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Standort Ostdeutschland : Eckpunkte einer maßgeschneiderten Industriepolitik für die Neuen Länder ; Thesenpapier des Managerkreises / unter Federführung von Uwe Thomas. Managerkreis der Friedrich-Ebert-Stiftung. - [Electronic ed.]. - Bonn, [1997]. - 18 S. = 52 Kb, Text
Electronic ed.: Bonn: FES-Library, 1998

© Friedrich-Ebert-Stiftung


INHALT






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Zusammenfassung

Solange die Neuen Länder das, "was sie importieren, nicht aus eigenen Exporten bezahlen können, steht die Wirtschaft auf tönernen Füßen." (Wolfram Engels). Die Nettotransfers in die Neuen Länder entsprachen 1996 35 Prozent ihres Inlandsprodukts

Einige spektakuläre und kapitalintensive Investitionen von Großunternehmen, in der Regel erkauft mit gewaltigen Subventionen, können nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Wirkungsgrad der vorhandenen Förderinstrumente noch nicht ausreicht. Tatsächlich rechneten 1996 69 Prozent aller Betriebe mit mehr als 500 Beschädigten in den nächsten 5 Jahren mit einem Personalabbau. Deshalb stellt sich die Frage, wie es gelingen kann, einem neuen industriellen Mittelstand in Ostdeutschland eine ausreichende Wachstumsdynamik zu verschaffen und die Erschließung neuer Märkte zu ermöglichen.

Im Grunde wurden bisher überwiegend westliche Fördermaßnahmen fortgeschrieben, die schon aus der Zonenrandförderung bekannt waren, statt neue Ideen zu entwickeln, die der besonderen Situation in den Neuen Ländern Rechnung tragen und dabei den klassischen Industriebegriff nach amerikanischem Muster um die immer wichtiger werdenden technischen und wirtschaftlichen Dienstleistungen erweitern.

Was aussteht ist eine neue Gründerzeit in Ostdeutschland, die nicht nur Handel und Kleingewerbe umfaßt, sondern auch die Industrie in einem erweiterten Industriebegriff mit einschließt. Maßgeblich ist dabei nicht allein die Anzahl neu gegründeter Unternehmen, sondern vor allem ihr Wachstumspotential und dessen Nutzung. Die Verfügbarkeit von Wachstumskapital war die entscheidende Voraussetzung für die Nutzung von Wachstumspotentialen, in der Gründerzeit in Deutschland wie beim Entstehen neuer Industrien in den USA oder in Fernost.

Unsere bankendominierte Finanzierungskultur muß ergänzt werden durch eine Venture Capital Kultur, in der Menschen tätig sind, die Unternehmen, Märkte und Technologien kennen und verstehen. Eine Venture Capital Kultur wird nur entstehen, wenn es für Anleger interessant ist, in Venture Capital zu investieren, weil hohen Risiken entsprechend hohe Chancen gegenüberstehen. Es gibt keine Venture Capital Kultur ohne eine Börse, die Wachstumsfirmen zu honorieren bereit ist. Das geht nicht ohne eine entsprechende Anpassung der Rahmenbedingungen durch die Bundesregierung, vor allem durch eine steuerliche Besserstellung von Eigenkapital gegenüber Fremdkapital.

Die Gründerzeit in Deutschland im vergangenen Jahrhundert lebte und die Gründerzeit in Silicon Valley, Israel oder in Taiwan in diesem Jahrhundert lebt von einer Symbiose zwischen öffentlich geforderter oder finanzierter Forschung und jungen Unternehmen in neuen Märkten. Diese Erfahrung scheint in Deutschland vergessen worden zu sein.

In Staaten, die unbefangen an die Symbiose öffentlicher Wirtschaftsförderung und privater Unternehmerinitiative herangehen, werden Konzepte realisiert, die unter dem Begriff der "Technopole" neue Impulse für vernachlässigte Wirtschaftsregionen vermitteln sollen. In Anknüpfung an die vielfältigen internationalen Erfahrungen mit Technopolen sollte zumindest der Versuch gemacht werden, in jedem ostdeutschen Bundesland einige Projekte dieser Art, ausgehend von regionalen Potentialen, zu realisieren, die insbesondere junge Unternehmen in vielfältiger Weise unterstützen. Das klassische Technologiezentrenkonzept sollte entsprechend ergänzt werden.

Knowhow, mit dem in jungen Unternehmen Geld verdient werden kann, ist nicht auf Technik allein zu beschränken. Design, Vertrieb und Markenbildung sind ebenso wichtige Erfolgsfaktoren. Sie sollten ohne große bürokratische Auflagen gefördert werden.

Nicht zu vergessen ist die öffentliche Hand als Auftraggeber und wichtiger Markt für junge Unternehmen. Wir brauchen nach dem Vorbild des Small Business Act in den USA eine ähnliche Beschaffungsrichtlinie nur junge Unternehmen aus den Neuen Ländern, die diesen einen Marktzugang eröffnet, der ihnen sonst von etablierten Unternehmen mit überlegener Kapitalkraft und Vertriebsorganisation verschlossen wird.

Schließlich, und dieses Asset wird in Zukunft wieder wichtiger werden, haben gerade ostdeutsche Manager oft eine ganz hervorragende Kenntnis osteuropäischer Märkte. Sich dort zu positionieren, übersteigt aber in aller Regel die Kräfte junger Unternehmen. Auch hier könnte die öffentliche Hand durch deutlich verbesserte Konditionen für Bürgschaften und Hilfen bei der Markterschließung Hilfe zur Selbsthilfe gewähren..

Unterstützung verdienen nicht zuletzt diejenigen, die etwas riskiert haben und gescheitert sind, eben weil sie etwas riskiert haben. Wir sollten uns in diesem Punkt ein Beispiel an den USA nehmen. Dort ist ein Neuanfang nach dem Scheitern möglich, der bei uns völlig undenkbar ist, weil dort entweder das Vermögen oder das unselbständige Einkommen haftbar gemacht wird, aber nicht beides herangezogen werden kann. Dem trägt das Gesamtvollstreckungsrecht in den Neuen Ländern und die ab 1999 geltende Insolvenzordnung noch nicht ausreichend Rechnung.

Neuerdings werden Stimmen laut, die angesichts der enormen Aufwendungen der Bundesanstalt für Arbeit für den zweiten Arbeitsmarkt und die berufliche Weiterbildung in Ostdeutschland für eine deutliche Einschränkung der Ausgaben der aktiven Arbeitsmarktpolitik plädieren. Dies würde nicht nur die soziale Stabilität untergraben, sondern auch die Erarbeitung eines selbsttragenden Aufschwungs in Ostdeutschland nachhaltig gefährden. Immer noch gehört die berufliche Weiterbildung von Arbeitslosen zu den Maßnahmen öffentlicher Förderung, die eine besonders hohe Selbstfinanzierungsquote erreichen. Gefordert ist allerdings ein hoher Qualitätsanspruch in der aktiven Arbeitsmarktpolitik ohne Einschränkung der Quantität, der sich an einer steigenden Vermittlungsquote von Arbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt festmachen läßt. Billiganbieter, bei denen die Arbeitslosen vorübergehend "geparkt" werden, erweisen sich ebenso wie reine Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen am Ende als die teuerste Lösung.

Die Tarifparteien müssen herausgefordert werden, angesichts der Lohnkostenprobleme in den Neuen Ländern über innovative Modelle für Investivlöhne nachzudenken. Wir schlagen vor, nach dem Muster der steuerfreien Investitionszulage eine steuerfreie Kapitalzulage für Arbeitnehmer einzuführen. Zum Schutz niedriger Einkommen sollte für den Fall, daß das Unternehmen Konkurs anmelden muß, der von den Beschäftigten aufgebrachte Betrag teilweise staatlich verbürgt werden. Ein solches Modell müßte durch entsprechende Tarifverträge abgestützt werden.

Nach wie vor setzt die öffentliche Förderung von Unternehmen vorwiegend auf die Kofinanzierung von Investitionen in Form von Investitionszulagen und Investitionszuschüssen. Dabei wird übersehen, daß technisch-wirtschaftliche Dienstleistungen, Software- und Systemhäuser zunehmend wichtiger werden, in denen die Investitionen in den Köpfen stattfinden und nicht in Maschinen oder Gebäuden. Wäre es nicht an der Zeit, dieser Tendenz Rechnung zu tragen und nicht mehr die "Hardware", sondern die "Software" in den Vordergrund zu rücken? Der einfachste Weg wäre eine Förderung des Nettozuwachses an Beschäftigten in einem Unternehmen, eine Personalkostenzulage, die sich daran bemißt, wieviel neue Arbeitsplätze geschaffen werden.

Die Transfers öffentlicher Mittel von West nach Ost noch einige Zeit in voller Höhe nötig bleiben, um die Angleichung der Lebensverhältnisse dauerhaft zu sichern. Jetzt kommt es darauf an, Wege zu finden, um diese Transfers weniger konsumorientiert und stärker investitionsorientiert zu gestalten. Dazu sind neue Instrumente notwendig, und zwar auf Kosten der Instrumente, die sich nicht bewährt haben.

Ferner muß die Erkenntnis wachsen, daß Kapitalvermögen nach der massiven Vermögensumschichtung der letzten Jahre nun vor allem in den Neuen Ländern aufgebaut werden muß, damit Gewinne verstärkt dort bleiben, wo sie verdient werden.

Es sind Fehler gemacht worden und eine neue Industriepolitik für Ostdeutschland muß dafür sorgen, daß sie schnellstmöglich korrigiert werden.

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1. Die Wirklichkeit

"Der Rohbau der neuen Wirtschaft im Osten steht", schrieb der bekannte Unternehmensberater Roland Berger am 24. März 1995 in der Zeitschrift "Die Woche" und mahnte schon damals zum Subventionsabbau. "Der Westen darf durch den Aufbau Ost nicht überfordert werden..."

Hat er, wie viele andere, die sich seither diese Forderung zu eigen gemacht haben, den hellsichtigen Kommentar von Wolfram Engels in der "Wirtschaftswoche" vom 3.6.1994 zur Kenntnis genommen? Der inzwischen verstorbene Professor Engels, renommierter Ökonom und Publizist machte sich Sorgen: "Es wäre schon viel gewonnen", schrieb er, "wenn die verantwortlichen Politiker sich wenigstens selbst eingestünden, daß die bisherigen Maßnahmen falsch waren und durch weiteres Zuwarten nicht besser werden. Sonst werden die Landschaften vielleicht blühen, aber keine Früchte bringen." Solange die Neuen Länder das, "was sie importieren, nicht aus eigenen Exporten bezahlen können, steht die Wirtschaft auf tönernen Füßen." Seither hat sich an der Art der Maßnahmen wenig geändert. Nur ihr Umfang wird inzwischen in Frage gestellt.

Wer behält am Ende recht, der Unternehmensberater oder der Volkswirt? Ist der Rohbau abgeschlossen oder steht die Wirtschaft in den Neuen Ländern auf tönernen Füßen? Ist ein selbsttragender Aufschwung in Reichweite gerückt oder führt eine schrittweise Zurücknahme der Transferzahlungen zu einem weiteren Zusammenbruch der Wachstumsraten, zu einer weiteren Verschärfung der Arbeitslosigkeit und schließlich zu einer andauernden Abwanderung hochqualifizierter Menschen in den Westen?

Unbestritten ist, der Aufbau einer Industrie (im amerikanischen Sinn, unter Einschluß technisch-wirtschaftlicher Dienstleistungen), auf die ein selbsttragender Aufschwung in den Neuen Ländern angewiesen ist, kommt nur langsam voran. Einige spektakuläre und kapitalintensive Investitionen von Großunternehmen, in der Regel erkauft mit gewaltigen Subventionen, können nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Wirkungsgrad der vorhandenen Förderinstrumente bescheiden ist und offenkundig nicht ausreicht, einen leistungsfähigen industriellen Mittelstand in Ostdeutschland zu schaffen, der eine eigene Wachstumsdynamik entfaltet und neue Märkte vorrangig besetzt. Auf ihn wird es in den nächsten Jahren im Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit ankommen, wenn dieser Kampf gewonnen werden soll.

Die selbständigen Industrieunternehmen mit weniger als 500 Beschäftigten stellen in Westdeutschland zwei Drittel aller Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe. Selbst die strukturschwachen westdeutschen Ländern konnten sich immer auf einen leistungsfähigen Mittelstand stützen. Sie hätten ihn mit den klassischen Instrumenten bundesdeutscher Wirtschaftspolitik nicht zum erwecken können..

Nicht einmal ein Drittel der Nachfrage in den Neuen Ländern kann durch die eigene Wirtschaftsleistung gedeckt werden. Zwar haben sich die Löhne und Gehälter dem westlichen Standard angenähert, aber das wird mit massiven Subventionen erkauft, um den Lohnstückkostennachteil in Ostdeutschland zu kompensieren. Die Nettotransfers in die neuen Länder entsprachen 1996 35 Prozent ihres Inlandsprodukts und 4 Prozent des westdeutschen Inlandsprodukts.

Die öffentlichen Haushalte bluten aus und die Rückwirkung auf Wachstum und Beschäftigung sind gravierend. Die Früchte der Förderung sind dürftiger als erwartet. Die Probleme werden durch die Finanzschwierigkeiten von Bund und Ländern immer größer. Die deutsche Großindustrie wendet sich vom Standort Deutschland ab.

Privatfinanzierte Ausgaben für Forschung und Entwicklung, Grundlage der Wettbewerbsfähigkeit in Zukunftsindustrien, sind im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt nicht nur in Westdeutschland zurückgegangen. Sie stellen vor allem in den Neuen Ländern kein hinreichendes Potential zur Verfügung, auf das ein selbsttragender Aufschwung bauen könnte. Das durchaus beachtliche technisch-wissenschaftliche Humankapital der DDR ist zusammengeschrumpft, weil die Industrieforschung nach der Vereinigung den Zusammenbruch der Kombinate nicht überlebte.

Die Chance, an das regional vorhandene Knowhow anzuknüpfen und mit staatlicher Startförderung Technopole zu schaffen, damit auf dem Humus des technischen Knowhows der Kombinatsruinen der Weizen neuer Unternehmen blühen könnte, wurde weitgehend vertan. Es war niemand da, der den Mut hatte, im Rahmen von langfristig angelegten Konzepten solche "Technopole" zu schaffen und degressiv zu finanzieren. Statt dessen wurde durch Sonderabschreibungen ein steuerfinanzierter Bauboom ausgelöst, der zu einem Überangebot an leeren Bauhülsen geführt hat, in denen niemand Arbeit findet, während die aufgeblähte Bauwirtschaft im Osten inzwischen in gravierende Anpassungsprobleme hineinschlittert. Eine Anpassung des Baugewerbes in Ostdeutschland an westdeutsche Maßstäbe würde 10 Prozent der Erwerbstätigen in den Neuen Ländern in die Arbeitslosigkeit führen .

Wolfram Engels dürfte wohl weitgehend recht behalten, wenn er polemisch überspitzt und pauschal die bisherigen Maßnahmen der Wirtschaftspolitik als falsch bezeichnete. Im Grunde wurden westliche Maßnahmen fortgeschrieben, die schon aus der Zonenrandförderung bekannt waren, statt neue Ideen zu entwickeln, die der besonderen Situation in den Neuen Ländern Rechnung tragen.

Eine Verlagerung des Eigentums von Ost nach West war die Folge. Nur ein kleiner Teil des Subventionskuchens geht an Kapitaleigner in den Neuen Ländern. Der weitaus größere Teil zementiert die Vermögenslücke zwischen Ost und West. Wer über eine maßgeschneiderte Industriepolitik für die neuen Länder nachdenkt, wird diese Vermögenslücke und ihre nachhaltigen Konsequenzen nicht vernachlässigen dürfen.

Was aussteht ist eine neue Gründerzeit in Ostdeutschland nach dem Muster von Silicon Valley in diesem oder von Deutschland im vorigen Jahrhundert. Eine neue Gründerzeit, die diesen Namen verdient, weil sie nicht nur Handel und Kleingewerbe umfaßt, sondern auch die Industrie mit einschließt, ist in Ostdeutschland nicht in Sicht. Im Gegenteil, die Zahl der Unternehmensinsolvenzen nimmt zu, schnell wachsende Unternehmen sind rar und von einem leistungsfähigen in Ostdeutschland beheimateten industriellen Mittelstand kann bisher, vergleicht man dessen Stärke mit der in Westdeutschland, noch keine Rede sein.

Westliche Großunternehmen können den Mittelstand nicht ersetzen, allenfalls das Problem mildern, wenn sie es nicht in einigen Fällen sogar verschärft haben. Das Beispiel des Bremer Vulkan, der ostdeutsche Werften übernommen und ausgesaugt hat, ist nur ein Beispiel dafür, welche Fehlentwicklungen in den letzten Jahren stattgefunden haben.

Um gar nicht erst Mißverständnisse aufkommen zu lassen: Das Engagement, das Knowhow und das Kapital westlicher und westdeutscher Unternehmen ist für den Wiederaufbau der industriellen Basis in den Neuen Ländern notwendig. Aber es ist, wie sich inzwischen immer deutlicher zeigt, nicht hinreichend und zeigt Ermüdungserscheinungen. Tatsächlich rechneten nach einer Erhebung des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 1996 69 Prozent aller in den Neuen Ländern tätigen Betriebe mit mehr als 500 Beschäftigten in den nächsten fünf Jahren mit einem Personalabbau.

Wie schaffen wir es, die notwendigen Transfers von West nach Ost stärker investitionsorientiert und weniger konsumorientiert zu gestalten, um den Rohbau eines selbsttragenden Aufschwungs sicherzustellen? Die Nettotransfers von West nach Ost von 1991 - 1996 beliefen sich auf 900 Milliarden DM. Davon wurden mehr als zwei Drittel konsumtiv verwendet.

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2. Mittelstandspolitik

Die endogenen Kräfte in den Neuen Ländern dürfen nicht länger vernachlässigt werden. Die vielen Milliarden öffentlicher Förderung dürfen den Aspekt der Kapitalvermögensbildung in Ostdeutschland nicht länger ignorieren. Es wird Zeit für eine neue Strategie zum Aufbau eines selbständigen industriellen Mittelstands in Ostdeutschland, und das ist etwas anderes als die Förderung von Handwerk und Handel. Das Förderinstrumentarium muß neu überdacht werden.

Der Einwand, in Deutschland sei man eher risikoscheu, zieht nicht. Viele ostdeutsche Manager, die aus den Kombinaten stammen und inzwischen dazugelernt haben, sind keineswegs risikoscheu, wie es die Legende will. Sie haben mit chronisch unterkapitalisierten Management Buy Outs gezeigt, welche Risiken sie als selbständige Unternehmer bereit sind einzugehen. Aber vor allem im Vertrieb und im kaufmännischen Bereich haben sie zu wenig Erfahrung sammeln können..

Den Risiken müssen entsprechende Chancen gegenüberstehen. Wenn zunehmend Insolvenzen statt Erfolge die öffentliche Meinung prägen, wenn die Risiken größer als die Chancen sind, werden sich immer weniger Menschen bereit finden, ihre Existenz durch den Aufbau eines eigenen Unternehmens aufs Spiel zu setzen. Deshalb müssen wir diesen Menschen interessante Möglichkeiten zur Kapitalbildung einräumen und dem begleitenden Risikotraining mehr Aufmerksamkeit schenken..

Die Chancen, Risikokapital zu finden, sind bei uns unterentwickelt. Das gilt auch für Manager aus den alten Ländern, die bereit sind, sich in Ostdeutschland selbständig zu machen oder selbständige Betriebe zu übernehmen. Dazu könnten bessere steuerliche Begünstigungen (wie es in Israel vorgemacht wird) ebenso beitragen, wie der Aufbau eines unternehmerisch orientierten Kapitalmarkts. Wachstumsfirmen, die ihr Wachstum nicht durch Eigenkapital finanzieren können, gehen früher oder später an Überschuldung zugrunde, je schneller sie wachsen, desto größer das Risiko.

Unsere Finanzierungskultur, die sich auf eine Bankenstruktur stützt, die selbst kaum über unternehmerische Erfahrung in ihren Reihen verfügt und die Unternehmen deshalb oft dann im Stich läßt, wenn ein Durchbruch gerade in Sicht kommt, reicht dazu nicht aus. Die gespaltenen Eliten im Banken- und Unternehmensmanagement sind ein Hemmschuh, wenn es um eine neue Gründerzeit, um die Finanzierung schnell wachsender mittelständischer Unternehmen oder um die Beurteilung des Gesundungspotentials von Unternehmen geht, die sich vorübergehend in akuten Schwierigkeiten befinden. Banker sind keine Unternehmer und sie pflegen deshalb eher auf die Vergangenheit, als in die Zukunft zu schauen. Wer es als Banker trotzdem tut, riskiert einen Karriereknick, weil er Mitverantwortung übernimmt und dabei am kürzeren Hebel sitzt, wenn es hart auf hart geht.

Unsere bankendominierte Finanzierungskultur muß ergänzt werden durch eine Venture Capital Kultur, in der Menschen tätig sind, die Unternehmen, Märkte und Technologien kennen und verstehen. Eine Venture Capital Kultur wird nur entstehen, wenn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen, wenn es für Anleger interessant ist, in Venture Capital zu investieren, weil hohen Risiken entsprechend hohe Chancen gegenüberstehen. Denn anders als im Kreditgeschäft, in dem die Chancen von vornherein begrenzt sind und deshalb auch keine hohen Risiken eingegangen werden können, sind es im Venture Capital Geschäft die hohen Chancen, die große Risiken ausgleichen, vorausgesetzt, das Urteilsvermögen der Manager von Venture Capital Fonds reicht aus, um dieses schwierige Metier zu beherrschen.

Es gibt keine Venture Capital Kultur ohne eine Börse, die Wachstumsfirmen zu honorieren bereit ist. Die Diskussion um eine neue rnittelstandsorientierte Börse ist mit der europäisch orientierten EASDAQ und der eher national orientierten Innovationsbörse in Frankfurt, dem Neuen Markt, derzeit in ein entscheidendes Stadium getreten.

Die Neuen Länder sollten sich aktiv an dieser Diskussion beteiligen und aus dem Erfolg der Investmentbanken und der NASDAQ in den USA zu lernen versuchen. Das geht nicht ohne eine entsprechende Anpassung der Rahmenbedingungen durch die Bundesregierung, vor allem durch eine steuerliche Besserstellung von Eigenkapital gegenüber Fremdkapital und erfordert eine aufgeschlossene Haltung der deutschen Universalbanken, denn sie bestimmen in Deutschland das Börsengeschehen. Der Erfolg des Neue Markts in Frankfurt ist ein Indiz dafür, daß die deutschen Universalbanken die Herausforderung begriffen haben. Warum wurde er nicht in Berlin aufgebaut, zumal im Zeitalter des Computerhandels der Standort an Bedeutung verliert? Warum wurde nicht systematisch die Ansiedlung erfahrener amerikanischer Investmentbanken in Berlin gefördert? Sie verfügen über das Knowhow der Börseneinführung von jungen Wachstumsunternehmen, das deutsche Banken erst noch lernen müssen..

Die aktuelle Diskussion um die Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen bei privaten Anlegern geht kurioserweise gerade in die entgegengesetzte Richtung, auch wenn der entsprechende Vorstoß des Fraktionsvorsitzenden der größten Regierungspartei erst einmal abgeblockt werden konnte. Wer auf Veräußerungsgewinne statt auf Zinsgewinne setzt sollte belohnt werden, denn er läßt den Unternehmen das Wachstumskapital, das sie dringend brauchen. Intelligente Spekulanten sind eine nützliche Spezies, wie die Gründerzeiten in Deutschland und Kalifornien vorgeführt haben. Statt die Bedingungen für Eigenkapitalanlagen zu verschlechtern sollten wir uns bemühen, auch für institutionelle Anleger die steuerliche Belastung von Veräußerungsgewinnen deutlich zu senken, um geduldiges Kapital zu ermutigen, in Unternehmen in den Neuen Ländern zu investieren. Eigenkapital ist seiner Natur nach geduldiger und sachverständiger als Fremdkapital.

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3. Technopole als Stimulans

In Staaten, die unbefangen an die Symbiose öffentlicher Wirtschaftsförderung und privater Unternehmerinitiative herangehen, werden Konzepte realisiert, die unter dem Begriff der "Technopole" neue Impulse für vernachlässigte Wirtschaftsregionen vermitteln sollen. Wo solche Konzepte offenkundig erfolgreich waren, wurden sie von staatlichen Instanzen allerdings nur indirekt gesteuert, etwa durch die Förderung von Universitäten und Forschungsinstituten, durch Unterstützung von Designzentren, durch Weiterbildungsangebote, durch die Förderung kultureller Attraktivität und attraktive Freizeitmöglichkeiten, durch eine leistungsfähige Verkehrs- und Kommunikationsinfrastruktur.

Hinzu kommen muß von Beginn an private Initiative, die es jungen Unternehmen leichter macht, verständnisvolle Investoren zu finden und die Knowhow- und Kostenhürde zu überwinden, die der Aufbau eines leistungsfähigen Vertriebs für solche Unternehmen darstellt. Ohne die Mitwirkung erfahrener Unternehmer an einem solchen Konzept sind Technopole deshalb immer in der Gefahr, ein Faß ohne Boden zu werden, in dem öffentliche Mittel verschwinden, ohne daß in angemessener Zeit ein return on Investment, ein Gegenwert durch lebensfähige Unternehmensstrukturen entsteht.

Technopole erfordern eine sorgfältige Analyse, einen langen Atem und unternehmerische Zielsetzungen und Strukturen. Sie können nur erfolgreich sein, wenn auf vorhandenen Ansätzen, auf Forschungseinrichtungen, Hochschulen, Bildungsträgern der Erwachsenenbildung und erfahrenen Technologiezentren aufgebaut werden kann und Technik als Mittel zum Zweck betrachtet wird, um neue Märkte zu erschließen und nicht als Zweck an sich.

In Anknüpfung an die vielfältigen internationalen Erfahrungen mit Technopolen (wie sie beispielsweise in dem 1994 erschienenen Buch von Manuel Castells und Peter Hall "Technopoles of the World" zusammengestellt worden sind) sollte zumindest der Versuch gemacht werden, in jedem ostdeutschen Bundesland einige Projekte dieser Art, ausgehend von regionalen Potentialen, zu realisieren. Ansätze dafür sind genügend vorhanden.

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4. Forschung, Design und Marketing

Die Gründerzeit in Deutschland im vergangenen Jahrhundert lebte und die Gründerzeit in Silicon Valley, Israel oder in Taiwan in diesem Jahrhundert lebt von einer Symbiose zwischen öffentlich geförderter oder finanzierter Forschung und jungen Unternehmen in neuen Märkten..

Diese Erfahrung scheint in Deutschland vergessen worden zu sein. Denn sonst wäre mit höchster Priorität daran gearbeitet worden, die öffentliche Forschung und den Transfer ihrer Ergebnisse in junge Unternehmen zu einem Schwerpunkt der Erneuerung der Wirtschaft in den Neuen Ländern zu machen. Dabei sollen Programme, wie TOU Ost und dessen Nachfolgeprogramme oder die externe Vertragsforschung nicht gering geschätzt werden. Es gab und gibt Ansätze, aber ein Gesamtkonzept mit Breitenwirkung fehlt immer noch, in der industrieorientierte Forschung eine wichtige Rolle zu spielen hätte. Insbesondere die Fraunhofergesellschaft hat sich mit ihren Instituten Verdienste erworben, hat aber gleichzeitig schwer daran zu tragen, daß die Projektförderung im Forschungsministerium radikal zusammengestrichen worden ist. Das ist nur ein Spiegelbild der Tatsache, daß der Anteil der Forschungsförderung am Bundeshaushalt kräftig zurückgegangen ist. Damit ist ein besonders wirksames Instrument des Technologietransfers aufgegeben worden..
Hinzu kommt: Junge Unternehmer tun sich besonders schwer, eine Entwicklung bis zum marktfähigen Produkt aus eigener Kraft zu finanzieren. Genau an diesem Punkt setzte das ausgelaufene Programm zur Förderung Technologieorientierter Unternehmen (TOU-Ost) an und es steht zu hoffen, daß der Forschungsminister bald wieder an die positiven Erfahrungen dieses vor kurzem eingestellten Programms anknüpft und ihm entsprechendes Gewicht gibt. So wertvoll sein komplementäres Kofinanzierungsprogramm von Venture Capital für junge Unternehmen ist, so wichtig wäre es, gerade in den Neuen Ländern ausreichend Seed Capital zur Verfügung zu stellen und professionell zu managen. Seed Capital mit einem ausreichenden Element an öffentlichen Zuschüssen ist ein wichtiger Baustein in der Finanzierungskette, auf die Unternehmensgründer angewiesen sind.

Knowhow, mit dem in jungen Unternehmen Geld verdient werden kann, ist nicht auf Technik allein zu beschränken. Design, Vertrieb und Markenbildung sind ähnlich wichtige Instrumente. Auch hier könnte der Staat mehr tun, um zum Beispiel durch konsequente Förderung von Design-Knowhow Marktvorsprünge zu entwickeln und durch eine Unterstützung im Marketing neue Produkte und Dienstleistungen durchzusetzen. Das gilt insbesondere für die Konsumgüterindustrie, die es immer noch schwer hat, sich selbst in ihrer eigenen Region durchzusetzen, geschweige denn, Märkte in Westdeutschland zu besetzen.

Nicht zu vergessen ist die öffentliche Hand als Auftraggeber und wichtiger Markt für junge Unternehmen. Warum sollte es nicht nach dem Vorbild des Small Business Act in den USA eine ähnliche Beschaffungsrichtlinie für junge Unternehmen aus den Neuen Ländern geben, die diesen einen Marktzugang eröffnet, der ihnen sonst von etablierten Unternehmen mit überlegener Kapitalkraft und Vertriebsorganisation verschlossen wird.

Schließlich, und dieses Asset wird in Zukunft wieder wichtiger werden, haben gerade ostdeutsche Manager oft eine ganz hervorragende Kenntnis osteuropäischer Märkte. Sich dort zu positionieren, übersteigt aber in aller Regel die Kräfte junger Unternehmen. Auch hier könnte die öffentliche Hand durch Bürgschaften und Hilfen bei der Markterschließung Hilfe zur Selbsthilfe gewähren. Dabei sollten die Möglichkeiten, die sich an den Grenzen zu Osteuropa eröffnen, nicht vernachlässigt werden. Warum sollten niedrige Löhne in Polen und Tchechien nicht für grenzüberschreitende Entwicklungschancen in Ostdeutschland genutzt werden, weil kostengünstige Zulieferungen regional realisiert werden können und damit Unternehmen in Ostdeutschland Kostenvorteile eröffnen? Gemeinsame grenzüberschreitende regionale Entwicklungsprojekte sind heute noch weitgehend tabuisiert, könnten aber morgen wichtige Impulse vermitteln, die nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch von Interesse sind.

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5. Bildung von Humankapital

Die Hoffnung, mit Subventionen herkömmlicher Art die Massenarbeitslosigkeit in den Neuen Ländern abzubauen, haben sich zerschlagen. Umso problematischer sind Tendenzen der Bundesregierung zu bewerten, die aktive Arbeitsmarktpolitik in Ostdeutschland zurückzufahren. Die Anzahl der von der Bundesanstalt für Arbeit geförderten Teilnehmer an Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung lag 1996 noch bei 230 000 Personen. Für 1997 ist im Jahresdurchschnitt nur noch mit 170 000 Teilnehmern zu rechnen. Ein weiterer Rückgang ist nicht ausgeschlossen.

Damit wird eines der wichtigsten Instrumente zur Bildung von Humankapital immer weiter ausgehöhlt. Verschärfend kommen die Probleme im Bereich der Erstausbildung hinzu. Wenn schon Jugendliche zu Langzeitarbeitslosen werden, ist der soziale Friede dauerhaft in Frage gestellt.

Im Rahmen einer maßgeschneiderten Industriepolitik für die Neuen Länder muß diese gefährliche Tendenz umgekehrt werden. Tatsächlich sind die Kosten der aktiven Arbeitsmarktpolitik niedriger, als in der Statistik ausgewiesen, weil der größte Teil für Unterhaltsgeld aufgewendet wird. Bei einer Reduzierung der Teilnehmerzahl an Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung wird dieses Unterhaltsgeld nicht eingespart, sondern statt dessen als Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Sozialhilfe fällig. Gleichzeitig wird die verbliebene Hoffnung auf eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt endgültig zerstört.

Eine neue Politik muß darauf setzen, mehr als bisher die Qualität der beruflichen Weiterbildung in den Vordergrund zu rücken, denn nur für Teilnehmer an qualitativ hochwertigen Weiterbildungsangeboten ist die Selbstfinanzierungsquote durch Einsparung von Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe besonders hoch, vor allem dann, wenn es gelingt, das Qualifikationsangebot an die nachgefragten Kenntnisse und Fertigkeiten der Zukunft anzupassen. Billiganbieter, bei denen die Arbeitslosen nur vorübergehend "geparkt" werden, erweisen sich ebenso wie reine Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen am Ende als die teuerste Lösung.

Als europäisches Vorbild könnte Dänemark dienen. Dort ist die Teilnahme an Qualifizierungsmaßnahmen für Erwerbslose unter 25 Jahren Pflicht und auch ältere Erwerbslose müssen sich spätestens nach zwei Jahren zur Teilnahme an einer dreijährigen "Aktivierungsperiode" verpflichten..

Unter den schwierigeren Bedingungen in den Neuen Ländern wird eine solche Politik allerdings nur zum Erfolg führen, wenn Bildungsträger in erster Linie an den erreichten Vermittlungsquoten in den ersten Arbeitsmarkt gemessen werden und erst in zweiter Linie daran, zu welchen Kosten sie Qualifizierung von Arbeitslosen anbieten. Von einer solchen Politik ist die Bundesanstalt für Arbeit angesichts knapper Kassen derzeit noch weit entfernt.

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6. Investivlohn und Vermögensbildung

Silicon Valley ist nicht zuletzt dadurch groß geworden, weil die Universal–Stock-Option-Angebote die Beschäftigten in High-Tech-Unternehmen motiviert und zugleich eine investive Komponente in die Entlohnung hineingebracht haben, die gerade für junge Wachstumsfirmen entscheidend dazu beiträgt, daß sie sich entwickeln können.

In Deutschland ist die Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand ein ideologisch verzerrtes Thema und die Möglichkeit, über Stock Options die Beschäftigten am Erfolg des Unternehmens zu beteiligen, stößt immer noch auf massive steuerliche Hindernisse. Die Bundesregierung hat dieses Thema bei ihren Vorschlägen zu einer Steuerreform ausgeklammert und auch die Opposition hat seine Bedeutung noch nicht erkannt.

Man kann es angesichts der zu hohen Lohnkosten in den Neuen Ländern auch anders formulieren. Die Tarifparteien sind nicht herausgefordert worden, angesichts der Lohnkostenprobleme in den Neuen Ländern über innovative Modelle für Investivlöhne nachzudenken. Dabei wäre neben der steuerlichen Förderung von Stock Options die Idee des öffentlich geförderten Investivlohns ein besonders effizienter Weg, um mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen.

1. könnte auf diesem Weg die Kostenbelastung der Unternehmen gesenkt
und

2. ihre Eigenkapitalausstattung gefördert werden

3. wäre er ein Beitrag, um die Kapitalbildung in ostdeutscher Hand zu fördern, statt durch Förderung die Eigentumsverlagerung von Ost nach West noch zu beschleunigen und die Vermögenslücke zu vertiefen

4. könnte er dazu beitragen, die Motivation der Beschäftigten zu fördern
und wäre schließlich

5. ein Beitrag, um der Ungleichverteilung an Vermögen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern langfristig entgegenzuwirken.

Wenn Vermögen werden soll, geht das nicht ohne Verzicht in der Gegenwart. Aber dieser Verzicht muß sich lohnen. Wie könnten die Menschen dazu animiert werden, einen Verzicht in der Gegenwart zu leisten, um in der Zukunft reicher zu sein?

Wir schlagen vor, erstens den geldwerten Vorteil von Stock Options steuerfrei zu stellen und zweitens nach dem Muster der steuerfreien Investitionszulage eine steuerfreie Kapitalzulage für Arbeitnehmer einzuführen, finanziert beispielsweise aus den Strukturhilfemitteln der Europäischen Union. Denn in der Verordnung zur Durchführung des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung ist ausdrücklich von Maßnahmen zur Erschließung des endogenen Potentials die Rede und von der Anregung und Unterstützung der Aktivitäten kleiner und mittlerer Unternehmen durch die Übernahme von Bürgschaften und Beteiligungen. Warum nehmen wir die Europäische Union nicht beim Wort?

Zur Ausgestaltung einer solchen Arbeitnehmerkapitalzulage sind Varianten denkbar. Wir meinen, daß für jede D-Mark, die dem Unternehmen von seinen Beschäftigten als Eigenkapital zur Verfügung gestellt wird, eine steuerfreie Zulage in gleicher Höhe aus öffentlichen Mitteln gezahlt werden sollte, die den Beschäftigten entsprechend ihrer eigenen Einlage zusätzlich gut geschrieben wird. Nach einer Spekulationsfrist sollte der Anteil am Unternehmen frei handelbar sein, so daß die Beschäftigten nach eigenem Gutdünken über das bis dahin angesammelte (und aktuell bewertete) Vermögen verfügen, Kasse machen oder es im Unternehmen belassen können. Zum Schutz niedriger Einkommen sollte für den Fall, daß das Unternehmen Konkurs anmelden muß, der von den Beschäftigten aufgebrachte Betrag teilweise staatlich verbürgt werden. Ein solches Modell müßte durch entsprechende Tarifverträge abgestützt werden.

Vermutlich wird sich die Kritik, daß der Staat hier Geld verschenkt, die Waage halten mit der Kritik, daß hier den kleinen Leuten das Geld aus der Tasche gezogen werden soll. Beide Einwände gehen an der Sache vorbei, denn weder ist Vermögensbildung umsonst zu haben, noch gehen die kleinen Einkommensbezieher oder Lohnempfänger bei einer angemessenen Verbürgung Risiken ein, die in einem unzumutbaren Verhältnis zu den Chancen stehen.

Wer sich allerdings vor der Mitbestimmung und Mitverantwortung der Beschäftigten fürchtet, der hat die Innovationsdiskussion der letzten Jahre schlicht verschlafen. Das lernende Unternehmen ist angesagt, in dem alle Beschäftigten am Erfolg mitwirken und auch entsprechend an ihm teilhaben sollten.

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7. Respekt vor unternehmerischer Leistung

Wo kommen die Unternehmer und Unternehmerinnen her, welche Chancen bieten wir ihnen, ähnlich wie in der Gründerzeit vor mehr als einem Jahrhundert, Wachstumsunternehmen aufzubauen?

Ein entscheidender Engpaß beim Aufbau eines wachstumsorientierten Mittelstands ist das verfügbare Managementpotential. Der Aufbau selbständiger ostdeutscher Industriebetriebe erfordert hochqualifizierte Managementteams. Wo sollen sie herkommen?

Zunächst einmal fehlt es in den Neuen Ländern an Trainingsprogrammen für eine neue Managerelite. Praxisnahe anspruchsvolle Kurse für Industriemanager sind nicht billig zu haben. Sie zu fördern wäre eine wichtige Investition in die Zukunft. Dabei könnten die Technischen Hochschulen, erstklassige Unternehmensberater, erfolgreiche mittelständische Unternehmer, die großen Bildungsträger, sowie die Initiativen von Kammern und Verbänden eine Schlüsselrolle spielen. Modelle dafür gibt es genügend, auch wenn sie in Deutschland noch Seltenheitswert haben.

Entscheidend ist schließlich die Motivation zum unternehmerischen Risiko, weil dahinter große Chancen erkennbar sind, und ihre gesellschaftliche Anerkennung. Erst wenn der Taxifahrer in einer Stadt dem Besucher mit leuchtenden Augen von den neuen Produkten und Unternehmen seiner Heimat zu erzählen beginnt, wenn er und alle anderen Bürgerinnen und Bürger einer Region die Wettbewerbsfähigkeit ihrer engeren Heimat als ihre Sache betrachten, ist eine Lösung dieses Problems in Sicht.

Nicht der Sozialneid gegenüber den Erfolgreichen, sondern die Freude darüber, daß ein Unternehmen aus ihrer Mitte es geschafft hat, bringt die Stimmung hervor, aus der Neues wächst.

Dazu gehört auch, diejenigen zu feiern, die etwas riskiert haben und gescheitert sind, eben weil sie etwas riskiert haben. Das Insolvenzrecht (Gesamtvollstreckung) ist auch in den Neuen Ländern alles andere als risikofreundlich. Unternehmer, die etwas riskieren, werden auf lange Zeit stigmatisiert, sie ihr Unternehmen in den Sand gesetzt haben. Wir sollten uns in diesem Punkt ein Beispiel an den USA nehmen. Dort ist ein Neuanfang möglich, der bei uns völlig undenkbar ist, weil dort entweder das Vermögen oder das unselbständige Einkommen haftbar gemacht wird, aber nicht beides herangezogen werden kann.

Der Neuaufbau eines industriellen technisch leistungsfähigen Mittelstands wird nur gelingen, wenn seine Entwicklung nicht als das Selbstverständliche und Langweilige, sondern als die außergewöhnliche Leistung verstanden und öffentlich diskutiert wird. Dabei spielen die Medien einer Region eine wichtige Rolle und es gehört keine Prophetie dazu, daß diejenigen Regionen in Ostdeutschland, wo diese Offenheit und Begeisterung sich zuerst einstellt, auch am schnellsten beim Wiederaufbau ihrer Industrie sein werden.

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8. Vereinfachung öffentlicher Förderung

Nach wie vor setzt die öffentliche Förderung von Unternehmen vorwiegend auf die Kofinanzierung von Investitionen in Sachkapital in Form von Investitionszulagen und Investitionszuschüssen. Dabei wird übersehen, daß technisch-wirtschaftliche Dienstleistungen, Software- und Systemhäuser zunehmend wichtiger werden, in denen die Investitionen in den Köpfen stattfinden und nicht in Maschinen oder Gebäuden.

Das vielzitierte Jobwunder in den USA stützt sich nicht in erster Linie auf klassische industrielle Tätigkeiten und kann auch mit Billigjobs nicht adäquat beschrieben werden. Vielmehr ist die Mehrzahl der neuen durchaus anspruchsvollen Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor entstanden, in der Telekommunikation, in Softwarehäusern und Geschäftsdienstleistungen der verschiedensten Art.

Wäre es nicht an der Zeit, dieser Tendenz Rechnung zu tragen und nicht mehr die "Hardware", sondern die "Software" in den Vordergrund zu rücken? Der einfachste Weg wäre eine Förderung des Nettozuwachses an Beschäftigten in einem Unternehmen, eine Personalkostenzulage, die sich daran bemißt, wieviel neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Sie sollte nicht als Ermessensentscheidung, sondern als Anspruch ausgestaltet und unbürokratisch vergeben werden, damit sie von vornherein als sicherer Bestandteil eines Business Plans einbezogen werden kann. Ein Mißbrauch der Förderung kann durch eine geeignete Ausgestaltung auf einfache Weise bekämpft werden, jedenfalls einfacher und unbürokratischer, als bei der Förderung von Sachkapitalinvestitionen.

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9. Fazit

Die Transfers öffentlicher Mittel von West nach Ost werden noch einige Zeit in voller Höhe nötig bleiben, um die Angleichung der Lebensverhältnisse dauerhaft zu sichern. Jetzt kommt es darauf an, Wege zu finden, um diese Transfers weniger konsumorientiert und stärker investitionsorientiert zu gestalten. Dazu sind neue Instrumente notwendig, und zwar auf Kosten der Instrumente, die sich nicht bewährt haben, weil ihr Wirkungsgrad nach sorgfältiger Evaluierung nicht ausreicht, um den neuen industriellen Mittelstand zu schaffen.

Vor allem muß die Erkenntnis wachsen, daß Kapitalvermögen auch in den Neuen Ländern angesiedelt werden muß, damit Gewinne dort bleiben, wo sie verdient werden. Es sind Fehler gemacht worden und eine neue maßgeschneiderte Industriepolitik für Ostdeutschland muß dafür sorgen, daß sie schnellstmöglich korrigiert werden.


©Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | November 1998