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Sicherheit

Genau wie der Ostseeraum durch Zusammenarbeit zu Stabilität und Frieden in Europa beiträgt, bestimmt die künftige Ausgestaltung von EU und NATO Bestand und Sicherheit der Region. Die Ausrichtung der Ostseeanrainerstaaten auf Europa erfordert eine neue Sicherheitspolitik. Hier zeigt sich einmal mehr, daß der Ostseeraum regional alle Probleme aufweist, mit dem Europa sich insgesamt auseinandersetzen muß. Trotz OSZE ist die sicherheitspolitische Lage im Ostseeraum ungelöst, ebenso wie eine gesamteuropäische Friedenslösung noch aussteht.

Natürlich stehen Schweden und Finnland noch in der Tradition ihrer militärischen Selbständigkeit, aber beginnende Diskussionen über Mitwirkung in der WEU unter bestimmten Bedingungen und ihre aktive Beteiligung an den drei praktischen Maßnahmen (IPP, PARP, IFOR) des NATO-Programms "Partnerschaft für den Frieden" signalisieren, daß in diesen nordischen Staaten auch bei der Sicherheitspolitik ein Umdenken einsetzt.

Um mittelfristig eine stabile Entwicklung in der Ostseeregion zu erreichen, muß vor allem eine europäische Lösung für die neuen Sicherheitsinteressen Polens und der drei Baltischen Republiken gefunden werden. Während Polen gute Chancen hat, zu den ersten Staaten zu gehören, die bei einer Osterweiterung sowohl Mitglied der EU als auch der NATO werden können, bietet sich eine solche Lösung für die drei Baltischen Republiken nicht automatisch an. In der Behandlung dieser drei Staaten wird sich erweisen, wie ernsthaft Gesamteuropa eine neue Sicherheitsordnung sucht.

Die unmittelbare Nähe zu Rußland, aber auch das Verharren der russischen Politik in geopolitischem Denken und ihre mangelnde Erfahrung mit den Vorteilen integrativer europäischer Politik erfordern eine Berücksichtigung der russischen Positionen. Die aktuelle Erweiterungsdiskussion der NATO zeigt, daß sowohl die europäische als auch die amerikanische Politik dieser Situation Rechnung tragen, ohne der russischen Politik ein Mitspracherecht oder sogar ein Veto bei der Osterweiterung einzuräumen. Der von Bundesaußenminister Kinkel postulierten "russisch-europäischen Interessengemeinschaft" zur Bewältigung der osteuropäischen Sicherheitsprobleme als Königsweg fehlt gegenwärtig die politische Voraussetzung. Eine "nordische Sicherheitskooperation", die Bundesverteidigungsminister Rühe 1995 ins Gespräch gebracht hat, wird allein die Sicherheit der Baltischen Republiken nicht hinreichend garantieren können. So unbestritten die Unabhängigkeit der drei baltischen Staaten trotz ihrer langen Zugehörigkeit zum russischen bzw. sowjetischen Imperium ist, so schnell kann eine unreflektierte Aufnahme dieser Republiken in das westliche Bündnis nicht Sicherheit, sondern Isolationsängste in der russischen Politik heraufbeschworen. Umgekehrt kann eine alleinige Ausweitung der NATO um Polen und die Visegard-Staaten unter bewußtem Verzicht auf die Baltischen Republiken ein falsches Signal gegenüber Rußland auslösen. Dadurch entstehen neue Einflußsphären und unterschiedliche Zonen von Sicherheit im Ostseeraum, die die Zukunft der Baltischen Republiken eher destabilisieren als zu mehr Sicherheit in der Region beitragen.

Die Integration der Baltischen Republiken in Europa durch eine, auch von Rußland unbestrittene, Aufnahme in die EU ist deshalb die gegenwärtig diskutierte Alternative. Hierzu müssen nach Abschluß der zweiten Regierungskonferenz unmittelbar Beitrittsverhandlungen beginnen. Die Entscheidung über einen solchen Schritt steht in der EU jedoch noch aus. Wichtig ist, daß dem Ostseeraum ein entsprechendes politisches Signal und eine Perspektive gegeben werden. Auch die Umsetzung der portugiesischen Mitgliedschaft in der Europäischen Gemeinschaft hat sich über vierzehn Jahre hingezogen. Der Beginn der Aufnahmeverhandlungen, nicht der Zeitpunkt der Vollmitgliedschaft ist entscheidend.

Langfristig bleibt die Einbindung der europäischen Staaten der Ostseeregion, d. h. Polen und Baltische Republiken, in die europäischen Strukturen unverzichtbar.

Die Fragen der inneren Sicherheit stellen die Ostseeregion ebenfalls vor große Herausforderungen. Der soziale Umbruch in den MOE Staaten und Rußland, Minderheiten, organisierte Kriminalität und Zuwanderungsprobleme sind Ursachen ungelöster sozialer Spannungen. Durch die Tätigkeit des vom Ostseerat berufenen "Kommissars für demokratische Institutionen und für Menschenrechte", durch die Errichtung eines "Europäischen Minderheitenzentrums" im schleswig-holsteinisch-dänischen Grenzraum und durch die Einrichtung einer "Task Force" der Regierungen unter schwedischer Führung zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität trägt die Ostseezusammenarbeit zur Bewältigung dieser innenpolitischen Konfliktfelder bei. Seit Mai 1996 erleichtert die Beteiligung der nordischen Staaten mit Beobachterstatus am Abkommen von Schengen auch eine engere Zusammenarbeit auf diesem Feld.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | April 1999

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