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1. Wahlergebnis und Koalition

Zur Wahl standen 500 Unterhausmandate, von denen nach dem neuen Wahlrecht 300 Sitze per einfacher Mehrheitswahl und 200 per Verhältniswahl (die Parteien bilden 11 Regionallisten) bestimmt wurden. Die Wähler hatten erstmals zwei Stimmen, für den Direktvertreter ihres Wahlkreises und für die Parteiliste. Die Kandidaten für ein Direktmandat konnten sich gleichzeitig auf der Regionalliste um ein Mandat bewerben, so daß die politischen heavy weights auf jeden Fall ins Parlament einziehen konnten. Anders als im deutschen Wahlrecht entscheidet nicht in letzter Instanz die "Zweitstimme"; es handelt sich um ein wirklich gemischtes System mit quantitativer Dominanz der Direktmandate. Der Preis für dieses Element direkter Demokratie ist ein nach wie vor merklicher Unterschied im Gewicht der Wählerstimmen. Trotz des neuen Zuschnitts der Wahlkreise haben ländlich-periphere Stimmen ein höheres Gewicht als Stimmen großstädtischer Wähler. So wiegt eine Stimme aus der Provinz Shimane 2,2 mal so viel wie eine Stimme aus Tokyo.

Das wichtigste Ergebnis der Wahlen ist die Stärkung der LDP, die die Zahl ihrer Unterhausmandate von 211 auf 239 erhöhen konnte. Der Zugewinn ist etwas weniger beeindruckend, wenn man nicht die Zahl der Parlamentssitze unmittelbar vor den Wahlen, sondern das Wahlergebnis von 1993 als Bezugsgröße nimmt (223 Sitze - einige LDP-Abgeordnete waren 1994 zur Shinshinto überwechselt), gleichwohl muß die LDP als Wahlsieger bezeichnet werden. Dieses Ergebnis war angesichts der Zersplitterung der Opposition in vier konkurrierende Parteien zu erwarten. Wenn bei einfacher Mehrheitswahl fünf Parteien rivalisieren, braucht die stärkste Kraft weitaus weniger als 51% der Stimmen, um ein Mandat zu erringen. Das Wahlergebnis drückt daher nicht unbedingt die generelle Zustimmung der Wähler zur LDP als Partei aus. Die LDP konnte 56,3% der Direktmandate erringen; sie führt auch bei den regionalen Listen; ihr Anteil liegt hier aber bei nur 36%, und der Abstand zum Verfolger Shinshinto (31%) ist wesentlich geringer. Wird die niedrige Wahlbeteiligung einbezogen, so sprachen sich 21% der Wahlberechtigten für die LDP aus.

Die zweite Partei, die Mandate hinzugewann, sind die Kommunisten, die nun 23 statt 15 Vertreter ins Unterhaus schicken. Die Kommunisten haben nur zwei Direktmandate errungen, ihr Gewinn basiert auf den Regionallisten, bei denen sie 12% der Stimmen auf sich vereinigten. Die Zuwächse bei LDP und Kommunisten verweisen auf die Schwäche der nichtkommunistischen Opposition. Der Trend begünstigt die LDP als die Systempartei und die Kommunisten als einzige Anti-Systempartei. Den "zentristischen" Parteien ist es nicht gelungen, eine glaubwürdige Alternative zur LDP innerhalb des Systems anzubieten.

Die drei zentristischen Parteien sind die Verlierer der Wahlen. Shinshinto, ein Zusammenschluß ehemaliger LDP-Politiker mit den Vertretern der rechtssozialdemokratischen DSP, der buddhistischen Komeito und der Japan New Party, verlor 5 Mandate. Unter den Shinshinto-Wählern dominieren zwei Gruppen: Die Anhänger der (ehemaligen) Komeito, d.h. der Soka Gakkei-Sekte, die hinter der Komeito steht, und die die Stimmabgabe ihrer Mitglieder wirksam kontrolliert (die ehemalige Komeito bringt der Shinshinto mit einer gewissen Sicherheit etwa 10% der Wählerstimmen ein). Die zweite Gruppe der Shinshinto-Wähler setzt sich aus Bürgern zusammen, die ihre Loyalität - wie bei der LDP - an die Person ihres Wahlkreisvertreters (in der Regel ein ehemaliger LDP-Politiker) gebunden haben. Der Anteil der Shinshinto an den Direktmandaten ist nur geringfügig höher als ihr Anteil an den Regionallisten.

Umgekehrt ist es bei den beiden anderen zentristischen Parteien, der Minshuto (Demokratische Partei) und der Sozialdemokratischen Partei Japans (SDPJ). Die kurz vor den Wahlen gegründete Minshuto verlor 4 Mandate, und die Zahl der sozialdemokratischen Mandate halbierte sich von 30 auf 14. Beide Parteien sind auf den Regionallisten stärker als bei den Direktmandaten. Als dritt- und fünftstärkste Kräfte haben sie in der einfachen Mehrheitswahl keine Chance. Sie können lediglich versuchen, über die Regionallisten um "ideologisch-programmatische" Zustimmung zu werben; allerdings ist diese im Fall der Sozialdemokraten dramatisch rückläufig und bei der Minshuto schwächer als bei Gründung der Partei erwartet worden war.

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Ergebnisse der Unterhauswahlen vom 20. Oktober 1996

Nur etwas mehr als ein Drittel der Wähler hat sich auf den Regionallisten für die LDP als Partei ausgesprochen, fast zwei Drittel bevorzugten die anderen Parteien. Für die Zahl der Parlamentssitze ist dieser Sachverhalt allerdings belanglos. Soweit die Wahl unter politisch-programmatischen Gesichtspunkten getroffen wurde, hat die nicht-kommunistische Opposition über die Hälfte der Stimmen auf sich vereinigt. Vor allem aber haben die Wähler die LDP nicht mit der absoluten Mehrheit der Stimmen ausgestattet. Sie haben, nachdem sie in vier Jahren die fünf Regierungen Miyazawa, Hosokawa, Hata, Murayama und Hashimoto über sich haben ergehen lassen, für Stabilität votiert, aber nicht für die Wiederkehr der Einparteienherrschaft der LDP.

Der Wahlsieger muß eine Koalition bilden bzw. hat sich vorläufig dafür entschieden, für sein Minderheitenkabinett die Unterstützung der anderen Parteien im Parlament zu suchen. Der alte und neue Premierminister Hashimoto, der zunächst die Neuauflage der alten Regierungskoalition anstrebte (LDP, Sozialdemokraten und Sakigake), ist auf unabhängige Abgeordnete und Überläufer der anderen Parteien angewiesen. Sein Anfang November vorgestelltes neues Kabinett ist eine Altherrenriege blasser Parteivertreter, ausgewählt nach Alter und LDP-interner Fraktionsarithmetik. Das Umweltministerium wurde einer Alibi-Frau übertragen, ansonsten regieren die alten Herren von immer.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | April 1999

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