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TEILDOKUMENT:




V. Wege in eine neue Gründerzeit

Die Gründe für die Unterentwicklung auf dem deutschen Risikokapitalmarkt insbesondere im Segment der Frühphasenfinanzierungen von Unternehmen sind vielfältig. Sie liegen jedoch insbesondere in Mentalitätsunterschieden zwischen Anlegern und Unternehmern, in Ausbildungsdefiziten, in einer unterschiedlichen Finanzierungskultur, sowie in ungünstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen begründet. Diese beziehen sich insbesondere auf die Steuergesetzgebung und die nur unzreichend funktionsfähigen Exitkanäle.

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- Mehr Unternehmergeist ist gefragt !

In Deutschland dominiert sowohl bei Anlegern wie auch bei Unternehmern eine Mentalität zum risikoaversen Verhalten. Dies gilt auch für den Fall, daß dadurch wirtschaftlich aussichtsreiche Chancen ungenutzt bleiben.

Das Schwergewicht der Motivation eines deutschen Unternehmensgründers liegt vor allem darin selbstbestimmend tätig zu werden und erst in zweiter Linie darin, eine möglichst hohe Rendite zu erwirtschaften. Dementsprechend behindert auf Unternehmerseite die Ablehnung externer Einflußnahme ( „Herr im Hause"-Denken) eine verstärkte Venture Capital Finanzierung. Vielmehr besteht auf unternehmerischer Seite die Furcht, durch Aufnahme externer Beteiligungskapitalgeber an Einfluß und Selbständigkeit einzubüßen. Hinzu tritt bei vielen mittelständischen Unternehmen und innovativen Unternehmensgründern die Furcht, im Falle einer intensiven Publizität von Konkurrenzunternehmen durch Nachahmung um den Markterfolg gebracht zu werden. Deshalb werben kapitalsuchende Unternehmen nur sehr zurückhaltend um potentielle Kapitalgeber. Im Ergebnis wird dadurch eine Venture Capital Finanzierung verhindert, auch wenn in der Folge die Wachstumschancen des Unternehmens begrenzt bleiben.

Empfehlung 4:

Innovative Unternehmen müssen ein ausgeprägtes Investor-Relations-Verständnis entwickeln, eine professionelle Öffentlichkeitsarbeit betreiben, ihre Publizitätsscheu abbauen und insgesamt durch eine verbesserte Unternehmenspräsentation Reputation aufbauen. Nur wer um potentielle Kapitalgeber wirbt, Informationsdefizite abbaut und offen für externen Sachverstand ist, wird auch Kapital erhalten und erfolgreich am Markt agieren können.

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- Deutschland braucht eine entwickelte Aktienkultur!

Auf der Seite der Anleger ist trotz des Börsenganges der Deutschen Telekom und der damit einhergegangenen Popularisierung der Aktie noch immer eine unterentwickelte Aktienkultur festzustellen. Der durchschnittliche Anleger muß wohl als ein risikoscheuer beschrieben werden, der im Vorfeld einer Investition eine hohe Prognosesicherheit über den eintretenden Erfolg erwartet. Insgesamt läßt sich feststellen, daß der Anleger für ein Engagement in Aktien nur für den Fall gewonnen werden kann, daß die erwartete Aktienrendite mit einer großen Eintrittswahrscheinlichkeit prognostiziert werden kann. Die notwendige Reform unserer Alterssicherungssysteme mit einer teilweisen Umstellung auf private Vorsorge und der Zulassung von Pensionsfonds wird eine neue Aktienkultur in Deutschland begründen.

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- Unternehmer brauchen die Möglichkeit einer zweiten Chance !

In Deutschland begegnet man einem unternehmerischen Erfolg oftmals mit einer gewissen Skepsis. Gleiches gilt für unternehmerisches Handeln insgesamt. Es gehört zu den Tabuthemen der zahlreichen Gründeroffensiven, die von der Politik initiert worden sind, daß die Mehrheit der hoffnungsvoll und mit vollem persönlichen Einsatz gegründeten Unternehmen nicht überleben. Oft ist das Scheitern einer Unternehmensgründung mit einem persönlichen Schuldenberg bei den Gründern verbunden. Im Gegensatz zu den USA ist es in Deutschland im gesellschaftlichen Bereich gar nicht so einfach, nach einem derartigen Mißerfolg als Unternehmer eine zweite Chance zu erhalten. Darum ist es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, der Stigmatisierung von gescheiterten Unternehmensgründern entgegenzutreten.

Die Bundesregierung sollte mit einer Überarbeitung des Insolvenzrechtes diesem Ziel Rechnung tragen und gescheiterten Unternehmensgründern einen Neuanfang erleichtern. Wer das Risiko einer Unternehmensgründung auf sich genommen hat und gescheitert ist, sollte jedenfalls nicht faktisch mit einem Berufsverbot belegt werden. Schließlich kann die Erfahrung eines Scheiterns entscheidend für einen späteren Erfolg bei einem erneuten Versuch sein.

Empfehlung 5:

Politik und Gesellschaft sollten persönliche Risikobereitschaft und die Bereitschaft zur Innovation auch dann positiv bewerten, wenn sie nicht zu einem wirtschaftlichen Erfolg geführt hat

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- Ausbildungsdefizite sind abzubauen !

Eine Kultur der Selbständigkeit und eine damit verbundene positive Einstellung zur wirtschaftlichen Erneuerung muß vor allem in den Schulen und Hochschulen mehr Anerkennung und Unterstützung finden, damit sie sich in der Gesellschaft durchsetzen kann. Vorurteile über die Wirtschaft können nur abgebaut werden, wenn Unternehmen und Bildungseinrichtungen aufeinander zugehen. Wir brauchen eine neue Generation von Unternehmern, die als Pioniere neue Märkte im globalen Wettbewerb besetzen.

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- Schüler und Studenten sind für unternehmerische Initiativen zu begeistern !

Noch ist es eine exotische Erscheinung, wenn Unternehmer in Schulen zu Vorträgen eingeladen werden oder wenn in Hochschulen Gründer von Wachstumsunternehmen Vorlesungen darüber halten, an welchen Klippen Neugründungen zu scheitern drohen und wie sie selbst mit dem Risiko des Scheiterns gelebt haben, bevor sich ihr Unternehmen am Markt durchgesetzt hat.

Doch nicht nur in den Schulen muß der Gedankenaustausch zwischen Schülern und Unternehmern intensiviert werden. Vielmehr müssen verstärkt Lehrstühle gefördert werden, die sich speziell mit dem Know How auseinandersetzen, welches für Unternehmensgründungen erforderlich ist. Derartige Veranstaltungen und Seminare werden das Interesse an Unternehmensgründungen verstärken und das notwendige Wissen vermitteln. Erfolgreich werden solche Lehrveranstaltungen aber nur sein, wenn ein permanenter Informationsfluß zwischen Theorie und Praxis gewährleistet ist. Deshalb sollten Gründerseminare sowohl mit erfolgreichen und als auch gescheiterten Gründern durchgeführt werden.

Lernprozesse im Gründungsbereich und die Herausbildung einer Kultur der Selbständigkeit, als Voraussetzung für professionelle VC-Strukturen, lassen sich sich deshalb nur langfristig durch eine umfassende Reform unseres Bildungswesens induzieren. Die Landesregierungen sind aufgefordert, bereits in der Schule Entrepreneurship-Kurse in den Lehrplänen verbindlich zu verankern. Im Bereich der Universitäten sollten insbesondere bei technisch orientierten Studiengängen Gründungsseminare Pflichtkurse werden.

Insbesondere müssen universitäre Forschungsergebnisse, gerade auch im Bereich technischer Hochschulen, durch den Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur zügig in marktfähige Produkte umgesetzt werden. Technologieparks, die sich in unmittelbarer Nähe der Universitäten ansiedeln, sind hierfür eine geeignete Voraussetzung. Insgesamt muß ein umfassendes Netzwerk zwischen Forschung, Hochschulen und Wirtschaft geknüpft werden, das eine Querschnittskommunikation ermöglicht und eine Zusammenarbeit fördert. Vorbild hierfür sind wiederum die USA. So profitierten die Venture Capital Firmen in Silicon Valley insbesondere von Forschungsergebnissen der Eliteuniversitäten Stanford und Berkeley.

Empfehlung 6:

Die Regierungen der Bundesländer sind aufgefordert, Gründungslehrstühle an den Universitäten einzurichten, an denen gezielt unternehmerisches Denken und Handeln gefördert wird. Darüber hinaus werden die Landesregierungen aufgefordert im Rahmen einer umfassenden Reform der schulischen und universitären Ausbildung die Gründungsbereitschaft gezielt zu fördern. Hierzu müssen die Lehrpläne entsprechend angepasst werden und die Querschnittskommunikation zwischen Hochschule, Forschung und Wirtschaft durch eine leistungsfähige Infrastruktur verbessert werden.

- Wechsel aus der Forschung in junge Unternehmen interessant machen!

Schließlich sollte der Staat einen Wechsel aus der Forschung in junge Unternehmen attraktiv machen. Wer heute in öffentlichen Forschungseinrichtungen einen unbefristeten Vertrag besitzt, profitiert von einer zusätzlichen Gesundheitsfürsorge, von einem stetig wachsenden Zusatzrentenanspruch (der bei einem Wechsel in die Wirtschaft verlorengeht) und nach 15 Jahren Tätigkeit ist er darüber hinaus unkündbar und hat damit praktisch einen Beamtenstatus erworben. Hochqualifiziertes erfahrenes Forschungspersonal mit Familie und schulpflichtigen Kindern wird in der Realität systematisch davon abgehalten, sich auf die unsichere und am Anfang auch häufig unterfinanzierte Situation in neugegründeten Technologieunternehmen einzulassen. Diese Hemmschwelle muß überwunden werden, damit Wissenschaftler auf der Höhe ihrer Leistungsfähigkeit verstärkt in jungen Unternehmen tätig werden.

Empfehlung 7:

Die für öffentliche Forschung verantwortlichen Ministerien sind aufgefordert, durch geeignete Beurlaubungsregeln und durch die Möglichkeit der Mitnahme erworbener Ansprüche in der Altersversorgung erfahrenes Forschungspersonal zu motivieren, in technologieorientierten Unternehmensgründungen tätig zu werden und ihr Know-How einzubringen.

- Die deutsche Finanzierungskultur ist zu risikoscheu !

In Deutschland erfolgt die Unternehmensfinanzierung neben der Selbstfinanzierung vor allem durch die Kreditfinanzierung im Rahmen unseres Bankensystems. Demgegenüber kommt in den USA der Beteiligungsfinanzierung, sowohl im institutionellen Rahmen als auch durch Privatpersonen, ein wesentlich stärkeres Gewicht zu. Einer der Hauptgründe hierfür dürfte wohl in der unterschiedlichen Kapitalmarktverfassung beider Länder liegen. Während im deutschen Rechtssystem vor allem dem Gläubigerschutz Priorität eingeräumt wurde, läßt das amerikanische Rechtssystem wesentlich mehr Raum für eine effektive Vertretung der Anteilsinhaber.

Ein Vorteil des deutschen Systems der Kreditfinanzierung durch Banken ist sicherlich, daß im Rahmen einer umfassenden Kreditwürdigkeitsprüfung die Erfolgschancen von Unternehmen und Projekten im Vorfeld einer Finanzierung eingehend gewürdigt werden. Offensichtlich unsinnige Projekte werden so schon im Vorfeld ausselektiert. Problematisch ist jedoch in diesem Zusammenhang, daß diese Bewertung in der Regel von Bankern vorgenommen wird, die im Zweifel nur unzureichende Kenntnisse von dem neuen Produkt und dem Marktumfeld haben, in dem sich das junge Unternehmen bewegt. Dies kann dazu führen, daß unter Umständen Ideen eliminiert werden, die anfangs wenig erfolgversprechend schienen, im weiteren Verlauf aber spektakuläre Erfolge aufweisen können. Als Beispiele aus dem amerikanischen Raum seien hier Sun Microsystem oder Intel genannt.

Ein gravierender Nachteil des in Deutschland stark verankerten Gläubigerschutzes liegt in dem Umstand, daß der Kapitalgeber im Rahmen des Kreditvertrages nicht am Unternehmenserfolg beteiligt wird, jedoch die Folgen eines Konkurses im vollen Umfang durch den Verlust seiner Einlage zu tragen hat. Dies erweist sich insbesondere für junge innovative Unternehmen als Nachteil, da ihre Finanzierung aufgrund der ungewissen Unternehmensentwicklung in weitaus größerem Maße von der Gefahr eines Kreditausfalls bedroht ist. Im Ergebnis führt dies zu einem extrem risikoaversen Verhalten bei der Kreditvergabe.

Im Falle einer Beteiligungsfinanzierung, die eine Partizipation am Unternehmenserfolg miteinschließt, würde sich das aufgezeigte Problem so nicht stellen, da auftretende Ausfälle durch spektakuläre Erfolge einiger weniger High Flyer überkompensiert werden könnten. Junge Unternehmen, deren einziges Kapital in ihren Zukunftsperspektiven besteht, haben deshalb in Deutschland nur in unzureichendem Umfang Zugang zur Kreditfinanzierung durch Banken. Im Hinblick auf das Gelingen ihres unternehmerischen Vorhabens sind sie dementsprechend auf die Zuführung von externem Eigenkapital angewiesen.

Deshalb wird es die Aufgabe einer neuen Bundesregierung sein, Rahmenbedingungen für die Bereitstellung von professionell gemanagtem Venture Capital zu schaffen. Hierbei liegt die Betonung auf dem Wort ‘professionell’. Denn nur derjenige der die Risiken junger Unternehmen professionell bewertet, kann auch von ihren Chancen profitieren. Professionell gemanagtes Kapital, das von Markt, Technik und Management etwas versteht, ist der Schlüssel zum Erfolg. Seine Existenz ist gleichsam Voraussetzung für das Entstehen einer neuen Finanzierungskultur, in der innovative kleine und mittlere Unternehmen eine Entwicklungschance bekommen.

Empfehlung 8 :

Eine neue Bundesregierung hat die Aufgabe, Rahmenbedingungen für die Bereitstellung von professionell gemanagtem Venture Capital zu schaffen.

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- Märkte für junge Unternehmen öffnen

Erfolgreiche Unternehmensgründer werden inzwischen von der Politik quer durch alle Parteien hofiert. Andererseits gelten junge Unternehmen bei ihren potentiellen Kunden als eher unzuverlässig und nicht vertrauenswürdig. Staat und Großunternehmen setzen eher auf bewährte Lieferanten und geben oft jungen Unternehmen wenig Chancen.

Der Erfolg einer jeden Unternehmensgründung entscheidet sich im Markt. Deshalb reicht es nicht aus, Unternehmensgründer zu feiern. Vielmehr sollte die öffentliche Hand mit gutem Beispiel vorangehen und die Rechnungshöfe von Bund und Ländern veranlassen, die Auftragsvergabe an junge Unternehmen positiv zu bewerten, auch wenn sie im Einzelfall nicht ohne Risiken für den Auftraggeber sind. Vor allem das Verhalten von Großunternehmen gegenüber jungen Unternehmen als Zulieferern ist oft von entscheidender Bedeutung für den erfolgreichen Aufbau solcher Unternehmen.

Empfehlung 9:

Junge Unternehmen sollten eine faire Chance erhalten, sich im Markt zu etablieren, auch wenn ihre Überlebensfähigkeit noch nicht dauerhaft gesichert ist. Großunternehmen und die öffentliche Hand müssen sich dieser Verpflichtung stärker bewußt werden.

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- Mehr Risikokapital durch steuerliche Rahmenbedingungen !

Die Steuergesetzgebung ist von entscheidender Bedeutung für alle Finanzierungs- und Investitionsentscheidungen einer Unternehmung, da sie die Wahl des Finanzierungsmediums von Unternehmen und die Attraktivität von Anlagemöglichkeiten für potentielle Kapitalgeber beeinflußt. Der Steuergesetzgeber hat in der Vergangenheit von der Möglichkeit durch die Gestaltung des steuerlichen Rahmens die Kapitalallokation zu lenken nachhaltigen Gebrauch gemacht. Diese Kapitallenkung erfolgte jedoch leider viel zu oft in die falsche Richtung, wie sich insbesondere beim Aufbau Ost gezeigt hat.

Für Unternehmensfinanzierungen durch Beteiligungskapital gibt es im deutschen Steuerrecht jedoch keine Sonderregelungen. Demgegenüber gibt es jedoch eine Reihe steuerlicher Privilegien im Bereich alternativer Anlageformen. So hat die steuerliche Privilegierung von Schiffsbeteiligungen oder der Immobilienerwerb in Ostdeutschland in den vergangenen Jahren dazu geführt, daß deutsche Anleger erhebliche Summen in diese Anlageformen investiert haben.

So versechsfachte sich im Zeitraum 1991-1997 das bereitgestellte Kapitalvolumen für Schiffsbeteiligungen u.a. in Korea auf 3,0 Mrd DM. Hintergrund für dieses im Vergleich zum Beteiligungskapitalmarkt für innovative Unternehmen dynamische Wachstum war die Möglichkeit der unbegrenzten steuerlichen Abzugsfähigkeit und Verrechnungsmöglichkeit von angefallenen Verlusten, selbst für den Fall, daß die Haftung der Schiffsinvestoren auf die Höhe ihrer Einlage begrenzt blieb. Zwischenzeitlich wurde die Möglichkeit einer unbegrenzten steuerlichen Abzugsfähigkeit zwar eingeschränkt, immerhin sind aber seit 1995 noch Verluste bis zur Höhe von 125% der haftenden Einlage steuerlich abzugsfähig.

Noch problematischer war die Fehlallokation beim Aufbau Ost, die zwar ein Strohfeuer in der Bauindustrie begünstigt, aber den Neuaufbau der Industrie dabei vernachlässigt hat. Die einseitige Privilegierung der Bauwirtschaft zeigt, wie problematisch es ist, mit Steuern die wirtschaftliche Entwicklung steuern zu wollen.

Die Folge von derartigen steuerlichen Ausnahmeregelungen ist, daß Anleger mit einer hohen individuellen Einkommensbesteuerung alleine durch derartige Steuervergünstigungen häufig eine beachtliche Rendite erwirtschaften. Über die Qualität des Investments ist damit jedoch noch nichts aussgesagt. Vielmehr stellen diese kapitallenkenden Vergünstigungen eine Wettbewerbsverzerrung zwischen den unterschiedlichen Anlagearten dar. Im Ergebnis führen sie zu einem Mangel an Risikokapital für innovative oder wachstumsträchtige Unternehmen. Dieser Mangel resultiert aber nicht aus einem Mangel an risikobereitem Kapital insgesamt, sondern ist das Ergebnis einer bewußten steuerlichen Bevorzugung bestimmter Anlageformen.

Empfehlung 10:

Langfristig ist die Neutralität des Steuerrechts in Bezug auf die unterschiedlichen Anlageformen zu fordern. Nur wenn wettbewerbsverzerrende steuerliche Privilegien einiger Anlageformen beseitigt werden, wird Anlagekapital auch in junge innovative Unternehmen fließen .

Die steuerliche Förderung von Venture Capital kann jedoch aus wettberwerbspolitischen Gründen und vor dem Hintergrund der langfristigen Zielsetzung nach steuerlicher Neutralität in Bezug auf verschiedene Anlageformen nur vorübergehend als Anschubfinanzierung erfolgen. So ist von der Bundesregierung die steuerliche Freistellung von Kapitalerträgen auch für institutionelle Anleger zu fordern, die Venture Capital Investments vornehmen. Denkbar ist in diesem Zusammenhang ein Modell, daß dem institutionellen Anleger die Realisierung von steuerfreien Veräußerungserlösen bis zum 5fachen des eingesetzten Kapitals nach Ablauf einer bestimmten Haltefrist (z.B. nach 5-8 Jahren) erlaubt. Auf der Ebene der Unternehmen ist nach israelischem Vorbild eine steuerliche Bevorzugung junger Technologieunternehmen dergestalt zu fordern, daß sie in den ersten fünf bis zehn Jahren z.B. von der Körperschaftssteuer befreit werden. Auf der Ebene der privaten Anleger ist Beschäftigten von Unternehmen die Möglichkeit einzuräumen, Anteilsansprüche zu erwerben, ohne daß dies sofort als geldwerter Vorteil versteuert werden muß.

Empfehlung 11:

Die neue Bundesregierung wird deshalb aufgefordert, eine zeitlich begrenzte Förderung für Investitionen in arbeitsplatzschaffendes Produktivvermögen zu initiieren, um zumindest die steuerliche Benachteiligung dieser Anlageform zu neutralisieren bzw. sie gezielt zu fördern.

Das am schwierigsten zu beherrschende Risiko für Venture Capital Fonds ist die Anlage in Seed Capital. Ohne ausreichendes Seed Capital wird auf der anderen Seite die Zahl der Neugründungen klein bleiben. Viele Chancen werden deshalb vertan, insbesondere wenn es sich um technologieorientierte Unternehmensgründungen handelt, da diese in der Regel einen hohen Kapitalbedarf haben, um ihr Wachstum und ihre Produktinnovation überhaupt finanzieren zu können.

Empfehlung 12:

Damit sich eine neue Finanzierungskultur für junge Technologieunternehmen schneller entwickelt, sollte befristet auf fünf Jahre eine steuerliche Privilegierung der Geldanlage in Seed Capital Fonds eingeführt werden, indem Verluste in diesem Bereich bis zur Höhe von 125% steuerlich abzugsfähgig sind.

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- Leistungsfähige Exitkanäle schaffen !

Beteiligungsgesellschaften unterstützen kleine und mittlere Unternehmen mit Managementberatung und Finanzmitteln für einen gewissen Zeitraum und mit dem Ziel, nach erfolgreicher Entwicklung der Unternehmung aus ihr mit einem überdurchschnittlich hohen Gewinn auszusteigen. Letzterer ist Voraussetzung dafür, daß institutionelle oder auch private Anleger ihre Gelder in Venture Capital Fonds und nicht in alternative Anlageformen investieren. Grundsätzlich lassen sich hierbei vier Exitkanäle unterscheiden:

1. Rückkauf der Anteile der Venture Capital-Gesellschaft durch den Unternehmer („Pay back").

2. Die Übernahme der Anteile einer Venture Capital-Gesellschaft durch einen industriell interessierten Investor („Trade sale").

3. Die Übernahme der Anteile durch einen finanziell interessierten Investor („Secondary purchase").

4. Die Börseneinführung des Unternehmens, bei der sich die Venture Capital-Gesellschaft von ihren Anteilen trennt („Going public").

Berücksichtigt man bei der Wahl des optimalen Exit Weges, daß die wirtschaftliche Selbständigkeit der Unternehmung gewahrt bleiben soll und ihr nicht übermäßig Liquidität entzogen wird, dann stellt sich das Going Public wohl als die geeignetste Exitvariante heraus. Darüber hinaus läßt sich durch einen Börsengang oftmals ein höherer Veräußerungserlös erzielen als durch die anderen aufgeführten Exitvarianten. In Deutschland ist das Going Public in der Vergangenheit jedoch eher selten zu beobachten gewesen. So dauert es im Schnitt 41 Jahre, bis eine Unternehmung bei uns den Börsengang wagt. In den USA liegt die durchschnittliche Zeitspanne für ein Initial Public Offering (IPO) bei 14 Jahren. Die Bereitschaft amerikanischer Kapitalgeber wird im wesentlichen von der Hoffnung getragen, relativ schnell und in ihrer Dimension außerordentlich große Gewinne bei der Börseneinführung zu verwirklichen. Sofern in den letzten Jahren bei uns Unternehmen doch den Gang an die Börse wagten, handelte es sich um größere mittelständische Unternehmen mit einer entsprechend langen Firmentradition und einer entsprechend hohen Reputation. Diese kamen denn auch den Vorstellungen der emissionsbegleitenden Banken eher entgegen als kleinere Unternehmen und solche aus den High-Tech Branchen. Dieser Trend wird auch durch die Zahlen des Bundesverbandes deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK) für das Jahr 1996 bestätigt, die als Exit Kanäle im Bereich von VC-Finanzierungen vor allem Trade sales und Rückkäufe ausweisen.

Tabelle 1: Exitkanäle in Deutschland 1996

Exitweg

Prozent

Buy Back

56 %

Trade Sale

31 %

Secondary purchase

3 %

Going Public

9 %

Quelle: Jahrbuch BVK 1997

Der erheblich frühere Börsengang junger Unternehmen in den USA beruht aber im wesentlichen auf einem leichteren Börsenzugang und funktionsfähigeren Sekundärmärkten. Mit der NASDAQ besitzen die USA einen sehr gut entwickelten Markt über den Anteile an jungen Unternehmen aufgrund seiner hohen Liquidität schnell weiterveräußert oder im Falle eines Beteiligungsportfolios umgeschichtet werden können. Im Ergebnis wird dadurch die Bereitschaft zu einem langfristigen Engagement gerade auch bei institutionellen Investoren gefördert.

Bezogen auf den organisierten Kapitalmarkt in Deutschland liegt ein zentrales Problem darin, daß das Emissionsgeschäft von den Banken dominiert wird und die Börsen durch sie kontrolliert werden. De facto bestimmen sie (und nicht die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen) die Kriterien für die Börsenreife eines Unternehmens. Das bedeutet, daß die faktisch bestehenden Eintrittsvoraussetzungen die gesetzlichen Mindestvoraussetzungen deutlich übersteigen. So betrug das durchschnittliche Volumen der Neuemissionen im amtlichen Handel im Zeitraum 1990-1995 19 Mio DM (gesetzliches Mindestvolumen: 2,5 Mio DM im Amtlichen Handel, 500 TDM im Geregelten Markt). Hinzu kommt, daß auch im Hinblick auf das geforderte Umsatzvolumen von vielen Emissionsbanken die Meßlatte mit 100 Mio DM für junge Unternehmen unerreichbar hoch liegt. Eine Erklärung derart restriktiv formulierter Markteintrittskriterien mag einerseits in einer generellen Risikoaversität unseres Bankensystems begründet liegen. Andererseits beeinflussen jedoch auch gesetzliche Regelungen der Prospekthaftung und die Kosten der Emissionsbegleitung das in Rede stehende Anforderungsprofil.

Bei geringen Emissionsbeträgen sinkt die Rentabilität der Börseneinführung für die Bank, da prozentual vom Emissionsbetrag 4-7% honoriert werden, die Vorbereitungskosten für die Emission einer kleinen Gesellschaft aber kaum geringer sind, als bei größeren Emissionsbeträgen. So werden die Mindestkosten einer Emission von Bankenvertretern mit TDM 500 angegeben, was unter Berücksichtigung eines Provisionssatzes von 5% ein Emissionsvolumen von 10 Mio DM erfordert.

Darüber hinaus besteht die Gefahr, daß sie im Rahmen der Prospekthaftung für Verlustfälle, die naturgemäß bei jüngeren Unternehmen eher auftreten können, haftbar gemacht werden. Allerdings sollte dieses Argument nicht überbewertet werden. Unabhängig von der Prospekthaftung würden Emissionsbanken ohnehin von den Anlegern nicht aus der Verantwortung entlassen. Mißlungene Plazierungen schädigen deshalb mit oder ohne Prospekthaftung den Ruf der emissionsbegleitenden Bank. Außerdem gewinnt die Prospektpublizität sowieso für viele Anleger erst durch die Anlageberatung ihrer Bank an Bedeutung. Aktien innovativer Unternehmen weisen jedoch erhöhte Risiken auf. Insoweit liegt es in der Natur der Sache, daß Anlageberater diese riskanteren Werte, die durchaus über ein hohes Potential verfügen, nicht aktiv empfehlen werden. Sie ersparen sich dadurch Ärger. Ihr Interesse wird sich vielmehr auf „blue chips" und liquide Märkte konzentrieren.

Ein weiterer Grund für die geringe Börsenemissionstätigkeit in Deutschland dürfte darin liegen, daß auf Seiten kleiner und mittlerer Unternehmen eine gewisse Scheu vorhanden ist, die Rechtsform der Aktiengesellschaft zu wählen. Gründe hierfür dürften insbesondere in den damit verbundenen Publizitätspflichten und Mitbestimmungsrechten liegen. Diese Besonderheit des deutschen Kapitalmarktes wird zudem dadurch verstärkt, daß die überwiegende Finanzierung von Unternehmensinvestitionen durch langfristige Kredite erfolgt.

Insgesamt kann jedoch festgestellt werden, daß hohe Markteintrittsbarrieren junge Unternehmen vom Börsengang abhalten. Anders als in den USA existiert in Deutschland durch den Bankensektor ein quasi Monopol im Emissionsgeschäft, das bisher eine Entwicklung zu einer Kultur von Investmentbanken verhindert hat. Deutsche Banken waren bisher aus den genannten Gründen nicht an „kleinen" Börseneinführungen (IPOs) interessiert.

Als Beispiel für eine von Banken zurückgewiesene Nachfrage sei die Ultimaco Safeware AG aus Oberursel angeführt. Der Weltmarktführer für PC-Sicherheit mit einem Umsatz von 25 Mio DM p.a. und einer gezahlten Dividende von 13,75 DM auf eine 50 DM Aktie wurde von den Banken mit dem Hinweis auf das zu geringe Umsatzvolumen abgewiesen.

Allerdings existiert bisher auch keine wirkliche Konkurrenz durch ausländische Investmentbanken oder bankenunabhängige Wertpapierhandelshäuser. Demgegenüber werden in den USA kleine technologieorientierte Börseneinführungen durch spezialisierte kleinere Banken vorgenommen.

Empfehlung 13:

Unter ordnungspolitischen Gesichtspunkten ist die Forderung nach mehr Wettbewerb im Emissionsgeschäft aufzustellen. Wir brauchen in Deutschland eine Kultur von Investmentbanken, um den Zeitraum von der Unternehmensgründung bis zum Börsengang erheblich zu verkürzen. Deshalb muß die neue Bundesregierung Anreize für einen Markteintritt von Investmentbanken schaffen, damit diese sich verstärkt auf dem deutschen Markt engagieren.

Die deutsche Börse AG versucht, mit der Einrichtung des „Neuen Marktes" das Exit Problem insbesondere für innovative Wachstumsunternehmen zu lösen. Im Unterschied zum Amtlichen Handel oder dem Geregelten Markt begleitet ein „Betreuer", in Gestalt einer Bank oder einer Unternehmensberatung bzw. eines Wirtschaftsprüfers, die Börseneinführung und sorgt für die Liquidität der Aktie. Darüber hinaus begleitet er zukünftige Kapitalerhöhungen und informiert über den Handel. Inzwischen verzeichnet der „Neue Markt" ein beachtliches Handelsvolumen. Es vergeht kaum ein Monat, in dem nicht ein oder zwei neue Unternehmen in diesem Marktsegment notiert werden. Insoweit ist die Einrichtung des „Neuen Marktes" zu begrüßen, zumal auch das Unternehmensalter der Börsenkandidaten erheblich gesunken ist. Gleichwohl werden in diesem Marktsegment nur Unternehmen notiert, die gewisse Mindestanforderungen (10 Mio DM Emissionsvolumen; mindestens 15, möglichst 25% Streubesitz; möglichst 50% der Emission sollen einer Kapitalerhöhung dienen) im Hinblick auf Größe und Publizitätserfordernisse erfüllen. Insoweit muß kritisch hinterfragt werden, inwieweit dieses Anforderungsprofil von jungen Unternehmen wirklich erfüllt werden kann und der „Neue Markt" als Lösung der Exitproblematik insgesamt in Deutschland anzusehen ist.

Empfehlung 14:

Deutschland benötigt ein Börsensegment, welches zum Ziel hat, junge innovative Unternehmen zu fördern und auf künstliche Markteintrittsschranken weitgehend verzichtet. Vorbild hierfür ist der „alternative investment market (AIM)" in Großbritannien, der keine derartigen Zulassungsvoraussetzungen kennt. In diesem Zusammenhang sollte der „Neue Markt" weiterentwickelt und spezialisierte Bankinstitute identifiziert werden, die über ausreichende Professionalität verfügen, junge Unternehmen, die noch kein Geld verdienen, für Anleger attraktiv zu machen.

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- Der Staat als Triebfeder für die Mobilisierung von Venture Capital !

Die Neigung vieler mittelständischer Unternehmen, externes Eigenkapital nur sehr zurückhaltend im Bereich der Unternehmensfinanzierung zu verwenden, wird auch durch unser heutiges System der Mittelstandsförderung beeinflußt. Traditionell konzentrieren sich die Instrumente der öffentlichen Finanzierungsförderung darauf, den Kreditfinanzierungsspielraum mittelständischer Unternehmen zu erweitern bzw. finanzielle Engpässe durch die Bereitstellung von zinsgünstigem Fremdkapital zu überbrücken. Eine Vielzahl von Förderprogrammen für die unterschiedlichsten Finanzierungsanlässe haben auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene die Herausbildung einer Kreditfinanzierungsmentalität gefördert. Im Ergebnis verlor dadurch die reine Bankfinanzierung, die nur zu Kapitalmarktkonditionen und bei angemessener Risikokapitalausstattung erfolgen kann, wegen höherer Kosten für viele Unternehmen an Attraktivität. Darüber hinaus beinflussen öffentliche Kreditförderprogramme aber nicht nur den privaten Markt für Fremdkapital, sondern wirken in Bezug auf eine externe Eigenkapitalfinanzierung substituierend. Dementsprechend wird die Notwendigkeit zur Beteiligungsfinanzierung weniger dringlich.

Allerdings stößt eine exzessive Kreditfinanzierung durch öffentliche Kreditförderprogramme insbesondere bei hohen unternehmerischen Risiken auch an ihre Grenzen bzw. ist aus Gründen der Finanzierungsstruktur einer Unternehmung auch nicht sinnvoll. Hier setzen dann öffentliche Programme zur Risikokapitalfinanzierung an. Mittelständische Beteiligungsgesellschaften und spezielle Programme für Beteilgungskapital stellen kapitalnachfragenden Unternehmen Beteiligungskapital, meist in Form einer stillen Beteiligung zu besonders günstigen Konditionen mit einem festgelegten Maximalentgelt, zur Verfügung. Mitspracherechte und die Beteiligung an Wertsteigerungen des Unternehmens sind meist ausgeschlossen. In der Folge wird die Notwendigkeit, privatwirtschaftlich generiertes Beteiligungskapital zu akquirieren, durch derart gestaltete Förderkonditionen weiter zurückgedrängt.

Im Hinblick auf die Bewertung von öffentlichen Programmen zur Förderung von Unternehmensgründungen ist grundsätzlich zwischen der herkömmlichen Existenzgründungsförderung und den technologieorientierten Förderprogrammen zu unterscheiden. Für den Fall einer herkömmlichen Existenzgründung stehen insbesondere das Eigenkapitalhilfeprogramm (EKH) und das ERP Darlehensprogramm für Finanzierungszwecke zur Verfügung. Allerdings sind beide Programme nur bedingt geeignet, innovative Unternehmensgründungen zu fördern. Problematisch erscheint bei diesen Programmen jedoch, daß als Bemessungsgrundlage für die Ermittlung des Finanzierungsbetrages im Grundsatz, die bei einer Gründung anfallenden Investitionskosten zugrundegelegt werden. Diese sind jedoch bei innovativen Gründungsunternehmen vergleichsweise niedrig. Vielmehr überwiegen in diesem Segment der Unternehmensgründungen betriebsmittelbedingte Aufwendungen (i.b. Personalkosten im Entwicklungsbereich). Letztere werden jedoch weder durch das EKH noch durch das ERP Darlehensprogramm mitfinanziert. Ein Ansatz, um die Startsituation junger Technologieunternehmen in diesem Bereich zu verbessern, könnte darin bestehen, eine auf fünf Jahre begrenzte wachstumsorientierte Personalkostenzulage (für F&E Personal) jungen technologieorientierten Unternehmen zu gewähren, sobald ein seriöser Kapitalgeber eine erhebliche Beteiligung zugesagt hat.

Auf dem Gebiet der technologieorientierten Förderprogramme gab es in der Vergangenheit eine Reihe von Initiativen, die meist in der Form eines Modellversuchs technologieorientierte Unternehmensgründungen anregen sollten um dadurch einen privatwirtschaftlich getragenen Markt für Risikokapital in Deutschland zu initiieren. Den Anfang machte 1983 der auf fünf Jahre angelegte Modellversuch des BMBF zur „Förderung technologieorientierter Unternehmensgründungen" (TOU). Dieses Programm förderte neugegründete und junge Technologieunternehmen mit nicht rückzahlbaren Zuschüssen, Kreditbürgschaften und beinhaltete eine Beratungskomponente. Eine nachhaltige Erhöhung des privaten Risikokapitalangebotes konnte im Ergebnis durch diesen Modellversuch jedoch nicht erzielt werden. Deshalb kam es Ende der achtziger Jahre zu einer Art Paradigmenwechsel. Nicht Zuschüsse, sondern konkrete Anreize für Beteiligungsgeber wurden in einem weiteren Modellversuch unter der Bezeichnung „Beteiligungskapital für junge Technologieunternehmen" (BJTU) geboten. Der Modellversuch verband dabei die indirekte Förderung technologieorientierter Unternehmensgründungen mit der Nutzung professionellem Know How von privaten Beteiligungskapitalgesellschaften. Das BJTU lief Ende 1994 aus und führte zu einer deutlichen Stimulierung des Beteiligungskapitalmarktes und insbesondere auch zur Gründung spezieller Seed-Capital Gesellschaften. Neben dem gewünschten Finanzierungseffekt bewirkte dieser Modellversuch eine erhöhte Akzeptanz des Finanzierungsinstruments Beteiligungskapital bei Unternehmensgründern.

Die neue Bundesregierung sollte sich deshalb bei der Gestaltung zukünftiger Förderprogramme an diesem gelungenen Versuch orientieren und ihn auf weitere Bereiche (Dienstleistungen, Vertrieb und Produktion) ausweiten, zumal die Kosten im Verhältnis zu den Vorteilen (Steueraufkommen, Arbeitsplatzbeschaffung) relativ gering sind.

Die Ergebnisse dieses Modellversuchs sollten jedoch trotz seiner belebenden Wirkung nicht überschätzt werden. Vielmehr blieb der deutsche Beteiligungskapitalmarkt im Vergleich zu den USA oder Großbritannien unterentwickelt. Insbesondere blieb das Beteiligungsengagement im Bereich der Frühphasenfinanzierung enttäuschend. Im Ergebnis gelang es durch diesen Modellversuch nicht, in Deutschland einen privatwirtschaftlich getragenen Risikokapitalmarkt für Frühphasenfinanzierungen zu etablieren.

Hieran schloß sich 1995 der Modellversuch „Beteiligungskapital für kleine Unternehmen" (BTU) an, der ebenfalls die Entwicklung eines Beteiligungsmarktes für junge Technologieunternehmen zum Ziel hat. Für die neuen Bundesländer erfolgt die Förderung von technologieorientierten Unternehmensgründungen unter der Bezeichnung FUTOUR.

Die Konstruktion der Technologiebeteiligungsgesellschaft der Deutschen Ausgleichsbank (tbg) war ein entscheidender Fortschritt, weil sie die Kombination öffentlichen Kaptials mit privatem Venture Capital sicherstellte. Die tbg kann stille Beteiligungen an mittelständischen Unternehmen in einer Höhe bis zu 3 Mio DM eingehen. Voraussetzung hierfür ist, daß ein weiterer Beteiligungsgeber sich mit der gleichen Summe beteiligt (Koinvestmentvariante). Unter bestimmten Voraussetzungen hat der Kapitalgeber dann die Möglichkeit innerhalb von fünf Jahren seine Beteiligung an die tbg rückzuveräußern. In diesem Fall erhält er 50% des eingelegten Kapitals von der tbg zurück. Für die Zukunft ist anzuregen, daß die tbg künftig auch eigene offene Beteiligungen eingehen darf, um durch ihr Marktverhalten den übrigen Marktteilnehmern Nachfragepotentiale und Ertragschancen zu signalisieren. Durch die Öffnung der bestehenden Förderprogramme im Hinblick eine offene Beteiligungspolitik könnte privates Venture Engagement zusätzlich angeregt werden.

Insgesamt ist die Förderung junger innovativer Unternehmen durch den Bund und die Länder durchaus bedarfsgerecht, zumal private Investoren aus den dargelegten Gründen eher zurückhaltend in diesem Marktsegment agieren. Die Förderung und Anregung privater Risikokapitalbereitstellung durch öffentliche Förderprogramme macht somit auch weiterhin Sinn.

Empfehlung 15:

Eine neue Bundesregierung hat die Aufgabe, die Vielzahl von Fördermaßnahmen auf Bundes- und Landesebene in einem oder einigen wenigen Fördermaßnahmen zusammenzuführen. Darüber hinaus sollte sie bei neuen staatlichen Initiativen das Stadium des Modellversuchs überwinden und ein der öffentlichen Kreditfinanzierung vergleichbares Programm auflegen.

Die wichtigste Erkenntnis im Hinblick auf die Erneuerung unserer Volkswirtschaft durch eine neue Gründerzeit besteht darin, daß wir uns in einem Lernprozeß befinden, in dem der gute Wille allein nicht ausreicht. In einer neuen Gründerzeit muß Geld verdient werden können.

Mit der aufgeführten Bündelung der Unterschiedlichen Instrumente würde die Erneuerung der deutschen Wirtschaft außerordentlich wirksame Impulse erhalten, die vor allem auch in Ostdeutschland dringend erforderlich sind, um den Strukturwandel zu bewältigen und neue Arbeitplätze zu schaffen.


©Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 1998

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