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3. Militante Konflikte und politische Instabilität als Entwicklungshemmnis

Welche politischen Variablen erklären nun diese unterschiedlich erfolgreiche Entwicklung in Südostasien?

Wo es nicht gelingt, das politische System so zu organisieren, daß alle wesentlichen Gruppen der Bevölkerung mindestens passiv dessen Legitimität akzeptieren, sondern diese aktiv und gewaltsam über längere Zeit in Frage stellen, können keine verläßlichen Rahmenbedingungen für wirtschaftliche Entwicklung geschaffen werden, gleichzeitig nehmen die Repressionskosten zu. Wenn militante Konflikte in regelrechte Kriege ausarten, so sind nicht nur menschliche Opfer und Leid zu beklagen, sondern auch die Zerstörung von Sachwerten und vielleicht die ökologische Verwüstung ganzer Landstriche.

Die drei indochinesischen Staaten sind bis zur kommunistischen Machtergreifung 1975 durch die ersten beiden Vietnamkriege schwer in Mitleidenschaft gezogen worden, am geringsten vielleicht Laos. Aufgrund der Schreckensherrschaft der Roten Khmer (1975-79), der noch einmal etwa zwei Millionen Menschen zum Opfer fielen, der vietnamesischen Besatzung des Landes und der Fortsetzung des Krieges wurde Kambodscha wohl am schwersten getroffen. Auch Vietnam belastete dieser dritte Krieg jenseits seiner Grenzen schwer, obwohl ein Teil der Kosten von den osteuropäischen Verbündeten übernommen wurde. Die kommunistischen Guerillakriege in Thailand und den Philippinen, die Sezessionskriege von muslimischen Minderheiten im jeweiligen Süden dieser beiden Länder und die der Bergvölker gegen die Regierung in Rangun (Birma) sowie die Sezessionskriege verschiedener Regionen gegen die Zentralregierung in Jakarta blieben in ihren ökonomischen Konsequenzen für die betroffenen Volkswirtschaften jedoch begrenzt. Das gilt auch für die gewaltsamen Regimewechsel, bei denen Menschenleben oder gravierende Menschenrechtsverletzungen zu beklagen waren: in Thailand 1973, 1976, 1992, in den Philippinen 1972 und in Indonesien 1965-67. Dort sollen dem Wechsel eine halbe Million Menschen zum Opfer gefallen sein. So mitschuldig die neuen Herren am Blutbad waren, so bot der Regimewechsel doch die Möglichkeit, die verfahrene Wirtschaftspolitik des bisherigen Sukarno-Regimes zu korrigieren und die Grundlagen für die folgende – alles in allem passable – Entwicklung zu legen. Das konnte von den kommunistischen Siegern in Indochina nach 1975 zunächst nicht gesagt werden.

Von den großen Indochinakriegen abgesehen, sind die militanten Auseinandersetzungen und auch die häufig vollzogenen Regime- bzw. Regierungswechsel weniger durch ihre oft sehr geringen direkten materiellen und menschlichen Kosten eine Belastung für die wirtschaftliche Entwicklung, als vielmehr durch die politischen Kräfte und Energien, die sie binden, und die Unberechenbarkeit für eigentlich unbeteiligte private Investoren im Lande und aus dem Ausland.

Für Thailand war in dieser Hinsicht allerdings kein nennenswerter Effekt zu beobachten. Mit seinen zahlreichen Militärputschen und – neuerdings – durch seine fragilen parlamentarischen Koalitionsregierungen besaß das Land die instabilsten Regierungen in der Region. Das Vertrauen der Investoren wurde dadurch allerdings nicht erschüttert. Man konnte sich auf die technokratische Bürokratie in den Schlüsselbehörden verlassen, und wirkliche wirtschaftliche Richtungswechsel waren nicht zu befürchten. Aufgrund des immer deutlicher werdenden Reformstaus in den 90er Jahren mögen die inhaltsleeren Regierungswechsel nun allerdings zunehmend verunsichern. Anders sahen die Verhältnisse allerdings in Birma und lange Zeit in den Philippinen aus.

In Birma wurde über Jahrzehnte eine falsche (binnenorientierte und sozialistische) Entwicklungsstrategie verfolgt, die das Land weit zurückwarf. Das Militärregime wurde seit 1988 begrenzt und sah sich halbherzig gezwungen, eine wirtschaftspolitische Kursänderung vorzunehmen und freie Wahlen zuzulassen, die sie hoch verlor. Diese Wahlen erkannte sie aber dann nicht an und unterdrückte die Opposition, was in einem weitgehenden Boykott der westlichen Staaten resultierte, dem sich allerdings die Nachbar- und ASEAN-Staaten nicht angeschlossen haben. Aufgrund der nachfolgenden Legitimationskrise gelang die Konzentration auf die Wirtschaftspolitik nur bedingt, ihre Umsetzung wurde weiter durch innere Widersprüche und die genannten politisch begründeten Gegenstrategien erheblich erschwert.

In den Philippinen wurde der Sturz der Marcos-Diktatur 1986 aus mehreren Gründen schleppend lange vorbereitet (seit 1981, und insbesondere seit 1983): extern induzierte und intern selbst verschuldete Wirtschaftsprobleme, die Spaltung der Wirtschafts- und der Machteliten, eine langanhaltende Massenmobilisierung in der Hauptstadt und ein sich verschlechternder Gesundheitszustand des Diktators mit ungewisser Finalität – er starb erst 1989. Auch durch den Regimewechsel wurde die politische Stabilität noch nicht wiederhergestellt. Mehrere Putschversuche von verschiedenen Militärfraktionen – der letzte und gefährlichste 1989 – sowie zunächst eine Intensivierung des kommunistischen Guerillakrieges, der seinen Höhepunkt erst 1988 erreichte, hielten das Land weiter in Atem und ließen die Verhältnisse instabil erscheinen. Die 80er Jahre waren daher geprägt durch eine massive Kapitalflucht, Abnahme der Investitionsbereitschaft und einen sich beschleunigenden Verfall der Infrastruktur. Erst die Wahl des Ex-Generals Ramos mit einer zielorientierten Wirtschaftspolitik signalisierten 1992 Stabilität und verbesserte Investitionsbedingungen.

Die gegenwärtige Situation in Indonesien erinnert in vielerlei Hinsicht an den Beginn des Niedergangs des Marcos-Regimes vor 1983. Wenn sich die Geschichte wiederholt, stünde Indonesien gegenwärtig gleichfalls vor einer längeren Durststrecke.

Militärausgaben gelten gemeinhin als unproduktive Ausgaben, die als Investitionen in die Zukunft verloren gehen und besser für den Ausbau der materiellen und sozialen Infrastruktur ausgegeben werden sollten. Man würde sie besonders hoch in Ländern im Krieg bzw. mit latenten Konflikten mit Nachbarn sowie in den Staaten erwarten, in denen das Militär eine dominierende politische Rolle spielt. Diese Thesen können für Südostasien nicht ganz bestätigt werden (vgl. Tabelle 2). Die relativen Militärausgaben sind zwar in Myanmar (Birma) mit seiner Militärherrschaft sowie in den indochinesischen Staaten, wo sie erst nach Beendigung des Kambodschakonfliktes deutlich gesenkt wurden, am höchsten. In Thailand und Indonesien, in denen das Militär eine wichtige politische Rolle spielt, sind die Militärausgaben jedoch eher niedrig und wurden in den letzten Jahren noch weiter gesenkt. Das trifft noch mehr auf die Philippinen zu, das sich in den letzten Jahrzehnten immerhin mit zwei Guerillakriegen gleichzeitig auseinandersetzen mußte. Relativ hohe Militärausgaben sind hingegen für Singapur und Malaysia zu verzeichnen. Diese Wachstumsökonomien können sie sich offenbar leisten!


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Mai 1999

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