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[Seite der Druckausg.: 7]

Begrüßung
Dr. Christine Bergmann

Meine sehr geehrten Damen, mein sehr geehrter Herr,

als stellvertretende Vorsitzende des Forums Ostdeutschland und als Berliner Senatorin für Arbeit, Berufliche Bildung und Frauen sowie Bürgermeisterin liegen mir die Themen, die heute angesprochen werden sollen, sehr am Herzen, und ich freue mich deshalb ganz besonders, Sie alle im Namen des Forums Ostdeutschland und der Friedrich-Ebert-Stiftung zu begrüßen.

Ich freue mich auch auf die heutige Veranstaltung, weil ich wieder ein paar Stunden in Leipzig bin, der Stadt, in der ich von 1958 bis 1963 meine Studienjahre verbrachte. Es ist schön, zu sehen, was hier in der Zwischenzeit entstanden ist.

Sie finden auf Ihrem Platz die Dokumentation der ersten Veranstaltung vom November 1997 in Berlin, die wir zum Thema „Frauen nach der Wende, Frauen im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umbruch" durchgeführt haben und die wir heute - zum Teil mit den gleichen, zum Teil mit neuen Teilnehmerinnen - fortsetzen wollen.

Dieses Thema soll an vielen Orten diskutiert werden. Wir werden uns für die nächste Etappe Mut machen und bilanzieren, was Frauen in diesen Zeiten des Umbruchs erreicht haben. Wir werden über die Perspektiven von Frauen nach der Wende zu verhandeln haben, über Perspektiven von Frauen im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umbruch.

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Im Sinne dieser inhaltlichen Kontinuität darf ich Sie auch zu der Veranstaltung des Forums Ostdeutschland in Halle am 28. März einladen, auf der es noch einmal um diese Thematik gehen wird. Wir werden uns mit dem Thema „Frauen und Arbeitsmarkt" und allen dazugehörigen Aspekten beschäftigen. „Die solidarische Gesellschaft" - das ist unsere ureigenste Angelegenheit, also auch unser Thema. Sie sind alle herzlich eingeladen, zu allen Themen mitzudiskutieren.

Wir können heute auf den Berliner Ergebnissen aufbauen, und ich hoffe, daß wir unsere Forderungen weiter konkretisieren werden. Wir werden nicht schönreden, was sich in den vergangenen Jahren getan hat. Aber Frauen als ein starkes Stück Osten sind für mich nicht vorrangig Verliererinnen der Einheit. Das wäre lähmend. Wir müssen uns als Handelnde in den Prozessen, die jetzt stattfinden, begreifen.

Ich möchte, daß Frauen Protagonistinnen der Zukunft sind, die mit ihren Erfahrungen und Wünschen, mit ihrem Handeln und Einmischen in Politik und Gesellschaft Vorbild sein könnten für das Modell der Frauen im Deutschland des nächsten Jahrhunderts. Dazu sollen Sie heute auch alle beitragen.

Wir haben zu wenig Frauen an führender Stelle in der Politik. Das trifft auch für die neuen Bundesländer zu. Aber wenn wir die Landesregierungen in den neuen Ländern betrachten, dann fällt auf, daß wir 4 Ministerinnen für den Bereich Arbeit haben, 3 Finanz- und 3 Kultusministerinnen. Wenn es schwierig wird mit den Finanzen, sind Frauen offensichtlich gut geeignet. Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, daß die Finanzlage in Berlin wahrscheinlich am allerschwierigsten ist, und wir haben eine sehr tüchtige Finanzsenatorin. Frauen tragen in Bereichen Verantwortung, die gerade in den neuen Ländern von großer Bedeutung sind: Finanzen, Arbeit, berufliche Bildung, Frauen, Bildung insgesamt, Schule.

Trägt das zu einer Veränderung der politischen Kultur bei? Ministerinnen können in den Politikfeldern eine Menge bewegen. Aber allein können sie noch keine grundsätzlichen Veränderungen in den Ministerien bewirken.

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Wir müssen uns dazu auch einmal anschauen, wie es unterhalb der Ebene der Ministerinnen oder der Minister aussieht. Es gibt noch sehr viel zu tun. Nach bisher noch unvollständigen Ergebnissen einer vom Freistaat Sachsen initiierten Länderumfrage zur Zahl der Abteilungs- und Referatsleiterinnen in den obersten Landesbehörden der Bundesländer liegt der Anteil von Frauen an den Abteilungsleitungen bei 9 Prozent. In Berlin arbeiten 3 der insgesamt 8 Abteilungsleiterinnen in meiner Verwaltung, in der Senatsverwaltung für Arbeit, Berufliche Bildung und Frauen. In Mecklenburg-Vorpommern sind es 8 Prozent, ganz konkret 5 von 62 Abteilungsleitungen. Wir haben noch einen langen Weg vor uns. Aber ich denke, die Gleichstellungsgesetze der Länder sind hier ein wichtiges Instrument. Unter der Voraussetzung der Einzelfallprüfung hat der Europäische Gerichtshof die Quotenregelung mit seinem Urteil vom letzten Jahr bestätigt, und wir werden die rechtlichen Regelungen nutzen.

Ohne Quote kommen wir im Osten nicht weiter.

Im Bereich des öffentlichen Dienstes hilft uns die Ländergesetzgebung. Aber wir brauchen natürlich mehr als rechtliche Grundlagen. Unentbehrlich sind die Netzwerke der Frauen untereinander. Heute knüpfen wir weiter an diesem Netz, um uns kennenzulernen, um zu wissen, wo überall gute Frauen sitzen und im entscheidenden Moment auf sie zurückgreifen zu können.

Wir ermutigen und unterstützen ausdrücklich auch junge Frauen, sich aktiv zu beteiligen, um Mandate zu kämpfen und Positionen zu besetzen, und nicht darauf zu vertrauen, daß ihre gute Qualifikation ihnen den beruflichen Weg ebnen wird. Das ist eine aktuelle Diskussion, die ich häufiger mit jungen Frauen führe, die sich – worüber ich mich freue - mit sehr viel Optimismus auf den Berufs- oder Karriereweg machen. Aber da liegen eine Menge Fallstricke verborgen, und die besser qualifizierte Frau setzt sich nicht automatisch gegenüber dem weniger qualifizierten Mann durch.

Ich möchte noch einen Punkt ansprechen, der in den letzten Tagen gerade in Sachsen in der Öffentlichkeit stand, das ist ein Vorschlag des

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sächsischen Sozialministers, für ein steuerfinanziertes Erziehungsgehalt von 1.100 Mark monatlich für jedes Kind bis zum dritten Lebensjahr und dann weiter 800 Mark. Das hört sich zunächst einmal sehr gut an.

Familien mit Kindern leben oft unter schwierigen Bedingungen, die KITA-Gebühren werden ständig erhöht, weil die Länder, selbst unter finanziellen Nöten leidend, keine anderen Möglichkeiten mehr sehen. Natürlich müssen gerade junge Familien entlastet werden, und zwar ganz erheblich.

Man kann eine steuerliche Entlastung der Familien herbeiführen, wie es die SPD in der Frage der Steuerreform vorgeschlagen hat. Man kann ein anständiges Kindergeld finanzieren. Der genannte Vorschlag zur Zahlung von Erziehungsgeld löst bei mir aber die große Sorge aus, daß wir bezahlen sollen, damit die Frauen dem Arbeitsmarkt fernbleiben. Zumindest liegt diese Gefahr sehr nahe.

Zu überlegen ist, welche Entlastung der Familien sich auch im Interesse des Anteils der Frauen an der Erwerbstätigkeit positiv auswirkt und nicht zum entgegengesetzten Effekt führt. Ich bin eigentlich sehr dankbar, daß wir heute auch über die Ergebnisse der Kommission für Zukunftsfragen der Freistaaten Bayern und Sachsen diskutieren werden und sicher auch noch eine Menge an Information dazubekommen. Das sind Konzepte, die als Zukunftspolitik angeboten werden.

Ich denke, wir müssen uns mit einigen Punkten sehr kritisch auseinandersetzen und immer wieder die Frage stellen: „Was bedeutet das für uns Frauen?" Teilzeit und geringfügige Beschäftigung werden als sehr lobenswert dargestellt. Gegenüber einer allgemeinen Arbeitszeitverkürzung hat man jedoch große Bedenken. Aber auf dem Arbeitsmarkt helfen würde den Frauen eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung und nicht mehr Teilzeit, deren Effekt es sein könnte, daß die letzten Vollzeit arbeitenden Frauen auf die Teilzeitstellen geschoben werden.

Zu appellieren, Teilzeit sei auch für Männer da, hilft wenig. Solange es keine rechtliche Handhabe gibt, werden es überwiegend die Frauen sein,

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die Teilzeit arbeiten. Freiwillig werden Männer kaum eine Zweidrittel-Stelle nehmen. Das ist auch in meiner Verwaltung nicht der Alltag.

Ich denke, es ist wichtig, daß wir uns mit diesem Papier auseinandersetzen und danach fragen, was sich hier auf die Durchsetzung von Fraueninteressen auswirkt, welche Positionen wir unterstützen und wo wir Bedenken anmelden sollten.

Wir leben in einer Mediengesellschaft: Über die Medien werden Rollenbilder geprägt und Meinungen gemacht. Wir wissen, daß Frauen in diesem Bereich immer noch in der zweiten Reihe zu finden sind, und Frauen aus dem Osten kommen fast nicht vor. Auch im Kulturbetrieb sind Frauen eher als schmückendes Beiwerk, denn als Handelnde gefragt.

Frauen sind selten unter den Präsidenten der Stiftungen, unter den Intendanten der Bühnen oder unter den sonstigen Größen des kulturellen Veranstaltungsgeschäftes zu finden. Männer dominieren. Eine weibliche Intendantin haben wir in Berlin. Vielleicht gibt es in Ihren Ländern, wo das große Geld bewegt wird und wo wirklich viel entschieden wird, andere Erfahrungen.

Frauen sind in der Kultur häufig in den Bereichen aktiv, wo es mehr um die Liebe zur Sache geht als um Geld, wo für die Anerkennung gearbeitet wird oder für die eigene Befriedigung und weniger Einfluß auf den Kulturbetrieb genommen werden kann. Wir werden über den Einfluß der Frauen auf unsere Kultur im letzten Teil der Veranstaltung intensiver diskutieren.

Einstreuen möchte ich nur noch, was die Präsidentin der Hochschule der Künste von Hamburg in einer Veranstaltung sinngemäß dazu sagte: „Im Kulturbetrieb ist es eigentlich noch schwieriger, weil die Herren Künstler immer der Meinung sind, daß sie sowieso alles abdecken. Sie verkörpern auch das weibliche Element in sich. Sie sind also sehr breit angelegt. Deswegen muß man sich da eigentlich noch weniger darum kümmern, daß man auch Frauen in den entsprechenden Stellen hat." Ich freue mich auf diese Diskussion heute.

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Nutzen möchte ich die Gelegenheit noch, um allen an der Vorbereitung dieser Veranstaltung Beteiligten zu danken, ganz besonders natürlich Gisela Zierau von der Friedrich-Ebert-Stiftung und Brigitte Blattmann, die hier vor Ort alles mit viel Mühe vorbereitet haben. Ebenso danke ich allen Moderatorinnen, allen Referentinnen, dem Referenten und Ihnen natürlich, den Teilnehmerinnen, die Sie sicher auch mit großen Erwartungen hierher gekommen sind. Ich denke, wir werden mit viel Gewinn diskutieren.

Ich erinnere noch einmal daran, daß wir am 28. März in Halle die nächste Veranstaltung durchführen, die dann unter dem Titel steht „Die Frauen - ein starkes Stück Osten". Das wollen wir dort deutlich machen, daß dieses „starke Stück Osten" nicht nur ein Stückchen ist, sondern daß wirklich viele Frauen zu diesem „starken Stück Osten" stehen. Es wird um die Zukunftsperspektiven von Frauen auf dem Arbeitsmarkt, in der Ausbildung und in der Wissenschaft gehen und um Solidarität.

Ich wünsche uns heute ein paar sehr interessante Stunden, und noch einmal herzlichen Dank allen, die hier viel Mühe investiert haben.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 1999

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