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Begrenzte wirtschaftliche Konsolidierung

Die Situation der griechischen Volkswirtschaft muß ambivalent genannt werden. Zum einen sind deutliche Verbesserungen erkennbar, zum anderen hat das Land aber noch schwer an jenen Hypotheken zu tragen, die eine verfehlte Wirtschaftspolitik in der Vergangenheit aufgehäuft hat. Dazu zählt z.B. die Tatsache, daß sich in den achtziger, aber auch noch zu Beginn der neunziger Jahre die Wirtschaftspolitik fast vollständig dem Kalkül der Politik unterordnen mußte. Dazu ein bezeichnendes Beispiel: Der heutige Ministerpräsident Konstantin Simitis hatte sich als Wirtschaftsminister in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre der Aufgabe verschrieben, die finanz- und wirtschaftspolitische Stabilisierung in Griechenland voranzubringen. Dazu erhielt er vom damaligen Ministerpräsidenten Andreas Papandreou auch die Unterstützung - allerdings nur bis 1987. So wie in Griechenland üblich, sollte vor den Wahlen von 1989 wieder auf eine expansive Haushaltspolitik umgeschwenkt werden, und es sollten zahlreiche Wahlgeschenke verteilt werden. Beliebt ist in diesem Zusammenhang in Griechenland vor allem das Versprechen, viele neue Jobs im personell ohnehin schon überbesetzten öffentlichen Dienst zu schaffen. Es wird geschätzt, daß die PASOK als Regierungspartei in den achtziger Jahren zwischen 300.000 und 400.000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst neu eingestellt hat. Unter diesen politisch gesetzten Bedingungen hat sich der Etatismus in Griechenland weit verbreitet und hat wirtschaftliche Initiativen massiv behindert.

Auch heute noch ist Griechenland im internationalen Wettbewerb wenig konkurrenzfähig. Die Ergebnisse der wirtschaftlichen Konsolidierungspolitik sind bescheiden geblieben. Es sind zwar ehemals staatliche Betriebe veräußert worden, das Tempo der Privatisierung ist jedoch noch immer zögerlich und hat bislang eher die öffentlichen Kassen gefüllt als zur strukturellen Verbesserung der griechischen Wirtschaft beizutragen. Die Vereinfachung des Steuersystems und die Verbreitung seiner Erhebung sind nur unzureichend vorangekommen. Die private Investitionsschwäche hält an. Die überproportionale Beschäftigung im öffentlichen Sektor (ein Viertel aller Erwerbsstätigen) lebt fort. Dagegen ist die Deregulierung vorangekommen, wurden Preisbindungen aufgehoben, wurden Mißbrauchsmöglichkeiten in der Sozialversicherung beseitigt, und es wurde verhindert, daß sich der Staat zu Vorzugsbedingungen zinsgünstig im Bankensystem refinanzieren kann.

Zusammen mit Italien, Portugal und Spanien befindet sich Griechenland unter denjenigen EU-Ländern, die sich nicht einmal bei einem der Konvergenzkriterien für die Währungsunion qualifizieren. In dieser Ländergruppe steht Griechenland am schlechtesten da. Es gibt nur eine Ausnahme: Mit 124,9 Prozent des BIP hat Italien einen höheren öffentlichen Schuldenstand als Griechenland. Im einzelnen ergeben sich folgende Werte (siehe auch Tabelle im Anhang):

Bei einem Konvergenzkriterium von 2,5 bis 2,7 Prozent hält Griechenland mit einer Inflationsrate von 9 Prozent den absoluten EU-Rekord. Gegenüber früher zeigen sich zwar deutliche Verbesserungen - 1992 betrug die Rate noch 15,8 Prozent -, doch ist der gegenwärtige Stand noch weit entfernt von einer befriedigenden Lage. Vor allem erscheint es mit ungewöhnlich großen Anstrengungen verbunden, innerhalb kurzer Zeit die Inflation weiter zurückzuführen, wie es erforderlich ist, wenn Griechenland bei der zweiten Teilnehmergruppe der Währungsunion beteiligt sein will.

Das Haushaltsdefizit hat sich in den letzten Jahren stabilisiert. Es ist in der Höhe von 9,5 Prozent des BIP aber noch weit vom Konvergenzziel von 3 Prozent entfernt.

Die öffentliche Verschuldung hat sich in den letzten Jahren in Griechenland noch verstärkt. Er betrug 1992 106 Prozent und 1995 114,5 Prozent des BIP. Das Kriterium der Währungsunion beläuft sich auf 60 Prozent des BIP.

Beim Kapitalmarktzins hat sich die Lage in Griechenland in der jüngsten Vergangenheit verbessert. Langfristige öffentliche Anleihen wurden 1992 noch mit 21,7 Prozent verzinst, 1995 dagegen mit 17,3 Prozent. Das Konvergenzziel sieht hier allerdings einen Wert von 10,8 Prozent vor.

Auch wenn Griechenland derzeit von der Erreichung der Konvergenzziele zumeist noch weit entfernt ist, so ist doch bemerkenswert, daß die Regierung Simitis den mit der Perspektive der Währungsunion gesetzten externen Druck nutzen will, um jene Widerstände zu überwinden, die sich bislang einer konsequenten Spar- und Stabilisierungspolitik entgegengestellt haben. Von daher wird verständlich, weshalb die gegenwärtige Regierung das Ziel so stark favorisiert, zumindest bei einer zweiten Gruppe von Mitgliedsländern beteiligt zu sein, die der Währungsunion beitreten.

Neben ökonomischen Schwächen gibt es aber auch deutliche Verbesserungen und Zeichen der Hoffnung. Wie der OECD-Länderbericht 1995-96 hervorhebt, hat Griechenland seit Beginn der neunziger Jahre einen "unbestreitbaren Fortschritt" zu verzeichnen. Vieles bleibe jedoch noch zu tun, um die vorhandenen makroökonomischen Ungleichgewichte zu überwinden. Die OECD notiert unter den positiven Entwicklungen u.a., daß sich die Produktion erhöht hat, daß die Investitionen gestiegen sind, daß die inflationäre Tendenz gekappt wurde, daß die Geld- und Finanzpolitik stabilisierend gewirkt haben und daß sich die allgemeine Finanzlage des Staates dadurch verbessert, daß die Steuereinziehung durch eine Ausweitung direkter Steuern verbesssert wurde. Auf der anderen Seite, so wird konstatiert, hat sich die internationale Wettbewerbsfähigkeit verschlechtert, und der Druck auf die Leistungsbilanz konnte nur durch die Überweisungen von der EU und durch ausländische Kapitalimporte kompensiert werden. Es wird von der OECD festgestellt, daß sich die Strukturhilfen der EU zu einer Voraussetzung dafür entwickelt haben, daß ein halbwegs zufriedenstellendes Wachstum zwischen 2 und 2,5 Prozent erreicht werden konnte. Allerdings merkt die OECD auch an, daß die Kapazität zur Nutzung der Strukturmittel verbessert werden sollte.

Die Arbeitslosenrate belief sich in Griechenland mit 10 Prozent zwar in etwa auf EU-Durchschnitt, doch hat sich die Situation gegenüber den siebziger und achtziger Jahren deutlich verschlechtert, als in Griechenland unterdurchschnittliche Arbeitslosenzahlen zu verzeichnen waren. Beim klientelistisch aufgeblähten öffentlichen Dienst sind Verbesserungen zu verzeichnen, seitdem nur noch einer von drei ausscheidenden Staatsdienern ersetzt wird. Positiv vermerkt die OECD, daß bereits zu Beginn der neunziger Jahre das System der automatischen Lohn- und Gehaltsanpassung an die Preisentwicklung abgeschafft wurde, daß also auch das Lohnfindungssystem dereguliert wurde. Auf der Grundlage dieser Entwicklungen kommt die OECD zusammenfassend zu dem Schluß, daß die makroökonomischen Ungleichgewichte verringert wurden, und daß ein "vermehrtes Vertrauen in die wirtschaftliche Entwicklung" konstatiert werden kann.



Tabelle 1

Griechische Parlamentswahlen vom 22. September 1996
(Ergebnisse der Wahlen vom 10. Oktober 1993 in Klammern)

Partei

Stimmen

Prozent

Sitze

PASOK

2.813.245

41,49

(46,88)

162

(171)

Neue Demokratie

2.584.765

38,12

(39,29)

108

(110)

Kommunisten (KKE

380.167

5,61

(4,53)

11

(9)

Linksallianz

347.051

5,12

(2,94)

10

(19)

DIKKI

300.671

4,43

-

(9)

-

Politischer Frühling

199.463

2,94

(4,87)

-

(10)

Gesamt




300

300






Tabelle 2

Verteilung der Wahlanteile zwischen PASOK und Neuer Demokratie (ND) von 1981 bis 1993
(in Prozent)

18.10.81

02.06.85

18.06.89

05.11.89

08.04.90

10.10.93

PASOK

48,07

45,82

39,10

40,67

38,62

46,88

ND

35,88

40,82

44,37

46,19

46,88

39,29






Tabelle 3
Griechenland und die Konvergenzkriterien zur Währungsunion 1995


Veränderung der Verbraucherpreise

Haushaltsdefizit
in % des BIP

Öffentliche Verschuldung
in % des BIP

langfristige Zinssätze
in %

Deutschland

1,6

-3,5

58,1

6,9

Frankreich

1,7

-5,0

51,5

7,5

Italien

5,4

-7,4

124,9

12,2

Großbritannien

3,0

-5,1

52,5

8,3

Spanien

4,7

-5,9

64,8

11,3

Niederlande

1,1

-3,1

78,4

6,9

Belgien

1,4

-4,5

134,4

7,5

Schweden

2,9

-7,0

81,4

10,2

Österreich

2,0

-5,5

68,0

7,1

Dänemark

2,3

-2,0

73,6

8,3

Finnland

1,0

-5,4

63,2

8,8

Portugal

3,8

-5,4

70,5

11,4

Irland

2,4

-2,7

85,9

8,3

Luxemburg

1,9

0,4

6,3

6,1

Griechenland

9,0

-9,3

114,4

17,3

Konvergenzziel

2,5

-3

60

10,8


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | April 1999

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