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EWU und Preisstabilität

Position 1:

In der EWU ist die Preisstabilität nicht gesichert; denn ihr Stellenwert ist im politischen Grundkonsens anderer Länder nicht so hoch wie in Deutschland. Im Zweifels fall wird die Europäische Zentralbank eher für etwas mehr Inflation optieren als die Bundesbank.

Besonders in Konfliktsituationen, in denen die Sicherung von Preisstabilität vorübergehend zu Lasten des Wirtschaftswachstums gehen würde, ist von den Direktoren der Europäischen Zentralbank (EZB) eine geringere Präferenz für Stabilität zu erwarten. Derartige Konfliktsituationen sind nicht unwahrscheinlich. Denn die EWU kann inflationsträchtige Staatsdefizite der Mitgliedsländer kaum verhindern, wenn innenpolitischer Druck in Krisensituationen weder Ausgabenkürzungen noch Steuererhöhungen in hinreichendem Ausmaß zuläßt. Außerdem erhöht allein die Vielfalt unterschiedlicher Lohnfindungsstrukturen die Wahrscheinlichkeit inflationärer Lohnentwicklungen, insbesondere in den vom Wettbewerb geschützten Wirtschaftsbereichen (öffentliche Verwaltung, Handel, Gesundheitswesen, Bildungswesen u.a.).

Fazit: Sanktionen vorsehen für EZB-Direktoren, die Inflation zulassen! Zusätzliche Sanktionen für Länder mit übermäßigem Haushaltsdefizit vereinbaren! EWU nur unter Ländern mit lang etablierter „Stabilitätskultur"!

Position 2:

Die Preisstabilität in der EWU ist nicht gesichert, weil die Europäische Zentralbank keine Zuständigkeit für die Wechselkurspolitik hat und diesbezüglich mit politischen Vorgaben konfrontiert werden kann, die zu Lasten der Stabilität gehen.

Wenn z.B. die Vorgabe heißt: Abwertung gegenüber dem Dollar (etwa um die Wettbewerbsfähigkeit von EWU-Produkten zu erhöhen), muß die EZB eine Politik des billigen Geldes verfolgen. Gleichzeitig kann die Wahrung der Preisstabilität jedoch eine restriktive Geldpolitik erfordern!

Fazit: Der EZB die Zuständigkeit für die Wechselkurspolitik übertragen!

Position 3:

Die Preise werden in der EWU weniger stabil sein, als in einzelnen Mitgliedsländern möglich wäre. Denn die gemeinsame Geldpolitik kann nicht auf die spezifischen Bedingungen jedes einzelnen Landes zugeschnitten sein.

Unterschiedliche Anforderungen an die Geldpolitik können ausgehen von

  • unterschiedlichen monetären Strukturen (Finanzierungsmechanismen, Bankenstrukturen, Verschuldungslagen von Privaten u.a.);
  • unterschiedlichen Lohnentwicklungen, insbesondere im sogenannten „non-tradable-Sektor" (vom internationalen Wettbewerb geschützte Aktivitäten);
  • unterschiedlicher Investitionsdynamik;
  • sogenannten „asymmetrischen Schocks", d.h. abrupten Nachfrageänderungen, die nur einen Teil der EWU-Länder betreffen (z.B. Preisverfall in einer Branche, die für ein bestimmtes Land besonders wichtig, für andere jedoch von geringer Bedeutung ist).

Fazit: Nur Länder mit ähnlicher und möglichst diversifizierter Wirtschaftsstruktur sowie mit ähnlicher „Tarifkultur" in die EWU!

Position 4:

Die Preisstabilität in der EWU ist so sicher wie in Deutschland.

Denn:

  • Die Europäische Zentralbank ist politisch unabhängig und auf das Stabilitätsziel verpflichtet.
  • Die Regierungen sind auf solide Finanzpolitik verpflichtet. Damit wird vermieden, daß die Geldpolitik in Zielkonflikte zwischen Stabilisierung und Wirtschaftswachstum gerät.
  • Die Regierungen haben ein Eigeninteresse, ihren finanzpolitischen Gestaltungsspielraum nicht durch immer höhere Zinslasten einzuengen.
  • Die in Maastricht vereinbarten Beitrittsbedingungen stellen sicher, daß nur Länder in die EWU kommen, die ihre Stabilitätsfähigkeit und ihren Stabilitätswillen unter Beweis gestellt haben.
  • Die Tarifpartner in den einzelnen Mitgliedsländern haben ein Eigeninteresse, sich nicht durch überhöhte Lohnabschlüsse selbst aus dem Markt zu drängen.

Fazit: Kein Grund zur Beunruhigung!


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juli 1999

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