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[Essentials]

  • Nachdem sich Malaysia in den letzten Jahrzehnten als einer der führenden Standorte für ausländische Direktinvestitionen, namentlich in der Elektronikindustrie, profiliert hat, strebt das Land in den 90er Jahren den Übergang von einem arbeitsintensiven zu einem wissensbasierten Wachstumsmuster an. Mittels einer strategischen Industriepolitik soll der technologische Anschluß in Branchen wie der Automobil- und Luftfahrtindustrie, der Chip-Produktion und der Informationstechnologie erreicht werden.
  • Ein weiteres zentrales Ziel ist der ethnische Ausgleich durch Förderung der Bumiputras (Malaien), insbesondere des Bumiputra-Unternehmertums. Obgleich diese Politik schrittweise gelockert wird, bleibt das Spannungsfeld zwischen technologischen und ethnisch-sozialen Politikzielen bestehen.
  • Die technologische Reorientierung und das Ziel des ethnisch-sozialen Ausgleichs führen zu Ziele werden weitgehenden Eingriffen in Märkte und zu Renteneinkommen. Angesichts autoritärer Strukturen und intransparenter Entscheidungsprozesse profitiert von diesen Renten nur eine kleine regierungsnahe Elite.
  • Eines der zentralen industriepolitischen Projekte ist der Aufbau einer nationalen Automobilindustrie. Die nationale Marke Proton konnte sich zwar in den ersten Jahren dynamisch entwickeln, ist aber bei weitem nicht für die anstehende Liberalisierung gerüstet. Um zu überleben, werden Proton wie auch die nationalen Zulieferer eine stärkere Beteiligung internationaler Technologiepartner zulassen müssen.
  • In der exportorientierten Elektronikindustrie finden technologische Lernprozesse statt, und es entstehen kompetente lokale Zulieferer. Die derzeit geförderte Ansiedlung von Chip-Produzenten ist ein logischer nächster Schritt, aber es fehlt an Fachkräften und F&E-Kompetenz, um in diesem Bereich eigenständig innovative Entwicklungen voranzutreiben.
  • Mit dem „Multimedia Super Corridor" will Malaysia den Einstieg in innovative informationstechnologische Anwendungen beschleunigen. Mit generösen Anreizen und der Aussicht auf öffentliche Aufträge konnten zahlreiche private Investoren für das Projekt gewonnen werden. Für ein weltweit führendes IT-Entwicklungszentrum mit Forschungssynergien fehlen jedoch auch hier die Fachkräfte.
  • Aufgrund der aktuellen Wirtschaftskrise werden Modernisierungsinvestitionen künftig bescheidener ausfallen. Industriepolitik wird sich stärker an marktwirtschaftlichen Prinzipien orientieren und auf private Initiative setzen müssen. Damit werden die Spielräume für politische Patronage eingeschränkt. Ob die Krise darüber hinaus zur überfälligen demokratischen Öffnung führen wird, bleibt offen.


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[Einleitung]

Kaum ein Staat verfolgt so konsequent ehrgeizige industriepolitische Ziele wie Malaysia. Das Land formuliert Vorgaben für die Privatwirtschaft und wendet ein komplexes Instrumentarium von Auflagen, Schutzzöllen, Steueranreizen und politischem Druck an, um diese zu erreichen. Vorrangige Ziele umfassen den Anschluß an internationale Entwicklungen in High-Tech-Branchen (Informationstechnologien, Chip-Fabrikation, Luft- und Raumfahrt), die Importsubstitution in technologisch anspruchsvollen Konsumgüterindustrien (Automobile, Elektrogeräte) und den Aufbau eines dynamischen Unternehmertums in der malaiischen Volksgruppe.

Diese Wirtschafts- (und insbesondere Industrie-) Politik war bislang außerordentlich erfolgreich. Von 1970 bis 1997 wuchs die Volkswirtschaft um jährlich 7,2% %. Die Industrialisierung war dabei die treibende Kraft. Das verarbeitende Gewerbe expandierte deutlich überproportional und erhöhte seinen Anteil am BIP von 8 %% zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit auf heute 35 %%. War das Land noch in den 60er Jahren ein reiner Rohstoffexporteur, so haben heute Industriegüter einen Anteil von 78,5 %% an den Ausfuhren. Dieser Erfolg wurde von vielen Beobachtern als Ergebnis einer beispielhaften Komplementarität von strategischer, entwicklungsorientierter politischer Lenkung und privatwirtschaftlicher Initiative interpretiert. Neben Südkorea Taiwan und Singapur wurde Malaysia zu einem prominenten Beispiel für erfolgreiches governing the markets, das heute vielen Entwicklungsländern als Leitbild dient.

1997 geriet Malaysia in den Strudel der asiatischen Wirtschaftskrise. Für 1998 wird mit Nullwachstum gerechnet, und internationale Beobachter gehen davon aus, daß sich die Krise noch weiter zuspitzen wird. In den Jahren des Booms waren ehrgeizige Großprojekte initiiert und Kredite leichtfertig vergeben worden, ohne die Rentabilität der geförderten Aktivitäten zu prüfen. Die strategische, zukunftsorientierte Wirtschaftspolitik hatte politische Patronage und Korruption begünstigt. Nun müssen in großem Umfang notleidende Kredite abgeschrieben werden. Dieses gefährdet nicht nur den gesamten Finanzsektor, sondern wird die wirtschaftliche Entwicklung insgesamt längerfristig hemmen. Die Krise stellt damit zunächst Malaysias künftige Entwicklung in Frage, darüber hinaus aber auch die Zukunft strategischer, aktiv strukturbildender Wirtschaftspolitik schlechthin:

  1. Für Malaysia geht es zum einen darum, welche der ehrgeizigen industriepolitischen Vorhaben noch zu realisieren sind; zum anderen um die Frage, ob der Staat seine strategische Orientierung und interventionistische Politikpraxis zugunsten einer liberalen Haltung aufgeben wird;
  2. Für die generelle industriepolitische Diskussion stellt sich die Frage, ob die gegenwärtige Krise „nur" ein Problem mangelnder Bankenaufsicht ist oder ob sie die strategische Wirtschaftspolitik, wie sie auch von anderen Schwellenländern der Region betrieben wird, grundsätzlich in Frage stellt. Ist die Krise Beleg für die Kritik liberaler Ökonomen, denen zufolge willkürliche Eingriffe in den Markt zwingend zu Fehlallokationen und zur Herausbildung rentenorientierter Staatsklassen führen?

© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juni 1999

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