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TEILDOKUMENT:
[Essentials]
- Hohe Regulierungsdichte und bürokratische Behinderungen, die Protektion ineffizienter Wirtschaftssektoren und vor allem aufwertungsbedingte steigende Kosten gefährden (aus Unternehmersicht) die internationale Wettbewerbsfähigkeit des "Standorts Japan".
- Der Zufluß ausländischer Investitionen wurde nie als positives Standortkriterium angesehen, ausländische Investitionen werden weiterhin eher behindert als gefördert.
- Japan ist ein Hochlohnland. Die japanischen Arbeitnehmer beziehen (auf der Vergleichsgrundlage der Wechselkurse) die höchsten Nettolöhne der Welt.
- Die Entwicklung der Lohnstückkosten hinkte in nationaler Währung in Deutschland den europäischen, in Japan allen großen Industrieländern hinterher. In US-Dollar dagegen führt Japan, gefolgt von Deutschland, die Lohnstückkostenentwicklung an.
- Lohnnebenkosten für das soziale Sicherungssystem sind relativ niedrig, steigen aber u.a. wegen des Alterungsprozesses der Gesellschaft zukünftig erheblich an. Zudem finanzieren die großen Unternehmen selbst teilweise die reale (nicht die offizielle) Arbeitslosigkeit, indem sie Arbeitnehmer weiterbeschäftigen, die keine wirtschaftlich sinnvolle Tätigkeit ausüben. Diese informell gesicherte Beschäftigungsstabilität behindert die Restrukturierung der Unternehmen.
- Die Arbeitszeiten in Japan sind die längsten der entwickelten Welt. Die durchschnittliche Jahressollarbeitszeit lag 1995 in Japan bei 1957 Stunden, gegenüber 1602 Stunden in Deutschland.
- Durch Betriebsgewerkschaften und betriebszentrierte Tarifverhandlungen sind Löhne, Arbeitszeiten und Sozialleistungen (statt durch starre flächendeckende Tarifverträge) sehr flexibel auf die Leistungsfähigkeit der Unternehmen zugeschnitten. So werden die leistungsfähigen Unternehmen durch überdurchschnittliche Lohnkosten bestraft, minder produktive Firmen werden nicht aus dem Markt gedrängt, sondern durch niedrige Lohnkosten subventioniert.
- Hohe Regulierungsdichte und der wirtschaftliche Einfluß der staatlichen Verwaltung werden vehement beklagt, obwohl beides in erster Linie dem Schutz wirtschaftlicher Aktivität selbst dient. Deshalb reklamieren zwar Opfer und Nutznießer von Regulierungen grundsätzlich mehr Marktfreiheit, aber immer nur dort, wo sie einem selbst nicht schadet.
- In der japanischen Standortdebatte gilt die Belegschaft nach wie vor als wichtigstes asset des Unternehmens.
- Die wichtigsten Standortprobleme liegen aus Unternehmersicht weniger bei Steuerbelastungen als in der Polarisierung zwischen einem Segment hochproduktiver, effizienter und exportorientierter Großunternehmen der verarbeitenden Industrie und einem weitaus größeren Segment wenig produktiver und vor Konkurrenz geschützter Wirtschaftssektoren.
- Japan scheint an einem Übermaß an Flexibilität in der Unternehmensorganisation und in der staatlichen Regulierung zu leiden. Die Flexibilität war von Vorteil, als die Wirtschaft schnell wuchs und von einem hohen technologischen Innovationsrhythmus begleitet war. Sie wird zum Problem, wenn die durchschnittlichen Wachstumsraten sinken und immer mehr Industrien das Reifestadium erreichen.
- Bekannt sind die angeblichen mentalen Wettbewerbsvorteile der japanischen Arbeitnehmer: Fleiß, Mobilität, Verzichts-, Lern- und Kooperationsbereitschaft. Vorbildlich scheinen heute vor allem die Behutsamkeit, mit der das Management der Großunternehmen in der Krise mit den (Stamm)Belegschaften verfährt, und seine Sorge um (wenn auch nur symbolische) Fairness und ausgeglichene Lastenverteilung.
[Einleitung]
Die Debatte um den Industriestandort Deutschland ist zum Dauerthema der öffentlichen Diskussion in der Bundesrepublik geworden. Dabei hat sich eine Sichtweise durchgesetzt, derzufolge die Leistungsfähigkeit des "Standorts Deutschland" gefährdet ist. Hohe Löhne und Lohnnebenkosten, kurze Arbeitszeiten, hohe Steuern, strenge Umweltauflagen, lange Ausbildungszeiten, rigide gesellschaftliche Strukturen und die Unterminierung der Arbeitsmoral durch postmaterielle Wertehaltungen drohen, die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu untergraben - so das Argument. Diese Situation scheint um so bedrohlicher, als im internationalen Wettbewerb neue und aggressive Akteure aufgetreten sind, in erster Linie die Wirtschaftswunderländer Asiens. Niedrige Lohnkosten und die Bereitschaft zu harter Arbeit, eine familienbasierte soziale Sicherung, Sparsamkeit, Lernbereitschaft, niedrige Steuern und geringe Beschränkungen der Marktfreiheit durch den Staat scheinen hier ein Erfolgssyndrom zu bilden, dem die deutsche Wirtschaft wenig entgegenzusetzen hat.
Japan, wo immerhin über 70% des Sozialprodukts der ost- und südostasiatischen Region erwirtschaftet werden, spielt eine ambivalente Rolle. Auf der einen Seite ist es für die asiatischen Entwicklungsländer unerreichtes Vorbild und mit seinen Direktinvestitionen, seiner Entwicklungshilfe, seinem Technologietransfer und seinen Auslandskrediten gleichzeitig treibender Motor des "asiatischen Wirtschaftswunders". Andererseits hat sich Japans Wirtschaft von der Dynamik der Region abgekoppelt: Es erscheint als Insel der Stagnation in einer Region, die durch ihre spektakulären Wachstumsraten herausragt. - Zum "Wirtschaftsstandort Japan" gibt es daher einander entgegengesetzte Sichtweisen:
* In Deutschland wurde und wird Japan als "Super-Standort" dargestellt. Lange Arbeitszeiten, (noch) niedrige Sozialkosten, eine ungebrochene Arbeitsmoral, ein effizientes, unternehmensorientiertes Ausbildungssystem, eine intelligente staatliche Industriepolitik, niedrige Abgaben und Umweltauflagen und eine hohe Sparrate heben Japan positiv von Deutschland ab. Ein hoher Handels- und Leistungsbilanzüberschuß signalisieren, daß die japanische Wirtschaft in der Lage ist, ihre Produkte auf den internationalen Märkten zu verkaufen und dem Land hohe Einkommen zu sichern.
* In Japan selbst werden die hohe Regulierungsdichte, die Lähmung unternehmerischer Initiative durch bürokratische Behinderungen, die Protektion ineffizienter Wirtschaftssektoren und steigende Kosten beklagt. Im Ausbildungs- und Beschäftigungssystem moniert man zu starken Konformismus. So wie deutsche Unternehmen durch Tarifverträge und hohe Sozialleistungen an der Kostensenkung gehindert werden, blockiert in Japan die informell gesicherte Beschäftigungsstabilität die Restrukturierung der Unternehmen. Auch in Japan wird eine "Standortdebatte" geführt. Die Sorge um die aktuelle und künftige Leistungsfähigkeit der japanischen Wirtschaft hat vor allem seitens der Unternehmer Kritik an den bestehenden Strukturen und Praktiken laut werden lassen.
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fes-library | April 1999
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