten Automobil-Zulieferindustrie. Hier werden die Standortvorteile Österreichs in bezug auf Arbeitskräftequalifikation, Kosten und Zuverlässigkeit über voll in die deutsche Produktion integrierte Zweigwerke genutzt. So kommen etwa 60% der BMW-Motoren aus den Zweigwerken in Steyr, Oberösterreich, der "automotive Cluster" um Graz hat sich zu einem weltweiten Zentrum für die Entwicklung von Diesel-Motoren entwickelt, im Rahmen des Siemens-Konzerns kommen den österreichischen Unternehmensstandorten zentrale Funktionen zu (z.B. größtes europäisches Software-Zentrum in Wien, z.T. in Kooperation mit Budapest).

Auch eine Vielzahl mittelständischer deutscher Unternehmen verfolgt eine Strategie voll integrierter österreichischer Standorte, da neben der gemeinsamen Sprache auch in der Rechts- und Sozialordnung, Infrastruktur, etc. weite Übereinstimmung besteht und damit die Investitionsrisiken geringer sind als an anderen Standorten. Ein spezieller Anreiz besteht dabei in der Verfügbarkeit gut qualifizierter und vor allem in höheren Qualifikationsniveaus im Vergleich zur Bundesrepublik nach wie vor billigerer Arbeitskräfte. Die relativ geringe Forschungs- und Entwicklungstätigkeit der österreichischen Wirtschaft auf der einen Seite und eine vergleichsweise hohe Zahl sehr gut qualifizierter Absolventen speziell der Technischen Universitäten, der Fachhochschulen und der "Höheren Technischen Lehranstalten" bedeuten einen tendenziellen Arbeitskräfteüberhang auf diesen qualifizierten Arbeitsmärkten. Dies führt auch zur Abwanderung hochqualifizierter Absolventen nach Deutschland, wo Österreicher in manchen Branchen (Automobil, Medien) traditionell überdurchschnittlich vertreten sind. Die wachsende Bedeutung von natürlicher und kultureller Umweltqualität für persönliche Standortentscheidungen führt jedoch zu einer tendenziell geringeren Abwanderungsbereitschaft ( und zum Phänomen teilweise "überqualifizierter" Belegschaften in Österreich).


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juni 1999

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