Sozialistische Mitteilungen

"Erkämpft Eure Freiheit! Stürzt Hitler!"
Einleitung von Heiner Lindner

Kapitel 5:
Die "Sozialistischen Mitteilungen" als Verlagsobjekt

1. Titel, Untertitel, Impressum

Als Wilhelm Sander im Oktober 1938 nach London übersiedelte, hatte er von der SOPADE den Auftrag erhalten, die "Landesvertretung der deutschen Sozialdemokratie" in Großbritannien zu organisieren. Damals war der Maschinensetzer und Buchdrucker Kurt Lorenz(268) schon im Londoner Exil.(269) Er war fortan für die technische Herstellung der SM zuständig. Im August 1939(270), also noch vor Beginn des Zweiten Weltkriegs, veröffentlichte Sander(271) ein erstes Vorläuferheft der "Sozialistischen Mitteilungen" und nannte es "News of the Arbeitskreis. Neues aus englischen Zeitungen". Es umfasste nur zwei Seiten und enthielt u.a. einen Beitrag über eine dreistündige Sitzung des britischen Kabinetts, in der der bevorstehende Nichtangriffspakt zwischen Deutschland und der Sowjetunion diskutiert wurde. Der britische Premierminister Chamberlain(272) hatte zwar betont, es gebe keine Probleme in Europa, die man nicht friedlich lösen könne, aber wenn andere darauf bestünden, Gewalt anzuwenden, dann sei die britische Regierung bereit, bis zum Äußersten Widerstand zu leisten.

In ihrem zweiten Heft, erschienen am 26. August, verwendete die Redaktion erstmals den Titel "Sozialistische Mitteilungen". Noch weitere sechs Hefte der "Sozialistischen Mitteilungen" erschienen 1939, ab Oktober 1939 mit dem Zusatz "News for German Socialists in England", ab November dann mit dem weiteren Zusatz: "This Newsletter is issued for German Socialists living in England and fighting against Hitlerism and dictatorship of any kind. It is for their information and for the support of their struggle for freedom, democracy and civilisation that the following news are published." Zugleich wurde bei diesem Novemberheft 1939 erstmals ein Impressum eingeführt: "Published by the London Representative of the German Social Democratic Party, 33, Fernside Avenue, London N.W.7" (ab Nr. 83/84, 1946, folgt noch die Telefonnummer). Das Impressum wurde zumeist unten auf der letzten Seite des Hefts abgedruckt, manchmal aber auch am Fuß einer anderen Seite, oder es wurde gänzlich vergessen. Das Impressum blieb bis Nr. 88/89, einer Doppelnummer, die im Juli/August 1946 erschien, unverändert.

Der zweite "Untertitel" wurde ab Dezember 1939 auf folgenden Text gekürzt: "This newsletter is published for the information of Social Democratic refugees from Germany who are opposing dictatorship of any kind." Bei diesem Untertitel blieb es bis Nr. 77/78, 1945. Ab Nr. 79/80 wurden dann die ersten drei Worte weggelassen, so dass es nur noch hieß: "Published for the information of Social Democratic Refugees from Germany who are opposing dictatorship of any kind". Die Nummern 87, Juni 1946, und 88/89, Juli/August 1946, enthielten im Kopf nur noch folgende Zeilen: "Sozialistische Miteilungen" mit der Unterzeile: "News for German Socialists in England".

Ab No. 91, 1946 (No. 90 ist eine AWo-Sondernummer), verzichteten die SM gänzlich auf das Impressum am Ende des Hefts und nahmen den Hinweis auf die Herausgeberschaft in den Kopf des Mitteilungsblatts: Dort hieß es hinfort: "Sozialistische Mitteilungen" (erste Zeile), "der London-Vertretung der SPD" (zweite Zeile) und - eingerahmt -: "Issued by the London Representative of the German Social-Democratic Party" (dritte Zeile). In der vierten Zeile folgte die Anschrift. Dabei blieb es bis Nr. 106, 1947. Von Nr. 108, 1948, bis zum letzten Heft der SM, Nr. 115, 1948, kehrten die Herausgeber dann wieder zum alten Konzept zurück: Wie schon in den Jahrgängen bis 1945 (genau: bis Nr. 77/78) stand das Impressum wieder am Fuß der letzten Seite, und im Kopf der Titelseite wurden neben dem Titel "Sozialistische Mitteilungen" der ursprüngliche erste und zweite Untertitel wieder eingeführt.

2. Nummerierung

Die Nummerierung der einzelnen SM-Hefte begann am 20. Januar 1940 mit "No. 2", denn das erste Heft des Jahrgangs 1940 ("Early January") wurde stillschweigend als die Nummer 1 betrachtet. Die Abkürzung "No." wurde dann - mit Ausnahme der Hefte 13/14, 18 und 19, die mit "Nr." bezeichnet wurden - während des Jahrgangs 1940 beibehalten. Ab 1941 hieß es dann - mit Ausnahme der Hefte 87 bis 94 des Jahrgangs 1946, die erneut mit "No." bezeichnet wurden, nur noch "Nr.".

Die Hefte der "Sozialistischen Mitteilungen", die schon vor 1940 erschienen waren, wurden ebenso wenig mitgezählt wie die zahlreichen Sonderhefte und Beilagen. Das letzte Heft der "Sozialistischen Mittelungen" trug die Nr. 115 und erschien im September/Oktober 1948. Unter Hinweis darauf, dass die Zahl der in England und anderen Ländern lebenden deutschen Sozialdemokraten "immer mehr zusammenschmilzt" und Papier-, Geld- und Raummangel anhielten, wurde eine weitere Herausgabe der "Sozialistischen Mitteilungen" in diesem Abschiedsheft für "überflüssig" erklärt, "zumal nunmehr das neue Zentralorgan der SPD, ,Neuer Vorwärts', erschienen ist". Die Abonnenten der SM erhielten zugleich die erste Nummer des "Neuen Vorwärts" und wurden nachdrücklich gebeten, diese Wochenzeitung zu abonnieren: "Wir rechnen damit, dass alle Leser der SM nunmehr das Zentralorgan ,Neuer Vorwärts' bestellen werden." Zugleich wurden die Leser der SM über Bestellmöglichkeiten für den täglich erscheinenden "SOPADE-Informationsdienst" und für insgesamt 16 "sozialdemokratische Heimat-Zeitungen" informiert, darunter der Berliner "Telegraf", die Bielefelder "Freie Presse", die Dortmunder "Westfälische Rundschau", die Essener "Neue Ruhr-Zeitung", die in Reutlingen erscheinende Zeitung "Der Württemberger" und die "Hannoversche Presse".

3. Format und Beschriftung

Format und Beschriftung der Hefte wechselten im Verlauf der Zeit. Die kurzen Informations-Rundschreiben des Jahrgangs 1939 erschienen etwa im DIN-A 4-Format, zirka 20,3 cm breit und zwischen 26 und 30 cm hoch. Sie waren ungefalzt und beidseitig beschriftet (mit Ausnahme des ersten Hefts vom 23. August, dessen zwei Blätter einseitig beschriftet waren).

Für die längste Zeit des Erscheinens der SM, nämlich vom ersten Heft des Jahrgangs 1940 bis einschließlich Nr. 85/86 des Jahrgangs 1946, blieben Format und Aussehen der Hefte bis auf kleinere Abweichungen unverändert, und zwar etwas schmaler als DIN-A 5. Es wurden Blätter im Format 20,3 x 33,0 cm (etwa DIN-A 4) benutzt, die - auf vier Seiten beschriftet - einmal gefalzt und dann - ungeheftet und ungeklebt - ineinander gelegt wurden. So erhielt der Leser einen Newsletter, der leicht zu handhaben war und äußerlich einer ganz normalen Zeitschrift entsprach.

Von No. 87, 1946, bis Nr.106, 1947, wählte man ein anderes Verfahren: Es wurden zwar weiterhin Blätter benutzt, die in etwa dem DIN-A 4-Format entsprachen (19,5 x 32,4 cm) und beidseitig beschriftet waren, die Beschriftung erfolgte aber jetzt in der Höhe (über die volle Länge der DIN-A 4-Seite). Die Blätter wurden dann gefalzt und ineinander gelegt, so dass in etwa das alte Format beibehalten, der Zeitschriftencharakter aber aufgegeben wurde, weil die Leser in dem Heft nicht mehr blättern konnten, sondern die Seiten, die sie lesen wollten, einzeln herausnehmen mussten. Die Redaktion erreichte hierdurch eine bessere Ausnutzung des (knappen) Papiers, weil der Falz mit beschrieben werden konnte, und zwar auf beiden Seiten. Bei den beiden letzten Heften des Jahrgangs 1946 wurde von diesem Verfahren noch dadurch leicht abgewichen, dass das äußerste Blatt des Hefts auf der einen, nämlich der Umschlagseite (nach der Falzung also auf der Vor- und Rückseite des Hefts) entsprechend der bis 1946 angewendeten Methode beschriftet wurde, im Innern die Beschriftung aber - wie im Jahrgang 1947 - in der Höhe erfolgte, so dass auch hier der Leser sein Heft zum Lesen auseinander nehmen musste. Nur äußerlich (auf dem Umschlag) entsprach die Beschriftung der Hefte den Jahrgängen vor 1947.

Mit dem Jahrgang 1948 kehrte man zum alten Verfahren zurück. Das Format der Hefte wurde zwar etwas kleiner als vor 1946, aber der Zeitschriftencharakter wiederhergestellt und noch dadurch unterstrichen, dass die Hefte fortan gesetzt wurden.

4. Erscheinungsfolge und Umfänge

Im Gründungsjahr 1939 wurden nur acht Informationsblätter der SM publiziert. Nach Einführung der Heftzählungen Anfang 1940 erschienen dann die SM zunächst etwa 14-täglich: Der Jahrgang 1940 verzeichnete insgesamt 18 Hefte, darunter 2 Doppelhefte. Von 1941 bis 1948 ist ein etwa monatlicher Erscheinungsrhythmus festzustellen. 1941 und 1942 erschienen je 12 Hefte, 1943 11 Hefte (darunter 2 Doppelhefte), 1944 und 1945 je 7 Hefte (darunter je 5 Doppelhefte), 1946 10 Hefte (3 Doppelhefte), 1947 8 Hefte (4 Doppelhefte) und 1948 6 Hefte inklusive 3 Doppelheften. Insgesamt sind zwischen 1940 und 1948 91 Hefte, darunter 24 Doppelhefte erschienen; hinzu kommen die acht Mitteilungsblätter im Jahre 1939, von denen sieben schon den Titel "Sozialistische Mitteilungen" trugen. Ferner sind etwa 50 Beilagen erschienen, die entweder in die SM eingelegt oder aber anderweitig an den Abonnentenkreis der SM verteilt bzw. versandt wurden, sowie eine "Special Edition" im Oktober 1941.

Die Informationsblätter (etwa im Format DIN-A 4) des Jahrgangs 1939 hatten nur 2 - 4 Seiten Umfang. 1940 waren die Hefte mit einem Umfang von 6 - 12 Seiten ebenfalls noch sehr dünn. Weil jedes DIN-A 4-Blatt mit 4 Seiten beschrieben wurde, bestand ein 8-Seiten-Heft aus nur 2 Blättern. Reichte der Platz nicht aus, wurde ein halbes Blatt (mit 2 Seiten) eingelegt. Entsprechend ging man auch von 1941 bis 1946 vor, allerdings hatten die Hefte in dieser Zeit einen Umfang von 12 - 28, durchschnittlich etwa 20 Seiten. Nachdem die Schreibweise der Hefte etwa Mitte 1946 umgestellt worden war (von 4 auf 2 beschriebene Seiten je DIN-A 4-Blatt), erhielten die Hefte einen Umfang von 10 -18, durchschnittlich 16 (eng beschriebenen) Seiten. Für den Jahrgang 1948 schließlich ergab sich Folgendes: 4 der 6 Hefte hatten einen Umfang von 24, eines von 12 und eines (das allerletzte) von 2 Seiten.

Der Aufmachung der SM ist deutlich anzumerken, dass die Redaktion während der ganzen Erscheinungszeit bestrebt war, mit dem knappen Papier so sparsam wie möglich umzugehen: Die Blätter wurden eng beschrieben; zeitweise verwendete man eine kleinere Schrift; zahlreiche Worte wurden abgekürzt; der Satzspiegel wurde durchbrochen und eng an den Rand des Papiers geschrieben, oft auch wurde das letzte Wort einer Zeile abgekürzt, um keine neue Zeile beginnen zu müssen; hinzu kam, dass man in der offenbar problematischsten Zeit zwischen Mitte 1946 und Ende 1947, als die Informationsfülle und der Informationsbedarf wegen der Situation in der Heimat und der vielen Berichte über die Neugründung der Partei sowie über erste Wahlergebnisse aus Deutschland am größten waren, von dem leserfreundlichen Charakter der Hefte abging und den Lesern eng, sogar in der Falz beschriebene Blätter zumutete, die sie einzeln herausnehmen mussten, um sie zu lesen.

5. Wirtschaftliche Situation, Auflage, Verbreitungsgebiet und Preis

Im August 1942 schrieb Wilhelm Sander seinen ersten Bericht über die wirtschaftliche Lage der "Sozialistischen Mitteilungen". Er fasste die drei ersten Jahrgänge in einer Einnahmen- und Ausgabenrechnung zusammen und kam zu dem Ergebnis, dass Einnahmen in Höhe von £ 213.12.7 Ausgaben in Höhe von £ 210.1.1 gegenübergestanden hätten, so dass sich am Ende der Beobachtungszeit ein Kassenbestand von £ 3.11.6 ergeben habe. (273)

Für den Zweijahreszeitraum 1940/1941 machte Sander innerhalb seines "Kassenberichts [über die] Einnahmen und Ausgaben der SPD in England" für SM folgende Rechnung auf:(274)


Einnahmen von Januar 1940 bis Ende 1941

£

151.

9.

11

Ausgaben für Hefte 1 - 32

£

141.

9.

6

 

Kassenbestand 31. Dezember 1941

£

10.

-.

5

 

Der Kassenbestand (= Überschuss) muss nach diesen Zahlen also von Ende 1941 bis August 1942 um etwa 6 £ zurückgegangen sein, bei Gesamtkosten von etwa 10 £ je Heft ein ansehnlicher Betrag, der auf erhebliche Kostensteigerungen und/oder Einnahmerückgänge im Verlauf des Jahres 1942 schließen lässt.

Für Nr. 40, 1942, legte Sander eine detaillierte Ausgabenaufstellung vor. Bei einem Umfang von 24 Seiten und einer Auflage von 450 Exemplaren seien folgende Ausgaben angefallen:(275)

Ausgaben an den Drucker

£

2.

19.

--

Stencils, Papier

£

3.

10.

--

Druck für Kopf SM

£

-.

6.

--

Streifbänder, fares, Versand, Porto

£

2.

10.

--

Anteil Generalunkosten (Farbband, Briefe, Telefon, Zeitungen und Literatur, Schreibmaschinenrepairs)

£

-.

15.

--

 
 

£

10.

--.

--

 

In seiner Aufstellung sprach Sander davon, dass "die Schwierigkeiten [der Finanzierung] immer mehr gestiegen" seien und begründete dies u.a. mit Erhöhungen der Preise für Porto, Papier und Druck. Die Schwierigkeiten seien so groß, dass es, so Sander, "fast unmöglich [sei], die SM in dem bisherigen Umfang und der bisherigen Auflage herauszubringen." Die Stückkosten eines Hefts errechnete er mit 5 bis 6 Pence einschließlich Versand und Porto, und zwar bezogen auf Nr. 40, das in einer Auflage von 450 erschienen sei.(276)

Etwa 80% der Einnahmen, so schrieb Sander in seinem Bericht, mussten "von Genossen in Übersee, von Freunden oder Organisationen aufgetrieben werden." Den kleineren Rest teilten sich die Londoner und die außerhalb Londons lebenden Parteimitglieder je zur Hälfte.(277)

Die Leser der "Sozialistischen Mitteilungen" erfuhren von finanziellen Problemen, insbesondere Schwierigkeiten bei der Papierzuteilung, im Herbst 1943 Folgendes:

"An unsere Leser!

Eine Forderung des Ministry of Supply zwingt uns zu einer erheblichen Reduzierung unseres Papierverbrauches. Verwendung leichteren Papiers und kleinerer Schreibmaschinentypen, Verringerung des Umfanges und der Auflage [...] usw. werden die Forderungen erfüllen. Wir können deshalb unsere ,SM' nicht mehr unentgeltlich abgeben. Wer an der weiteren Zustellung interessiert ist, mag uns dies mitteilen. Wir bitten unsere Freunde, gelesene SM an befreundete Kreise weiterzugeben. Mehrere Leser im gleichen Hause, Hostel oder Office, können in Zukunft nur ein Exemplar erhalten. Quittungen über freiwillige Beiträge und Versammlungsanzeigen werden nicht mehr erscheinen. Freiwillige Beiträge erbeten an: W. Sander, 33, Fernside Ave., London N.W.7."(278)

Gut ein halbes Jahr später konnten die SM Entwarnung geben, als es hieß:

"Eine Verbesserung in der Papierzuteilung und die Bewilligung des Postal Censorship Permit gibt uns die Möglichkeit, die ,SM' an unsere Freunde in Portugal, Schweden, die Schweiz und die Türkei zu senden. Wir erbitten jedoch von den dortigen Freunden einen Beitrag zu unseren Herstellungs- und Versandkosten (Air Mail)."(279)

Zur Auflagenentwicklung gab Sander an, man habe mit einer Auflage von 100 begonnen und sei 1942 bei 450 Exemplaren angelangt. Die Höchstauflage habe bei 620 Exemplaren (Dezember 1941(280)) gelegen.(281) In einem Bericht des Parteivorstandes wird für Ende 1942 eine Auflage von 500 Exemplaren genannt, die in 15 Länder verschickt worden seien.(282)

Leser der "Sozialistischen Mitteilungen" waren nach eigenen Angaben

"nicht nur die deutschen Sozialdemokraten und sozialistische Freunde [...] in London und Windsor, sondern auch jene Sozialdemokraten, die mit Hilfe der 'Sozialdemokratischen Flüchtlingshilfe' in Prag oder von London nach [...] Übersee [...] ausgewandert sind. Auch unsere von Frankreich nach [den] USA gefahrenen Genossen erhalten jetzt die SM zugestellt. In [den] USA und Kanada, Bolivien, Argentinien, Kolumbien, Peru u.a. südamerikanischen Ländern, in Afrika, Br[itisch]-Indien, Australien, Neuseeland und Palästina befinden sich Sozialdemokraten, die (oft erst nach 4 - 8 Wochen) die ,Sozialistischen Mitteilungen' erhalten und in all ihren Briefen um Weiterbelieferung bitten, damit der Zusammenhang mit der Bewegung in London erhalten bleibt". (283)

Die Empfänger der Hefte hatten je Quartal einen Schilling zu entrichten, womit die Kosten für Herstellung und Versand finanziert wurden.(284) Da die Zahlungen der Bezieher der SM in den Heften regelmäßig dokumentiert wurden, wird ersichtlich, dass viele Leser auch einen höheren Beitrag leisteten, als sie mussten, vor allem Leser aus Übersee. Die finanziellen Probleme der Redaktion scheinen so groß gewesen zu sein, dass sie in den SM-Heften regelmäßig zur Zahlung der Beiträge aufrief und mitunter sogar mit einer Einstellung der Belieferung drohte, falls keine Beitragszahlung erfolge.

Im Bericht des Parteivorstandes vom 20. Juni 1941 über seine Tätigkeit in England bis Mai 1941(285) hieß es:

"[Wir unternehmen] den Versuch, die Parteimitglieder zu einer freiwilligen Beitragsleistung neben den freiwilligen Spenden für die Unterhaltung der ,Sozialistischen Mitteilungen' zu veranlassen."

Diese Formulierung macht deutlich, dass die "freiwilligen Spenden" für SM im Vordergrund standen und eine "Beitragsleistung" an die Partei erst noch eingefordert werden musste, was damit zusammenhing, dass die englischen Gastgeber zunächst keine förmlichen Mitgliedschaften mit Beitragsmarken etc. wünschten.

6. Beilagen zu den SM

Etwa 50 Beilagen zu den "Sozialistischen Mitteilungen" sind nachgewiesen, davon mehr als die Hälfte in englischer Sprache.(286) Manchmal handelt es sich um einzelne Blätter ohne spezifischen Titel, die den Heften beigefügt wurden, manchmal um kleine Broschüren mit eigenständigen Titeln; manchmal geht es auch um Fremdbeilagen, z.B. der Arbeiterwohlfahrt, oder auch um die spezifische Beilagenserie "Survey on the discussion of the future of Germany in daily papers and periodicals", die im Jahre 1943 erschien.(287)

Auch enthielten die Beilagen keinen Hinweis darauf, welchem Heft der SM sie beigefügt wurden. Und in den Heften war nicht immer ein Hinweis auf die Beilagen zu finden. Das macht es schwer zu entscheiden, ob eine kleinere Broschüre überhaupt als Beilage zu den SM bezeichnet werden kann oder ob sie gänzlich unabhängig von den SM erstellt und verteilt wurde. Der Herausgeber dieser Edition geht davon aus, dass die hier einbezogenen Blätter und Broschüren erstens auf Grund ihres äußeren Erscheinungsbilds, zweitens des Charakters ihrer Darstellung, drittens einiger Querverweise in den Heften und viertens ihres Fundorts, zum Beispiel im Nachlass Wilhelm Sanders, zu Recht als Beilagen bezeichnet werden können.

Als Beispiel für eine selbständige Broschüre, die gleichwohl als Beilage zu den SM bezeichnet werden kann, sei die kleine Schrift "Betrachtungen zur deutschen Finanzreform" von E. F. Schumacher und Walter Fliess genannt. Hierzu hieß es in den "Sozialistischen Mitteilungen":

"Allen außerhalb Englands wohnenden Lesern der ,SM' senden wir mit der vorliegenden Ausgabe der ,SM' ein Exemplar dieser Broschüre zu. Wir nehmen Bestellungen entgegen. Preis sh 1/- einschl. Portoauslagen."(288)

Der Text macht deutlich, dass offenbar nur ein Teil der Bezieher der SM die Broschüre als Beilage erhalten hat, die übrigen Leser sie aber anderweitig beziehen konnten.


Abbildung 10: Beispiel für eine Beilage zu den "Sozialistischen Mitteilungen"

Abbildung 10: Beispiel für eine Beilage zu den "Sozialistischen Mitteilungen"

Ganz anders die "Special Edition", die im Oktober 1941 in englischer Sprache zu den Themen "Refugees in France" und "Aid for interned German refugees in Great Britain and the Dominions" veröffentlicht wurde:(289) Diese "Special Edition" wurde zwar an die Bezieher der "Sozialistischen Mitteilungen" verschickt, richtete sich aber weniger an die deutschen Emigranten als an ihre britischen Gastgeber, zumal die deutschsprachigen Texte schon längst in den SM veröffentlicht worden waren. Ein englischsprachiges Zielpublikum hatten natürlich auch die anderen englischsprachigen "Beilagen" und die in den normalen SM veröffentlichten englischsprachigen Texte. Die "Special Edition" vom Oktober 1941 wurde aber mit einem speziell beigefügten Schreiben von Wilhelm Sander verschickt. Sander wies in diesem Brief an die SM-Bezieher darauf hin, dass sie eine "englische Sondernummer" der SM erhielten, die sie "ihren englischen oder amerikanischen Freunden" mit dem Appell weitergeben sollten, "uns einen Beitrag für unsere Arbeit und insbesondere für die weitere Herausgabe der ,Sozialistischen Mitteilungen' zu senden".(290) Ferner schrieb Sander, dass er die Sondernummer "an zahlreiche englische und amerikanische Freunde verschickt [habe], um sie auf die Notwendigkeit weiterer Unterstützung [...] aufmerksam zu machen". Sondernummern und Beilagen - zumindest wenn sie englischsprachig erschienen - müssen also eine größere Auflage gehabt haben als die regelmäßigen Hefte der SM, denn sie wurden in aller Regel sowohl den normalen Beziehern der SM geschickt als auch - direkt - an englische, amerikanische und andere ausländische Freunde bzw. Interessenten.

Auf die inhaltlichen Ziele und Schwerpunktthemen dieser englischsprachigen Beilagen wird noch weiter unten(291) eingegangen werden, hier sei nur festgehalten, dass die Bitte um finanzielle Unterstützung - auch an die englischsprachigen Leser - für das Überleben der SM von erheblicher Bedeutung war. In einer 16-seitigen, englischsprachigen Beilage mit Berichten aus Deutschland hieß es z.B.:

"'Sozialistische Mitteilungen' has been a regular source of information for German Social Democrats in Great Britain and has also found many readers in oversea countries. The first issues of the SM appeared shortly after the outbreak of war. It has been the only German periodical in Great Britain, the publication of which has never been interrupted during all this time, in spite of countless difficulties and the ever rising prices of paper, stencils, printing ink, postage etc. All the money needed for this purpose had to be raised by appeals to our readers and friends. Contributions towards the costs of these newsletters will be received with gratitude by Wilh. Sander, 33, Fernside Avenue, London NW7."(292)

Auch nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Veröffentlichung einer englischsprachigen Beilage mit einem Spendenaufruf verbunden: Als SM den eindrucksvollen Bericht "Germany Revisited" von Victor Gollancz, den dieser nach einem zweiwöchigen Besuch im Nachkriegsdeutschland geschrieben hatte, als Beilage herausbrachte, hieß es im Oktober/November-Heft 1947:

"Einen Deutschlandbericht ,GERMANY REVISITED' aus der Feder des bekannten sozialistischen Verlegers und aktiven Förderers der ,SAVE EUROPE NOW'-Bewegung in Großbritannien, Victor Gollancz, erhalten unsere Leser gleichzeitig mit der vorliegenden Nummer der SM zugestellt.(293) [...] Nach der Lektüre bitte an Freunde weitergeben. Freiwilligen Unkostenbeitrag für die Herstellung dieser Mitteilungen und die Versendung unseres Materials erbeten an: W. Sander, 33, Fernside Ave., London, N.W.7."(294)

Die "Spendenaufrufe" machen nicht nur die Geldnot der Herausgeber der SM deutlich, sondern die Texte ("erhalten unsere Leser gleichzeitig mit der vorliegenden Nummer") zeigen zugleich, wie eng manche Beilage mit dem "normalen" Heft der SM verbunden war.




Fußnoten

268 - Kurt Lorenz (1903-1947), SPD (ab 1922), Exil: Tschechoslowakische Republik (1933), Großbritannien (1937), dort Arbeit als Buchdrucker (1937-1947), zuständig für die Herstellung der "Sozialistischen Mitteilungen", die im Arbeitszimmer seines Hauses in London gedruckt wurden (vgl. Appelius, a.a.O., S. 218), Mitglied der Gruppe um Geyer und Loeb, Unterzeichner der "Erklärung der Sechs".

269 - Vgl. Appelius, a.a.O., S. 216.

270 - In seinem Bericht "Gegenwärtiger Stand der `Sozialistischen Mitteilungen'" vom August 1939 (AdsD, Bonn, Emigration SOPADE, Mappe 111) schrieb Wilhelm Sander u.a.: "Die ersten Nummern erschienen im August 1939 [...]". Damit sollte unumstritten sein, dass die SM schon vor ihrer offiziellen Zählung - im Januar 1940 - bestanden.

271 - Ab welchem Heft genau Gerhard Gleissberg (vgl. oben, Vorbemerkung) in die Redaktion der "Sozialistischen Mitteilungen" eintrat, konnte nicht ermittelt werden, da die Namen der Redakteure in den Heften nicht genannt wurden und auch in den sonstigen Quellen keine Hinweise zu finden waren.

272 - Arthur Neville Chamberlain (1869 - 1940), britischer konservativer Politiker, mehrere Ministerämter in der britischen Regierung (1923 - 1937), Premierminister (1937 - 1940).

273 - AdsD, Bonn, Emigration SOPADE, Mappe 111, Allgemeine Korrespondenz.

274 - Ebd.

275 - Ebd.

276 - Ebd.

277 - Ebd.

278 - SM, Nr. 53/54, 1943, S. 9.

279 - SM, Nr. 60/61, 1944, S. 22.

280 - Eiber, a.a.O., S. XCII.

281 - Vgl. AdsD, Bonn, Emigration SOPADE, Mappe 111, Allgemeine Korrespondenz.

282 - Vgl. Entwurf für den Bericht des Parteivorstandes über seine Tätigkeit im Jahre 1942 von Ende Januar 1943, abgedruckt in: Eiber, a.a.O., S. 646 ff, hier S. 655.

283 - SM Nr. 24, 1941, S. 20.

284 - Vgl. Eiber, a.a.O., S. XCII. In Abweichung zu den Anhaben bei Eiber heißt es - im Zusammenhang mit einem Bericht über "Neue Richtlinien für die Beitragsleistung zur SPD" - in SM, Nr. 49, 1943, S. 15, dass für die SM ein "Sonderbeitrag von -, 6 d pro Monat" fällig sei. Das wäre ein halber Schilling pro Monat, im Quartal also 1,5 Schillinge.

285 - Der Text ist abgedruckt in: Eiber, ebd., S. 542 ff., das Zitat S. 545.

286 - Zu den englischsprachigen Texten vgl. unten, Kapitel 6, Ziffer 13.

287 - Vgl. hierzu das Verzeichnis der Beilagen in der Online-Edition.

288 - SM, Nr. 82, 1946, S. 12.

289 - SM, [Nr. 30 A], "Special Edition" vom Oktober 1941.

290 - SM, [Nr. 30 A], "Special Edition" vom Oktober 1941, Beilage.

291 - Vgl. unten, Kapitel 6, Ziffer 13.

292 - SM, Nr. 41, 1942, Beilage, S. XVI.

293 - SM, Nr. 104/5, 1947, Beilage.

294 - SM, Nr. 104/5, 1947, S. 7.





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