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Wandel im Handel mit Waffen / von Herbert Wulf. - [Electronic ed.]. - Bonn, 1996. - 19 S. : graph. Darst. = 62 Kb, Text . - (FES-Analyse)
Electronic ed: Bonn: FES Library, 1999. - Online version contains links to image files

© Friedrich-Ebert-Stiftung


INHALT





[Essentials]

  • Der internationale Waffenhandel ging von 1987 - dem Spitzenjahr im Waffengeschäft - bis 1994 um mehr als die Hälfte zurück. Ursachen des drastischen Rückgangs sind weniger der Wille zu Abrüstung oder Kontrolle des Waffenhandels als vielmehr die finanziellen Engpässe in den Importländern.
  • So deutlich einerseits die abnehmende Tendenz im Transfer schwerer Waffen ist, so deutlich nimmt andererseits der Handel mit gebrauchten Waffen, mit Kleinwaffen und mit Komponenten sowie Bausätzen zur Modernisierung vorhandener Waffen zu.
  • Abrüstung in der einen Region der Welt kurbelt die Aufrüstung in anderen an.
  • In den internationalen Waffenhandelsstatistiken schlägt sich deutlich die Zunahme des Handels mit gebrauchten Waffen - bei insgesamt sinkendem Waffentransfer - nieder: Er macht inzwischen mehr als ein Drittel aus, und oftmals konkurrieren Rüstungsindustrie und Streitkräfte aus einem Land um den gleichen Auftrag.
  • Zwar spielt auch der illegale Handel mit Waffen eine Rolle; es sind jedoch nicht vorrangig die Gesetzesbrecher, sondern die Gesetzgeber und Gesetzeshüter, die für den Waffenexport und besonders den blühenden Kleinwaffenhandel verantwortlich sind.
  • Wirtschaftliche Faktoren wie Handelsbilanz, Auftragslage der Rüstungsindustrie, Arbeitsplätze in den Lieferländern und die Kaufkraft der Importeure gewinnen immer größere Bedeutung.
  • Der Weltwaffenmarkt ist längst zu einem Käufermarkt geworden. Die Trumpfkarten bei den Abschlüssen von Waffengeschäften liegen eindeutig auf Seiten der finanziell potenten Kunden.

[Einleitung]

Die Entwicklung des internationalen Waffenhandels seit 1945 läßt sich in vier Perioden einteilen:

- das bipolare System vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis Mitte der sechziger Jahre. In dieser Phase prägten zunächst die USA, später beide Blockführungsmächte und ihre Verbündeten den internationalen Waffenhandel;

- die Phase des expandierenden Waffenimports aus der Dritten Welt von Mitte der sechziger Jahre bis 1980, in der stärker ökonomische Interessen, Konkurrenz auch zwischen westlichen Firmen und Ländern (und steigende Preise für Waffen) sowie die steigende Kaufkraft ölexportierender Länder eine Rolle spielten;

- der Niedergang des bipolar geprägten Waffenhandelssystems durch das Aufkommen kleinerer und mittlerer Waffenlieferländer (auch aus der Dritten Welt) ab Anfang der achtziger bis Anfang der neunziger Jahre;

- das sich in den neunziger Jahren herausbildende System nach dem Ende des Kalten Krieges mit großen Überkapazitäten der Rüstungsindustrie und Waffenüberschußbeständen.

Diese jüngste Periode vermittelt ein verwirrendes Bild. Es ist nicht einmal zehn Jahre her, da deuteten viele Prognosen auf ein ungebrochenes weiteres Wachstum des internationalen Waffenhandels. Rüstungsindustrie und Regierungen in den Hauptexportländern blickten auf einen ununterbrochenen Boom im Waffenhandel zurück, der Anfang der fünfziger Jahre begonnen hatte; sie erwarteten volle Auftragsbücher auch für die neunziger Jahre. Das Militär in den meisten Importländern hatte einen Rüstungsmodernisierungsschub durchgeführt und plante, weiterhin den jeweils neuesten Rüstungstechnologiehit zu importieren. Der Höhepunkt des internationalen Waffenhandels war nach der Waffenhandelsstatistik von SIPRI mit 46,4 Mrd. US$ 1987 erreicht. Danach änderte sich der Trend; der Waffenhandel ging bis 1994 um mehr als die Hälfte auf 21,7 Mrd. US$ zurück. Nach der Statistik der amerikanischen Rüstungskontroll- und Abrüstungsbehörde, ACDA, war der Einbruch im Waffentransfer noch deutlicher.

Graphik 1: Handel mit konventionellen Waffen

(Mrd. US $)

Quellen: SIPRI Yearbook 1995; ACDA, World Military Expenditures and Arms Transfers 1993-1994.

Ebenso deutlich wie die abnehmende Tendenz im Transfer schwerer Waffen sind andererseits aber die Zuwächse im Handel mit gebrauchten Waffen, mit Kleinwaffen und mit Komponenten sowie Bausätzen zur Modernisierung vorhandener Waffen.

So konkurrieren auf einem insgesamt enger gewordenen Markt nicht nur Rüstungsfirmen, sondern auch Streitkräfte und staatliche Verkaufsorganisationen für gebrauchte Waffen aus Armeebeständen.

Die Rüstungsindustrie ist mit Ausnahme weniger Länder weltweit in eine Krise geraten und verstärkt den Druck zur Lockerung von Exportkontrollen und den Lobbyismus für Exportföderung. Diesem Druck kann nicht allein durch verstärkte staatliche Rüstungsexportkontrollen entgegengetreten werden. Eine Umkehr ist nur möglich, wenn die nach wie vor in der Rüstungsindustrie vorhandenen Überkapazitäten deutlich abgebaut oder in großem Stil auf zivile Fertigung umgestellt werden. Staatlich geförderte Konversionsprogramme sind derzeit jedoch nur in Ansätzen bzw. nur mit geringem Finanzumfang vorhanden oder geplant.

Auch die Einwirkungsmöglichkeiten internationaler Gremien auf den Waffenhandel sind begrenzt, weil wirksame internationale Kontrollen fehlen und nationale Exportkontrollen und Außenwirtschaftsgesetze das entscheidende Instrument sind. Zwar spielt auch der illegale Handel mit Waffen eine Rolle; es sind jedoch nicht vorrangig die Gesetzesbrecher, sondern die Gesetzgeber und Gesetzeshüter, die für den Waffenexport und besonders den blühenden Kleinwaffenhandel verantwortlich sind. Solange internationale Maßnahmen von Exporteuren und Importeuren konterkariert werden und Kontrollen auf nationaler Ebene lasch bleiben, sind die UN-Aktivitäten ein Tropfen auf den heißen Stein, und eine Wende in der Proliferation der konventionellen Waffen bleibt Utopie.


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Politische Veränderungen



Zwei politische Ereignisse des Jahres 1991 waren für die Entwicklung des Waffenhandels von nachhaltiger Bedeutung: die Auflösung der Sowjetunion und der Golfkrieg.

Das Ende der Sowjetunion

Die Sowjetunion gehörte, seit sie Mitte der fünfziger Jahre in großem Stile Waffen an befreundete Regierungen in der Dritten Welt lieferte, zu den Hauptrüstungsexporteuren; während der achtziger Jahre war sie - noch vor den USA - der größte Waffenlieferant der Welt. 1987 lieferte sie Großwaffensysteme im Gegenwert von knapp 18 Mrd. US$. Bis 1990 hatten sich diese Lieferungen bereits halbiert. Dieser rückläufige Trend wurde nach dem Zusammenbruch der UdSSR verstärkt; SIPRI registrierte für 1994 konventionelle Großwaffenexporte aus Rußland von unter einer Milliarde US$. Trotz beträchtlicher Exportbemühungen von Rüstungsfirmen und Regierung aus Rußland gelang es erst im Jahr 1995, den Abwärtstrend zu stoppen. Die Rüstungsindustrie der USA dagegen konnte ihr Exportniveau halten und die Marktanteile im schrumpfenden Weltmarkt deutlich ausweiten.

Graphik 2: Waffenexport UdSSR/Rußland und USA

(Mrd. US $)

Quelle: SIPRI Yearbook, versch. Jahrgänge.

Der Rückgang der Waffenexporte zeichnete sich schon vor den politischen Ereignissen von 1991 ab. Einige Kriegsregionen wurden nicht mehr so intensiv mit Waffen versorgt, und in anderen Gebieten unterzeichneten Kriegsparteien Friedensabkommen (Afghanistan, Angola, Iran-Irak, Kambodscha, Mosambik). Außerdem reduzierten einige der großen Waffenimportländer aufgrund finanzieller Schwierigkeiten ihre Rüstungsimporte: Irak, Kuba und Nicaragua gehören nicht mehr zu den Käufern russischer Waffen. Betroffen war natürlich auch der Rüstungstransfer innerhalb der Länder des früheren östlichen Militärbündnisses. Die Kooperation in der Waffenherstellung und der Transfer von Waffen und Waffenkomponenten brach zusammen.

Noch zu Beginn der Ära Gorbatschow gab die sowjetische Regierung außenpolitischen Kriterien im Rüstungsexport eindeutig Vorrang. Unabhängig von der Zahlungsfähigkeit der Importeure lieferte die Sowjetunion vor allem an befreundete Länder. Die Rüstungsbetriebe Rußlands und die Regierung erwarten heute dagegen von ihren Kunden Zahlungen in harter Währung. Selbst die Konversion, so ließ die Regierung offiziell verlauten, sollte aus diesen Exporteinnahmen, die die Regierung mit bis zu 10 Mrd. US$ pro Jahr prognostizierte, finanziert werden. Doch aus diesen Träumen wurde nichts. Zwar hat die Russische Föderation in den letzten Jahren ihre Präsenz auf den Waffenmärkten erhöht und auch einige große Abschlüsse tätigen können (so Rüstungstechnologieexporte nach China, MiG-29-Flugzeuge nach Malaysia, die Wiederaufnahme der Rüstungszusammenarbeit mit Indien und Aufträge für Schiffslieferungen aus dem Iran). Dennoch spielt der russische Waffenexport derzeit international eine quantitativ untergeordnete Rolle.

Irak als Katalysator für Kontrollen

Im Golfkrieg konfrontierte der Irak die Mitglieder der Militärkoalition mit den Waffen, die Ost, West und Süd im Jahrzehnt zuvor geliefert hatten. Neben den Waffenlieferungen aus der Sowjetunion, Frankreich und China hatten Technologielieferungen aus westlichen Ländern, vor allem aus Deutschland, Saddam Hussein ermöglicht, mit dem Aufbau einer diversifizierten Rüstungsindustrie zu beginnen.

Seit dem Ende des ersten Golfkrieges zwischen Irak und Iran im Jahr 1988 sanken die Rüstungsimporte der Länder des Mittleren Ostens. Dieser rückläufige Trend beruhte weder auf politischer Einsicht in den Lieferländern, in dieses „Pulverfaß" keine Waffen mehr zu liefern. Noch stieg die Abrüstungsbereitschaft in der Region, nachdem die bedrohliche Militärmaschinerie des Irak weitgehend vernichtet worden war. Es waren vielmehr die knappen finanziellen Mittel, die den Rückgang verursachten.

Auf die irakische Invasion Kuwaits reagierten die Hauptlieferländer geschlossen. International gab es erstmals einen weitgehenden Konsens darüber, daß die Anhäufung moderner Waffensysteme ein bedeutender Faktor bei Ausbruch, Führung und Beendigung kriegerischer Konflikte sein kann. Zuvor wurde Kritikern des Waffenexportes immer wieder entgegengehalten, nicht die Waffen, sondern die Menschen, die sie einsetzten, seien für Krieg und Tote verantwortlich. Der zweite Golfkrieg aber war ein eindeutiger Fall: Die Ansammlung von Waffen wirkte sich destabilisierend aus.

So verwendete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen große Aufmerksamkeit darauf, das Nuklear- und Chemiewaffenprogramm des Irak zu demontieren. Für konventionelle Waffen verhängten die Vereinten Nationen nicht nur ein Embargo. Nie zuvor diskutierten Regierungen in den letzten Jahrzehnten so ernsthaft über die Kontrolle des Rüstungsexportes. Die ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates verhandelten (wenn auch weitgehend erfolglos) über Richtlinien zur Einschränkung des Waffenexportes. Ebenso arbeiteten die Mitglieder der Europäischen Union einheitliche Richtlinien zur Kontrolle von „dual-use"-Technologie aus. Mehr Waffenembargos als je zuvor wurden in den neunziger Jahren verhängt. Nationale Gesetze wurden auf ihre Lückenhaftigkeit unter die Lupe genommen und in einigen Fällen verschärft - so unter anderem in Australien, Belgien, Deutschland, Frankreich, Israel, Italien, Japan, in den Niederlanden und den USA. Das UN-Waffenregister zur Meldung des Exportes und Importes in sieben Waffenkategorien wurde 1991 eingerichtet. Gleich mehrere Regierungen (Japan, Großbritannien, Frankreich, Deutschland und die Niederlande) nahmen für sich die „Vaterschaft" für die Schaffung des vorher mehrfach gescheiterten UN-Waffenregisters in Anspruch. Wenn es auch viele Väter gab, so war Saddam Hussein durch seinen Überfall auf Kuwait zweifellos die Hebamme.

Allerdings zeigt die heutige Politik der Waffenexporteure, daß die Lehren aus der Aufrüstung des Irak und die anschließend verkündeten guten Vorsätze für schärfere Kontrollen nicht lange gefruchtet haben. Viele Regierungen unterstützen die zum Teil aggressive Exportpolitik der Rüstungsindustrie ihres Landes. Der Rückgang der Rüstungsbeschaffung und die Einbrüche bei der Industrie sollen durch Exporte soweit wie möglich kompensiert werden. Nur relativ wenige Länder werden heute überhaupt nicht beliefert.

Wie Abrüstung zu Aufrüstung führen kann

Das Ende des Kalten Krieges ermöglichte den Abschluß verschiedener Rüstungskontroll- und Abrüstungsverträge. Diese Abkommen sowie unilaterale Reduzierungen, die Beendigung von Kriegen in einigen Ländern der Dritten Welt, aber auch generell die Kürzung der Militärhaushalte aufgrund knapper finanzieller Ressourcen hatte eine negative Nebenwirkung: die Verfügbarkeit großer Mengen überschüssiger Waffen. In den Arsenalen der Armeen der Welt standen vor Ende des Kalten Krieges rund 45000 Militärflugzeuge, 172000 Panzer, 155000 Artilleriesysteme und über 2000 Kriegsschiffe und U-Boote für den Einsatz bereit. Der Bestand an Waffen in den meisten Armeen ging im letzten Jahrzehnt deutlich zurück. Diese Entwicklung hat zu einer regelrechten Schwemme überschüssiger, gebrauchter Waffen geführt. In diesen Beständen findet sich das gesamte Waffenarsenal, von atomwaffenfähigem Uran bis Handgranaten, von modernen Kampfflugzeugen bis zu 50 Jahre alten Maschinengewehren. Allein aufgrund des KSE-Vertrages zur Abrüstung der konventionellen Streitkräfte in Europa waren 50000 schwere Waffensysteme zu reduzieren. Einen großen Teil verschrotteten die Vertragsunterzeichner; einen Teil meldeten sie für den Export an oder verbrachten die Waffen außerhalb des Vertragsgebietes, die damit ebenfalls für den Export bereitstanden.

Die Hauptexporteure auf westlicher Seite (vor allem im Rahmen der sogenannten NATO-Kaskade) waren die USA und Deutschland. Zwischen 1989 und 1994 waren diese beiden Länder für 70 bis 80 % des Exportes gebrauchter schwerer Waffen verantwortlich. Das britische Verteidigungsministerium richtete eine spezielle Verkaufsorganisation ein, die mit dem Verkauf der gebrauchten Waffen betraut ist. Schiffe für Pakistan und Kanada, Minenräumer für Bangladesch und Brasilien verkaufte man sofort. Der Erfolg war so groß, daß der Direktor Delegationen aus den USA, Belgien, Spanien, Singapur, der Tschechischen Republik und Rußland empfing, die sich für den Aufbau der Verkaufsorganisation interessierten. Belgien und die Niederlande boten ihre Waffen in Verkaufslisten über ihre Botschaften im Ausland an.

Wenn auch der Waffenexport der ehemaligen Sowjetunion kurzfristig drastisch zurückging, so verstärkte die Auflösung der Sowjetunion dennoch die Sorge über die Proliferation der gebrauchten Waffen. In den Depots der Streitkräfte befinden sich einige Zigtausend überschüssige Waffensysteme; sowohl die Manager der Rüstungsfabriken als auch die Streitkräfte versuchen, die wirtschaftlichen Probleme durch verstärkte Rüstungsexporte zu lösen. Daß die Exporte russischer Waffen noch nicht in starkem Maße in den internationalen Waffenregistern auftauchten, liegt unter anderem daran, daß es aufgrund der politischen und wirtschaftlichen Instabilität einen Verzögerungseffekt gegeben hat. Außerdem kann vermutet werden, daß ein Teil auf dem Schwarzmarkt (und damit in den amtlichen Statistiken nicht erfaßt) vertrieben wurde.

In den internationalen Waffenhandelsstatistiken schlägt sich deutlich die Zunahme des Handels mit gebrauchten Waffen - bei insgesamt sinkendem Waffentransfer - nieder. 1989 machte der Anteil der gebrauchten Waffen ungefähr ein Zehntel aus; bis 1994 stieg dieser Anteil auf mehr als ein Drittel des internationalen Waffenhandels.

Die Rüstungsindustrie wehrt sich inzwischen vehement gegen den Verkauf gebrauchter Waffen durch die Streitkräfte; oftmals konkurrieren Rüstungsindustrie und Streitkräfte aus einem Land um den gleichen Auftrag. Zum Beispiel plante die US-Luftwaffe, 600 überschüssige Hubschrauber zu verkaufen. Nach Protesten der Rüstungsindustrie wurden diese Systeme auf unbestimmte Zeit eingemottet.

Hauptimporteure der überschüssigen Waffen waren an erster Stelle die Türkei und Griechenland, die sich mit Waffen aus der NATO-Kaskade und aus Deutschland gelieferten ehemaligen NVA-Systemen ein regelrechtes regionales Wettrüsten leisten. Die Liste der Käuferländer ist lang, und auch Länder, die kaum über finanzielle Ressourcen verfügen oder sich in einem Krieg befinden, erhielten Lieferungen. Für die Besitzer der überschüssigen Waffen ist es wirtschaftlich interessanter, die Waffen zu verkaufen oder zu verschenken als sie zu verschrotten. Die Tatsache, daß Abrüstung in einer Region der Welt, die Aufrüstung in anderen ankurbelt, ist bislang bei dem Bemühen um effektivere Waffenexportkontrollen weitgehend unbeachtet geblieben.


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Wirtschaftliche Zwänge und Interessen




Reduzierte Militärhilfe

Im Gegensatz zu allen übrigen Lieferländern spielten in den USA und in der Sowjetunion Militärhilfeprogramme (mit kostenlosen Lieferungen, günstigen Krediten, Ausbildungsprogrammen usw.) immer eine gewisse Rolle. Die USA wickelten bis Anfang der sechziger Jahre fast sämtliche Waffenlieferungen über das Militärhilfeprogramm ab. Bereits in den siebziger Jahren nahmen dann aber die rein kommerziellen Geschäfte immer stärker zu. 1993 betrug das US-Militärhilfeprogramm 3,3 Mrd. US$, 25% weniger als vier Jahre zuvor, doch diese Militärhilfe ist fast ausschließlich auf die Länder Ägypten (1,3 Mrd. US$) und Israel (1,8 Mrd. US$) konzentriert. Die für 1996 vorgesehene Militärhilfe ist zwar wieder deutlich gestiegen, doch die Mehrzahl der Importeure amerikanischer Waffen kauft weiterhin außerhalb des Militärhilfeprogramms auf kommerzieller Basis.

Ähnlich wie die USA benutzte die Sowjetunion die Militärhilfe als Instrument der Systemkonkurrenz. Zahlreiche Importeure sowjetischer Waffen (Afghanistan, Angola, Äthiopien, Kambodscha, Kuba, Jemen, Mosambik, Tansania und Vietnam) verfügten nicht über die Mittel, die Lieferungen zu Weltmarktpreisen zu bezahlen. Die Sowjetunion subventionierte die Waffentransfers. Vornehmlich aufgrund wirtschaftlicher Probleme in der Sowjetunion - und beschleunigt durch die Erfolge in der Rüstungskontrolle sowie den allgemeinen Abbau politischer Spannungen zwischen Ost und West - reduzierte die Regierung ihre Militärhilfe gegen Ende der achtziger Jahre deutlich. Rußland fiel als großzügiger Militärhilfegeber de facto aus. Sämtliche Geschäfte werden heute in der Regel auf der Basis harter Währungen abgewickelt.

Tabelle 1: Sowjetischer/russischer Waffenexport im Rahmen der Militärhilfe

(Mrd. US $ in lfd. Preisen)

1988

1989

1990

1991

1992

1993

8,7

9,2

7,6

2,4

0,1

0,1

Quelle: US Department of Defense, World-Wide Conventional Arms Trade (1994-2000).

Begrenzte Importkapazität

Der drastische Rückgang des Waffentransfers ist weniger auf den Willen zu Abrüstung oder zur Kontrolle des Waffenhandels zurückzuführen. Ausschlaggebend sind neben den Lieferschwierigkeiten Rußlands und anderer GUS-Länder sowie den Waffenembargos gegen einige Länder vor allem die finanziellen Engpässe in den Importländern. Die Länder Osteuropas, Lateinamerikas und Afrikas spielen als Waffenkäufer eine völlig untergeordnete Rolle. Der Handel zwischen den Mitgliedsländern der NATO ist weitgehend auf Koproduktion und Komponentenlieferung sowie auf die inzwischen weitgehend abgeschlossene Kaskade zur Implementierung der KSE-Vereinbarungen konzentriert. Einschneidende Kürzungen der Beschaffungsetats in sämtlichen westeuropäischen NATO-Ländern und den USA (zumindest bis 1995) verstärkten den Trend, möglichst wenig aus dem Ausland zu importieren, sondern Beschaffungsaufträge der heimischen Industrie zukommen zu lassen.

Seit Anfang der siebziger Jahre, forciert durch die erhöhten Öleinnahmen, ist der Mittlere Osten eine der Hauptwaffenimportregionen der Welt. Rund ein Viertel, zeitweise bis zu 40 % der weltweit exportierten Waffen ging in den Mittleren Osten. Saudi Arabien, der Irak (bis 1990), Ägypten, Israel, Syrien und der Iran gehören zu den wichtigsten Kunden der Rüstungsindustrie. Wie im Weltmaßstab nahm das Waffengeschäft seit 1987 auch im Mittleren Osten deutlich ab: Von über 15 Mrd. US$ im Jahr 1987 sank der Import konventioneller Großwaffensysteme der Region auf unter 5 Mrd. US$ im Jahr 1991. Danach - sicherlich auch als Folge des zweiten Golfkrieges - erhöhten sich die Importe aus der Region wieder, obwohl der Irak als einer der größten Importeure der achtziger Jahre weiterhin mit einem Waffenembargo belegt ist.

Allerdings kam es nicht zu den riesigen Geschäften, die unmittelbar nach dem Golfkrieg durch die Presse geisterten. Von zweistelligen Milliarden Dollar Rüstungsexporten allein aus den USA und der Rettung der Industrie durch Exporte in den Mittleren Osten war die Rede. Der Anstieg während der letzten Jahre war erkennbar, aber nicht drastisch und vor allem von kurzer Dauer. Bei den gelegentlich sensationell aufgemachten Meldungen wurde übersehen, daß es sich in der Mehrheit um Rüstungsgeschäfte handelte, die bereits lange vor dem Golfkrieg abgeschlossen worden waren, über viele Jahre laufen und wegen des Krieges beschleunigt abgewickelt werden sollten (so z.B. das saudisch-britische Abkommen).

Graphik 3: Regionale Verteilung der Waffenimporte

(Hauptimportregionen)

Quelle: SIPRI Yearbook 1995.

Einige Länder Süd- und Ostasiens importierten in den letzten Jahren allerdings in beträchtlichem Umfang. Regionale Konflikte (Nord- und Südkorea) und die Sorge wegen der Aufrüstung Chinas haben in den wirtschaftlich starken Ländern Asiens zu verstärkter Aufrüstung geführt. Doch auch in dieser Region liegen die Werte der Mitte der neunziger Jahre importierten Waffen niedriger als ein Jahrzehnt zuvor.

Global betrachtet sank die Importkapazität beträchtlich. Große Waffenimportländer konnten ihre Schulden nicht mehr begleichen. Die US-Regierung erließ Ägypten und Israel die Rückzahlung von Krediten. Selbst für Saudi Arabien war eine Stundung erforderlich. Kuba, Irak und Äthiopien zahlten ihre Schulden an die Sowjetunion nicht zurück.

Rüstungsindustrie in der Krise

Die Rüstungsindustrie befindet sich in einer doppelten Krise: Sowohl die heimischen Rüstungsbeschaffungsaufträge als auch die Exporte waren in den letzten Jahren rückläufig. Eine gewisse Ausnahme bilden seit neuestem die USA, da hier der Beschaffungsetat wieder deutlich steigt. Angesichts der finanziellen Engpässe in vielen Ländern ist nicht mit einer raschen Wiederbelebung des Waffenhandels zu rechnen. Firmenleitungen versuchen zwar, oft mit Unterstützung ihrer Regierungen, ihre Unterauslastung der Kapazitäten durch Rüstungsexporte zu kompensieren. Doch in einem insgesamt engeren Markt geht diese Strategie nur für einzelne Firmen zu Lasten anderer auf. Außerdem treten die Streitkräfte oder staatliche Verkaufsorganisationen mit überschüssigen Waffen als Konkurrenten der Firmen immer stärker auf den Weltmärkten auf. Firmenschließungen, Entlassungen von Beschäftigten und starke Unterauslastung der Kapazitäten waren die Folgen.

Die USA sind inzwischen zum dominanten Exporteur geworden und sind für rund die Hälfte der Lieferungen konventioneller Großwaffen verantwortlich. Im Februar 1995 verabschiedete die Clinton-Regierung eine neue Richtlinie zum Rüstungsexport. Interne Streitigkeiten verschiedener Ministerien hatten 18 Monate lang eine Entscheidung für neue Rüstungsexportrichtlinien blockiert. Das Ergebnis Anfang 1995 war eine Niederlage für die Abrüstungsbehörde, die strengere Kontrollen gefordert hatte; doch auch in Zukunft wird die Regierung keine Restriktionen durchsetzen. Im Kern bedeutet die verabschiedete Richtlinie, daß Entscheidungen ad hoc getroffen werden und die Regierung flexibel auf die Wünsche der Käufer reagieren kann. Als Begründung wird unter anderem angegeben, Restriktionen würden Präsident Clintons Politik der Schaffung neuer Arbeitsplätze unterlaufen. Die Rüstungsindustrie hat die Entscheidung mit Befriedigung aufgenommen.

Ähnlich auch die Politik Frankreichs. Der damalige Verteidigungsminister Léotard forderte im Februar 1995 sämtliche Verteidigungsexperten des Landes auf, aktiv den französischen Rüstungsexport zu fördern. Die Streitkräfte, die staatliche Rüstungsbeschaffungsbehörde DGA und die Waffenlieferanten sollten nach Auffassung von Léotard in einer koordinierten Anstrengung für einen Rüstungsexportboom sorgen. Die russische Regierung installierte 1993 eine staatliche Gesellschaft für den Export und Import von Waffen und militärischem Gerät (Rosvooruzenie), deren Aufgabe vor allem Exportförderung ist.

Konkurrenz auf den Käufermärkten

Das Schrumpfen des Weltmarktes für Waffen und der allgemeine Trend reduzierter Beschaffungsausgaben hat zu einer verschärften Konkurrenz um Exportaufträge geführt. Die Anbieter konkurrieren um weniger und allgemein kleinere Aufträge. Diese Aufträge sind aber für das Überleben der Rüstungsfirmen wichtiger geworden. Exportaufträge ermöglichen die Produktion höherer Stückzahlen und damit niedrigere Stückkosten. Manchmal sind derartige Exportaufträge sogar die Voraussetzung für die Aufnahme der Produktion neuer Waffensysteme. Die nach wie vor weitgehend national strukturierte Rüstungsindustrie in Westeuropa operiert beispielsweise in einem beträchtlich kleiner gewordenen heimischen Markt; Politiker und Firmen haben aber weiterhin Ambitionen, möglichst unabhängig von den USA die gesamte Palette konventioneller Waffen zu produzieren.

Der Weltwaffenmarkt ist längst zu einem Käufermarkt geworden. Zwar hat sich dieser Trend schon in den siebziger Jahren mit dem Aufkommen neuer Rüstungsproduzenten in der Dritten Welt durchgesetzt, doch heute sind die Trumpfkarten bei den Abschlüssen von Waffengeschäften eindeutig auf Seiten der finanziell potenten Kunden. In dieser Situation werden die Konditionen stärker als früher von den Käuferländern beeinflußt. Rüstungsfirmen sind gelegentlich bereit, Waffen zu Preisen zu verkaufen, die nicht mehr die fixen Kosten (z.B. Forschung und Entwicklung des Systems) decken. Länder, in denen die Deviseneinnahmen aus Rüstungsgeschäften eine große Rolle spielen (z.B. Frankreich und Großbritannien, mehr noch Rußland), sind eher geneigt, dem Druck auf den Käufermärkten nachzugeben. Beispielsweise setzte Malaysia beim Kauf russischer MiG-29 Kampfflugzeuge durch, rund 25 % des Kaufpreises durch die Lieferung von Palmöl zu bezahlen. Auch lag der Preis deutlich unter den konkurrierenden Angeboten aus westlichen Ländern.

Neben diesen sogenannten "Off-Set"- oder Kompensationsgeschäften spielen auch der Technologietransfer und die Lizenzvergabe eine wichtige Rolle. Käuferländer mit einer diversifizierten Industriestruktur bestehen häufig auf Produktionslizenzen, Komponentenfertigung oder Montage im eigenen Lande. Südkorea ist eines von zahlreichen Beispielen für diese Politik. Auch in Malaysia und in China ließen sich russische Kampfflugzeughersteller auf industrielle Kooperation ein. Bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion produzierte außerhalb der Warschauer Vertragsunion lediglich die indische Rüstungsindustrie sowjetische Waffen in Lizenz. Jetzt scheint die russische Industrie angesichts ihrer wirtschaftlich katastrophalen Lage bereit zu sein, die früher restriktive Haltung bei der Verlagerung der Produktion ins Ausland aufzugeben. Firmen aus Westeuropa und den USA haben schon seit langem Lizenzen ins Ausland vergeben. In den sechziger und siebziger Jahren war dies eine Spezialität deutscher Firmen, die so die restriktiven Exportgesetze elegant umgehen konnten.

Auch wenn häufig die Produktion oder Montage für das Importland unwirtschaftlich ist, weil die industrielle Infrastruktur unzureichend ist, um kostengünstig zu produzieren, verbinden die Regierungen in den Importländern damit die Politik, moderne Technologie zu importieren. Aufstrebende Schwellenländer (vor allem in Asien) sind bereit, für diese Kooperationen einen höheren Preis zu zahlen als bei direkten Importen des fertigen Produktes. Im Gegensatz zum sinkenden Trend der Direktimporte findet dieser Teil der Rüstungstransferbeziehungen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern weiterhin auf hohem Niveau mit steigender Tendenz statt.


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Sicherheitspolitische Rahmenbedingungen und rüstungstechnologische Entwicklungen



Das Ende des Ost-West-Konfliktes veränderte die Bedrohungsperzeption natürlich beträchtlich. Eine Ost-West-Systemauseinandersetzung mit Einsatz von Nuklearwaffen wird selbst in den „Worst-Case-Szenarien" der Militärs nicht mehr angenommen. In den Mittelpunkt der Betrachtung rückten vielmehr konkrete oder potentielle regionale Konflikte (Ex-Jugoslawien, an den Rändern der Russischen Föderation, Mittlerer Osten, Indien-Pakistan, Sri Lanka, Nord- und Südkorea, Nordafrika usw.) und diffuse Vorstellungen von der Notwendigkeit der Verteidigung von Ressourcen, die für einen modernen Industriestaat von Bedeutung sind.

Entgegen landläufiger Meinung ist die Zahl der bewaffneten Konflikte heute nicht höher als vor 1989. Unmittelbar nach dem Ende des Kalten Krieges stieg die Zahl der bewaffneten Konflikte vor allem in Europa. Danach wurden einige Kriege durch Waffenstillstand oder Friedensvertrag beendet. Im Jahr 1994 gab es weniger aktiv geführte Kriege als drei Jahre zuvor. Neben ethnischen Konflikten ist eine der Hauptursachen für diese Kriege die grundsätzliche Infragestellung der staatlichen Autorität. Separatisten kämpfen in vielen Ländern für die Loslösung vom Zentralstaat. Einige international anerkannte Staaten haben de facto die Kontrolle über Teile ihres Territoriums verloren.

In dieser Situation hatte die vielfach praktizierte Waffenexportförderung durch staatliche Stellen einen Nebeneffekt: Der Verbleib der exportierten Waffen ist unübersichtlicher geworden. Früher belieferten Ost und West jeweils die eigene Klientel. In einigen zum Teil auch spektakulären Fällen wechselten Regierungen das Lager. Dennoch unterscheidet sich die heutige Situation deutlich. Bis auf einige Länder, die mit einem Embargo belegt sind, werden Waffen an fast jedes Land und auch an Oppositionsgruppen geliefert. Diese Lieferungen erwiesen sich gelegentlich als Bumerang. Die Streitkräfte werden mit den Waffen konfrontiert, die vorher mit Genehmigung der eigenen Regierung exportiert worden waren. Der eindeutigste Fall ist der Irak. Doch dies ist nicht die Ausnahme. Eine amerikanische Studie stellt fest: „Die letzten vier Gelegenheiten, bei denen US-Truppen in signifikanter Zahl bei Kampfhandlungen eingesetzt wurden - in Panama, Irak, Somalia und Haiti - trafen sie auf Gegner, die während der Periode, die zum Konflikt führte, aus den USA stammende Waffen, Ausbildung oder Rüstungstechnologie erhalten hatten."

Auch die Art der heute stattfindenden Konflikte hat Folgen für den Waffenhandel. Die Erfahrungen in Angola, Mosambik, Ruanda, Bosnien, Kroatien, Haiti und El Salvador - sämtlich Länder mit lang anhaltenden gewaltsamen Konflikten - zeigen, daß bei den Aggressionen, Massakern und Genoziden nicht primär schwere Waffen wie Kampfflugzeuge, Kampfpanzer oder Kriegsschiffe eingesetzt werden. Schwere Waffen sind für die meisten Konflikte irrelevant, während mit Kleinwaffen täglich getötet wird. Ruanda ist eines der Beispiele: Bevor es dort zum Völkermord kam, wurden die regierungstreue Armee sowie die sie bekämpfende Guerilla mit Kleinwaffen beliefert. Ein Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch führt aus, daß Waffen von rund einem Dutzend Länder geliefert wurden: Russen, Rumänen, Bulgaren, Tschechen und Slowaken führten aggressive Verkaufskampagnen; Lieferungen kamen auch aus Frankreich, Ägypten und Südafrika. Auch das Beispiel Afghanistan ist erhellend. Der amerikanische Geheimdienst, CIA, richtete in den achtziger Jahren eine regelrechte Waffenpipeline über Pakistan ein, um die Mujahedin mit Kleinwaffen zu versorgen. Auch die Saudis, Israelis und Chinesen lieferten. Jetzt sind das Land und auch die Nachbarländer Pakistan und Indien mit Kleinwaffen überschwemmt. Kriminelle Gruppen bedienen sich der Waffen, und in den Bürgerkriegen in Sri Lanka und in Kaschmir werden sie ebenfalls eingesetzt.

Einfluß auf den Transfer von Waffen hatten seit jeher auch Technologieentwicklungen. Die vorletzte große Waffeninnovation begann in den dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts mit der Entwicklung von Turbojettriebwerken, Radar und Raketen. Die jüngste Veränderung setzte ein mit der Entwicklung von Elektronik und Informationstechnologie. Integrierte und vernetzte Aufklärungs- und Waffensysteme schaffen ein elektronisches Schlachtfeld, bei dem der Feldherr seinen Gegner nicht mehr als Person oder Streitkraft sieht, sondern lediglich als Ziel auf dem Computerbildschirm. Mehr denn je wird die modernste Technologie von nur wenigen Firmen gemeistert. Seit dem wirtschaftlichen Zusammenbruch der Sowjetunion dominiert die US-Industrie eindeutig die moderne Rüstungstechnologie. Dies ist zweifellos auch ein Grund für deren großen Marktanteil am internationalen Waffenhandel. Der zweite Golfkrieg, in dem das elektronische Schlachtfeld erstmals systematisch (und öffentlichkeitswirksam) erprobt wurde, hat diesen Trend verstärkt.

Eine zum Teil gegenläufige Tendenz resultiert aus den permanenten Preissteigerungen moderner Waffensysteme, die für viele Länder nicht mehr erschwinglich sind. Angesichts schrumpfender Beschaffungsbudgets gehen immer mehr Länder dazu über, durch Überholen und Modernisieren vorhandener Systeme deren Lebensdauer zu verlängern. Während die Hersteller der Waffenträgersysteme (Schiffe, Flugzeuge, Panzer) diese Tendenz in Form reduzierter oder völlig ausbleibender Aufträge deutlich spüren, profitiert hiervon vor allem die Elektronikindustrie. Wie groß dieser Teil des Marktes ist, ist nicht bekannt, doch zahlreiche Beispiele weisen auf einen wachsenden Anteil in dem insgesamt kleiner werdenden Waffenmarkt hin. Einzelne Firmen haben sich inzwischen auf die Modernisierung spezialisiert. Israel Aircraft Industries bietet beispielsweise Modernisierungspakete für MiG-21 Kampfflugzeuge an - ein Flugzeugtyp, der in großen Stückzahlen an viele Kunden der ehemaligen Sowjetunion ab Ende der sechziger Jahre geliefert worden war. Wirtschaftlich interessant und durchaus üblich ist die Modernisierung auch für Kampfpanzer und Kriegsschiffe.


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Deutsche Rüstungsexporte: gegenläufiger Trend



Obwohl in Deutschland restriktivere Gesetze gelten als in den meisten Rüstungsexportländern, sind in den letzten Jahren viele Waffen und anderes militärisches Gerät exportiert worden. Deutschland liegt im Rüstungsexport nunmehr an zweiter Stelle.

Über diese Rangordnung hat es hierzulande eine öffentliche Debatte gegeben, die teilweise polemisch (und weitgehend in Unkenntnis der vorhandenen Statistiken) geführt wurde. Kritiker der Exporte hoben häufig ausschließlich den Sprung auf den zweiten Platz hervor, während die Befürworter des Rüstungsexportes und Lobbyisten der Rüstungsindustrie darauf verwiesen, daß erstens die Industrie von diesen Exporten kaum profitierte und zweitens das meiste Gerät an NATO-Länder geliefert wurde. Es kann indessen kein Zweifel daran bestehen, daß - unabhängig davon, welche Statistik zugrunde gelegt wird - der deutsche Anteil am weltweiten Waffenexport beträchtlich ist. Lediglich die USA weisen deutlich höhere Anteile aus.

Graphik 4: Deutscher Anteil an den Weltwaffenexporten

(nur konventionelle Großwaffen)

(in %)

Quelle: SIPRI Datenbank und SIPRI Yearbook 1995, S. 493.

Die Bundesregierung hat in ihrem Bericht an die Vereinten Nationen darauf hingewiesen, daß die meisten Waffen innerhalb der NATO transferiert wurden. Sie wollte damit auch der Kritik in Deutschland entgegentreten, mit deutschen Waffen würden Kriegsparteien in der Dritten Welt versorgt. Tatsächlich wurden aber in einige Krisenregionen Waffen und Gerät geliefert - in besonders großem Umfang an das NATO-Mitglied Türkei, obwohl die Streitkräfte auf eigenem und fremden Territorium zum Zeitpunkt der Lieferungen einen Krieg gegen die Kurden führten. Auch die Lieferungen zahlreicher Schiffe an Indonesien führte zur Kritik in Parlament und Presse.

Weiterhin heißt es im Bericht der Bundesregierung, daß der „temporäre Anstieg im Export ein Ergebnis des Transfers von Gerät der ehemaligen Streitkräfte der Deutschen Demokratischen Republik" sei und „keine Veränderung in der restriktiven Exportpolitik" bedeute. Im Rahmen der Auflösung der Militärblöcke und der Vereinigung der beiden deutschen Staaten übernahm die Bundeswehr eine ganze Armee: die Nationale Volksarmee der DDR. Für die zahlreichen übernommenen Waffen, die früher zum Bestand der Warschauer Vertragsorganisation (WVO) gehörten, war nun die Bundeswehr verantwortlich. Übernommen werden mußten Zigtausend Waffensysteme und Geräte sowie Munition, Uniformen usw. - eine Aufgabe, die bislang ohne Beispiel war. Die Bundeswehr ordnete die Waffen in drei Kategorien: (1) Waffen, die von der Bundeswehr übernommen werden, (2) vorläufig von der Bundeswehr übernommen, weitere Evaluierung erforderlich und (3) Überschußmaterial. Die Mehrzahl der Waffen fiel in Kategorie drei: 98% aller Kampfpanzer, alle Kampfbomber, 95% der gepanzerten Fahrzeuge und 95% der Artilleriesysteme. Ein großer Teil des Gerätes (Waffen, demilitarisiertes Gerät, Lastwagen, Munition usw.) ging in den Export.

Tabelle 2: Deutscher Waffenexport (nach dem UN-Waffenregister)

Sowohl die von SIPRI als auch von den Vereinten Nationen vorgelegten Zahlen betreffen nur einen Teil des gesamten Rüstungsexportes, nämlich bestimmte Kategorien schweren Gerätes. Aus Deutschland wurden darüber hinaus aber auch Kleinwaffen (allein in die Türkei 300000 Kalaschnikow-Maschinenpistolen) und Hunderte Tonnen Munition, Stahlhelme, Raketen, Bomben usw. geliefert. Die größeren Exportmengen Rüstungsmaterial werden damit nicht nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz (Kriegswaffen), sondern gemäß Außenwirtschaftsgesetz genehmigt und erscheinen nicht in den internationalen Statistiken. Die Exportgenehmigungen (nicht sämtliche Genehmigungen führen tatsächlich auch zu Lieferungen) nach der Ausfuhrliste A „Waffen, Munition, Rüstungsmaterial" werden für mehr als 100 Länder in beträchtlichen Milliardenbeträgen erteilt. (Außerdem erfolgen Genehmigungen nach den Listen B „Kernenergie", C „Strategische Güter", D „Chemieanlagen, Chemikalien" und E „Erzeugung biologischer Anlagen").

Tabelle 3: Exportgenehmigungen für Rüstungsmaterial aus Deutschland

Außenwirtschaftsgesetz
Ausfuhrliste Abschnitt A

Jahr

Anzahl der Länder

Wert in Mio DM

Waffen, Munition,
Rüstungsmaterial

1989
1990
1991
1992
1993
1994

133
124
129
120
100
112

13 045
5 561
8 361
5 347
5 785
4 584

Quelle: Deutscher Bundestag, verschiedene Drucksachen


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Großer Markt für Kleinwaffen



Der Rückgang im Rüstungsexport ist nur ein Teil der Realität: Der Handel mit Kleinwaffen steigt. Nach wie vor sind die traditionellen Kleinwaffenhersteller in den USA, West- und Osteuropa sowie Rußland - und auch neue Anbieter aus Entwicklungsländern - an diesen Geschäften interessiert und beteiligt. Der überwiegende Teil des Angebotes an Kleinwaffen aber stammt mittlerweile aus den Beständen von Streitkräften - und zwar sowohl aus den ehemaligen Frontstaaten des Kalten Krieges, die über riesige Reserven verfügen, als auch aus Beständen der Armeen in Entwicklungsländern, in denen Kriege beendet oder Soldaten demobilisiert werden.

Diese Kleinwaffen und leichten Infanteriewaffen - Mörser und Granaten, Maschinengewehre und Munition - standen bislang weitgehend außerhalb der Sichtweite der Rüstungskontrolleure. Jetzt wollen die Vereinten Nationen dem Einsatz von Kleinwaffen den Kampf ansagen. Der Grund für das zunehmende Interesse der Vereinten Nationen an der Kontrolle dieser Waffen sind die Erfahrungen der UN-Blauhelme. Immer öfter konfrontieren gut ausgerüstete Milizen oder Armeen die UN-Truppen bei ihren Friedenseinsätzen. Dies ist nicht nur eine Gefährdung für die Friedenstruppen, sondern bedeutet oftmals gar ein Scheitern des Auftrages. Eklatantestes Beispiel für derartige Fehlschläge ist der Somaliaeinsatz. Die Kritik an der Rolle der Vereinten Nationen in diesen Konflikten hat auch im Hauptquartier in New York zu Konsequenzen geführt. Ein jetzt vorgelegter Bericht zieht selbstkritische Lehren. Zur Abrüstung heißt es unter anderem: Es muß klare Richtlinien für die Abrüstung und die Demobilisierung der Konfliktparteien geben, und die Konfliktparteien müssen den geplanten Maßnahmen zustimmen. Gegen den Willen der Konfliktparteien können UN-Truppen bei friedenserhaltenden Maßnahmen keine Abrüstung durchzusetzen.

1995 forderte UN-Generalsekretär Boutros-Ghali in der Ergänzung zu seiner "Agenda für den Frieden" aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre ein Programm zur "Mikroabrüstung". Wörtlich schrieb er: "Mit Mikroabrüstung meine ich praktische Abrüstung im Rahmen der Konflikte, in denen die Vereinten Nationen tätig sind. Wir müssen uns um die Waffen kümmern, mit denen Hunderttausende Menschen getötet werden - und dies sind hauptsächlich Kleinwaffen." Eine Studie der Vereinten Nationen schätzt, daß in den Kriegen der letzten fünf Jahre mehr als 90% aller Toten und Verwundeten auf den Einsatz von Kleinwaffen zurückzuführen sind.

Der Hauptgrund für die Proliferation der Kleinwaffen ist deren fast unbegrenzte Verfügbarkeit: Nicht nur wollen viele Armeen überschüssige Bestände loswerden. Zudem sind die Waffen leicht zu handhaben; es ist keine ausgefeilte Logistik erforderlich, und Kleinwaffen lassen sich leichter als schweres Gerät illegal von einem Land ins andere transferieren. Nicht zuletzt können sich Konfliktparteien, Milizen und Aufständische diese Waffen am ehesten leisten.

Da in einigen Kriegen ganze Gesellschaften militarisiert und mit Kleinwaffen ausgerüstet wurden, ist die Kontrolle schwierig. In Mosambik etwa sind rund sechs Million Kalaschnikow-Maschinenpistolen im Umlauf. Diese Waffen sind auf dem Schwarzmarkt schon für 14 US$ zu kaufen, während die gleiche Waffe in Südafrika bis zu 500 US$ kosten kann. Der illegale Handel ist damit programmiert. In El Salvador wiederum gab die Guerilla beim Abschluß des Friedensabkommens 10.000 Handfeuerwaffen und 9.000 Granaten ab. Über 100.000 Kleinwaffen blieben jedoch illegal im Umlauf. Überfälle mit Handgranaten sind heute in El Salvador nicht ungewöhnlich. Bei Auflösung der Mengistu-Armee 1991 in Äthiopien und der Demobilisierung von 500.000 Soldaten fielen riesige Mengen Waffen an, die - wenn auch bislang in geringen Mengen - in den Bürgerkrieg im Sudan und nach Somalia geliefert wurden. Der ukrainische Innenminister klagte jüngst, daß sich kriminelle Banden mit Waffen aus der Kaukasusregion versorgen, die die ehemalige sowjetische Armee dort hinterlassen hat.

So entsteht durch die Beendigung von Kriegen, Abrüstungsvereinbarungen oder die Kürzung von Militärausgaben als negative Folge dieser positiven Entwicklungen oft eine neue Quelle für Waffenlieferungen. Wenn Kriegsherren ihre Unterschrift unter Friedensabkommen setzen, ist damit hoffentlich der Krieg beendet, die Abrüstung und die Kontrolle der Waffen aber steht erst am Anfang. Der Vertrag von Dayton zur Beendigung des Krieges im ehemaligen Jugoslawien zeigt, daß es nach lang anhaltenden Kämpfen oft schwierig oder gar unmöglich ist, die Kontrolle über Kleinwaffen durchzusetzen. Im Dayton-Vertrag ist im Detail geregelt, welche schweren Waffen bis wann und wohin abgezogen werden müssen. Der Verbleib der Kleinwaffen und leichten Infanteriewaffen aber ist nicht geregelt. Was geschieht mit ihnen, wenn der Friedensvertrag erfüllt wird?

Es blieb nicht allein bei Boutros-Ghalis Forderung eines Programms zur "Mikroabrüstung". Verschiedene internationale Maßnahmen wurden bereits durchgeführt, andere sind geplant:

So entsandte die UNO 1995 eine Expertengruppe ins westafrikanische Mali und in alle Nachbarländer, um einen Vorschlag zur Kontrolle des illegalen Transfers von Kleinwaffen in dieser Region auszuarbeiten. In anderen Ländern, z.B. in Angola und Mosambik, fand die Entwaffnung der demobiliserten Soldaten durch UN-Friedenstruppen statt, allerdings in beiden Ländern aufgrund des begrenzten Mandates und knapper personeller und finanzieller Mittel der Vereinten Nationen nicht besonders wirkungsvoll.

Auf Vorschlag Argentiniens, Ecuadors, Japans und Südafrikas und versehen mit einem Mandat der letzten UN-Vollversammlung vom Dezember 1995, nimmt im Juni 1996 eine andere UN-Expertengruppe ihre Arbeit auf. Ihre Aufgabe ist es, Konzepte für die Kontrolle des internationalen Kleinwaffenhandels zu unterbreiten. Auch die regelmäßig im Mai tagende Abrüstungskommission der Vereinten Nationen will "Mikroabrüstung" zu einem Schwerpunkt der Arbeit machen.

In Haiti probierten die amerikanischen Truppen im Auftrag der Vereinten Nationen ein sogenanntes Waffenrückkaufprogramm aus. Jeder, der eine Waffe ablieferte, erhielt Geld oder Güter, und zwar mehr, als auf dem Schwarzmarkt zu erzielen war. 33000 Kleinwaffen sammelte die US-Armee. Fragen über die Herkunft der Waffen wurden nicht gestellt, um den Erfolg nicht zu gefährden. Ein solches Programm wird jetzt für El Salvador vorbereitet. Befürworter des Waffenrückkaufs betonen, daß die Schwelle der täglichen Gewaltanwendung und Kriminalität rasch und wirkungsvoll gesenkt wird. Allerdings muß das Programm zeitlich auf wenige Tage befristet und effizient durchgeführt werden, weil sonst die Schwarzhändler und Mittelsmänner in die Geschäfte einsteigen und der Waffenhandel geradezu angekurbelt wird.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | April 1999