SOZIALISTISCHE MITTEILUNGEN News for German Socialists in England | |
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Nr. 58/59 - 1944 |
Januar - Februar |
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Tief erschuettert erfahren wir, dass nun auch Dr. Carl Mierendorff, einer von unseren Besten, sein Leben lassen musste. Er starb, 46-jaehrig, im Laufe des Luftangriffes auf Leipzig am 4. Dezember 1943. Mit seinem unbaendigen Lebenswillen hat er vier Frontjahre im Ersten Weltkrieg, viele Jahre des Kampfes gegen die Nationalsozialisten und fuenf entsetzliche Jahre im Konzentrationslager durchgehalten, um nun von diesen tragischen Geschick ereilt zu werden, das uns eines unersetzlichen Menschen, Kaempfers und Fuehrers und einer grossen Hoffnung beraubt. Die Erfuellung und Kroenung seines Lebens waere die fuehrende Beteiligung am endgueltigen Befreiungskampf gewesen.
"Carlo" wurde geboren am 24. Maerz 1897. Mit 17 Jahren ging er in den Krieg; wurde schwer verwundet und kehrte mit dem Eisernen Kreuz 1. Klasse und als ueberzeugter Sozialist zurueck. Er wurde Mitglied der Unabhaengigen Sozialdemokratischen Partei und dann der Vereinigten SPD. Er studierte Nationaloekonomie in Frankfurt, Muenchen, Freiburg und Heidelberg und machte sich nach dem Rathenaumord einen Namen als Anfuehrer der Heidelberger Arbeiter bei ihrer Protestdemonstration gegen die Provokationen des reaktionaeren Physikprofessors Lennard[1]. Seine viele Stunden lange feurige Verteidigungsrede im anschliessenden Prozess brachte ihm den Freispruch und allgemeine Aufmerksamkeit. Selber literarisch und kuenstlerisch begabt, war er eng befreundet mit Zuckmayer und anderen rheinischen jungen Kuenstlern, Schriftstellern und Theaterleuten, beteiligte sich an der radikalen literarischen Zeitschrift "Die Dachstube"[2] in Darmstadt und machte interessante Vorschlaege zur Verwertung des Films in seinem Buechlein "Wenn ich das Kino haett'..."[3]. Von 1922-24 arbeitete er im Forschungsbuero des Transportarbeiterverbandes in Hamburg[4] ; von 1924-26 als Redakteur beim "Hessischen Volksfreund"[5], Darmstadt; von 1926-28
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als Sekretaer der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion in Berlin. Dann kehrte er in seine Heimat, Hessen-Darmstadt, zurueck und erkannte als einer der ersten auch die sich auf dem Lande immer staerker ausbreitende Gefahr des Nationalsozialismus. Von da an war seine ganze Kraft dem Kampfe gegen die Nazis geweiht. Seine begeisternde Redegabe, sein kuehner Schwung, sein Witz und seine unermuedliche Aktivitaet machten ihn unter den hessischen Arbeitern so populaer, dass er trotz seiner Jugend bei der Septemberwahl 1930 in den Reichstag gewaehlt wurde. Seit 1929 war er ausserdem Pressechef im Hessischen Innenministerium und war in dieser Eigenschaft bei der Auffindung und Auswertung der Bestschen "Boxheimer Dokumente" fuehrend beteiligt.[6] Als staendiger Mitarbeiter der "Sozialistischen Monatshefte", der "Gesellschaft"[7] und anderer Zeitschriften schrieb er zahlreiche aussenpolitische Artikel, die besonders der deutsch-franzoesischen Verstaendigung gewidmet waren, und u.a. Artikel ueber Wahlreform, in denen er als Gegner des zu buerokratischen Listensystems fuer eine persoenlichere parlamentarische Vertretung der Wahlkreise eintrat. Im Reichstag erwarb er sich Ruhm durch eine flammende Rede gegen Dr. Goebbels, die Mierendorff als Vertreter derjenigen Frontkaempfer hielt, die fuer Frieden und Verstaendigung kaempften.
Im Jahre 1929 und 1930 studierte Mierendorff die politischen und Propagandamethoden der Nazis und erkannte dabei, dass der Sozialdemokratische Parteiapparat und seine Arbeitsweise, so erfolgreich sie in einer anderen Periode gewesen waren, umgestaltet werden mussten, wenn man sie gegen die moderne Technik der Nazis einsetzen wollte. Von da an arbeitete er unermuedlich an neuen Methoden und wandte sie im Tageskampf an. Er erfand das Symbol der "Drei Pfeile" und mit seinem Freunde, Prof. Tschachotin[8], einem russischen Propagandaspezialisten, ersann er den "Freiheits"-gruss mit gestrecktem Arm und geballter Faust, neue Methoden fuer Demonstrationen und Versammlungen und sammelte um sich die aktivsten Elemente der Arbeiterbewegung und besonders die Jugend, der er ein hervorragender Lehrer und begeisterndes Vorbild wurde. Wer den neuen Schwung des Anti-Nazi-Kampfes selbst miterlebt hat, der weiss, wie erfolgreich Carlo war.
Nach der Wahl am 5. Maerz 1933 wurde Carlo von fanatischen Nazis auf der Strasse erkannt und vom Lynchtod nur durch einen treuen Genossen gerettet, der ihn im entscheidenden Moment in seinem Taxi entfuehrte. Dann folgte eine Periode des staendigen Wechselns von Wohnungen und der kleinen Konferenzen, die sich mit den illegalen Kampfmethoden beschaeftigten; und Mierendorff war der erste, der staendig sein Leben riskierte und die Kampf-
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genossen in konspirativer Technik schulte. Noch ist nicht die Zeit, ueber Einzelheiten dieser Zeit zu berichten. Vor der Reichstagssitzung am 17. Mai 1933 versuchte er, in der Fraktion eine Resolution durchzusetzen, die der Welt die politische Bedeutung des Umschwungs und des Naziterrors vor Augen fuehren sollte.[9] Er ging nicht ins Ausland, weil er glaubte, den Kampf fortsetzen zu muessen; so wurde er am 13. Juni 1933 in Frankfurt verhaftet, wenige Minuten, nachdem sein Rechtsanwalt ihn von der Aufhebung des gegen ihn erlassenen Haftbefehls informiert hatte. Die Nazis schleppten ihn im Triumphzug durch Darmstadts Hauptstrassen, aber es wurde ein Triumph fuer Mierendorff, der mit erhobenem Haupte und einem veraechtlichen Laecheln auf den Lippen durch die tobenden Reihen schritt. Es folgten ohne Verhoer oder Urteil: Landgerichts-Gefaengnis Darmstadt, Konzentrationslager Osthofen, Boergermoor, Lichtenburg.
Seine aufrechte Haltung alle die Jahre hindurch wird von vielen geruehmt. Was es fuer diesen jungen, so aktiven Menschen bedeutete, die Qualen des KZ volle fuenf Jahre zu ertragen, wird nur der ganz ermessen koennen, der Carlos Liebe fuer Freiheit, Leben, Sport, Natur, Theater und Schoenheit kannte.
Der "Partei", die er bewunderte, war Carlo Mierendorff immer ein loyaler Diener trotz mancher Reibungen, die dadurch entstanden, dass er fuer eine einmal als richtig erkannte Sache durch dick und duenn ging und sie ausfocht gegen welche Widerstaende auch immer. Vielleicht hat er manchmal weiter gesehen als mancher unserer aelteren Genossen, denn er fuehlte schon sehr frueh, dass es sich nun nicht mehr nur um periodische Wahlkaempfe, sondern um einen Kampf auf Leben und Tod zwischen Freiheit und Sklaverei handelte. Nun ist Carlo nicht mehr und man kann sich nur schwer mit dem Gedanken vertraut machen, dass dieses Feuer erloschen ist, ohne vorher noch einmal die Glut seiner Persoenlichkeit unserer Bewegung geopfert zu haben.
Heinrich Stroebel gestorben, diese Meldung erhielten wir bei Redaktionsschluss aus der Schweiz, wo er im Exil lebte. Stroebel war einer der ersten Abgeordneten, die fuer die SPD in den preussischen Landtag einzogen. Als Vertreter der USPD teilte er gemeinsam mit Paul Hirsch[10] (SPD) den Vorsitz in der preussischen Revolutions-Staatsregierung (der auch Otto Braun, Suedekum[11], Hugo Simon[12], Konrad Haenisch[13], Adolph Hoffmann[14], Wolfgang Heine[15] und Kurt Rosenfeld angehoerten). H. Stroebel lieferte einen der ersten literarischen Beitraege zur Geschichte der November-Revolution. Im Deutschen Reichstag vertrat er eine kurze Zeit den saechsischen [Wahlkreis] Chemnitz-Zwickau[16].
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Nazideutschland im fuenften Kriegswinter
Der Vorstand der SPD, Sitz London, hat wiederum eine Anzahl von Berichten aus Deutschland erhalten, die einen Einblick in die innerdeutschen Verhaeltnisse in den letzten Monaten des Jahres 1943 gestatten. In der nachfolgenden Uebersicht uebermitteln wir einen Auszug dieser Informationen unseren Freunden in der freien Welt.
1. Auswirkungen des Luftkrieges
Die Berichte ueber die Wirkungen und Folgen der alliierten Luftangriffe beziehen sich vor allem auf Berlin und Hamburg, sie stuetzen sich auf Beobachtungen vor Beginn der Grossangriffe auf Berlin. Ein geschulter Beobachter, der Berlin Anfang Dezember 43 besuchte und der auch aus seiner frueheren Taetigkeit persoenliche Kenntnisse der innerdeutschen Oppositionsbewegung besitzt, gibt folgende Schilderung:
"Die Stadt hat sich trotz der oft ziemlich langen Pausen zwischen den englischen Luftangriffen nie wieder richtig zu normalem Leben erholt. Es ist schwer abzuschaetzen, wie viele Menschen obdachlos oder getoetet wurden. Die Schilderungen in der neutralen Presse geben bei weitem nicht die Folgen in ihrer ganzen Schwere wieder. Berlin ist die Stadt der Hinterhoefe, und hinter jeder getroffenen Fassade an der Strasse verbirgt sich eine Flucht getroffener Gebaeude. Auch in der Zeit, in der keine Luftangriffe stattfanden, hoerte man die Schuesse von Sprengladungen. Technische Nothilfe und Armee sprengen die einsturzgefaehr[deten] Mauern und Haeuser. Die Strassen konnte man nach Tagen so weit freilegen, dass ein beschraenkter Verkehr moeglich war. Unter den Truemmern der Haeuser nach den in den Kellern verschuetteten Menschen zu suchen hatte man einfach keine Zeit. Man weiss, die Menschen sind laengst tot und man hat wichtigere Dinge zu tun, als nach Toten zu graben.
In den den gebombten Vierteln angrenzenden Strassen oder in den leicht beschaedigten Haeusern der gebombten Viertel lebt man seither entweder "im Freien" oder "unter staendiger Verdunkelung". Die Glaser der Stadt haben Anweisung, fuer jede Familie nur die Fenster eines Raumes zu reparieren, und auch das nur, soweit der Vorrat an Glas reicht. Die Leute muessen die Fensterfluegel beim Glaser abliefern, und dort werden sie solange eingelagert, bis sie an der Reihe sind oder Material vorhanden ist. Die anderen Fenster sollen mit Pappe oder Massonit verkleidet werden, das die staedtischen Bauhoefe - soweit der Vorrat reicht - zur Verfuegung stellen. Die Unterbringung der Ausgebombten ist ein ernstes Problem. Man hat in Berlin immer sehr eng gewohnt, und nun muss man noch mehr zusammenruecken. Die Evakuierung in andere Gebiete wurde sofort
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organisiert, aber auch das ging langsam. Die Eisenbahn hatte ihre eigenen Schwierigkeiten. Die Fernbahnen erreichten nach dem ersten und zweiten Grossangriff mit knapper Muehe die weitere Umgebung der Stadt. Zum Beispiel gingen die Zuege nach Magdeburg von Potsdam, in Richtung von Stendal ab Wustermark, nach Kremmen von Velten, nach Hamburg von Nauen, nach Mecklenburg von Oranienburg, nach Angermuende und Stettin von Eberswalde. Einige Tage spaeter konnte dann ein Teil der Zuege von ihren alten Stationen abgehen. Die Strassenbahn verkehrte noch am 30. November nur von den Aussenbezirken bis zu Punkten vor dem engeren Stadtkern. Endpunkte waren zum Beispiel: Hallesches Tor, Hermannsplatz, Goerlitzer Bahnhof, Strassenbahnhof Muellerstrasse, Zoo. Die S-Bahn verkehrte von Janowitzbruecke bis Charlottenburg nicht. Auf der Ringbahn war der Verkehr zwischen Halensee und Wilmersdorf unterbrochen. Im Stadtkern gab es ganze vier Autobuslinien. Nur die U-Bahn verkehrte bis auf eine Linie normal.
Man hat versucht, alle nur denkbaren Kraefte aufzubieten, um normalere Verkehrsverhaeltnisse zu schaffen. Auch die Bevoelkerung wurde zu Aufraeumungsarbeiten und zur Mithilfe an groesseren Verkehrspunkten eingesetzt. Es wurde sehr schlechte Arbeit geleistet. Einmal verlangte man von der uebermuedeten Bevoelkerung Unmoegliches, dann aber war die Stimmung denkbar schlecht. Die Ursache lag in den nicht mehr abreissenden kleineren Angriffen und den dann wieder folgenden neuen Grossangriffen. Die Menschen arbeiteten mit dem Gefuehl, dass die Arbeit sinnlos ist. Ein neuer Angriff am Abend kann das Werk des Tages wieder zerstoeren. Zum Beispiel: Der Lehrter Bahnhof war unter Einsatz aller verfuegbaren Kraefte nach einer Woche Arbeit soweit in Ordnung, dass vereinzelte Zuege verkehren konnten. Beim folgenden Grossangriff wurde die ganze Anlage wieder getroffen und zerstoert.
Auch die Behoerden haben ihre Schwierigkeiten. Viele Postaemter sind zerstoert. Man muss, um Ordnung zu bekommen, neue Kraefte aufnehmen. Das steht wieder im Widerspruch zu den Bestimmungen ueber die totale Mobilmachung. Viele Bankgebaeude wurden zerstoert, darunter die Deutsche Bank Unter den Linden. Die Industrie konnte ihre Loehne und Gehaelter nicht auszahlen, der Ueberweisungsverkehr, auch der des Postscheckamtes, ruhte. Nach Tagen wurden die Auszahlungen wieder aufgenommen, aber nur an Behoerden. Die Banken Berlins sind die Zentralen fuer das ganze Reich. Man hat nun Muehe, eine dezentralisierte Organisation zu schaffen.
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Das Wohnproblem in Hamburg ist ebenfalls besonders dringend. Nach der Beschlagnahme aller freien Wohnungen zeigte es sich, dass selbst bei Ueberbelegung der Zimmer bei weitem nicht alle Obdachlosen untergebracht werden konnten.
Die Behoerden gaben daraufhin bekannt, dass in der naechsten Umgebung Hamburgs kleine Betonhaeuser (20 bis 30 qm) gebaut wuerden. Die interessierten Obdachlosen verschafften sich daraufhin, mit vieler Muehe und grossen Kosten, ein Stueckchen Land, auf dem diese seltsamen Wohnbunker stehen sollten. Nach dem Angriff auf Berlin wurde aber mitgeteilt, dass mit dem Bau in diesem Jahr nicht zu rechnen sei. Heute hausen die Arbeiterfamilien in den windigen Lauben der Schrebergaerten und sehen mit Grauen dem Winter entgegen. Haeufig muessen diese Familien, die zumeist gewaltsam in diese Lauben eingebrochen sind, bei Rueckkehr des rechtmaessigen Besitzers wieder ausziehen, um sich [!] an anderer Stelle "einzubrechen". Die Polizei hat zur Zeit jede Kontrolle ueber die Bewohner dieser zigeunerhaften Lager verloren. Von der SS werden nunmehr oft Razzien in diesen nicht registrierten Wohnbezirken gemacht, da man glaubt, dass sich dort Deserteure verbergen.
Schweren Schaden der Schichauwerft in Danzig
als Folge eines Luftangriffes berichtet ein Danziger. Die Schaeden sind noch nicht behoben, [obwohl] Tag und Nacht gearbeitet wird. Die Werft baut vor allem U-Boote. Die Arbeiter muessen Tag und Nacht arbeiten, und sie werden wie die Hunde behandelt. Ein grosser Teil der Belegschaft besteht aus polnischen Zwangsarbeitern, die widerwillig arbeiten. Es kommen viele Sabotageakte vor. Man spricht in der Stadt Danzig davon, dass schon eine ganze Anzahl polnischer Arbeiter und auch Danziger, die mit ihnen sympathisierten, hingerichtet wurden. Die Schichauwerft beschaeftigt jetzt weit ueber 20.000 Arbeiter. Viele muessen in in aller Eile hergestellten Baracken arbeiten. Der Gesundheitszustand der Belegschaft ist sehr schlecht, aber nur diejenigen, die vom Vertrauensarzt als bettlaegerig krank befunden werden, duerfen die Arbeit auf Tage aufgeben. Die Danziger Bevoelkerung hat sehr starke Sympathien fuer die Polen und die Alliierten.
2. Die Stimmung in der Wehrmacht
Einen interessanten Bericht ueber die Stimmung in der deutschen Wehrmacht gibt ein deutscher politischer Fluechtling, der vor seinem Abtransport an die Ostfront ins neutrale Ausland entkommen konnte. Er wurde im Mai 1943 eingezogen. Bei der militaer-aerztlichen Untersuchung war er nur als garnisonverwendungsfaehig geschrieben. So erging es auch einem Herzkranken, der kurz darauf unter den Anstrengungen des Dienstes zusammenbrach und starb.
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Unser Berichterstatter kam in ein Ausbildungslager in einem okkupierten Land. Unter seinen zweihundert Kameraden befanden sich auch dreissig Elsaesser, die vorher drei oder vier Jahre bei den Franzosen gedient hatten und nun zum deutschen Militaerdienst gezwungen worden waren. Die Ausbildung dauerte nur drei Monate. In dem Ausbildungslager waren immer zehn bis zwoelf Mann in einer Stube untergebracht. Jedes Zimmer hatte Radio. Schon nach vierzehn Tagen wurde es ueblich, die deutschen Sendungen an die Wehrmacht aus London zu hoeren. Die Elsaesser hoerten die franzoesischen Sendungen aus London. Die einzige Vorsichtsmassnahme war, dass man einen Posten auf den Korridor stellte, um vor Ueberraschungen geschuetzt zu sein. Die Gefreiten oder Stubenaeltesten beteiligten sich an dem Abhoeren der Sendungen, und es kam zu keinem Verrat.
Der Berichterstatter war vor seiner Einberufung zum Heer im Mai 1943 zu Besuch in Hamburg. Er traf bei dieser Gelegenheit eine Anzahl frueherer Freunde aus dem Reichsbanner und der Sozialdemokratie, die in ihrer Gesinnung unveraendert geblieben waren.
Die Stimmung unter den Soldaten war sehr schlecht. Sie richtete sich gegen die Nazis, auch Hitler war von der Kritik nicht ausgenommen. Soldaten aus Hamburg, die nach der Zerstoerung der Stadt in Hamburg waren, kamen sehr [v]erbittert zurueck. Ihre Wut richtete sich aber nicht gegen die Englaender, sondern gegen die Nazis. - Der Dienst war sehr streng. Mehrere Soldaten wurden schwer herzkrank oder litten an anderen Folgen der Ueberanstrengung. Es wurde aber auf sie keine Ruecksicht genommen.
Ein junger schwedischer Sozialist, der bis vor kurzem an der norwegischen Grenze Militaerdienst zu leisten hatte, sprach in dieser Zeit mit vielen deutschen Soldaten. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, waren alle Gegner des Krieges und der Nazis. Es waren relativ junge Leute, und sie waren sehr erfreut, mit einem schwedischen Sozialisten sprechen zu koennen. Niemand von ihnen glaubte an einen Sieg Hitlers.
Verwundete, die von der Ostfront kommen, schildern die Stimmung unter den Soldaten ebenfalls als sehr schlecht. Man glaubt nicht mehr, den Russen standhalten zu koennen.
Das Gespraech unter den Soldaten dreht sich nur um die Frage, wie man aus dem Schlamassel herauskommt. Auf der anderen Seite hat man vor der Gefangenschaft durch die Russen noch immer die gleiche Angst wie vor der SS, die hinter der Front die Front zu halten versucht.
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Berichte aus Berlin illustrieren die ruecksichtslose Anspannung der Soldaten. Ein etwa dreissig Jahre alter Soldat, der bereits dreimal verwundet wurde und ausserdem malariakrank ist, wurde wieder an die Front geschickt.
Es mehren sich die Faelle in letzter Zeit, dass Soldaten, die auf Urlaub kommen, fruehere Freunde aus der Arbeiterbewegung aufsuchen, um sich mit ihnen politisch zu unterhalten, auch wenn sie Jahre hindurch keinen Kontakt miteinander hatten.
3. Allgemeine Stimmung der Bevoelkerung
Ein Berliner Berichterstatter, der bei seinem Besuch im neutralen Ausland gefragt wurde, wie er sich das Ende vorstelle, erklaerte: "Wir wissen, wenn wir den Krieg verlieren, wird Deutschland zerschlagen." In hohen Nazikreisen bestehe noch immer die Hoffnung auf einen Sonderfrieden mit Russland. Die Nazibonzen seien bereit, eine Wendung um 180 Grad vorzunehmen, um sich zu retten. Ueber Mussolinis "Befreiung" habe man in Berlin gelacht.
Ueber die Stimmung unter den Bauern berichtet der gleiche Berichterstatter, dass die Bauern - trotz schwerer Strafen - unbotmaessig seien und die Ablieferung von Weizen und Gemuese sabotierten. Die Huehner werden abgeschlachtet, weil sie keine ausreichenden Futterlieferungen erhalten. Die Bauern wollen lieber fremdlaendische Arbeiter als Verwandte und "deutsche Helfer".
Ein hoeherer Konsulatsbeamter eines neutralen Landes, der frueher in Hamburg taetig war und vor seiner Heimreise auch Berlin und andere Teile Deutschlands besucht hat, berichtet ueber seine Eindruecke: Die Stimmung in Hamburg, Berlin und anderen Orten ist verzweifelt. Niemand glaubt an einen Ausgang des Krieges, der fuer Deutschland einigermassen ertraeglich ist.
Die Arbeiterschaft ist gegen Krieg und Nazismus eingestellt, aber der Druck der SA und der Gestapo ist noch ausserordentlich stark. In Sueddeutschland, vor allem in Wuerttemberg, ist die Stimmung besonders deprimiert. Hier sind es nicht nur die Arbeiterkreise, die sich offen gegen den Nazismus aussprechen. Auch der Mittelstand und die Bauern, einst die treuesten Stuetzen Hitlers, verfluchen das Hitlersystem.
4. Der Mangel an Arbeitskraeften
Das heutige "Arbeitende Berlin" wird von einem Berliner wie folgt geschildert: In Berlin sieht und hoert man fast nur noch auslaendische Arbeiter. Es ist ein buntes Voelkergemisch, in dem die Deutschen immer seltener werden. Die Arbeitsleistungen der Auslaender werden sehr unterschiedlich beurteilt.
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Die Mobilisierung der Frauen habe nicht den erhofften Erfolg gehabt. Ihre Arbeitsleistung ist unbefriedigend und ihre Stimmung ist schlecht. - Auch alte Leute werden rigoros zur Wiederaufnahme einer Berufsarbeit oder zur vermehrten Arbeit gezwungen. Aus Berlin wird ein Einzelfall berichtet, in dem ein ueber 60 Jahre alter Baecker gezwungen wurde, neben seiner anstrengenden Berufsarbeit auch noch Arbeiten in der Strassenreinigung zu uebernehmen. Ein Hamburger Korbmacher, 74 Jahre alt, der bei den Luftangriffen alles verloren hat, wurde gezwungen, ausserhalb Hamburgs eine Arbeit als Korbmacher anzunehmen.
In Berlin betrachteten Oppositionelle im Herbst 1943 die Lebensmittellage als leidlich zufriedenstellend. Das gilt besonders in den Faellen, in denen Zuschuesse aus den Schrebergaerten zur Verfuegung standen. Dagegen besteht ein starker Fettmangel. Besonders empfunden wird der Mangel an besonderen Zuweisungen fuer Kinder, wie Suessigkeiten und Obst. Sehr gross ist der Mangel an Bekleidung.
Berichte aus Sachsen sprechen von einer zunehmenden Verschlechterung der Ernaehrungslage. Es werden alle moeglichen Ersatz-Nahrungsmittel auf den Markt gebracht, die auch nur auf Marken abgegeben werden. Das Neueste auf diesem Gebiet sind Gemuesewurst und Kartoffelwurst. Sie wurden mit folgender Bekanntmachung eingefuehrt:
In den Geschaeften werden in naechster Zeit Wuerste, und zwar Fleischwurst, Blutwurst und Leberwurst mit Kartoffelzusaetzen sowie Jagdwurst und Bratwuerstchen mit Gemuesezusatz, zum Verkauf gelangen. Diese vier Wurstsorten muessen einen ueber die ganze Laenge sich hinziehenden deutlichen sichtbaren Streifen von blauer oder violetter Farbe auf der Umhuellung tragen. Ferner muss in den Abgabestaetten an auffallender Stelle an der Wand oder unmittelbar bei der ausgelegten Ware ein Aushang oder ein Schild mit einem Hinweis auf die Fleisch-, Kartoffel- oder Gemueseanteile der mit Farbstreifen gekennzeichneten Wurst angebracht sein. Der Kartoffel- oder Gemuese-Anteil muss genau angegeben sein. Da derartige Wuerste sich nicht lange halten, duerfen sie in den heissen Monaten nicht verkauft werden.
6. Aus dem Lager der innerdeutschen Opposition
Wir bringen zunaechst eine zusammenfassende Darstellung eines geschulten Beobachters ueber seine Auffassung von der Staerke und den Vorstellungen der Opposition. Seine Meinung ist: Oppositionsregungen gegen das Regime sind stark im ganzen Volk.
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Alle Schichten sind davon erfasst. dass diese Oppositionsstimmung nicht zu Aktionen fuehrt, hat seine Ursache in zwei Punkten. Das Volk wurde fast ein Jahrzehnt in Furcht vor dem Machtapparat des Systems erzogen. Der Machtapparat laesst das Volk seine ganze Brutalitaet fuehlen. Die Traeger des Oppositionsgedankens sind in winzige Teile zersplittert, die ohne Verbindung miteinander leben. Je mehr das Leben der Menschen sich aber vom Normalen entfernt, umso mehr werden diese Schwierigkeiten ueberwunden. Gruppen von Sozialisten gibt es in allen Staedten. Ein deutlicher Beweis sind die enger werdenden Verbindungen der festgebliebenen Arbeiter mit den auslaendischen Arbeitern in den Betrieben.
Die Gruendung des Moskauer "Freies Deutschland Komitee"ist im Lande bekannt. Unter den frueheren Kommunisten ist die Aufnahme geteilt. Ein Teil bejaht sie, denn der Schritt kommt von Moskau. Ein anderer Teil lehnt sie ab. "Die Generale haben ja Hitler gross gemacht. Und nun, nachdem sie sehen, ihr Weg hat Deutschland ins Unglueck gefuehrt, sollen wir sie als Kampfgenossen betrachten?" Die Sozialisten lehnen die Gruendung als "Manoever" ab.
Man bedauert nur immer wieder, dass England nichts tut, um die Demokraten im Lande ideologisch zu stuetzen. Die Russen, so sagt man, waren bei der Gruendung zu plump. Die Arbeiter - bis auf den [...] oben erwaehnten Teil der Kommunisten - lehnen das Komitee ab. Das Buergertum ebenfalls, dieses aus Furcht vor dem Bolschewismus, die immer noch eine Realitaet ist. Die Englaender haetten es leichter, auf dem Boden des demokratischen Gedankens die Menschen zu erfassen. Leider fehlt ihnen die richtige propagandistische Einstellung dazu. Die Sympathien des uebergrossen Teils des Volkes gehoert ihnen.
Ein anderer Berliner Berichterstatter, der aber keine Beziehungen zur Arbeiterbewegung hat, ist hinsichtlich der Moeglichkeiten einer Aktion der Opposition sehr skeptisch:
Die Arbeiter verdienen, was sie wollen. Sie sind apathisch, gehen abends ins Kino, ins Theater oder in Konzerte, die alle ueberfuellt sind. Wenn auch die grosse Mehrzahl keine Nazis sind, so sind sie aber durch die Antreiberei in den Betrieben so abgearbeitet und willenlos, dass sie zur Zeit keine Gefahr fuer das System darstellen. Hinzu kommt der furchtbare Terror, der mit jedem Tag zunimmt. Auch die Exekution von Intellektuellen wegen defaetistischer Aeusserungen wirkt sehr abschreckend. Unter den Intellektuellen ist eine starke Stroemung fuer den Sturz des Systems.
Dieser pessimistischen Beurteilung der Haltung der Arbeiterschaft stehen Informationen aus den Kreisen der sozialistischen
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Opposition gegenueber, die wesentlich optimistischer klingen. Aus einer deutschen Grossstadt wird in getarnter Form ueber die Taetigkeit einer sozialistischen Gruppe berichtet: "Unser Sportverein ist trotz der schweren Zeit sehr fleissig. Viele der alten Sportfreunde haben ihre Passivitaet aufgegeben. Auch die jungen Sportfreunde, soweit sie nicht im Felde stehen, ueben fleissig."
Aus einem anderen Gebiet des Reiches kommt an den Vertrauensmann im neutralen Ausland die kurze Mitteilung: "Wir rechnen bestimmt damit, Dich in Kuerze bei uns begruessen zu koennen."
Die Bootswerft von Hachts, die an einem Alsterkanal im Stadtteil Hamburg-Barmbek liegt und waehrend der schweren Angriffe zum Teil zerstoert wurde, sollte mit dem restlichen Inventar nach der Suedelbe uebersiedeln. Die Werft baute zuletzt Vorschiffe fuer U-Boote. Als die wertvollen Spezialmaschinen auf einer Schute verstaut waren, kenterte diese und sank. Da die Arbeiter sich vorher lange geweigert hatten, die Arbeit auf der Werft wieder aufzunehmen, erklaerte man den Unfall als Sabotage und verhaftete die Beteiligten.
(Abgeschlossen Anfang Februar 1944)
Deutsche Luftkriegs-Wirtschaft
Im Januar 1944 erreichte die Bombenoffensive gegen Deutschland einen neuen Hoehepunkt. Das Gesamtgewicht der Bomben, die seit Beginn des Krieges ueber Deutschland abgeworfen wurden, wird rund 220.000 bis 230.000 Tonnen betragen.
Ueber Grossbritannien sind in der ganzen Kriegsperiode ungefaehr 70.000 bis 80.000 Tonnen gefallen.
Der Hauptangriff der deutschen Luftoffensive im Jahre 1940 richtete sich gegen London. Grosslondon wurde von rund 7.500 Tonnen getroffen. Umgekehrt ist Berlin in den vergangenen Monaten das Hauptziel der britischen Angriffe geworden.
Der Unterschied ist, dass das Gewicht der Bomben, die auf Berlin fielen, rund 20.000 Tonnen betraegt.
Diese Zahlen sagen aber nichts aus ueber den Grad der Zerstoerung. Das gleiche Bombengewicht kann heute groessere Wirkungen erzielen als im Jahre 1941. Das deutsche Gebiet und die Zahl der deutschen Staedte ist auf der anderen Seite bedeutend ausgedehnter und groesser.
Ungefaehr 50% der deutschen Grossstaedte sind ganz oder teilweise zerstoert, mindestens aber der innere Kern. Wenn die gleiche Intensitaet der Luftoffensive und die gleiche Wirkung angenommen wird, muesste in weiteren ein bis zwei Jahren alle staedtischen
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Zentren in Deutschland voellig zerstoert sein. Eine wesentliche Voraussetzung fuer dieses Ergebnis waere das vorzeitige Ende oder auch die Hilflosigkeit der deutschen Verteidigung gegen die Luftoffensive. Es kann heute schon mit einiger Sicherheit gesagt werden, dass die erhoffte Wirkung auf die Moral der deutschen Bevoelkerung bisher ausgeblieben ist. Waehrend der Sommermonate waren die Nazi-Propagandisten ausserordentlich unsicher. Sie fuerchteten einen physischen Zusammenbruch der Bevoelkerung.
Die Luftverteidigung war unzureichend und die Massenevakuierung ueberstieg die Kraefte der verschiedenen Nazi-Organisationen. Im Verlaufe der Luftoffensive stellte sich aber heraus, dass zwischen den einzelnen Angriffen oft genug Zeit blieb, Notloesungen zu finden, die es erlaubten, die Kriegsproduktion weiter zu fuehren. Es liegt in der Natur der Luftangriffe, dass sie zwar ueber grosse Entfernungen praktisch alle deutschen Staedte treffen koennen, dass sie aber gleichzeitig isolierte Kriegshandlungen bleiben, vergleichbar einem artilleristischen Trommelfeuer, dem kein Angriff mit Infanterie und Tanks folgt.
Ein anderer Nachteil der Luftoffensive ist, dass sie im wesentlichen noch aus Nachtangriffen besteht.
Amerikanische Bombengeschwader haben zwar im Januar 1944 einen neuen Versuch gemacht, in verhaeltnismaessig klarem Wetter bei Tage Mitteldeutschland anzugreifen. Das Ergebnis hat aber wahrscheinlich den Aufwand nicht gelohnt. Es zeigte sich, dass die deutsche Luftverteidigung nicht nur staerker sondern auch erfolgreicher geworden war. Es scheint aber eine Tatsache zu sein, dass die alten und die neuen Industrieanlagen und die Gebiete in Boehmen, Mitteldeutschland und in Schlesien nur wirkungsvoll in Tagesangriffen getroffen werden koennen.
Es gibt leider keine Moeglichkeit, den Grad der Zerstoerung zu schaetzen. Deutsche Berichte sprechen nur von Wohnvierteln. Britische und amerikanische Berichte sind haeufig entwertet durch mangelhafte Kenntnisse der Ziele, waehrend der Berichte neutraler Beobachter oft wertlos sind. Im Verlaufe der letzten Angriffe auf Berlin wurde Neukoelln in verschiedenen Berichten einmal in den Osten, das andere Mal in den Westen der Stadt verlegt.
Abgesehen von diesen uebertrieben oder schoen gefaerbten Berichten bleibt jedoch die Tatsache, dass das zivile und industrielle Leben Deutschlands mit dem Sommer des vergangenen Jahres einen neuen Charakter angenommen hat.
Es kann kurz als Luftkriegswirtschaft bezeichnet werden. Die Massenevakuierung der Bevoelkerung und der Fabriken ist nahezu beendet.
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Sueddeutschland, Oesterreich und die oestlichen Provinzen sind die Hauptaufnahmegebiete.
Wichtige Fabriken, die im Ruhrgebiet, in Hamburg und in anderen Staedten zerstoert wurden, sind teilweise wieder in Betrieb gesetzt oder "verlagert" worden. Der Ausdruck "verlagert" hat verschiedene Bedeutung.
In vielen Faellen heisst es nichts anderes, als dass die Arbeiter einer zerstoerten Fabrik nach Mitteldeutschland, Oesterreich oder Schlesien transportiert wurden, wo sie einfach einer bestehenden Fabrik eingegliedert wurden.
Es kann auch heissen, dass gerettete Menschen irgendwo in Deutschland in kriegsmaessig gebauten Werkshallen neu installiert wurden. Manchmal heisst es, dass die Auftraege, an denen in einer zerstoerten Fabrik gearbeitet wurde, einer anderen Fabrik uebergeben wurden.
Es ist kein Zweifel, dass der Luftkrieg alle Teile der Kriegswirtschaft getroffen hat. Die Tatsache kann jedoch nicht bestritten werden, dass kein Teil entscheidend getroffen worden ist. Die physische Mobilitaet der totalitaeren Kriegswirtschaft ist betraechtlich und die charakteristische "Stossproduktion" macht es moeglich, zum Schaden anderer Teile der Wirtschaft Materialien und Arbeiter fuer bestimmte Zwecke bis zum aeussersten zu konzentrieren. Die Stimmung und die Lebenshaltung der Bevoelkerung spielt dabei keine Rolle.
Gleichzeitig hat die Luftverteidigung bedeutend zugenommen. Gegen die Tagesangriffe der amerikanischen Bomber sind Massenangriffe geschlossener Jaegerformationen entwickelt worden. In der Nacht werden Einzeljaeger mit Radio zu ihren Angriffsobjekten geleitet. Raketenkanonen, staerkere Leuchtbomben, grosskalibrige Maschinengewehre usw., jedes fuer sich eine Weiterentwicklung der bestehenden Waffen, werden massenweise verwendet. Nur in wenigen Naechten, in denen Wolken und Nebel jede Luftverteidigung mit der Ausnahme von Artillerie verhindern, koennen Angriffe voll wirksam werden.
Im Augenblick hat der Luftkrieg einen Hoehepunkt erreicht. Eine neue Steigerung scheint nur moeglich zu sein, wenn die Angriffsmethoden einen neuen Vorsprung ueber die Verteidigung gewinnen koennten.
Mitglieder-Versammlung der der "UNION" angehoerigen Organisat[ionen].
Freitag, d[en] 18. Februar, 7.30 Uhr, im
Austrian Labour Club, 31, Broadhurst Gardens, London, N.W.6.
Erwin Schoettle spricht ueber "Die Lage in Deutschland".
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Deutschlands Zukunft im Spiegel der Presse
Aeusserungen ueber die Frage der Behandlung Deutschlands nach dem Siege der Alliierten haben sich in letzter Zeit so gemehrt, dass es nicht moeglich ist, einen vollstaendigen Ueberblick ueber alle die verschiedenen (oft einander schroff widersprechenden) Vorschlaege und Voraussagen zu geben, die in Form von Buechern und Reden, Broschueren, Artikeln und Briefen aufgetaucht sind. Zur Information unserer Leser und Freunde geben wir jedoch den Inhalt dreier Veroeffentlichungen wieder, die schon wegen der Publizitaet, die sie gefunden haben, Beachtung verdienen.
Im "FORUM" der "NEW YORK HERALD TRIBUNE"
wurde in November 1943 in der Reihe der Reden ueber Zeitprobleme eine Rede ueber den Wiederaufbau Deutschlands gehalten. Der Redner war Dr. Christian Gauss[17], der Dekan der Princeton University, deren einstiger Praesident Woodrow Wilson Gauss an seine Universitaet berufen hatte.
Dr. Gauss wandte sich zunaechst gegen die Theorie, dass Deutschland wegen seiner biologischen Erb-Eigentuemlichkeiten unverbesserlich militaristisch sei. Er wies darauf hin, dass die Angelsachsen deutscher Abstammung sind, dass die Schweizer, die besten Republikaner Europas, zu siebzig Prozent Deutsche sind und dass einige der hervorragendsten Amerikaner in diesem Kriege wie Eisenhower und Willkie[18] deutscher Herkunft sind.
"Nicht die biologische Erbschaft der Deutschen ist uebel, sondern die Erbschaft ihrer Einrichtungen, die man in dem Worte Preussentum zusammenfassen kann. Preussische Junkergenerale haben Hitlers Armeen organisiert und kommandieren sie. Der Erfolg des Preussentums war so gross, dass erst wenn diese Armeen entscheidend geschlagen sind, das Preussentum verschwinden und der Wiederaufbau beginnen wird."
Dr. Gauss fasste dann die Punkte zusammen, in denen bereits Einigkeit besteht und Beschluesse gefasst wurden:
1. Es wird kein Separatfriede geschlossen werden,
2. Unbedingte Kapitulation wird gefordert,
3. Hilfe wird allen gewaehrt, die in Not sind,
4. Oesterreich wird unabhaengig werden,
5. Kriegsverbrecher sollen in den Laendern bestraft werden, wo sie ihre Verbrechen veruebten. Zu diesem Punkte bemerkte Gauss, dass nur jene, die gesetzlich definierbare Verbrechen begangen haben, verhaftet werden sollen. Er erinnerte an den amerikanischen Buergerkrieg und den Marsch der Nordstaaten - Armee General Sherman[19] durch die Suedstaaten im Jahre 1865 und warf die Frage auf, ob auch nur ein Leutnant der Nord-Armee unbestraft
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geblieben waere, wenn die Suedstaaten zu Gericht gesessen haetten.
Als weiteren Punkt, ueber den Einigkeit herrscht, erwaehnte Gauss die Forderung, dass alles, was privat und offiziell geraubt wurde, zurueckerstattet werden muss. Er wies auf die Groesse des Problems hin, die sich aus einer offiziellen amerikanischen Schaetzung ergibt, derzufolge der deutsche Raub bereits 36 Milliarden Dollar betraegt. Und er fuegte hinzu, dass ein Teil davon in Produktionsmitteln besteht, was die Deutschen zur Errichtung eines eigenen Produktions-Systems befaehigte. "Kein Profit von diesen Diebstaehlen darf in deutschen Haenden bleiben. Aber wenn die Vereinheitlichung der Produktion die Produkte, die Europa benoetigt, besser herstellen kann, dann muss sie fuer diesen Zweck gebraucht werden. Hitler hat im ganzen besetzten Europa Freihandel und ein gemeinsames Waehrungs-System eingefuehrt. Diese Waehrung wird bald wertlos sein, aber unter unserer Protektion muessen Freihandel und gemeinsame Waehrung in Schrittmacher des Wiederaufbaus verwandelt werden. Alles, was das Bewusstsein gemeinsamer Interessen in Zentral-Europa foerdern kann, muss nutzbar gemacht werden."
Gauss wies dann darauf hin, dass Polen in der Erklaerung nach der Moskauer Konferenz unerwaehnt blieb und sagte: "Polens Problem ist zu kompliziert. Eine Zeit lang wird keine deutsche Minderheit ohne militaerischen Schutz in Gebieten leben koennen, die von Voelkern wie den Polen beherrscht sind, die Hitler versklavt hat, aber der polnische Korridor ist polnisch und sollte es bleiben. Ostpreussen ist der Stammsitz der Junker und von Deutschland durch diesen ethnischen Korridor getrennt. Geruechte gehen, dass man die Bevoelkerung vielleicht verpflanzen und das Land den Polen geben koennte. Aber das wuerde das Problem nicht loesen, da Land und Boden selbst mit deutscher Geschichte vollgesogen sind. Weder der Korridor noch Ostpreussen koennen in solide Blocks souveraener nationalistischer Staaten eingefuegt werden. Grenzen sollten unwichtiger und nicht wichtiger gemacht werden. Wir wollen hoffen, dass strittige Gebiete nicht sofort in streng nationalistische Staaten eingezwaengt werden. Die Tuer muss fuer eine Art Foederation offen bleiben. Solche Gruppierungen kann man nicht erzwingen, aber wenn z.B. die sueddeutschen Staaten Berlin nicht mehr zur Hauptstadt wollen, dann muss ihnen erlaubt sein, danach zu handeln."
Gauss erklaerte weiter, man koenne mit Sicherheit vorhersagen, dass Deutschland in den naechsten 30 Jahren angesichts der wachsenden Bevoelkerung und Staerke Russlands keinen Wunsch haben wird, gegen Russland Krieg zu fuehren. "Wenn Deutschland keine Alliierten hat, wird es neben Russland harmlos sein."
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Was die deutsche Um-Erziehung anbetrifft, so werden die Taten der Nazis und ihre Folgen die besten Lehrmeister sein. Die Misserfolge des Fuehrers werden das Fuehrer-Prinzip zum Verschwinden bringen. Aber, sagte Gauss, das genuegt nicht. "Wir muessen jene politischen Mittel und jene Einstellung zustande bringen, die das Verzweiflungsgefuehl der Zeit nach Versailles beseitigt, das so viele Menschen und eine Reihe von Nationen der Diktatur zugeneigt machte. Hier liegt vor uns allen ein langer, schwerer Weg."
Gauss wies auf die Notwendigkeit ueber-nationaler Organisationen in unserer Zeit hin, weil Demokratie und moderne Industrie nur auf weltweiter Basis gedeihen koennen.
"Wissenschaft und Technik sind ihrer Natur nach nicht-nationalistisch. Der Friede von Versailles versuchte, diese gleichmachenden und ausdehnenden Kraefte, die fuer die Weltdemokratie wirken, in nationalistische Zwangsjacken zu pressen. Er schuf damit technologische Arbeitslosigkeit. Sicher war die groesste Schoepfung des Ersten Weltkrieges die Sowjetunion, deren Entstehung man in Versailles am eifrigsten zu verhindern bemueht war. Das ist das Urteil der Geschichte ueber Versailles."
Am Schluss sagte Gauss: "Deutschland wird viele Jahre lang der kranke Mann Europas sein. Es wird keinen bequemen Ausweg geben, und es waere Heuchelei, wenn wir schoene Versprechungen machten. Der politische und oekonomische Schwerpunkt Europas rueckt bereits nach Osten.
Viele Leute fragen, wo die Fuehrerschaft in Deutschland herkommen soll. Die beste Antwort ist: wahrscheinlich aus den Konzentrationslagern. Es gibt 71 solcher Lager, in denen sich 1.200.00 Deutsche, nur ein Bruchteil davon Juden, befanden. Sie haben am schwersten gelitten und erkennen zutiefst, dass die Staatsform, die Preussen erzwang und die Hitler ausnuetzte, ein hoffnungsloser Anachronismus ist. Wenn diese Lager geoeffnet und ihre Gefangenen freigelassen werden, dann hoffe ich, sie und wir werden darin einig sein, dass die schliessliche Loesung fuer Deutschland und Europa nur in einer Art weniger nationalistischer Union oder Foederation innerhalb einer viel geeinteren und demokratischen Welt gefunden werden kann."
"DAILY EXPRESS" und "DAILY MAIL",
zwei der meistgelesenen englischen Tageszeitungen, veroeffentlichten am 5. Januar 1944 Vorschlaege ueber die Behandlung Deutschlands nach dem Kriege. Nachstehend wollen wir unseren Freunden auch den Inhalt dieser Veroeffentlichungen verkuerzt wiedergeben.
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Im "DAILY EXPRESS" schrieb der Historiker Robert M. Rayner[20] ueber dieses Thema. Er betonte, dass das Urteil ueber Deutschland, wenn es Dauer haben soll, ohne Rachlust erfolgen muss. "Waehrend dieser Kriegsjahre sagen wir immer wieder, dass der Versailler Vertrag zu milde war. Aber es ist eine historische Tatsache, dass einer der Hauptgruende fuer sein Versagen das Gefuehl in England und Amerika war, dass er zu hart war. Was die Amerikaner betrifft, so veranlasste sie ihr Widerwille gegen diesen Frieden, der, wie sie meinten, die Waffenstillstandsbedingungen ignorierte, zur Ablehnung dieses Friedens und des Voelkerbundes.[21] Das war ein weiterer Hauptgrund fuer die seitherigen Leiden der Welt."
Rayner wies dann auf einen wichtigen Umstand hin: "Wir und unsere Alliierten waren in gewissem Sinne Mitschuldige an den Uebeltaten des Angeklagten. Wir hatten eine Chance, Hitler Einhalt zu gebieten, als er wieder aufruestete und das Rheinland re-militarisierte. Damals war Deutschland schwach, waehrend wir mit unseren Alliierten stark waren; aber unsere Nerven versagten. Die Verbrechen gegen Abessinien, Oesterreich, Spanien, Tschechoslowakei und Albanien waren die Folge."
Wir sollten deshalb Deutschland nicht als boesartigen Verbrecher betrachten, der bestraft werden muss, sondern als moerderischen Wahnsinnigen, der geheilt werden muss.
"Sobald er ueberwaeltigt ist, muessen ihm die Waffen genommen und er muss in eine Zwangsjacke gesteckt werden, und dann muessen wir die ueblen Geister austreiben, von denen er besessen war; andernfalls koennten wir niemals wagen, ihm die Zwangsjacke abzunehmen. Und das wuerde zu einer unmoeglichen Situation fuehren. Denn niemand kann annehmen, dass blosse Haerten ihn jemals zaehmen werden. Konnte jahrhundertelange militaerische Besatzung und politische Unterdrueckung den nationalen Widerstand in Irland und Polen vernichten? Und die Deutschen sind, wenigstens zahlenmaessig, eine unvergleichlich groessere Nation als Polen und Iren." Hinzu kommt, dass es zu den Fehlern von 1918 gehoerte, anzunehmen, dass die bestehenden politischen Verhaeltnisse von Dauer sein werden, dass Italien und Japan Verbuendete, die Sowjetunion bedeutungslos und Frankreich die Vormacht Europas bleiben wuerde. "Kann man vernuenftigerweise auch nur 30 Jahre gemeinsamer Bemuehungen der jetzigen Sieger bei der Niederhaltung Deutschlands gegen seinen Willen erwarten? Blosse Unterdrueckung wird alte Wunden offenhalten, und sobald ein Mangel an Einigkeit unter den Alliierten ihren Griff lockert, wird die alte Geschichte von Gewalt und Terror wieder von vorn beginnen."
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Ein weiterer Irrtum von 1919 war die Annahme, dass die blosse Errichtung einer Mittelstands-Republik genuegen wuerde, um ein neues Deutschland zu schaffen. "Die alten Herrschaftsklassen - Offizierskorps und Grosskapitalisten - wurden intakt gelassen, um der politischen Revolution Einhalt zu gebieten, als sie drohte, sich in sozialen und oekonomischen Umsturz zu verwandeln."
Damals fuerchtete man den Bolschewismus. Heute ist es anders. "Darum werden wir diesmal in der Lage sein, die deutsche Revolution, die grossen Junker-Gueter und die grossen Industrie-Konzerne zerbrechen zu lassen. Die Deutschen muessen ihre eigene Erloesung auf ihre eigene Art herbeifuehren, sobald die Vereinten Nationen, die ihnen bereits gezeigt haben, dass Nazismus nicht zur Weltmacht, sondern zum Ruin fuehrt, sie vom Joche des Terrors befreit haben. Die Garantie, dass sie ihren Staat friedlich aufbauen koennen, ohne Furcht vor einer Wiederkehr der Gestapo oder Waffen-SS, wird von einer anglo-amerikanischen Okkupations-Armee gegeben werden. (Wahrscheinlich koennte keine Nation, die durch deutsche Okkupation gequaelt wurde, zu einer psychologischen Heilung beitragen, die unser Hauptziel waere.) Stalin hat bereits angedeutet, dass die Russen dafuer keine Zeit haetten."
Die Okkupationsarmee sollte aus erstklassigen Berufs-Soldaten, Matrosen und Piloten bestehen, "die sich Respekt verschaffen und den Eindruck erwecken werden, dass ihr Ziel nicht Beleidigung und Unterdrueckung, sondern Gewaehrung von Sicherheit ist. Sie wird uebers ganze Land verteilt werden und auf unbegrenzte Zeit bleiben. Ihre erste Pflicht wird es sein, Kriegsgericht ueber Kriegsverbrecher zu halten. Das Netz muss weit ausgeworfen, die Prozesse muessen summarisch, die Urteile drastisch sein. Tod fuer alle, die Greuel anordneten; Zwangsarbeit in den besetzten Gebieten Polens und Russlands fuer jene, die sie mit unnoetigem Eifer ausfuehrten. Und ganz nebenbei wird dieses grosse Gericht Deutschland von seinen uebelsten und gefaehrlichsten Schichten befreien."
Ueber Reparationen wird gesagt, dass sie soweit wie moeglich gehen sollen, ohne eine wirtschaftliche Wieder-Erholung zu verhindern. "Wir wissen jetzt zuviel, um zu glauben, dass Europa jemals gluecklich und wohlhabend werden kann, wenn sich in seiner Mitte ein bankrottes und verzweifeltes Deutschland befindet."
Die Entwaffnung Deutschlands muss vollstaendig sein. "Kein Soldat, kein Matrose, kein Pilot, kein Geschuetz, Kriegsschiff oder Militaerflugzeug, keine bewaffnete Polizei und keine halbmilitaerischen Freiwilligen. Die innere Ordnung und aeussere Sicherheit wird von der anglo-amerikanischen Besatzungsarmee garantiert." Die Beseitigung der Ruestungslast wird, selbst wenn
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man die Kosten fuer die Besatzungsarmee in Rechnung stellt, die wirtschaftliche Erholung Deutschlands beschleunigen. Die Vereinigten Nationen werden inzwischen die Errichtung einer internationalen Streitkraft herbeifuehren, um kuenftige Sanktionen verwirklichen zu koennen. "Und wenn Ruestungen aufhoeren, Symbole nationaler Groesse zu sein, kann die Besatzungsarmee aus einem Deutschland zurueckgezogen werden, das faehig ist, sich den Vereinigten Nationen anzuschliessen."
In der "DAILY MAIL" erschien unter dem Pseudonym "VICTORY"[22] ein
"Plan zur Behandlung Deutschlands",
der eine lange, meist kritische Debatte nach sich zog. Seine Hauptpunkte waren:
"Deutschland soll daran [ge]hindert werden, abermals Krieg zu fuehren." Dazu wurde vorgeschlagen: voellige Entwaffnung, Aufloesung der deutschen Armee, Flotte und Luftflotte, Beschlagnahme oder Vernichtung allen Kriegsmaterials, aller Waffen, Kriegsschiffe und Flugzeuge, Abmontierung oder Zerstoerung aller Fabriken, die Explosivstoffe, Gas, Flugzeuge oder andere Waffen fabrizieren. Ein Jahr lang nach der Kapitulation soll Deutschland von alliierten Truppen besetzt werden, die Deutschlands Entwaffnung durchfuehren werden. Dem deutschen Volke soll auf immer das Recht genommen werden, Explosivstoffe oder Kriegswaffen herzustellen oder einzufuehren. Die europaeische Kommission, die aus je drei britischen, amerikanischen und russischen Mitgliedern bestehen soll, soll die alliierten Militaerbehoerden bei der Zerstoerung der deutschen Kriegsindustrie beraten. Nach Durchfuehrung der Entwaffnung wird die Kommission zweimal jaehrlich eine Inspektion vornehmen. Sollte keine Einmuetigkeit erreicht werden, soll Mehrheitsbeschluss erfolgen. Diese Inspektionen sollen 75 Jahre lang vorgenommen werden. Sollte Deutschland die Bestimmungen zu verletzen versuchen, wird ihm die Warnung zugehen, dass nach sieben Tagen die Kriegsmaterialien oder Kriegsfabriken durch Bomber zerstoert werden. Russische, britische und amerikanische Bomber werden den Beschuss ausfuehren.
Die europaeische Kommission wird fuenf deutsche Professoren beauftragen, ein Komitee zur Leitung der Erziehung in Deutschland zu bilden. Dieses Komitee wird durch Mehrheitsbeschluss die deutschen Professoren und die Leiter aller Universitaeten und Schulen ernennen. Die Mitglieder des Komitees werden alle drei Jahre ernannt. Auch diese Bestimmung soll 75 Jahre in Kraft bleiben.
Die zweite Hauptforderung ist: "Deutschland soll im Wirt-
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schaftsleben Europas seinen Platz einnehmen, der seinem Umfang und seiner Bevoelkerung entspricht. Es wird darin ermutigt werden, in Industrie, Wissenschaft und Gelehrsamkeit und Kunst zum Nutzen der Welt beizutragen."
Dazu wird gefordert, dass bei Beendigung der alliierten Besetzung eine deutsche Regierung unter der gemeinsamen Leitung der Sowjetunion, Grossbritannien und der USA gebildet wird, die Freiheit der Rede, der Religion und der Presse garantiert und drei Jahre an der Macht bleiben soll. Dann soll das deutsche Volk nach eigenem Willen eine Regierung waehlen..
Der deutschen Nation soll das Gebiet gehoeren, das sie 1937 hatte, mit Ausnahme Ostpreussens, das binnen vier Jahren nach dem Waffenstillstand Polen abgetreten werden soll. Deutsche Minderheiten ausserhalb Deutschlands sollen, falls sie es wuenschen, das Recht haben, nach Deutschland zu ziehen.
Nach Ende der militaerischen Besetzung soll Deutschland die diplomatischen Beziehungen mit allen Staaten wiederaufnehmen.
Feuerwaffen fuer Polizei und Aufrechterhaltung der inneren Ordnung werden von der europaeischen Kommission zugeteilt.
Deutschland darf eine Handelsflotte unterhalten und Zivilflugzeuge fuer Passagiere und Frachten, deren Zahl die europaeische Kommission festsetzt und die in einer bestimmten Fabrik gebaut werden muessen. Deutschland wird bei internationalen Arbeitskonferenzen vertreten sein und gleichberechtigtes Mitglied in einer Kommission internationaler Wirtschaftsberater fuer gemeinsame Nachkriegsprobleme sein. Doch sollen Nationen, die unter der deutschen Besetzung litten, bei der Zuteilung von Rohmaterial, Maschinen, Vieh und Lebensmitteln bevorzugt werden.
Die alliierten Regierungen sollen sich bemuehen, zu verhindern, dass Deutschlands Lebens-Standard unter den einer anderen europaeischen Nation faellt.
Als dritte Hauptforderung wird die Bestrafung der Kriegsverbrecher genannt. Solche, die Greuel in den besetzten Laendern veruebten, sollen gemaess den Beschluessen von Teheran in jenen Laendern abgeurteilt werden. Ausserdem sollen die Regierungen der Sowjetunion, Grossbritannien und der USA eine Liste der Deutschen aufstellen, die fuer den Ausbruch des Krieges verantwortlich waren. Diese Deutschen sollen lebenslaenglich nach Sibirien exiliert werden, unter Arrangements, welche die Sowjetregierung treffen soll.
Freiwillige Beitraege, die uns die Herstellung und die Versendung dieser news-letter ermoeglichen, an
Wilh. Sander, 33, Fernside Avenue, London, N.W.7 erbeten.
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["REYNOLDS NEWS"]
In "REYNOLDS NEWS" nahm der englische Sozialist H. N. Brailsford
zur Frage der deutschen Ostgrenzen
am 30. Januar 1944 in dieser vielgelesenen Londoner Sonntagszeitung folgende Stellung ein:
"... Die von der Moskauer Union polnischer Patrioten erhobenen Forderungen sind phantastisch: Ostpreussen, Danzig, Pommern rechts der Oder, Oberschlesien und Niederschlesien. Es handelt sich fast um 9 Millionen Menschen. Diese ganze Bevoelkerung soll ausgetrieben werden, um den Ruin und die Verwirrung in dem Rest des Reiches zu vermehren. Auch drohen die Tschechen damit, drei Millionen Deutsche aus ihrem Gebiet zu vertreiben. Das kann nicht geschehen: 12 Millionen sind zuviel. Selbst Hitler, der polnische und tschechische Bauern in Massen zu vertreiben begann, musste damit aufhoeren. Oder sollen wir ihn an Brutalitaet ueberbieten?
Aber selbst wenn zwei oder drei Millionen vertrieben werden, was dann? Wohin sie kommen, werden sie Sendboten des Hasses und der Revanche sein. Nicht die Nazis, sondern das neue demokratische Deutschland wird diskreditiert werden. Wenn es sich dem Schicksal fuegt, wird es der Verachtung verfallen. Wenn es zu protestieren versucht, wird es zerschmettert werden.
Die Masse des deutschen Volkes wird diese verlorenen Provinzen genau so wenig vergessen wie die Franzosen das Elsass vergessen konnten. Wir wuerden sie durch eine solche Handlung lehren, dass noch immer die nackte Gewalt, die mit Moral und Menschlichkeit nichts zu tun hat, die Welt regiert.
Ist das die Wieder-Erziehung, die wir wollen?
Jeder weiss, dass diese Provinzen fast gaenzlich deutsch sind. Als die einzigen zweifelhaften Distrikte Ostpreussens durch ein Voelkerbund-Plebiszit geprueft wurden, ergaben sich Mehrheiten von 92 und 98 Prozent fuer Deutschland.[23]
In Pommern, Danzig und Niederschlesien ist die Zahl der Polen nicht [der] Rede wert. Nur Oberschlesien hat eine beachtenswerte polnische Minderheit. In seine Provinzialvertretung wurden unter der Republik nach dem Verhaeltniswahlsystem 3 Polen unter 55 Vertretern gewaehlt, weniger als 6 Prozent. Keine der anderen Provinzen entsandte je einen einzigen Angehoerigen einer polnischen Partei in den Reichstag.
Auch in Kriegszeiten muss sich die Labour Party an ihr sozialistisches Gewissen erinnern. Kein Sozialist und kein Demokrat kann solche Forderungen unterstuetzen. Wenn wir ihnen als Partei keinen Widerstand leisten, tolerieren wir imperialistische Gewaltakte, welche die Hoffnung unserer Kinder auf Frieden vernichten."
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Deutsche Sozialisten in der Schweiz[24]
hatten sich in vergangenen Jahre wiederholt in internen Beratungen mit der Zukunft eines freien Deutschland in einem freien Europa beschaeftigt, die ihren Niederschlag in folgenden programmatischen Vorschlaegen fanden:
1. Eingliederung Deutschlands in eine europaeische und internationale Rechtsgemeinschaft. Verzicht auf jede Gewaltpolitik.
2. Beseitigung aller nationalsozialistischen Gesetzte und Einrichtungen. Strengste Suehne der nationalsozialistischen Verbrechen. Beseitigung der Gestapo. Reinigung des Staatsapparates von allen Nationalsozialisten und ihren Wegbereitern.
3. Wiederherstellung der persoenlichen und politischen Freiheitsrechte. Sicherung der Demokratie. Koalitionsrecht. Ersetzung des totalen deutschen Einheitsstaates durch eine foederative Republik. Demokratische Selbstverwaltung der Laender und Gemeinden.
4. Enteignung des Grossgrundbesitzes. Sozialisierung der Schwerindustrie und des Banken- und Kreditwesens.
5. Wiederaufbau der gesamten Volkswirtschaft nach einem einheitlichen Plan unter Ausschaltung kapitalistischen Profitstrebens. Foerderung aller Zweige des Genossenschaftswesens.
6. Aufbau einer durchgreifenden Sozialpolitik mit dem Ziel der Sicherung einer menschenwuerdigen Existenz jedes Einzelnen.
7. Neuaufbau des gesamten Erziehungswesens im Geiste der Freiheit, Gerechtigkeit und Humanitaet, unter Ausschluss von Rassenwahn und Nationalitaetenhass.
8. Foerderung und Mitarbeit bei allen Bestrebungen zu internationaler Zusammenarbeit, mit dem Ziel wirtschaftlicher, kultureller und politischer Foederation.
Ein freier deutscher Kulturbund in Schweden
wurde Ende Januar 1944 in Stockholm von Angehoerigen verschiedener parteipolitischer Richtungen der politischen deutschen Emigration und schwedischer Staatsbuerger gegruendet.
Der Bund will durch Vortraege, Publikationen, Veranstaltungen literarischer und musikalischer Art und durch Auffuehrungsabende der "Freien Buehne"[25] allen freiheitlichen und demokratischen Deutschen in Schweden die Moeglichkeit geben, sich zur wahren deutschen Kultur zu bekennen und an ihrem Wiederaufbau im Rahmen der in Schweden gegebenen Moeglichkeiten teilzunehmen.
Durch Austauschvortraege und gemeinsame Veranstaltungen soll auch die Zusammenarbeit mit den schwedischen und anderen skandi-
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navischen Freunden eines demokratischen Deutschland gefoerdert werden. Der "SWEDISH PRESS"[26] entnehmen wir, dass der Vorsitzende des Bundes, Dr. Max Hodann[27] ausdruecklich auf die unpolitische Aufgabe des Bundes in seiner gesamten Taetigkeit hingewiesen hat. Verschiedene Meldungen, die die Gruendung des Bundes in Stockholm in Zusammenhang mit dem Nationalkomitee "Freies Deutschland" in Moskau und der "Freie Deutsche Bewegung" in London und Mexiko bringen wollen, werden von unseren Partei-Freunden in Stockholm ausdruecklich als Falschmeldungen bezeichnet, die unpolitische Aufgabe wird stark unterstrichen.
Union deutscher und oesterreichischer Sozialisten in Mexiko
Die Union wurde vor etwa einem Jahre gegruendet, sie ist keine politische Partei, sondern eine sozialistische Arbeitsgemeinschaft. Ihre Mitglieder gehoerten und gehoeren den verschiedensten politischen Parteien und Richtungen an wie z.B. SAP, SPD, RS[28] und Gewerkschaften. Ihre Mitglieder sind sich in den wichtigsten sozialistischen Fragen einig. Sie sind der Meinung, dass nur der Sozialismus imstande ist, alle jene Probleme zu loesen, die bisher Anlass zu dauernden wirtschaftlichen Krisen und Kriegen gewesen sind. Dieser Sozialismus muss antitotalitaer sein und [wird] die Verbindung einer politischen Demokratie mit einer Planwirtschaft zu loesen haben. Die Planwirtschaft wird als generelle Wirtschaftsbasis fuer unausbleiblich [!] gehalten, ebenso die politische Demokratie, die der Arbeiterklasse und [ihren] Verbuendeten Rechte und Freiheiten gewaehren muss, die weit ueber das Mass der buergerlichen Demokratie hinausgehen sollen. Als naturgemaesse Voraussetzung dafuer wird die Umgestaltung des gegebenen Wirtschafts- und Staatsapparates gehalten. Die Union betrachtet es als ihre Aufgabe, mit allen deutsch-sprachigen sozialistischen Organisationen in Kontakt zu bleiben, um gemeinsam die grundsaetzlichen sozialistischen Zukunftsfragen zu diskutieren. Die Anschrift der "Union" ist: Walter Stein[29], Tacambaro 4-10, Mexiko D.F.
"Léon Blum before his judges"[30]
Dies Buch - mit einem Vorwort Mr. Attlees und einem Bilde versehen - war bisher im Buchhandel nur fuer sh 6/- erhaeltlich. In einer billigen, ungekuerzten Volksausgabe macht die Labour Party diese glaenzende Verteidigungsrede Léon Blums allen Sozialisten fuer sh 1/- zugaenglich. Diese leidenschaftliche Rechtfertigung der Politik Blums und der franzoesischen Sozialisten sollte jeder Genosse lesen.
"YOUR HOME" ist die neueste 3d-Propagandaschrift der Labour Party, die, reich illustriert, die Leser mit dem grossen Bauprogramm der englischen Arbeiterpartei nach dem Kriege bekannt macht.[31]
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der diesjaehrige Vorsitzende der britischen Labour Party, ist am 4. Januar 1944 an den Folgen eines Herzschlages verstorben. Mit G. Ridley hat die englische Arbeiterbewegung einen hervorragenden Gewerkschaftler und Sozialisten verloren. Wir und die kontinentale Arbeiterbewegung verlieren in ihm einen Freund wirklich internationaler sozialistischer Gesinnung. Seine verstaendnisvolle und freundschaftliche Gesinnung gegenueber uns deutschen Sozialisten im Exil brachte er kurz vor seinem Tode in einem Brief an den Genossen Wilh. Sander zum Ausdruck, in dem es hiess:
"... I subscribe fully to the point of view expressed by Hans Vogel at the meeting of the German Social Democratic Party held in London on June 18th, 1943 ... To achieve in the German people a preponderating majority who would themselves be vitally interested in liquidating German militarism ... and to develop in Germany a system of true Democracy and peaceful European and international cooperation.
That is the policy for which I stand and for which I believe the British Labour Party stands, and I hope it will be the definite policy of all the Allies when the war is over."
An den General-Sekretaer der Labour Party, J. S. Middleton, richtete Genosse Hans Vogel ein Beileids-Schreiben. In diesem Schreiben heisst es:
"...Comrade Ridleys objectivity, his kindness, generosity and unselfish helpfulness has always filled us with deep admiration. He possessed to a high degree the ability to see and appreciate other people's situation and viewpoints. With Comrade Ridley we lose an honoured friend, and the death of this fighter and comrade leaves a gap in the ranks of the international labour movement which it will be difficult to fill. As the chairman of the Social Democratic Party of Germany and the `Union of German Socialist Organisations in Great Britain' I have the honour of assuring the Labour Party and comrade George Ridley's family of our deepest sympathy.
With socialist greetings, ..."
LABOUR PRESS SERVICE[32]
teilt mit, dass der diesjaehrige Jahres-Parteitag der Labour Party vom Montag, den 29. Mai, bis Freitag, den 2. Juni, in der Central Hall, London, stattfinden wird. Nachfolger als chairman der Labour Party wurde Miss Ellen Wilkinson, M.P., vice-chairman Prof. Harold Laski.
Issued by the London Representative of the German Social Demo-
cratic Party, 33, Fernside Avenue, London N.W.7. Tel. MIL 3915
Editorische Anmerkungen 1 - "Lennard": Philipp Lenard (1862 - 1947), Physiker, 1905 Nobelpreis für Physik. Nach dem Mord an Walther Rathenau hatte die Regierung Beflaggung aller öffentlichen Gebäude mit den Reichsfarben Schwarz-Rot-Gold angeordnet. Lenard, ein Deutschvölkischer und früher Parteigänger der NSDAP, hatte dieses für sein Heidelberger Physikalisches Institut abgelehnt und den Dienstbetrieb an diesem Tag aufrechterhalten. Vgl. Richard Albrecht: Der militante Sozialdemokrat Carlo Mierendorff. 1897 bis 1943. Eine Biografie, Berlin-Bonn 1987. 2 - "Die Dachstube" (Untertitel: Flugblätter. Zwanglos und kostenlos von der Vereinigung die Dachstube herausgegeben), erschien 1915-1918 in Darmstadt. 3 - Der Titel der Schrift von Mierendorff lautet: Hätte ich das Kino!!, Berlin 1920. 4 - C. Mierendorff war von 1922 bis 1924 in Berlin Angestellter des Wirtschaftsbüros des Deutschen Transportarbeiterverbandes, umbenannt später in Deutscher Verkehrsbund. 5 - Mierendorffs Zeit als Redakteur in Darmstadt dauerte von 1925-1926. Der "Hessische Volksfreund" (Untertitel: Organ für die Interessen der arbeitenden Bevölkerung) erschien als sozialdemokratische Tageszeitung von 1907-1933. 6 - Werner Best (1903 - 1989), Jurist, früher Parteigänger der NSDAP, 1933 Landespolizeipräsident, später Reichssicherheitshauptamt, 1942-1945 sog. Reichsbevollmächtigter in Dänemark. Wurde 1931 als Assessor aus dem hessischen Staatsdienst entlassen, weil man ihn beschuldigte, die sog. Boxheimer Dokumente verfasst zu haben. Die Boxheimer Dokumente fassten Diskussionen hessischer NSDAP-Funktionäre (geführt im Boxheimer Hof bei Bürstadt/Bergstrasse) zusammen. Sie enthielten Pläne für eine nationalsozialistische Machtübernahme, so z. B. die Liquidierung politischer Gegner. Vgl. Ulrich Herbert: Best. Biographische Studien über Radikalismus, Weltanschauung und Vernunft, 1903-1998, Bonn 2001. 7 - Die "Sozialistischen Monatshefte" (Vorläufer: "Der sozialistische Akademiker") erschien 1897-1932 in Berlin. 8 - Sergej Tschachotin (1883 - 1973), sowjetischer Naturwissenschaftler, 1930-1933 Gastwissenschaftler in Heidelberg, ab 1933 Exil. 9 - Auf der Reichstagung am 17.5.1933 sollte eine von den Nationalsozialisten vorgelegte Friedensresolution (Bejahung einer friedlichen deutschen Außenpolitik) abgestimmt werden. In der SPD-Restfraktion entstand Streit darüber, ob man der Sitzung demonstrativ fernbleiben, eine eigene Resolution vorlegen oder aber der NSDAP-Resolution zustimmen sollte, ohne das als Vertrauensvotum für Hitler anzusehen. Für die letztgenannte Variante entschieden sich 48 von 65 anwesenden SPD-MdR. 10 - Paul Hirsch (1868 - 1940), sozialdemokratischer Journalist, Kommunalpolitiker, 1908 als einer der ersten SPD-Abgeordneten im Preußischen Abgeordnetenhaus, 1918 - März 1919 leitete er das Preußische Innenministerium, 1919-1920 Preußischer Ministerpräsident. 11 - Albert Südekum (1871 - 1944), sozialdemokratischer Journalist, 1900-1918 MdR, Preußischer Finanzminister November 1918 bis März 1920. 12 - Hugo Simon (1880 - 1950), Bankier, USPD-Mitglied, Kunstsammler und Förderer avantgardistischer Künstler, 1933 über die Schweiz nach Paris, dort Mitarbeit in sozialdemokratischen Flüchtlingshilfsstellen, 1937 ausgebürgert, 1940 Flucht nach Brasilien. 13 - Konrad Haenisch (1876 - 1925), sozialdemokratischer Journalist, 1911 Leiter der Flugblattzentrale des PV der SPD in Berlin, Preußischer Kultusminister 1918-1921. 14 - Adolph Hoffmann (1858 - 1930), Graveur und Vergolder, MdR SPD (USPD) 1904-1924, Preußischer Kultusminister November 1918 - Januar 1919, "Zehn-Gebote-Hoffmann" genannt nach einer von ihm verfassten Broschüre: Die 10 Gebote und die besitzenden Klassen. 15 - Wolfgang Heine (1861 - 1944), Jurist, Rechtsanwalt, Sozialdemokrat und MdR bzw. Mitglied der Nationalversammlung 1898-1920, November 1918 Preußischer Justizminister, März 1919 - März 1920 Preußischer Innenminister, ab 1933 Exil in der Schweiz. 16 - Heinrich Ströbel (1869 - 1944), sozialistischer Schriftsteller, vertrat von 1924 bis 1932 den Wahlkreis Chemnitz-Zwickau im Reichstag. 1917 war er der USPD beigetreten. Er war Mitherausgeber der Zeitschrift "Klassenkampf", ab 1933 Exil in der Schweiz. 17 - Christian Gauss (1879 - 1951), amerikanischer Sprachwissenschaftler, 1913-1936 und 1943 ff. Universitätsdekan, 1944 Vorsitzender der American Association for a Democratic Germany. 18 - Wendell Lewis Willkie (1892 - 1944), amerikanischer Politiker (Demokr. Partei), 1940 Präsidentschaftskandidat der Republikaner.
19 - William Sherman (1820 - 1891), 1864 führender General der Nordstaaten im Amerikanischen Sezessionskrieg. 20 - Vgl. Robert M. Rayner und Willis T. G. Airey: Britain and world affairs. 1783-1936, London - New York - Toronto 1938 (Untersuchung über Britannien und die Weltpolitik). 21 - Die internationale Organisation des Völkerbundes entstand 1920, nicht zuletzt auf Anregung der USA. Die Amerikaner traten jedoch diesem Völkerbund nicht bei. 22 - Der Pseudonymträger konnte nicht ermittelt werden. 23 - Im südlichen Ostpreußen wurde im Juli 1920 eine Volksabstimmung darüber durchgeführt, ob die Gebiete Teil des Deutschen Reichs bleiben oder an Polen angegliedert werden sollten. 24 - Es handelt sich dabei um einen Gesprächskreis, aus dem im März 1945 die "Union deutscher Sozialisten" hervorging. 25 - Die Freie Bühne in Stockholm war im Oktober 1943 zum ersten Mal unter diesem Namen in Erscheinung getreten. Es handelte sich um ein Ensemble deutscher und schwedischer Schauspieler, die Theatervorstellungen in deutscher Sprache gaben. 26 - Möglicherweise Publikationsorgan der Schwedischen Botschaft in London . 27 - Max Hodann (1894 - 1946), deutscher Arzt und Sexualpädagoge, Mitgründer des Internationalen Jugend-Bundes (später Internationaler Sozialistischer Kampfbund), Gründer der ersten Mütterberatungsstelle in Berlin, nach der "Machtübernahme" in Haft, ab 1933 Exil in der Schweiz, 1934 Norwegen, 1935 ausgebürgert, 1937/38 Militärarzt in Spanien, 1938 Norwegen, 1940 Schweden. 28 - = Revolutionäre Sozialisten. 29 - Walter Stein, der als österreichischer Ingenieur in Deutschland gearbeitet hatte, war Mitglied der SPD gewesen. 30 - The Labour Party (Hrsg.): Léon Blum before his judges. At the Supreme Court of Riom, March 11th and 12th, 1942. Foreword by Clement Attlee. Introduction by Felix Gouin, London o. J. (1944). 31 - The Labour Party (Hrsg.): Your Home planned by Labour, London Dezember 1943 32 - Ein von der Labour Party in London herausgegebener, z. T. gedruckter und unregelmäßig erscheinender Pressedienst, dessen Erscheinen 1961 eingestellt wurde. |