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EWU und Wirtschaftswachstum

Position 1:

Die Währungsunion begünstigt hohes Wirtschaftswachstum; denn sie befreit die Geldpolitik weitgehend von der Aufgabe der Wechselkurspflege und ermöglicht damit dauerhaft, niedrigere Zinsen.

Fazit: EWU ja!

Einwand: Der Wechselkurs muß nicht mit hohen Zinsen verteidigt werden, wenn die Finanzpolitik solide und das System der Lohnfindung nicht inflationär ist. Diese Bedingungen muß jedes Land, das in die EWU will, ohnehin erfüllen.

Gegeneinwand: Auch die Wechselkurse von Ländern mit solider Finanz- und Lohnpolitik geraten unter Abwertungsdruck (Beispiel: Frankreich).

Position 2:

Die Währungsunion begünstigt hohes Wirtschaftswachstum; denn sie übt politischen Druck auf die europaweite Herstellung von Geldwertstabilität und soliden öffentlichen Finanzen aus. Beides bildet, zusammen mit der innereuropäischen Währungsstabilität, eine günstige Ausgangslage für produktive Investitionen. Eine derartige Ausgangslage in nur einem Land wirkt sich weit weniger günstig auf das Wirtschaftswachstum aus.

Fazit: EWU ja, und zwar mit all ihren strengen Beitrittsbedingungen!

Einwand: So gesehen, wäre die EWU nur ein politischer „Trick", um eine wachstumsfreundliche Wirtschaftspolitik zustandezubringen, nicht aber deren ökonomische Grundlage. Entscheidend wäre es, nicht nur ein paar europäische Länder zu wachstumsfreundlicher Politik zu verpflichten, sondern möglichst alle wichtigen Industrieländer (vor allem auch die USA).

Position 3:

Die EWU beeinträchtigt das Wirtschaftswachstum; denn mit ihren rigiden öffentlichen Verschuldungsgrenzen läßt sie keinen Spielraum für expansive Finanzpolitik (zumal in der Rezession).

Fazit: Der EWU fernbleiben, es sei denn, sie lockert ihre finanzpolitischen Verhaltensregeln!

Einwand: Es ist ein Irrtum, zu glauben, mit höherer öffentlicher Verschuldung könnte man ein dauerhaft höheres Wirtschaftswachstum erreichen. Das Gegenteil ist wahr; denn Staatsdefizite absorbieren Ersparnisse, die sonst für die private Investition verfügbar wären. Sie wirken tendenziell zinssteigernd. Außerdem gilt:

Je geringer das strukturelle Staatsdefizit, desto größer ist der Spielraum für vorübergehende, antizyklische Verschuldung in der Rezession.

Position 4:

Die EWU beeinträchtigt das Wirtschaftswachstum; denn die skeptischen Finanzmärkte belegen sie mit einer Risikoprämie in Form von höheren Zinsen.

Fazit: Die EWU bleibenlassen oder nur mit einem harten Kern stabilitätsorientierter Länder errichten!

Position 5:

Die EWU gefährdet das Wirtschaftswachstum; denn der von der europäischen Zentralbank bereitgestellte „Geldmantel" wird in der Union mit ihren unterschiedlichen „Inflationskulturen " leichter durch inflationäre Prozesse ausgefüllt und dem realen Wirtschaftswachstum entzogen als in einem Land mit etablierter „Stabilitätskultur".

Fazit: Eine Währungsunion nur mit Ländern mit lang etablierter „Stabilitätskultur"!

Position 6:

Die EWU gefährdet das Wirtschaftswachstum; denn die einheitliche EWU-weite Geldpolitik kann sich nicht optimal am Wachstumspotential eines einzelnen Landes mit hoher Preisstabilität orientieren, sondern muß eine Kompromißlinie finden, die auch den eventuellen Inflationsbekämpfungsbedarf in anderen EWU-Ländern berücksichtigt.

Fazit: Eine Währungsunion nur mit Ländern mit gleicher „Stabilitätskultur" und mit ähnlicher Wirtschaftsstruktur (Realkonvergenz)!

Position 7:

Das Wirtschaftswachstum der EWU ist dadurch gefährdet, daß ein Mitgliedsland mit hohem Staatsdefizit die Zinsen für die gesamte Union in die Höhe treiben kann. Der Maastrichter Vertrag hat keine hinreichenden Vorkehrungen gegen diese Gefahr getroffen.

Fazit: „Nachrüsten", z.B. durch einen zusätzlichen Stabilitätspakt mit strengeren Sanktionen gegenüber Staaten mit unsolider Finanzpolitik!

Einwand: Da die Finanzmärkte global integriert sind, wirken sich hohe Staatsdefizite auch über die Grenzen der Währungsunion hinaus zinserhöhend aus. Man kann sich gegen diesen Effekt nicht dadurch schützen, daß man keinen Währungsverbund mit verschuldungsfreudigen Ländern eingeht.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juli 1999

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