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Eckpunkte einer zukünftigen Energiepolitik im Europäischen Binnenmarkt : Thesenpapier / von Christoph Dänzer-Vanotti ; Gert von der Groeben ; Jan Zilius - [Electronic ed.] - Berlin, 2001 - 10 Bl. = 26 KB, Text.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001

© Friedrich-Ebert-Stiftung


INHALT











Zusammenfassung

  1. Energie ist ein globales Thema, das im Rahmen einer liberalen, marktwirtschaftlichen Wettbewerbsordnung entwickelt werden muß. Die Strukturen der Energiewirtschaft sind kapitalintensiv und auf lange Zeiträume angelegt. Kurzfristige politische Richtungsänderungen bergen deshalb das Risiko erheblicher Kapitalvernichtungen in sich.

  2. Aufgrund der von der EU-Kommission im Grünbuch geschätzten Verbrauchszuwächse wird die europäische Energieversorgung noch lange Jahre zu 85% auf fossilen Energien und der Kernenergie beruhen. Erneuerbare Energien können die "klassische" Energie nicht ersetzen, müssen jedoch in Zukunft einen wachsenden Anteil decken und deshalb mit Augenmaß entwickelt und gefördert werden. Dies gilt angesichts der globalen Bevölkerungsvermehrung mit steigenden Wohlstandserwartungen auch weltweit.

  3. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Veränderungen innerhalb des bewährten energiepolitischen Zieldreiecks "Wettbewerbsfähigkeit", "Versorgungssicherheit" und "Ressourcenschonung" notwendig sind, um der Maßgabe einer nachhaltigen Entwicklung ("Sustainable Development") gerecht zu werden. Staatliche Regulierung und unternehmerische Verantwortung müssen hier gemeinsam im Interesse einer nachhaltigen Entwicklung zusammenwirken. In diesem Punkt hat Europa schon deshalb eine wichtige internationale Vorbildfunktion, weil es anderen Teilen der Triade sowohl in energie- wie umweltpolitischer Hinsicht deutlich voraus ist. (Wettbewerb in der Energieversorgung, Energieeffizienz, Umweltverträglichkeit der Energieversorgung, Qualität der Energieversorgungsinfrastruktur)

  4. Die Europäische Union steht in energie- aber auch umweltpolitischer Hinsicht vor der Aufgabe, die Herausforderungen einer Erweiterung in Richtung Mittel- und Osteuropa zu meistern und zugleich eine Harmonisierung der Rahmenbedingungen voranzutreiben, um die Funktionsfähigkeit des Europäischen Binnenmarktes herzustellen.

  5. Gerade durch die unterschiedliche Geschwindigkeit der Marktöffnung ist der europäische Stromwettbewerb verzerrt. Hinzu kommt, daß staatliche Versorger weiter gegen private Unternehmen konkurrieren. Der Wettbewerb mit zwei und mehr Geschwindigkeiten in Europa muß beendet werden. Die Forderung der EU-Kommission nach einer beschleunigten Öffnung aller Energiemärkte bis 2005 ist richtig und notwendig. Die inhaltliche Ausgestaltung der vollen Marktöffnung sollte gemäß dem Subsidiaritätsprinzip den Mitgliedsstaaten überlassen bleiben, notwendig sind jedoch ein fairer Netzzugang für alle und voller Wettbewerb auf allen Wertschöpfungsstufen.

  6. Die vorhandenen nationalen fiskalischen und ordnungsrechtlichen Eingriffe in die Konkurrenz der Energieträger und Erzeugungsformen untereinander widersprechen einer vollen Marktöffnung mit fairen Wettbewerbsbedingungen. Der relevante Markt muß auch in kartellrechtlicher Sicht Europa heißen. Die bisherigen Anstrengungen zur Vereinheitlichung der indirekten Steuern sind Stückwerk und verzerren den Wettbewerb.

    Auch bei nationalen Regelungen im Interesse des Umwelt- und Klimaschutzes darf die Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft nicht vernachlässigt werden. Die Umlagen für erneuerbare Energien und Kraft-Wärme-Kopplung mit jährlich rund 4,5 Mrd DM belasten auch die deutsche Wirtschaft gegenüber internationalen Wettbewerbern. So ist nur durch europaweite Konkurrenz bei den einzelnen erneuerbaren Energien erreichbar, daß sich die Energieträger durchsetzen, die auch in weltweiter Hinsicht ein hohes Marktpotential haben.

  7. Die Kernenergie bleibt in der EU Bestandteil der Stromversorgung, während in Deutschland nach der Verständigung zwischen Bundesregierung und führenden Energieunternehmen vom 14 Juli 2000 eine Laufzeitbegrenzung je Anlage auf 32 Jahre vereinbart wurde.

  8. Die Versorgung mit heimischer Steinkohle wird nach einer Absprache zwischen Bundesregierung und EU-Kommission weiterhin, wenn auch degressiv, gefördert und trägt zum Sockel an Versorgungssicherheit bei.

  9. Die Energiepolitik der Europäischen Union muß angesichts wachsender Energieimporte der Versorgungssicherheit erhöhte Aufmerksamkeit widmen, wie die EU-Kommission es in ihrem Grünbuch fordert. Offene Märkte einerseits und die Reduzierung des Energieverbrauchs sind geeignete Mittel und erhöhen die Versorgungssicherheit. Die Energieproduktivität muß und kann dabei noch erhöht werden, insbesondere im Verkehrssektor und im Bauwesen. Die Entkopplung des Wirtschaftswachstums und des Energieverbrauchs geht weiter. Weitere Energieeinsparungen im Verkehrs- und Gebäudesektor müssen gefordert und gefördert werden.

  10. Um einen weltweit wirksamen wie auch ökonomisch effizienten Klimaschutz zu erreichen, ist es dringend notwendig, ein international abgestimmtes Vorgehen zu erreichen trotz zu erwartender Widerstände der neuen US-Regierung. Auf Grundlage des Kyoto-Protokolls muß weiterhin versucht werden, sämtliche Industrienationen als auch die Schwellen- und Entwicklungsländer in den Klimaschutz einzubinden. Dabei gilt es, die Kyoto-Mechanismen (Joint Implementation, Clean Development Mechanism, Emissions Trading) für eine global effiziente Reduktion der Treibhausgase nutzbar zu machen. Europa hat im Bereich des Klimaschutzes eine Vorreiterrolle übernommen, die nicht zu Lasten der Wettbewerbsfähigkeit seiner Wirtschaft führen darf.


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1. Neujustierung der Energiepolitik

  • Der weltweite Primärenergieverbrauch wird sich entsprechend den Berechnungen des Weltenergierates bis 2020 um 65% erhöhen. Verdoppeln wird sich der weltweite Stromverbrauch. Denn Strom ist und bleibt die Wachstums- und Modernisierungsenergie weltweit, auch in der Informations- und Wissensgesellschaft. Dabei wird der Energieverbrauch der Entwicklungs- und Schwellenländer schneller als in den Industrieländern steigen und diese im Jahre 2020 knapp 50 % der Energieressourcen beanspruchen.

  • Auch die Klimagasemissionen steigen weltweit an: um 30-40% bis 2020 (Quelle: Weltenergierat). Von diesem Anstieg entfallen 75% auf die Entwicklungs- und Schwellenländer, die heute allerdings nur 25 % der CO2-Emissionen verursachen.

  • Die gegenwärtigen Entwicklungen auf den weltweiten Energiemärkten sind Ausdruck der zu Grunde liegenden weltwirtschaftlichen Verschiebungen: Die Verdreifachung des Ölpreises zwischen Januar 1999 und September 2000 ist nachfrageseitig vor allem zurückzuführen auf die Belebung der wirtschaftlichen Entwicklung in Süd-Ost-Asien, die weiterhin gute konjunkturelle Entwicklung in Nord- und Südamerika sowie die wirtschaftliche Belebung in Europa. Hinzu kam angebotsseitig eine deutliche Drosselung der OPEC-Förderquote. Die absehbaren Tendenzen sind: Bei weltweit steigendem Energieverbrauch werden trotz aller Erfolge in der Erkundung und dem Aufschluss neuer Vorräte die Zeiten niedriger Energiepreise vorläufig der Vergangenheit angehören. Die Weltwirtschaft wird sich auch wegen der Wiederbelebung des OPEC-Kartells auf steigende Energiepreise einstellen müssen. Die Weltenergiemärkte funktionieren. Wie sehr die sich auf diesen Märkten ergebenden Preise reale Knappheitspreise sind, haben derzeit viele europäische Regierungen erfahren, die gerade zu Zeiten niedriger weltweiter Energiepreise die Energiesteuern auf hohem Niveau gehalten bzw. angehoben haben.


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2. Neujustierung des energiepolitischen Zieldreiecks

  • Die sich verändernden Preisverhältnisse auf den Weltenergiemärkten schwächen also das Argument, auf Grund eines vermeintlichen Versagens der Märkte über staatliche Verteuerungen des Einsatzfaktors Energie zur Erreichung umwelt- und klimapolitischer Ziele beitragen zu können. Im Gegenteil ist es gerade der hohe Staatsanteil an den Energiepreisen in den Industrieländern (in Deutschland bei Ottokraftstoffen rd. 70%, bei Strom bereits fast 50%), der die Energieproduzenten eine Neuverteilung der entsprechenden Knappheitsrenten im weltweiten Maßstab anstreben lässt.

  • Drängender als eine Fortführung der nationalen Debatte um höhere Energiesteuern ist eine zielgerichtete Auseinandersetzung über Chancen, Möglichkeiten und Perspektiven eines wirklich internationalen Klimaschutzsystems, das auf weltweiten unternehmerischen Investitionen (Joint Implementation und Clean Development Mechanism) aufbaut. So sank in Deutschland in den letzten 30 Jahren der Energieverbrauch bezogen auf die Wirtschaftsleistung um 25%. Bis 2020 kann die Energieproduktivität noch einmal um 25-30% zunehmen als Folge von Fortschritten bei den Produktions- und Verfahrenstechniken, neuen Methoden zum Energiesparen - vor allem auf der Basis wettbewerbsorientierten Handelns in der europäischen Energie- und Umweltpolitik.

  • Auch die heimischen Energieträger befinden sich mit diesen internationalen Entwicklungen in einer Phase der Neupositionierung. Wie jeder andere Wirtschaftszweig müssen die auf langfristige Rahmenbedingungen in einem besonderen Maße angewiesenen Energieträger Stein- und Braunkohle darauf vertrauen können, daß die EU keine CO2-Steuer einführt, sondern volkswirtschaftliche, Produktivitäts- und Umweltbelange gleichermaßen bei der Entwicklung eines europäischen Energiesteuersystems zu einer allgemeinen Ressourcensteuer berücksichtigt.


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3. Noch unvollendeter Europäischer Energiebinnenmarkt

  • Seit Jacques Delors den Binnenmarkt der EU-15 proklamierte, sind wesentliche Fortschritte bei der Wirtschafts- und Währungsunion erreicht worden. Es ist begonnen worden, Märkte zu deregulieren und zu privatisieren. Von einem einheitlichen und harmonisierten Ordnungs- und Wettbewerbsrahmen sind wir aber noch ebenso weit entfernt wie von einer effektiven Durchsetzung der 1997 beschlossenen gemeinsamen europäischen Klimaschutzpolitik.

  • Deutschland öffnete seinen Markt zu 100%, also weit mehr als in der EU-Binnenmarktrichtlinie Strom gefordert (25 % bis 1999, 30 % bis 2000, 35 % bis 2003). Die Regelungen zur Stromdurchleitung wurden privatwirtschaftlich mit den Verbändevereinbarungen Strom I und II getroffen. Der Wettbewerb auf dem deutschen Strommarkt funktioniert. Lieferantenwechsel und internationale Wettbewerber gehören heute zum Tagesgeschäft. Die Preise für Großkunden und Weiterverteiler sanken in der Spitze um bis zu 50%, für Privatkunden um über 20%.

  • Während ausländische Anbieter auf den deutschen Markt drängen, finden deutsche Unternehmen im Ausland vielerorts noch Monopolstrukturen vor. In der Konsequenz droht Strom immer mehr im Ausland und immer weniger im Inland produziert zu werden. Zudem läuft Deutschland Gefahr, auf Grund seiner zentralen Lage in Europa sowie bestehender und von der EU-Kommission geplanter wettbewerbsrechtlicher Vorgaben zur Stromdurchleitung zum Transitland für Strom zu werden. Dies hätte weitere negative Konsequenzen für Investitionen (Absinken von 1996 bis 2002 auf 7 Mrd. DM p.a. nach 13,5 Mrd. DM in den Jahren davor) und Arbeitsplätze (Absinken der Arbeitsplätze von 217.000 auf 150.000 zwischen 1991 und 1999).

  • In Europa existieren Überkapazitäten in einer Größenordnung von rd. 40.000 MW. Teilweise wird auch in den voll geöffneten Märkten wie Deutschland der Wettbewerb auf Grenzkostenbasis geführt. Technisch besteht die Möglichkeit, den Stromexport nach Deutschland (derzeit rd. 45 Mrd. kWh) binnen weniger Jahre zu verdoppeln. Weitere Kraftwerksstillegungen wären dann vorprogrammiert.

  • Mit der Marktöffnung steht auch die europäische Strom- und Gaswirtschaft vor einer Konsolidierungswelle (bislang entfallen 70% der Umsätze des europäischen Marktes für Energie und energienahe Dienstleistungen auf kleine und mittlere Unternehmen). Hier kommt es darauf an, allen Marktteilnehmern gleiche Wettbewerbsbedingungen zu verschaffen.

  • Die Liberalisierung hat in Deutschland mit Einsparungen über alle Verbrauchergruppen in Höhe von rd. 15 Mrd. DM ein wichtiges Signal auch für die konjunkturelle Entwicklung gesetzt.

  • Parallel aber hat die Bundesregierung bereits mit der Ausweitung der Ökosteuer, der Förderung der erneuerbaren Energien sowie dem KWK-Soforthilfeprogramm bereits rd.80% dieser Entlastungen (= 12 Mrd. DM) wieder einkassiert. Mit der Ausweitung der Ökosteuer, dem Ausbau der Förderung erneuerbarer Energien sowie der geplanten Hilfsmaßnahmen für die KWK ist es eine Frage der Zeit, wann die zunächst positive Wirkung der Liberalisierung auf die Verbraucher vollständig verpufft ist.

  • Ebenso wie die Liberalisierung des Strommarktes muß auch die Liberalisierung der allerdings anders strukturierten europäischen Gasmärkte vorangetrieben werden. Gas hält derzeit einen Anteil am EU-Energieverbrauch von rd. 20% mit stark wachsender Tendenz. Ebenso wird Gas zunehmend über neue Erzeugungstechniken und günstige Herstellungskosten für die Stromproduktion interessant, die Grenzen zwischen Strom und Erdgas verschwimmen.

  • Die Pläne der EU-Kommission zur vollständigen Liberalisierung der Strom- und Gasmärkte in Europa bis 2005 sind zu begrüßen, wenn den Mitgliedsstaaten überlassen bleibt, die Ausgestaltung der vollen Marktöffnung gemäß dem Subsidiaritätsprinzip selbst zu übernehmen.

    Der Marktdruck bei Gas kann ähnliche Veränderungen wie beim Stromwettbewerb bewirken: Aufspaltung der Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette, Preisverfall durch intensiven Wettbewerb, Kooperationen und Fusionen im EU-Maßstab, Entstehen einer Gasbörse.

  • Problematisch ist in dieser Hinsicht jedoch die Marktmacht der Exporteure, die sich in wesentlichen Lieferländern (Russland, Norwegen, Niederlande, Algerien) in staatlicher Hand befinden. Hier muß die EU durch völkerrechtliche Vereinbarungen für faire Handelsbeziehungen sorgen. Zudem sind in vielen Ländern auch die Importeure staatlich dominiert (GdF in Frankreich noch zu 100% in Staatsbesitz, in Belgien und Italien hält der Staat eine "Golden Share" an den entsprechenden Unternehmen). Technische Gründe wie unterschiedliche Gasqualitäten, verschiedene Netzgrößen, Speicher etc. sind jedoch keine dauerhaften Hemmnisse gegen offenen Wettbewerb. Tendenziell wird sich die Anbindung des Gaspreises an den Ölpreis lockern, unterschiedliche Preise für unterschiedliche Kunden im Wärme- und Strommarkt werden sich fortentwickeln.


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4. Weitere Herausforderungen für die Europäische Union

  • Die Europäische Union wird in 10 Jahren voraussichtlich mehr als 20 Mitglieder umfassen. Mit über 400 Millionen Menschen und liberalisierten Wettbewerbsstrukturen stellt die EU dann den größten einheitlichen Binnenmarkt der Welt - mit einheitlicher Währung und weltweit tätigen Unternehmen.

  • Die Abhängigkeit von Energieimporten wächst auf 70%, wie das Grünbuch der EU-Kommission zur Versorgungssicherheit prognostiziert. Gleichzeitig müssen die fossilen Energien und die Kernenergie unverändert hohe Beiträge leisten: Vom Ausgangspunkt 1980 mit rd. 80% fossile Energien, 15% Kernenergie und 5% erneuerbare Energien über 1997 mit 79% fossile Energien, 16% Kernenergie und 5% erneuerbaren Energien bis 2020 mit einem geschätzten Beitrag der fossilen Energien von 81%, Kernenergie 12% und 7% erneuerbare Energien bleibt festzustellen, daß eine wie auch immer geartete "Energiewende" ausbleibt. Mit steigender Importabhängigkeit wachsen naturgemäß die Preisrisiken. Zudem wird der Energieverbrauch in der EU tendenziell weiter steigen, bis 2020 um ca. 15% nach Schätzungen der EU-Kommission.

  • Offen ist, ob diese Union harmonisierte Rechts- und Verwaltungsvorschriften, einheitliche Umwelt- und Klimaschutzstandards und ein harmonisiertes Steuersystem bis 2020 entwickelt hat. Sie kann auch zu einer Freihandelszone degenerieren, innerhalb derer nationale Sonderwege, weit divergierende Steuer- und Umweltregeln sowie ein bunter Strauß an regionalen wie sektoralen Subventionen die Energiemärkte verzerren. Die aktuellen Antworten nationaler Regierungen auf die Proteste gegen steigende Energiepreise und -steuern zeigen: Die EU ist noch keine Einheit.

  • Ein nationaler Alleingang ist auch die Zusage der Bundesregierung zur Minderung der Emissionen klimarelevanter Spurengase in einer Größenordnung von 25% bis 2005. Auch trägt Deutschland die weithin größte Last im Rahmen des EU-burden sharing zur Umsetzung der EU-Reduktionsziele im Rahmen des Kyoto-Protokolls. Die Verpflichtung, die Emission von sechs Treibhausgasen bis 2010 um 21 % gegenüber 1990 zu vermindern, bedeutet, daß Deutschland rund 75 % der gesamten Reduktion dieser Gase in der EU schultert. Diese Minderungsleistung verlangt enorme Investitionsleistungen von der deutschen Volkswirtschaft.

  • Bei der befristeten Nutzung der Kernenergie in Deutschland ist mit einem erhöhten Export französischen Kernenergiestroms zu rechnen, insbesondere da die EU-Kommission die Beteiligung der EdF am viertgrössten Energieunternehmen EnBW genehmigt hat.



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5. Nationale Marktabschottung durch das KWK und das EEG sind nicht Europa-tauglich

  • Das KWK-Vorschaltgesetz schützt insbesondere kommunale KWK-Anlagen vor den Auswirkungen des Wettbewerbs durch eine Einspeisevergütung, die über Netznutzungsentgelte in Höhe von etwa 1,5 Mrd. DM in 2001 finanziert wird. Die Einspeisevergütung für Strom aus erneuerbaren Energien (Wasserkraft kleine Anlagen, Gruben-, Deponie- und Klärgasanlagen, Biomasse, Geothermie, Windkraft und Photovoltaik) werden über einen bundesweiten Belastungsausgleich zwischen den Verbundnetzbetreibern über ein Netznutzungsentgelt in Höhe von rd. 2 Mrd DM mit steigender Tendenz aufgrund von weiterem Kapazitätsausbau gefördert. Gerade ordnungspolitisch wirft die Tendenz des Gesetzgebers, über die Netznutzungsentgelte neue Schattenhaushalte für die Förderung bestimmter Energieträger und Erzeugungsformen zu schaffen, erhebliche Bedenken auf.

  • Die KWK ist im Markt wettbewerbsfähig, wenn zeitgleich ein hoher, gleichmäßiger Wärmebedarf über das Jahr – wie z.B. in der Industrie – anfällt.

  • Eine Ausdehnung der KWK-Förderung mit dem Ziel, alte Kapazitäten im Markt zu halten und neue, nicht wettbewerbsfähige Kapazitäten in den Markt zu drücken, steht im Widerspruch zu bestehenden Überkapazitäten im Markt. Diese Überkapazitäten – sie werden in Deutschland auf rd. 10.000 MW und in Europa auf 40.000 MW geschätzt – müssen zunächst im Zuge des Wettbewerbs abgebaut werden. Ein staatlich geförderter Ausbau der KWK würde vor allem Kraftwerke auf Basis heimischer Energien vom Markt drängen, ohne nennenswerte Umweltentlastungen zu bewirken.

  • Die Förderung der erneuerbaren Energien ist grundsätzlich richtig, aber mit Augenmaß und mit Blick auf das Kosten-Nutzen-Verhältnis zu betreiben.

  • Der kostenorientierte Ansatz im deutschen Gesetz ist kontraproduktiv, da kaum Anreize zur Innovation gesetzt werden und dem EEG eine degressive Fördersystematik und damit Anreize, erneuerbare Energien langfristig wettbewerbsfähig zu machen, fehlen.

  • Eine subventionierte Marktregulierung für bestimmte Anbietergruppen schafft neue Hürden für eine vollständige Marktöffnung in Europa. Andere Länder wie Frankreich könnten den deutschen Anspruch, über die Förderung für erneuerbare Energien und KWK rund 40% des Marktes abzuschotten, dazu nutzen, den heimischen Markt weiter von Wettbewerbselementen frei zu halten.

  • Statt nationaler Regulierungen ist eine EU-weite marktkonforme Entwicklung der KWK voranzutreiben, wenn zeitgleich ein hoher Wärme- und Strombedarf anfällt. Erneuerbare Energien müssen EU-weit untereinander im Wettbewerb stehen, die Förderung muß degressiv, aber langfristig ausgestaltet sein, um technische Fortschritte anzureizen.

©Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | November 2001