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Stoffstrom-Management und Kreislaufwirtschaft : Thesenpapier / des Managerkreises der Friedrich-Ebert-Stiftung. - [Electronic ed.]. - Bonn, 1996. - 14 Bl. = 40 Kb, Text
Electronic ed.: Bonn: FES Library, 1998

© Friedrich-Ebert-Stiftung


INHALT








STOFFSTROM-MANAGEMENT und KREISLAUFWIRTSCHAFT

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Zusammenfassung

1.
Die umweltpolitische Strategie der Bundesregierung, die verstärkt auf Deregulierung und weiche Instrumente setzt, kann die behaupteten komparativen Vorteile nicht stichhaltig belegen. Dies zeigt sich insbesondere auf dem Gebiet der Abfallwirtschaft.

2.
Das Kreislaufwirtschaftsgesetz, die VerpackVO und die jüngste Selbstverpflichtung der Automobilindustrie unterstützen die unter Umweltgesichtspunkten kontraproduktiv, unter Effizienzgesichtspunkten völlig unbefriedigend und - wie VerpackVO und DSD zeigen - unter Kostengesichtspunkten in einem katastrophalen Mißverhältnis zu ihrem Nutzen stehen. Das Mögliche wird mit diesen Instrumenten und Regelwerken nicht erreicht, das Nötige versäumt.

3.
Die Darstellung der Bundesregierung bzw. des BMU und der für das KrWG politisch Verantwortlichen spiegeln die Möglichkeit einer Kreislaufführung von Produktionsprozessen und Konsumgütern im großen Stil und in der Breite der relevanten Sektoren der Volkswirtschaft vor.

4.
Die wichtigen Stoffströme/Abfallströme werden in ihrer Breite vom KrWG und den auf ihm basierenden abfallwirtschaftlichen Regelungen und Instrumenten nicht erfaßt.

5.
Kreislaufprozesse sind in der Regel für die Unternehmen unter Kostengesichtspunkten nicht interessant, da sie mehr kosten als sie einspielen.

6.
Das maßgeblich durch den Grünen Punkt finanzierte Duale System stellt einen Luxus dar, den sich nur sehr reiche Industrieländer - wie z.B. Deutschland - leisten können: ökologisch unsinnige Sortier- und Reinigungssysteme für vermischte Kunststoffabfälle, ein negatives Kosten-Nutzen-Verhältnis aufgrund ineffizienter Verwertungsprozesse bedeuten eine immense volkswirtschaftliche Verschwendung.

7.
Gewinner der VerpackVO und des Dualen Systems sind die großen Ver- und Entsorgungsunternehmen, die für das DSD speziell errichtete Anlagen und Sortiersysteme betreiben. Verlierer sind die privaten Haushalte und die kommunalen Entsorgungsbetriebe.

8.
Die aktuelle Selbstverpflichtung der Automobilindustrie ist eine Täuschung, da sie die Industrie nichts kostet, ihre Produktverantwortung nicht erhöht und der Umwelt keinen zusätzlichen Nutzen bringt.

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1. Wandel der umweltpolitischen Strategie

Die Umweltpolitik in Deutschland läßt sich in drei Phasen einteilen: legislative Phase mit den drei großen Gesetzen zur Abfallbeseitigung, zum Immissionsschutz, zum Schutz vor gefährlichen Stoffen/Chemikaliengesetz (1970-1980), Implementierungsphase/Novellierungen (1980-1990), Phase des Umbruchs/Paradigmenwechsels (1990-heute). In der gegenwärtigen Umbruchsphase setzt die umweltpolitische Strategie der Bundesregierung auf Selbstorganisation der Akteure, Deregulierung, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft und stärker auf sogenannte weiche Instrumente.

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2. Neuer Typ von umweltpolitischen Instrumenten

Zu diesen weichen Instrumenten zählen insbesondere: Ökobilanzen u.a. ökologische Bewertungsinstrumente, Öko-Audit, betriebliches Umweltcontrolling und Umweltmanagement, Ausbau der Umweltökonomischen Gesamtrechnung, Umweltzeichen (Ecolabeling), Umweltinformationssysteme. Gemeinsame Kennzeichen dieser Instrumente sind: Rücknahme der Interventionen des Staates, Freiwilligkeit, keine oder nur geringe Kosten für den Staat, kein aufwendiges Gesetzgebungsverfahren, Setzen auf Marktkräfte (Wettbewerb) sowie auf proaktive Einstellungen und Verhaltensweisen der Unternehmen.

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3. Selbstverpflichtungen oder Ordnungsrecht?

Die gegenwärtige Umweltpolitik ist auf der Suche nach einem tragfähigen Kompromiß zwischen einem stärkeren "freiwilligen" Engagement der Wirtschaft im Hinblick auf Umweltschutz und einer Neudefinition der Rolle des Staates in der Umweltpolitik. Sie bedeutet ein Abschiednehmen von der Vorstellung des Staates als "benevolent despot" (Idealbild des Alles-Wissens-und-Regulierens und der wohlfahrtsstaatlichen Allzuständigkeit), ohne auf das Vorzeigen der Instrumente der "Folterkammer des Ordnungsrechts" zu verzichten. Selbstorganisation, Selbstverpflichtungen und Freiwilligkeit in der Umweltpolitik funktionieren in der Regel nur, wenn der sanfte, aber spürbare Druck des Staates sichtbar wird, z.B. durch Monitoring oder die Drohung ordnungsrechtlicher Normen für den Fall, daß die angekündigten Ziele nicht erreicht werden.
Fallstricke dieser Politik sind: die gegenwärtigen Grenzen des Kartellrechts, die Schwierigkeiten und die Kosten eines wirkungsvollen Monitorings, die Globalisierung der Produktion und der Märkte, die Nichterfassung der Importprodukte und der ausländischen Hersteller, die Zahl der sog. Trittbrettfahrer.

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4. Politische Einschätzung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes

Das KrWG/AbfG. ist Ausdruck der Suche nach dem in Abschnitt 3 genannten Kompromiß. Dieses Gesetz wurde am 23.06.1994 verabschiedet und tritt nach zweijähriger Übergangszeit am 07.10.1996 in Kraft. Zu seiner Umsetzung und Vollzugsfähigkeit sind eine Reihe von Verordnungen notwendig, die das Bundesumweltministerium zur Zeit vorbereitet. Dazu gehören: Abfallbestimmungsverordnungen, Abfallnachweisverordnung, Abfalltransportverordnung, Entsorgungsfachbetriebsverordnung, Verordnungen zu Abfallwirtschaftskonzepten und -bilanzen sowie die Richtlinie über die Entsorgergemeinschaften. Letztere können Gütezeichen an Entsorgungsfachbetriebe verleihen. Dies ist ein zentraler Punkt der angestrebten neuen Selbstüberwachung der Wirtschaft. Denn ein Entsorgungsfachbetrieb benötigt kraft Gesetzes weder eine Transportgenehmigung noch eine Genehmigung für Vermittlungsgeschäfte. Ebenso werden ihm Erleichterungen im Rahmen des Nachweisverfahrens (Überwachung von Abfällen) zuteil.

Positiv bzw. als Aktivposten können folgende Effekte des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und der durch seine Verabschiedung ausgelösten Aktivitäten gewertet werden:

- Die abfallwirtschaftliche Philosophie, über die in weiten Teilen der Gesellschaft Konsens besteht, - Vorrang der Vermeidung vor Verwertung vor Behandlung/ vor Beseitigung von Abfällen - wird in einzelne Rechtsvorschriften gegossen und nicht nur, wie in der 4. Novelle des Abfallgesetzes (1986), als abstrakte Hierarchie verankert.

- Kreislaufwirtschaft ist eine regulative Idee, die ein Umdenken in der Wirtschaft, den

Verbänden und Vollzugsbehörden unterstützt. Sie versucht, monetäres Wachstum und Wachstum des Stoffverbrauchs zu ankoppeln.

- Damit wurde ein Anspruch vorgegeben, an dessen Erfüllung sich Gesetzgeber und Regierung messen lassen können und messen lassen müssen.

- Der durch die Verpackungsverordnung, DSD, TA Sonderabfall (1990), TA Siedlungsabfall (1993), 17. BlmSchV und anderen abfallrechtlichen Regelungen ausgelöste Boom der Entsorgungsbranche wurde fortgesetzt und stabilisiert, wenngleich gegenwärtig eine Verunsicherung dieser Branche festzustellen ist. Kennzahlen: rd. 120.000 Beschäftigte, 70 Mrd. DM Jahresumsatz, 4 % - 6 % reales Wachstum. Damit ist die Entsorgungsbranche die führende Wachstumsbranche der deutschen Volkswirtschaft.

Diesen positiven Effekten stehen negative Entwicklungen gegenüber:

Das Gesetz konstituiert ein Leitbild bzw. eine regulative Idee, erreicht jedoch nicht den angestrebten Umschwung von einer Durchfluß- zu einer Kreislaufwirtschaft. Unter den gegebenen Rahmenbedingungen kann nur eine Führung von Produktions- und Behandlungsprozessen im Kreislauf realisiert werden, nicht jedoch eine Kreislaufführung der Massenkonsumprodukte. Insofern schafft dieses Gesetz Illusionen und liefert mit diesen lllusionen und Versprechungen die Folie für PR-Reden der Regierungspolitik. Es hat eher eine bremsende Funktion, da es im Kern dem Glauben an die technische Lösbarkeit der Probleme huldigt und nicht auf eine Umstellung unserer Lebensstile und Konsumgewohnheiten dringt. Dies wäre aber die notwendige Voraussetzung für eine Absenkung des Stoff- und Energieverbrauchs in der Volkswirtschaft insgesamt. Erst diese Absenkung der Stoffinputs würde zu den gewünschten Mengeneffekten bei der Abfallreduzierung führen.

An kritischen Punkten und Defiziten sind im einzelnen zu nennen:

  • 1. Die begriffsscholastische Unterscheidung in "Abfälle zur Verwertung'' und "Abfälle zur Beseitigung" (J 3 Abs. 1) schafft nicht die gewünschte Klarheit für den Vollzug. Sie kann, wie die Praxis zeigt, die immer wieder beklagte Umgehung abfallrechtlicher Vorschriften durch die Umdeklarierung von Abfällen in Wirtschaftsgut - und damit ein Ausscheiden aus dem Bereich der staatlichen Kontrolle - nicht verhindern. Gesetzesformulierungen wie z.B. "Abfälle zur Verwertung sind Abfälle, die verwertet werden" (J 3 Abs. 1, S. 2) sind tautologische Nullinformationen.

  • 2. Das Leitbild der "abfallarmen Kreislaufwirtschaft" läßt für einige Branchen in Form einer anlageninternen Kreislaufführung erfolgreich anwenden. Beispiele: Galvanik, industrielle Spritzlackierung, Titandioxid-Herstellung, chlorierte Lösemittel zur Entfettung von Metall- und Kunststoffoberflächen. Es ist ein folgenschwerer Irrtum der Urheber des Regierungsentwurfs zum KrWG, von diesen einzelnen Beispielen ausgehend darauf zu schließen, daß es einerseits technisch möglich ist und andererseits ökonomisch vertretbar, derartige anlageninterne Kreislaufführungen in den meisten Branchen der Volkswirtschaft zu installieren.

  • 3. Nicht als Irrtum, sondern als bewußte Irreführung des Verbrauchers und Wählers ist dagegen das Versprechen des KrWG zu werten, daß auch für die gegenwärtig produzierten Massenkonsumprodukte eine Kreislaufführung rsp. stoffliche Verwertung großen Stils und flächendeckend technisch möglich und durch das Gesetz erreichbar ist. Gegenbeispiele: Elektro- und Elektronikgeräte, die verschweißt, statt verschraubt sind, können nicht zu vertretbaren Kosten zerlegt werden. Das gleiche gilt für die durch Miniaturisierung, Verbundkonstruktionen und hochkonfektionierte Werkstoffe gekennzeichnete moderne technische Entwicklung von Massenkonsumprodukten. Surfbretter, Skier, Skistiefel, Tennisschläger, Windjacken usw. können nicht nur nicht stofflich verwertet, sie können auch nicht umweltgerecht entsorgt werden. Die neuen Trends in der Entwicklung von Werkstoffen, z.B. die moderne Nano-Technik der unsichtbaren, hauchdünnen Beschichtung, von Werkstoffen setzen neue Schranken für eine stoffliche Verwertung.

  • 4. Die offizielle Abfallwirtschaftspolitik in Deutschland, die auf verstärktes stoffliches Recycling setzt, hat drei Schwächen:

    - mangelnde Aufnahmefähigkeit der Märkte

    - diffuse Verteilung der Schadstoffe über Recycling- und Verwertungsverfahren

    - fehlende Gestaltung der Produkte mit Blick auf ihre Verwertungseigenschaften sowie Rückgang der Recyclingfähigkeit von Produkten als Folge der gegenwärtigen technischen Entwicklungen.

    Beispiele für die diffuse Verteilung der Schadstoffe:
    - Dioxine im Küchenabfallkompost,
    - PCB in Papier, Schädlingsbekämpfungsmittel in Holzfasern,
    - chlororganische Farbstoffe in Textilien.

  • 5. Von den Akteuren und den Vollzugsbehörden werden schwierige ökologische Abwägungsprozesse zwischen Alternativen erwartet, für die das Gesetz jedoch keine anwendungsgeeigneten Kriterien und Regeln bereitstellt. So bleibt die Entscheidung, ob Verbrennen oder werkstoffliches Verwerten von Abfällen die unter Umwelt- und Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten günstigere Alternativen darstellt, in vielen Fällen unklar. Beispiele: aus Haushaltsabfällen, Verbrennen von Lackschlämmen, CKW-Lösemittel-Rückständen, Altölen usw. Diese Fraktionen fallen in relevanten Größenordnungen jeweils mehr als 200.000 Va) an.

  • 6. Folgende zwei gegenläufige Tendenzen schaukeln sich in ihren negativen Effekten gegenseitig auf: Der durch das KrWG unterstützte Trend zu einer verstärkten Deregulierung und der Trend zu Überkapazitäten von modernen umweltfreundlichen Abfallanlagen.

    Beispiel zur Deregulierung: Heute erhält in Berlin, Hamburg, Schleswig-Holstein oder Bayern jeder, der es halbwegs intelligent anstellt, eine vorläufige Genehmigung, als Wirtschaftsgut oder "Abfälle zur Verwertung" deklarierte Abfälle zu transportieren, zu verwerten oder zu lagern. Dadurch erhalten bereits seit langem ausgeübte Umgehungspraktiken der "grauen Entsorgung" eine enorme Schubkraft. Kriminelle, kleine Ganoven und Glücksrittertypen werden von den gegebenen Möglichkeiten, ohne Risiko schnell große Gewinne zu machen, geradezu magisch angezogen. Riesige Abfallmengen verschwinden auf diese Weise. Sie gelangen nicht in die für sie geschaffenen und bestimmten Anlagen. So entsteht ein Trend zur Unterauslastung dieser Kapazitäten, die wiederum die Betreiber zu Gebührenerhöhungen zwingt mit der Folge, daß die Versuche, eine geordnete Entsorgung zu umgehen, weiter zunehmen.

    Beispiele zur Unterauslastung: Im Vertrauen auf die Ankündigungen und das Funktionieren der offiziellen Abfallpolitik haben Unternehmen in den vergangenen Jahren in modernen Abfallverwertungs- und Behandlungsanlagen investiert. Sie haben die Aussagen von Regierungsvertretern für bare Münze genommen und erkennen jetzt, wo die erwarteten Abfallmengen zwar vorhanden sind, aber nicht in die dafür bestimmten Anlagen gelangen, daß sie enorme Fehlinvestitionen getätigt haben. Beispiele: Die 10 Sonderabfallverbrennungsanlagen in NRW sowie die 1992 in Berlin eröffnete modernste europäische Gewerbeabfallsortieranlage (ALBA), die nur zu 30 - 40 % ausgelastet ist. Chronische Unterauslastungen zwingen die Anlagenbetreiber dazu, ihre Gebühren zu erhöhen mit der Folge, daß immer mehr Abfälle an ihnen vorbei in graue Kanäle wandern und nicht umweltgerecht ''beseitigt'' werden.

  • 7. Die Vollzugsbehörden der Länder sind gegen diese im Zuge der allgemeinen Deregulierungswelle stattfindende Entfesselung von (kriminellen) Marktkräften machtlos und resignieren. Beispiele: Berlin, NRW, Bayern, neue Bundesländer. Eine "ohne-uns"-Mentalität breitet sich innerhalb des Vollzugs aus - eine direkte Folge der durch das KrWG angestoßenen Entwicklung. Typischer Kommentar von Vollzugsbeamten, die die mentale Stimmung in den Ländern kennzeichnet: "Wenn der Bund solch beknackte Gesetze wie das KrWG macht, soll er selber sehen, was daraus wird."

    Zwei Beispiele:

    - In Berlin ist als Folge der Deregulierungstendenz das bewährte Begleitscheinverfahren für Bauschutt und Baustellenabfälle abgeschafft. Rund. 4 - 5 Mio. t dieser Abfälle werden jährlich in Berlin und dem Umland illegal oder in betrügerischer Ausnutzung vorläufiger Anlagenerrichtungsgenehmigungen gelagert und so der rechtzeitigen Kontrolle durch die Vollzugsbebörden entzogen.

    - Ob für Anlagen zur Verwertung und/oder Behandlung von Abfällen eine Genehmigung nach BlmSchG erforderlich ist, richtete sich früher nach dem möglichen Stundendurchsatz der Anlage, heute dagegen nur nach dem faktischen durchschnittlichen Tagesdurchsatz. Große Anlagen werden daher mit niedrigen Durchsätzen gefahren und fallen dann in die Kategorie der nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen mit dem Resultat, daß der Vollzug keinen Zugriff auf diese Anlagen hat. Der Betreiber kann so an Abfällen annehmen, was er will, und mit ihnen umgehen, wie er will. Toxische Abfälle werden dadurch zum Spielball von Gewinnmaximierungsinteressen. An ihre umweltgerechte Entsorgung ist nicht zu denken.

    Gesamteinschätzung des KrWG:
    Unter unabhängigen Fachleuten besteht Konsens, daß sich entgegen den offiziellen regierungsamtlichen Aussagen mit Kreislaufwirtschaft nur in Ausnahmefällen im produzierenden Gewerbe Geld verdienen läßt. Kreislaufführung kostet die Betriebe in der Regel wesentlich mehr als die eingefahrene Einbahnstraße Produktion-Entsorgung. Die Gewinner der Kreislaufwirtschaft sind die großen und mittleren Unternehmen der Entsorgungsbranche (RWE, VEW, Baden-Werke, Trienekens, Rethmanns, ALBA, Otto-Gruppe u.a.) sowie die ungezählten Einzelkämpfer und Glücksritter, die mit der breiten Skala der Umgehungspraktiken von der Falschdeklarierung bis zur Vermischung der Abfälle und illegalen Abfallexporten arbeiten.

    Kreislaufwirtschaft ernst genommen würde einen solch großen Einschnitt in unsere Lebensstile und Konsumgewohnheiten sowie unser gesamtes Wirtschaftssystem bedeuten, daß sie nur als Wirtschafts- und Finanzpolitik mit entsprechenden Gesetzen (auf der Ausgaben- und Einnahmenseite) implementierbar ist. Erst wenn der Finanz- und der Wirtschaftsminister, nicht der Umweltminister, ein Kreislaufwirtschaftsgesetz einbringen und durchsetzen, wird aus Kreislaufwirtschaft mehr als eine euphemistische Metapher, die lllusionen schürt und an den harten Realitäten scheitert.

Fazit: Die negativen Seiten der durch das KrWG induzierten Entwicklungen übertreffen bei weitem seine positiven Effekte.

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5. Gegenwärtige Situation der Abfallwirtschaft

Es besteht eine verstärkte Tendenz zu Überkapazitäten bei Anlagen zur Behandlung und Verwertung von Abfällen. Beispiele: bei Anlagen zur Wertstoffsortierung von gewerblichen Abfällen, Anlagen zur Verbrennung von Sonderabfällen, Kompostanlagen, Recyclinganlagen von Kunststoffen, von PVC und Papier und vor allem bei Anlagen zur rohstofflichen Verwertung von gemischten Kunststoffabfällen aus Haushalten (Grüne-Punkt-Abfälle). Müllheizkraftwerke erhalten zunehmend Konkurrenz durch Stahlwerke (Einsatz von Mischkunststoffen), Zementwerken oder ähnlichen Anlagen, die mit hohen Verbrennungstemperaturen arbeiten. Gleichzeitig ist ein Anstieg der grauen, nicht ordnungsgemäßen Entsorgung bis hin zu rechtswidrigen, kriminellen Aktivitäten zu beobachten. Eine breite Palette der Umgehungsstrategien ist vorhanden und wird vielfach genutzt. Unsicherheiten entstehen in bezug auf die durch das KrWG induzierten Mengeneffekte und in bezug auf den Willen des bundesstaatlichen Normgebers (Rechtsverordnungen, Technische Anleitungen), in Ausführung der Bestimmungen des KrWG rechtlich regulierend einzugreifen. Restriktionen der Bundesländer: Es fehlen die finanziellen Mittel, um den Vollzug neuer Rechtsnormen zu überwachen bzw. um mit Hilfe von landesrechtlichen Regelungen die Bundesnormen des KrWG umzusetzen.

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6. Bewertung der Verpackungs-Verordnung und des DSD

  • 1. Die Verpackungsverordnung, die zum DSD führte, wurde bekanntlich 1990 unter unsäglichem Zeitdruck verabschiedet, ohne vorherige fachliche Abschätzung der abfallwirtschaftlichen Mengeneffekte und der entstehenden Kosten. Sie ist konzeptionell im Ressort des Wirtschaftsministers, also nicht vom Umweltministerium erarbeitet worden. Die FDP setzte sich mit diesem ersten abfallpolitischen Deregulierungswerk im Kabinett gegen die Bedenken aus den Reihen der CDU durch. Die Bundesregierung als Verordnungsgeber machte in populistischer Weise und aus leicht nachvollziehbaren Gründen kurz vor der Wahl zum Bundestag, Ende 1990, den Entwurf der Verpackungs-VO bekannt. Sie traf mit dieser Verordnung mitten in den symbolisch hoch besetzten und in seiner umweltpolitischen Bedeutung völlig überschätzten Bereich der Verpackungen.

  • 2. An den Geburtsfehlern der Verpackungs-VO leidet die Bundesrepublik Deutschland noch heute: Ohne Unterlegung durch Stoffstromanalysen und Kosten-Nutzen-Schätzungen ausschließlich auf die Eigendynamik der Marktkräfte (Deregulierung) zu setzen. Die negativen Effekte dieser mit heißer Nadel gestrickten ersten Deregulierungs-Verordnung werden noch in 10 Jahren sichtbar sein.

  • 3. Negativ ist vor allem der Mißbrauch der Bereitschaft des Bürgers zu bewerten, durch sein Verhalten (Sortieren und Reinigen von Verpackungen) einen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten. Die durch die Verpackungs-VO induzierten Mengeneffekte sind gering, in manchen Bereichen (Verwertung von vermischten Kunststoffabfällen) ökologisch kontraproduktiv, und zudem mit Milliardensummen jährlich viel zu teuer bezahlt. Hinzu kommt die Täuschung des Verbrauchers durch das Logo des Grünen Punktes, mit dem eine Eigenschaft suggeriert wird, die real nicht besteht. Es ist bemerkenswert, daß die in der Schweiz bei Haushaltsabfällen 1994 erreichten Recyclingquoten höher waren als in Deutschland, und dies ohne daß es einer Verpackungs-Verordnung und eines DSD bedurft hätte.

  • 4. "Die Todsünde der Verordnung ist", so stellte Prof. Buchner 1993 fest, "daß sie Bürger und Kommunen vorgetäuscht hat, das Deponieproblem sei mit ihr lösbar, und damit wirkliche Lösungen um Jahre verzögert hat" (MULL und ABFALL 11/93, S. 808). Denn der Beitrag zur Deponieentlastung wäre durch eine Verbrennung der Verpackungen, insbesondere der vermischten Kunststofffraktion, wesentlich größer und zudem erheblich kostengünstiger.

  • 5. Im Ergebnis entstand durch die Verpackungs-VO mit DSD und der Finanzierung über den Grünen Punkt ein Selbstbedienungsmechanismus der großen Unternehmen der Entsorgungsbranche und ein "Geldschöpfungs"-Mechanismus des DSD, der darin besteht, bei Finanzierungskrisen einfach die Grüne-Punkt-Beiträge zu erhöhen und auf die Verbraucher überwälzen zu lassen. Die Verordnung verstärkte die Konzentrationsbewegung in der Entsorgungsbranche, schuf Kartellstrukturen erheblich mächtigeren privaten regionalen Monopolen als die bestehenden kommunalen Monopole der entsorgungspflichtigen Körperschaften. Die Gewinner sind die Verwertungs- und Sortierbetriebe der Entsorgungswirtschaft sowie die Trittbrettfahrer des DSD. Verlierer sind die Umweltpolitik und die Verbraucher.

  • 6. Das DSD führt im Hinblick auf die Fraktion der Kunststoffabfälle zu ökologisch unsinnigen Effekten bei gleichzeitiger ökonomischer Fehllenkung von finanziellen Beiträgen der Verbraucher in Milliardenhöhe. Bereits durch einfache ökologische Vergleichsrechnungen in Verbindung mit Kosten-Nutzen-Rechnungen kann gezeigt werden, daß das in Deutschland praktizierte Verfahren, vermischte Kunststoffabfälle aus privaten Haushalten erst unter einem Riesenaufwand zu sammeln, zu sortieren und zu reinigen, um sie dann zu zweit- und drittklassigen Produkten werkstofflich zu verwerten oder in Hochöfen zu verbrennen bzw. als Reduktionsmittel einzusetzen, weder ökologisch noch ökonomisch eine sinnvolle, geschweige denn eine optimale Lösung darstellt. Es ist beispielsweise umweltpolitisch absurd, daß in den Aufbereitungsanlagen für Kunststoffabfälle (Hydrierung, Vergasung, Thermolyse) ein Vielfaches an Energie eingesetzt werden muß, um einen Liter Öl gewinnen zu können.

  • 7. Hier offenbart sich ein zentrales Defizit der Verpackungs-VO. Sie enthält keinerlei Verpflichtungen zu einer gesamtökologischen Sichtweise und zu einer Berücksichtigung der Ergebnisse von ökologischen Vergleichsrechnungen der Umweltbelastungen, die von den zur Auswahl stehenden Alternativen - werkstoffliche, rohstoffliche oder energetische Verwertung im Vergleich zur Alternative: Neuproduktion von Öl und einer umweltfreundlichen Entsorgung der Kunststoffabfälle -ausgehen. Das hierfür geeignete Informationsinstrument der Ökobilanzen ist vorhanden und grundsätzlich für diese Entscheidungen einsetzbar.

    Unter unabhängigen Fachleuten besteht Konsens, daß ein Recycling von vermischten Kunststoffabfällen ökologisch und ökonomisch unsinnig ist, weil jedes bekannte Verfahren mehr Energie verbraucht als für die Herstellung neuer Kunststoffprodukte erforderlich ist. Bezieht man neben dem Parameter Energie noch die Wirkungsparameter für Luft- und Wasserbelastungen in die Betrachtung ein, verschlechtert sich die Ökobilanz zu Lasten des Kunststoffrecycling erheblich.

  • 8. Daß die Verpackungs-VO und das DSD auch unter ökonomischen Kriterien zu unsinnigen Ergebnissen führen, belegen folgende Daten:

    - Die Kosten für eine rohstoffliche Verwertung von Kunststoffabfällen durch Hydrierung und andere Verfahren betragen auch bei großtechnischen Anlagen mehr als das Fünffache der Kosten des Wertes des erzeugten Öles.

    - Nach Angaben des Garantiegebers des DSD, der Deutschen Kunststoffrecycling GmbH (DKR) lagen 1994 die Kosten der Zuzahlung für die werkstoffliche Verwertung im Inland zwischen 250.-- und 800,-- DM/t Kunststoffabfälle. Die Summe der Zuzahlung für die rohstoffliche Verwertung (Aufbereitung, Transport, Verwertung) lag dagegen zwischen 550,-- DM und 1500,-- DM pro Tonne. Bereits aus diesen Daten ist ersichtlich, daß die Haushalte für diese Verwertungsorgien das Zwei- bis Sechsfache bezahlen, als die Primärproduktion kosten würde.

    - Nach Berechnungen unabhängiger Experten lagen dagegen die wirklichen Kosten für Erfassung, Sortieren und Verwerten der Kunststoffabfälle durch das DSD bereits 1993 in einer Schwankungsbreite zwischen 2500,-- DM bis 6600,-- DM pro Tonne (Prof. Buchner, S. 805).

    Die Kosten für den Aufbau des Dualen Systems wurden 1991 auf 7 Milliarden DM geschätzt, die jährlichen Betriebskosten damals auf etwa 2 Milliarden DM. 1993 betrugen die jährlichen Betriebskosten bereits 4,3 Milliarden DM. Nach Berechnungen von Prof. Berndt betragen die wirklichen Kosten des Dualen Systems jährlich dagegen 6 - 9 Milliarden DM. Schätzungen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft bestätigen diese Größenordnung der Kosten.

    Das Duale System ist ein großes Geschäft für die Verwerter und Sortierer. Dieses Geschäft des unnützen, aber teuren Sortierens lassen sich die im DSD beteiligten bzw. angeschlossenen einigen hundert Firmen nicht entgehen. Die wirklichen Zahler, die Verbraucher, sind dort nicht nennenswert vertreten.



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7. Selbstverpflichtung der Automobilindustrie zur kostenlosen Rücknahme von Altfahrzeugen 21.02.1996

Diese Selbstverpflichtung stellt den durchsichtigen Versuch dar, eine schmerzhafte staatliche Regelung nach J J 24 und 25 KrWG/AbfG durch eine kosmetische Verpflichtung zu verhindern, die die Autoindustrie nichts kostet und der Umwelt keinen zusätzlichen Nutzen bringt. Die positive Würdigung dieser Selbstverpflichtung durch den BMU ist ein Beleg für die These, daß das Umweltressort in strategisch schwacher Position - aufgrund der gegenwärtigen politischen Großwetterlage - geneigt ist, den Schein eines Erfolges für die Wirklichkeit zu nehmen. Die Möglichkeiten zur Öffentlichkeitsarbeit bestimmen den Handlungsrahmen der Politik.

Diese Selbstverpflichtung stellt das Ergebnis von mehr als 5-jährigen Verhandlungen zwischen BMU und VDA dar. Sie enthält folgende wesentliche Zusagen:

- Aufbau einer flächendeckenden Infrastruktur zur Rücknahme und Verwertung von Pkw in Deutschland;

- Rücknahme aller Altfahrzeuge zu marktüblichen Konditionen;

- Kostenlose Rücknahme der nach Schaffung der erforderlichen rechtlichen Rahmenbedingungen in Verkehr gebrachten Fahrzeuge, die nicht älter als 12 Jahre sind und für den deutschen Markt bestimmt waren.

Die Schwächen dieser Selbstverpflichtung liegen in folgenden Punkten:

- Nur ein geringer, tendenziell abnehmender Anteil der Fahrzeuge wird von der Regelung erfaßt (1994 wären es rd. 30 % gewesen, im Jahre 2009, dem ersten Jahr des Wirksamwerdens, wird dieser Anteil aufgrund technischer Verbesserungen der Lebensdauer der Fahrzeuge erheblich gesunken sein.

- Die Einschränkung der Rücknahme auf nur 12 Jahre alte Fahrzeuge macht deutlich, daß die Automobilhersteller mit dieser Selbstverpflichtung keine volle Produktverantwortung übernehmen. Zudem müssen die Entsorgungskosten nach wie vor vom Letztbesitzer getragen werden.

- Die Voraussetzungen für die Rücknahme sind unklar definiert.

- Der erhebliche Altbestand der Fahrzeuge wird nicht berücksichtigt, da die mehr als 40 Millionen bereits zugelassener Pkw von dieser Selbstverpflichtung ausgeschlossen sind.

Abschließend ist festzustellen, daß die Automobilindustrie mit den 12 Jahren alten Fahrzeugen sich die "Rosinen" herausgepickt hat. Fahrzeuge in dieser Altersklasse werden von den Verwerter- und Demontagebetrieben nachgefragt, weil sich deren Ersatzteile zu Preisen verkaufen lassen, die über den Entsorgungskosten liegen. Im Kern hat sich die Automobilindustrie daher nur zu etwas verpflichtet, das bereits heute durch den Markt geregelt wird.

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8. Skizze einer ökologisch ausgestalteten Marktwirtschaft

Ihre Merkmale sind:

- Reduzierung des Stoff- und Energiedurchsatzes der Volkswirtschaft insgesamt

- umweltgerechte Finanzreform, die Einnahmen wie die Ausgaben des Staates umfassend

- allgemeiner gesellschaftlicher Konsens im Hinblick auf eine Reihe von prioritären Umweltqualitätszielen und auf sie bezogenen Mengenreduktionsschritten

- Senken der Abgaben des einzelnen Bürgers bei stärkeren Belastungen für Umweltverbrauch

- Schaffen stabiler Erwartungen durch eine verläßliche, kalkulierbare Umweltpolitik (Zeitrahmen: etwa 15 Jahre)

- Technische Effizienzrevolution und Veränderung der Konsumgewohnheiten und Lebensstile

- erfolgreiche Strategien, die eine Kompensation der technischen Effekte durch eine Zunahme des absoluten Verbrauchs verhindern.

Folgerungen für die Politik

  • 1. Effizientere Regelungen sind anzustreben. Beispielsweise ist die Verbrennung vermischter Kunststoffabfälle aus privaten Haushalten und ihre anschließende Deponierung ökonomisch und ökologisch weitaus effizienter als die gegenwärtig im Rahmen des DSD betriebene Verwertung.

  • 2. Anforderungen an die zukünftige Produktgestaltung sollten im Mittelpunkt von Regelungen zum Stoffstrommanagement und zur Unterstützung von Prozessen der Kreislaufwirtschaft stehen. Hier muß angesetzt werden, wenn die gegenwärtigen Entsorgungsprobleme langfristig wirklich gelöst werden sollten.

  • 3. Die Kalkulierbarkeit der Politik für die Wirtschaft muß wesentlich verbessert werden (Zeitrahmen von 15 Jahren und mehr).

  • 4. Lernen von der Schweiz im Hinblick auf die Möglichkeit, effiziente Recyclingsysteme von Haushaltsabfällen (ohne DSD und Verordnungen) einzurichten.

  • 5. Ordnungsrechtliche Regelungen können als flankierende Rahmen eine hilfreiche Rolle bei der Entstehung und Durchführung von Selbstverpflichtungen der Hersteller von Produkten spielen. Positivbeispiel: Die unter dem Namen CYCLE zusammengeschlossenen Hersteller von Informations- und Kommunikationstechnik haben dies mit ihrer aktuellen Selbstverpflichtung (1996), die durch die AltcomputerVO (Entwurf) gestützt wird, bewiesen.

© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | November 1998