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TEILDOKUMENT:


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Teil I:
Änderungen in der europäischen Entwicklungspolitik


1. Verändertes Umfeld seit 1989

Seit 1975 ist die Europäische Union (EU) in einem gesonderten Kooperationsvertrag mit den sogenannten AKP-Ländern (Afrika-Karibik-Pazifik) verbunden. Dieser „Lomé-Vertrag„ (geschlossen 1975 in Lomé, der Hauptstadt Togos) hat zum Ziel, „die wirtschaftliche, kulturelle und soziale Entwicklung der AKP-Länder zu fördern„ (Lomé-Vertrag). Die vertraglich festgelegte Kooperation basiert auf drei Grundprinzipien: Gleichheit der Partner, Souveränität der Entscheidungen und Sicherheit der Beziehungen. Die Instrumente der Kooperation dienen dazu, den Handel zwischen der EU und den AKP-Staaten zu vertiefen, eine autonome Entwicklung zu fördern, die Strukturanpassungsbemühungen der AKP-Länder zu unterstützen, den Zugang zu den Kapitalmärkten zu erleichtern und Direktinvestitionen zu unterstützen sowie Exporterlösschwankungen auszugleichen.

Das Kooperationsmodell ist ein Partnerschaftsmodell, in dem – zumindest dem Geist des Vertrages nach – die Vertragsparteien sich zu einer partnerschaftlichen Kooperation verpflichten. Die Lomé-Kooperation ist das umfassendste Kooperationsmodell zwischen zwei Staatengruppen. Es existiert, nimmt man die Vorläufer (Yaoundé-Verträge I und II) hinzu, seit mehr als 30 Jahren. Allerdings befindet es sich derzeit in einer entscheidenden Umbruchphase, in einer Bewährungsprobe.

Der vorliegende Beitrag thematisiert die Entwicklungen der Kooperation, macht Vorschläge zur Reform des Modells und unterbreitet Vorschläge für einen engagierten deutschen Beitrag zur Reform der europäischen Entwicklungspolitik. Das Lomé-Modell ist nämlich auch deshalb einzigartig, weil es versucht, eine europäische, d.h. eine gemeinschaftliche europäische Entwicklungskooperation zu gestalten. Es geht damit über die rein bilateralen Ansätze hinaus. Von einigen Kritikern wurde in letzter Zeit der Versuch unternommen, die bilaterale Hilfe als besser geeignet darzustellen. Den Kritikern des Lomé-Modells – wie etwa dem Beirat des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung – scheint die Lomé-Zusammenarbeit nicht effektiv genug, zu bürokratisch, zu überfrachtet und zu wenig kontrollierbar.

Die Kritik ist zum Teil durchaus zutreffend: Zurecht wird eine Reform eingeklagt. Kooperation aber grundsätzlich nur noch bilateral bzw. national gestalten zu wollen, bedeutet zugleich eine Ablehnung des europäischen Gedankens und eines gemeinsamen Europa und auch der gemeinsamen Gestaltung einer europäischen Entwicklungspolitik. Gleichzeitig werden so wesentliche Errungenschaften wie Dialog und Partnerschaft sowie dezentrale Kooperation, und zahlreiche weitere Errungenschaften der gemeinschaftlichen Politik über Bord geworfen. Hier sind in 30 Jahren erhebliche Kompetenzen entwickelt, neue Instrumente und eine gemeinsame Vertrauensbasis geschaffen worden.

Prämisse dieser Studie ist, daß es in Zukunft eine europäische Entwicklungspolitik und eine reformierte Lomé-Politik geben sollte. Aus deutscher Sicht wären dann allerdings zahlreiche Reformen zu initiieren, damit die Lomé-Kooperation auch tatsächlich eine Perspektive haben kann. Sie sollte aus ihrem postkolonialen Status herausfinden und in eine Kooperation von Partnern münden.

Seit 1989 wird die Zukunft der Lomé-Kooperation verstärkt diskutiert, weil sich die Interessenslage für Europa, für die einzelnen europäischen Mitgliedsländer und auch für die AKP-Länder verändert hat. Die Entscheidung des Eu-

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ropäischen Rates vom 9./10. Dezember 1991 (Maastricht-Beschluß), bis Ende dieser Dekade die europäische politische und wirtschaftliche Union zu verwirklichen, hat bereits erste Ansätze für eine Neuordnung der europäischen Entwicklungspolitik hervorgebracht. Die Grundlagen der europäischen Entwicklungspolitik sind durch die Artikel 130 u bis 130 y der Maastrichter Verträge festgelegt. Dort heißt es:

    „Die Politik der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit, die eine Ergänzung der entsprechenden Politik der Mitgliedstaaten darstellt, fördert

    • die nachhaltige wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Entwicklungsländer, insbesondere der am meisten benachteiligten Länder;

    • die harmonische, schrittweise Eingliederung der Entwicklungsländer in die Weltwirtschaft;

    • die Bekämpfung der Armut in den Entwicklungsländern„.
      [Europäische Gemeinschaft/Europäische Union: Der Vertragstext von Masstricht, Art. 130 u.]

Im Maastricht-Vertrag werden alle Entwicklungsländer gleich behandelt. Der Vertrag gebietet Kohärenz in der Entwicklungspolitik der Gemeinschaft und der Mitgliedsländer. Dies hat Konsequenzen auch für die Kooperationsbeziehungen mit den AKP-Staaten.

Das vierte Lomé-Abkommen (Laufzeit 1990-2000) wurde in der Öffentlichkeit und von den Vertretern der EU und der mittlerweile siebzig AKP-Länder noch als Meilenstein der Entwicklungskooperation angesehen. Doch von Euphorie ist auf Seiten der EU seit einiger Zeit keine Rede mehr. Dies ist nicht so sehr eine Folge der bisher eher geringen Erfolge der Entwicklungskooperation, sondern hängt vor allem mit dem Maastricht-Vertrag zur europäischen Einigung, den neuen Beschlüsse des GATT und der Gründung der World Trade Organization (WTO), aber auch den neuen Konstellationen im Pazifik-Raum (z.B. die Asiatisch-Pazifische Wirtschaftskooperation APEC) und der regionale Kooperation in Nordamerika mit der Gründung der NAFTA (North American Free Trade Area) zusammen. Die Kooperation zwischen Europa und den AKP-Ländern ist mit neuen weltwirtschaftlichen und strategischen Konstellationen konfrontiert und hat sich vor diesem Hintergrund neu zu bewähren. Zudem haben sich für Europa neue Bedingungen nach dem Zusammenbruch des real-sozialistischen Ostblocks ergeben. Osteuropa wird zukünftig eine weitaus größere Rolle spielen. Entwicklungshilfe fließt nun auch in den Ostblock. Des weiteren sollen die Mittelmeerdrittländer aufgrund ihrer Nähe zur EU zukünftig eine größere Aufmerksamkeit als die AKP-Länder genießen. Die veränderte geostrategische Landschaft vermindert den Einfluß der AKP-Länder außerdem zugunsten wichtiger asiatischer und lateinamerikanischer Länder (vor allem den Schwellenländern Asiens, Indien und China). Hinzukommt, daß die Rolle der AKP-Länder als „Hinterland„ und Bollwerk gegen den Kommunismus entfällt. Die AKP-Länder geraten aufgrund ihrer wirtschaftlichen Schwäche und ihrer strategischen Bedeutungslosigkeit gegenüber den anderen Regionen der Dritten Welt ins Hintertreffen.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach der Zukunft der Kooperation zwischen der EU und der AKP-Staatengemeinschaft. Das Lomé-IV-Abkommen hat eine Laufzeit bis zum Jahr 2000. Die Zeit drängt, die Konturen der zukünftigen Kooperation neu zu bestimmen. Die EU hat die Veränderung des Kooperationsmodells mit den Mid-term Review-Verhandlungen von 1993/94 für das zweite Finanzprotokoll von Lomé IV (1995-2000) eingeleitet (siehe Exkurs 9). In Brüssel mehren sich die Stimmen, die auf eine Beendigung der präferentiellen Kooperation drängen. Inzwischen fordern zahlreiche Experten eine Revision des Lomé-Modells. Die Diskussion um die Bananenordnung und die subventionierten Exporte von Rindfleisch und Getreide nach Afrika haben nochmals deutlich gemacht, wieviel es zu tun gibt, um der Lomé-Konvention zu neuer Dynamik zu verhelfen. Dabei stellt sich allerdings grundsätzlich die Frage, ob das Modell heute überhaupt noch eine Perspektive hat, da sich doch fast alle weltpoliti-

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schen Bedingungen geändert haben. Die Entwicklungskooperation bedarf der Neubestimmung, in die sich auch die EU-AKP-Kooperation einordnet.

Europa spielt in der nachkolonialen Zeit in fast allen AKP-Ländern eine herausragende Rolle (die meisten Länder sind im Außenhandel sehr stark mit Europa verbunden – viel stärker als etwa mit den USA oder Japan). Die Beziehungen der AKP-Länder zu den europäischen Mächten werden heute vor allem durch das Lomé-Abkommen und bilaterale Verträge zwischen den Mitgliedsländern der EU mit einzelnen AKP-Ländern geprägt. [Der Lomé-Konvention gehören nicht die Republik Südafrika und die Maghreb-Staaten an. Mit den Maghrebstaaten gibt es gesonderte Beziehungen der „Proximität„ (Si cherung der Rohstoffzufuhr – Öl und Gas; Migrationsmaß nahmen, Industrialisierung). Die EG-Südafrika-Beziehun gen unterlagen speziellen Bedingungen während der Apart heid. Südafrika wird zukünftig eine weitaus größere Rolle als alle anderen sub-saharischen Länder spielen. Diese Entwicklung wird sich auch auf das Lomé-Abkommen aus wirken.]
Das Vertragswerk berücksichtigt sowohl die AKP-Belange als auch die Interessen der EU. Die postkoloniale Kooperation zwischen der EG und den AKP-Ländern kam zustande, als die Dritte Welt eine neue Weltwirtschaftsordnung (NWWO) forderte. Die Sicherung der Rohstoffzufuhr und die strategische Einbindung waren die zentralen Motive für die Intensivierung der EG-AKP-Beziehungen. Die AKP-Staaten spielen aus der Sicht der großen Wirtschaftsblöcke Europa, Japan und USA heute keine bedeutende Rolle mehr. Als Absatzmärkte sind die AKP-Staaten aufgrund der niedrigen Pro-Kopf-Einkommen kaum interessant. Ihre abnehmende Relevanz läßt sich an den Außenhandelsanteilen (siehe Tabelle 13 und 14) und den stark gesunkenen Direktinvestitionen ablesen (siehe Tabelle 12, Grafik 1 und 2 sowie Exkurs 7).

Die siebzig AKP-Staaten liegen verstreut auf drei Kontinenten, die meisten davon in Afrika. Die AKP-Staaten sind sehr heterogen, was die Größe, Einwohnerzahl, Wirtschaftskraft, Industrialisierung und politischen Systeme betrifft; sie haben sich in den letzten Jahren zudem sehr stark differenziert. Die AKP-Staaten sind also seit langem keine Einheit mehr. Sehr stark differieren die am wenigsten entwickelten Länder Afrikas (LLDC) und die Länder in der Aufschwungphase, wirtschaftlich bedeutende und unbedeutendere Länder. Hervorgegangen aus kolonialen Verhältnissen, stellt die AKP-Staatengruppe heute eigentlich ein postkoloniales Überbleibsel dar. Sie tritt als Gruppe nur wegen ihrer engen Kooperationsbeziehungen zur Europäischen Union auf. Die Interessen der AKP-Staatengruppe zielen auf die Exportmärkte der EU (Präferenzen), Zugang zu günstigen Krediten und Entwicklungshilfe zur Modernisierung und Industrialisierung, Subventionsfonds (SYSMIN und STABEX) und strategische Zuordnung zum natürlichen Partner EU.

Die Europäische Union ist zu einem der größten Wirtschaftsblöcke der Welt geworden. Aber sie ist nicht nur eine Einheit; es gibt unterschiedlich starke (und schwache) Nationen, und innerhalb der EU nehmen sowohl Nationalstaaten wie Interessengruppen Einfluß. Dies gilt auch für die europäische Entwicklungspolitik. Es ist ein Austarieren verschiedener Interessen. Europäische Entwicklungspolitik ist Teil einer gesamteuropäischen Interessenspolitik. Seit einiger Zeit zeigt sich zugleich ein Trend, der den nationalstaatlichen Ansätzen in der EU mehr Raum zugesteht. So scheint sich inzwischen eine gewisse Aufgabenverteilung herauszubilden, wie etwa Deutschland für Osteuropa, Spanien für Lateinamerika, Frankreich und Spanien für die Mittelmeerdrittländer und Frankreich und England für Afrika südlich der Sahara.

Die EU-Interessen an einer Kooperation mit den Partnerländern lassen sich auf folgende wesentliche Aspekte reduzieren: Zufuhr mineralischer und fossiler Rohstoffe, relativ uneingeschränkte Einfuhr tropischer Früchte und Gemüse, Absatzmarkt für Investitionsgüter, Fertigwaren und Luxusgüter und für subventionierte Nahrungsmittel (wie Fleisch, Milch, Getreide) von allerdings nur marginaler Bedeutung und die Absicherung der strategischen Interessen der europäischen Nationalstaaten.

Heute verfolgen vor allem Frankreich und Großbritannien noch strategische Interessen.

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Frankreich hat in den ehemaligen Kolonien durch militärisches Engagement, durch Investitionen, durch Entwicklungshilfe und durch die große Bedeutung im Außenhandel der afrikanischen Staaten z.T. großen Einfluß genommen. Durch die Währungskooperation (CFA-Zone) sowie militärische und kulturelle Kooperation erhalten die Beziehungen eine besondere Tiefe. Sehr enge Klientelstrukturen werden gepflegt. Frankreich hat in vielen afrikanischen Konflikten zugunsten von lange an der Macht befindlichen frankophilen Staatsführern agiert. In vielen Konflikten versucht Frankreich immer noch, seinen Einfluß geltend zu machen, so in Ruanda, in Liberia, im Sudan, in Zaire und im Pazifik. Nachweisbar betreibt Frankreich eine interventionistische Politik in den ehemaligen französischen Kolonien. Zunehmend stößt diese Politik auf Kritik auch in Frankreich.

Hingegen sind die strategischen Interessen der anderen europäischen Nationen – mit Ausnahme Englands – eher gering. Großbritannien hat enge Handelsbeziehungen und strategische Interessen in einigen Gebieten des südlichen und östlichen Afrikas sowie einigen Staaten Westafrikas (insbesondere Nigeria und Ghana) und der Karibik.

Deutschlands Interessen sind hauptsächlich – wenn auch nicht nur – wirtschaftlicher Natur, weshalb es sich aus politischen Konflikten weitgehend heraushält und Frankreichs Politik stillschweigend mitträgt. Die deutsch-französische Freundschaft genießt Vorrang vor der Kooperation mit den AKP-Staaten. Die deutschen Interessen lassen sich nach wirtschaftlichen, sicherheitspolitischen, ökologischen, machtpolitischen und Werteinteressen unterscheiden. Die unmittelbar wirtschaftlichen Interessen in den AKP-Ländern sind marginal und seit Jahren fallend. So betrug der Außenhandelsanteil mit Afrika im Jahr 1994 nur ca. 1,2% (davon mehr als ein Drittel mit Südafrika, das nicht Mitglied der Lomé-Konvention ist, und ein Fünftel mit Nigeria). Selbst bei der Rohstoffversorgung der Bundesrepublik ist der Anteil der AKP-Staaten nur mäßig, abgesehen von einigen Produkten von erheblicher Bedeutung (Manganerz zu 75% aus Afrika; Chromerz 71%; Bauxit 57%; Steinkohle 29%; Titan 28%). Einige landwirtschaftliche Produkte werden vor allem aus Afrika eingeführt, wie Kakao zu 82% und Kaffee 20%, Rohgummi 40% und Nutzhölzer zu 28%. Bei den Direktinvestitionen hatte Afrika lediglich einen Anteil von 1% (davon der größte Teil in Südafrika). Als Absatzmärkte spielen die AKP-Länder ebenfalls nur eine geringe Rolle. Bedeutender sind die ökologischen Aspekte (tropischer Regenwald, Abholzung, Klima, Bodenerosion; Umweltmigration, nachhaltige Entwicklung). Die Werteinteressen sind unter den folgenden Zielen zu fassen: Grundbedürfnisbefriedigung, Wohlstand, Frieden, Menschenrechte und Demokratie. Sie sind im übrigen auch im Maastricht-Vertrag verankert. Die Werteinteressen stehen – wie die vielen Beispiele der letzten Jahre zeigen – oft im Widerspruch zu wirtschaftlichen Interessen. Deutsche Politik sollte sich aber – auch im Rahmen der europäischen Politik und Entwicklungspolitik – in die Anstrengungen zur Friedenspolitik, der Förderung von Demokratie und Beseitigung von Menschenrechtsverletzungen aktiver einbringen. Langfristig sind die AKP-Länder auch für die deutsche Politik von Interesse: Wenn die Bundesrepublik Deutschland in Zukunft eine größere Rolle in der Weltsicherheitspolitik einnehmen will, wird sie sicherlich die Wirtschafts- und Werteinteressen sowie die ökologischen Interessen anders gewichten müssen als das bisher der Fall ist. Von besonderer Relevanz ist die Frage, wie weit die deutschen Interessen mit denen Frankreichs in der europäischen Entwicklungspolitik kompatibel sind. Frankreichs weltpolitisches Engagement leitet sich ja vor allem aus der Rolle in West- und Zentralafrika ab. Die Kosten für diese Politik sind aber hoch, so daß in den letzten Jahren von Frankreich auf eine Europäisierung seiner Politik und auch ihrer Kosten gedrängt wurde. In dieser Europäisierung liegen Möglichkeiten auch für die deutsche Lomé-Politik. Sie sollte diese von Frankreich gewünschte stärkere Europäisierung der Politik für Veränderungen der Entwicklungspolitik nutzen. Zu nennen wären u.a. die Menschenrechtspolitik, Industrie-, Handels- und Währungspolitik, Umweltschutz und Armutsbekämpfung, die Kooperation mit Organisationen der Zivilgesellschaft, insgesamt al-

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so eine weniger zögerliche Reform der Lomé-Politik (siehe Teil 2 und 3).

Andere Länder haben geringeren oder regional sehr begrenzten Einfluß. Die skandinavische Entwicklungspolitik hat sich in den letzten Jahrzehnten einen sehr guten Ruf erworben. Von dieser Seite könnten in Zukunft wichtige Impulse für eine Reform der EU-Entwicklungspolitik kommen, insbesondere was die Ausgestaltung der ländlichen Entwicklung, der Armutsbekämpfung sowie der Kooperation mit Organisationen der Zivilgesellschaft, Frauen- und Umweltorganisationen betrifft.

Die europäische Afrikapolitik wird weitgehend von Frankreich (und in weit geringerem Ausmaß von England) bestimmt, was sich auch in der Entwicklungspolitik der EU niederschlägt. Das deutsche, skandinavische und niederländische Engagement ist zwar auch nicht als philanthropisch einzuschätzen, dennoch spielen hier strategische und wirtschaftliche Verbindungen keine so große Rolle. Häufig stehen im übrigen auch die rein wirtschaftlichen den strategischen Interessen entgegen. Insofern ist auf vielen Ebenen etwa für Deutschland eher eine Übereinstimmung mit den USA als mit Frankreich festzustellen.

Bilaterale Politik und gemeinschaftliche Politik existieren in der EU nebeneinander. Teilweise ergänzen sie sich. In vielen Fragen ist die Interessenslage sehr unterschiedlich, so daß es häufig zu Kompromissen auf niedrigstem Niveau kommt. Vor allem Frankreich und teilweise auch Großbritannien sind sehr zögerlich, wenn es um Reformen und neue entwicklungspolitisch motivierte Ideen geht. Hier kommt deshalb den Ländern eine große Verantwortung zu, die nur geringe wirtschaftliche oder strategische Interessen haben. Dazu gehören die skandinavischen Länder, die Niederlande und Deutschland. Sie könnten auch in Italien, Griechenland, Spanien und Portugal und den Reformkräften in Frankreich Impulse geben.

Aufgrund der sehr unterschiedlichen Interessenslage der verschiedenen europäischen Nationen ist eine kohärente europäische Entwicklungspolitik sehr schwer zu formulieren und noch schwerer zu implementieren. Seit Jahren wird daher von zahlreichen Akteuren eine kohärente Entwicklungspolitik eingefordert. Diese Akteure in der europäischen Entwicklungspolitik sind im wesentlichen die EU-Kommission, das Europäische Parlament, der Ministerrat und der Europäische Rat. In der Kommission befassen sich zwei Generaldirektionen mit Entwicklungspolitik (DG I und DG VIII). DG VIII hat dabei zwei wesentliche Aufgaben: Sie hat ausschließliches Initiativrecht in der Lomé-Kooperation und ist Verwaltungsorgan zur Umsetzung von getroffenen Entscheidungen. Bei der Wahrnehmung der zweiten Aufgabe ist die Kommission auf die Kooperation mit den bei der Kommission eingerichteten Ausschüssen mit nationalen Beamten angewiesen. Diese Ausschüsse treten regelmäßig zusammen, um über Vorhaben, Projekte und Programme zu beraten. Ausschüsse gibt es für den Europäischen Entwicklungsfonds (EEF), in dem laut Lomé-Vertrag die EU- und AKP-Mitgliedsländer entscheiden, für Nahrungsmittelhilfe und für die Kooperation mit Asien und Lateinamerika. Die Vielfalt der Entscheidungsträger und Interessensgruppen behindert naturgemäß das Kohärenzgebot und vereitelt effiziente Entwicklungspolitik. [Vgl. Reithinger 1995.]

In der Umsetzung der Lomé-Kooperation sind verschiedene EU- und gemeinsame EU-AKP-Institutionen beteiligt. Von zentraler Bedeutung ist der EEF-Ausschuß, der für die Programmierung einschließlich der regionalen und Länderprogrammierungen zuständig ist. Entscheidungen im EEF-Ausschuß, in dem die Stimmen nach den EEF- Einzahlungsquoten der Mitgliedstaaten festgelegt werden, werden mit qualifizierter Mehrheit getroffen. Kontrollfunktionen obliegen der Kommission, dem Ausschuß für Entwicklung und Zusammenarbeit des Europäischen Parlaments, dem europäischen Rechnungshof und den gemeinsamen Institutionen von EU und AKP-Ländern. Entscheidenden Einfluß haben immer noch die Mitglieder der EU. [Vgl. Reithinger 1995.] Versuche seitens des Europäischen Parlaments, der Kommission und einiger Mitgliedsländer, den EEF in

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das EU-Budget zu integrieren und somit die Basis für eine gemeinsame europäische Entwicklungspolitik gegenüber den AKP-Staaten zu vertiefen, scheiterten bislang am Einspruch Frankreichs und Großbritanniens. Damit wird eine teilweise gut funktionierende europäische Entwicklungskooperation erschwert.

Die Vertreter der EG/EU und der AKP-Staatengruppe sehen in dem Lomé-Vertrag den Beginn einer postkolonialen Kooperation von gleichberechtigten Partnern, die in unterschiedlichen Entwicklungsphasen ihr Interesse an der Kooperation aufgrund der gemeinsamen historisch bedingten wirtschaftlichen, sozialen und politischen Anknüpfungspunkte bekundet und weiterentwickelt haben. Es sei ein Partnerschaftsmodell, das die Gleichheit der Partner voraussetze. Noch ist das Lomé-Modell jedoch aufgrund seiner Entstehung in der Phase der Diskussion um die NWWO eher als Mischmodell zu charakterisieren, das dependenz- und modernisierungstheoretische Grundlagen hat. Es ist eine vertikale Kooperation, d.h. Kooperation von wirtschaftlich schwachen Staaten mit starken Staaten. Diese Kooperation nimmt die Form der klientelistischen Beziehung an. Das Klientelsystem offeriert der schwächeren Partei die besondere Möglichkeit, aus der Schwäche eine Stärke zu machen, d.h. Nutzen aus der Kooperation zu ziehen. Es handelt sich bei den Beziehungen Europa-AKP-Staaten deshalb um einen kollektiven Klientelismus. Er bietet dem schwächeren Partner Schutz gegen die Volatilität des Marktes. Es ist eine asymmetrische Beziehung. Sie kann nur zwischen Akteuren mit ungleicher Ressourcenausstattung existieren. Nichtsdestoweniger lassen sich Ansätze für ein Partnerschaftsmodell seit 1989 deutlicher ausmachen (bspw. dezentralisierte Kooperation; Menschenrechtsfragen).

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2. Erfahrungen mit den Lomé-Abkommen

Handel

Die Zollregelung, die seit 1975 in Kraft ist, begünstigt Waren mit Ursprung in den AKP-Ländern durch Zoll- und Abgabenfreiheit. Trotz dieses präferentiellen Zollsystems ist der Anteil der Importe aus den AKP-Ländern an den EU-Gesamtimporten zurückgegangen. Freiwillige Exportbeschränkungen und die Ursprungsregeln behindern die Diversifizierung der AKP-Staaten. Zudem ist das Handelspräferenzabkommen der Veränderung der Produktions- und Exportstruktur in Richtung Diversifizierung der industriellen Produktion und der Exporte nicht förderlich gewesen. Von wenigen Ausnahmen abgesehen gibt es in den AKP-Staaten eine fast identische Exportstruktur wie 1960 (Grafik 3). Verschiedene Vorschläge zur Begünstigung der Exportdiversifizierung wurden unterbreitet, wie Verbesserung der tarifären Präferenzen, Aussetzen von Importquoten und zusätzliche Entwicklungshilfe zur Produktionsdiversifizierung. Diese Instrumente werden den Diversifizierungsprozeß jedoch nicht beschleunigen können, weil das Problem der AKP-Produzenten nicht der Marktzugang ist, sondern in der zu teuren Produktion, der zu niedrige Produktivität, den unzureichenden Kenntnissen der Nachfragemärkte, der schwach entwickelten Produktpalette und der Behinderung der exportorientierten verarbeitenden Industrie durch reformunfähige Staaten liegt. Nur bei wenigen Produkten (abgesehen von den Rohstoffen) haben Unternehmer aus den AKP-Staaten komparative Wettbewerbsvorteile erzielen können (z.B. Kleidung, Kunstgewerbe). Die Beschlüsse der Uruguay-Runde haben die Weltmärkte noch weiter liberalisiert, so daß die meisten Lomé-Länder im Handel noch weiter Anteile verlieren werden (Ausnahme Mauritius). Das Präferenzabkommen ist allerdings nicht nur umstritten, weil es die Diversifizierung behindert hat (und die AKP-Staaten ihren Außenhandel zu 70% mit der EU abwickeln, siehe Tabelle 14), sondern auch weil es den GATT-Beschlüssen widerspricht. Über kurz oder lang wird das Lomé-Präferenzabkommen daher Gegenstand erneuter Beratungen zwischen WTO und der EU sein, denn das Präferenzmodell erweist sich heute als eines der zentralen Entwicklungshemmnisse der meisten AKP-Staaten.

Finanzielle und technische Kooperation

Angesichts von Armut und Unterentwicklung in fast allen AKP-Ländern spielen Entwicklungs-

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hilfegelder der EU neben den nationalen Maßnahmen der einzelnen EU-Staaten grundsätzlich eine sehr wichtige Rolle. Die Entwicklungshilfe der EU im Rahmen der Lomé-Vereinbarungen hat sich seit 1975 stark ausgeweitet. Die gesamte Finanzhilfe der EU [Hinzu kommen die bilateralen Mittel der einzelnen EU-Staaten.] umfaßte in Lomé IV (1990-1995) ein Volumen von 12 Mrd. ECU, wovon 10,8 Mrd. ECU aus dem siebten EEF zur Verfügung gestellt wurden (siehe Tabelle 2). Seit dem siebten EEF werden die Mittel ausschließlich als nicht-rückzahlbare Zuschüsse vergeben. Lediglich für die Mittel der Europäischen Investitionsbank (EIB) treten Zinsbelastungen auf, so daß der Zuschußanteil des 7. EEF bei ca. 92% lag.

Der EEF wird nicht aus dem Haushaltsbudget der EU, sondern aus den Beiträgen der EU-Mitgliedsstaaten finanziert. Traditionell sind Deutschland und Frankreich die größten Geldgeber des EEF (siehe Tabelle 1). Hauptnutznießer der Auftragsvergabe der technischen und finanziellen Zusammenarbeit waren allerdings Unternehmen und Personen aus der EU mit ca. 82% (AKP-Staaten ca. 18%, siehe Tabelle 1).

Regional verteilt sich die gesamte EU-Hilfe (Mittel aus der bilateralen Entwicklungshilfe plus EEF) zu 45% auf Afrika (1980 ca. 60%) und 26% auf den Nahen Osten (1980 noch ca. 12%). Es ist somit eine eindeutige Gewichtsverschiebung zuungunsten Afrikas und der AKP-Staaten festzustellen (Tabelle 3). Nach anderen Kriterien läßt sich ebenfalls eine Verlagerung der Schwerpunkte der europäischen Entwicklungspolitik feststellen (Tabelle 4): Der Anteil des EEF am Gesamtvolumen ist von 50% (1990) auf ca. 33% (1993) gefallen.

Die EU unterscheidet in ihrer Entwicklungshilfe grundsätzlich zwischen Programmhilfe und nicht-programmierbarer Hilfe. Die Mittel der Programmhilfe werden zu Beginn des Lomé-Abkommens zwischen den EU-Mitgliedsstaaten, dem entsprechenden AKP-Staat und der EU ausgehandelt und im sogenannten nationalen Richtprogramm (bzw. Nationalem Indikativprogramm, NIP) festgehalten. Die Programmhilfe umfaßt Entwicklungshilfeprojekte, die Förderung der regionalen Zusammenarbeit für sieben Regionen in den AKP-Staaten, Programme in den Bereichen Gesundheit und Aids-Bekämpfung, Hilfe für Kleinstprojekte, industrielle Zusammenarbeit, Entwicklung des Handels und des Fremdenverkehrs, kulturelle Zusammenarbeit, Bildung und Ausbildung sowie Strukturanpassungsprogramme (siehe Tabelle 2). Der Anwendungsbereich der programmierten finanziellen und technischen Zusammenarbeit erstreckt sich auf alle genannten wirtschaftspolitisch relevanten Bereiche. Hinzukommen ferner sektorale Entwicklungs- und Einfuhrprogramme. Hierbei handelt es zumeist um indirekte Budgethilfen, die den Ländern Deviseneinsparungen bei notwendigen Importen ermöglichen.

Die nicht-programmierbare Hilfe enthält die Mittel für Sonderdarlehen, Risikokapital, STABEX und SYSMIN. Sie betrifft alle Ausgaben, die zu Beginn der Kooperation nicht geplant werden können. Der Stabilisierungsfonds für landwirtschaftliche Exportprodukte (STABEX-System) und der Sonderfonds für Bergbauerzeugnisse (SYSMIN) sind wesentliche Bausteine des Kooperationsabkommens zwischen der EG und den AKP-Ländern.

Das STABEX-System umfaßt im Lomé IV-Abkommen 51 landwirtschaftliche Rohstoffe (Lomé I: 29 Produkte; Lomé III: 48 Produkte) und soll Mindereinnahmen bei den Exporterlösen (z.B. infolge von Preissenkungen) in gewissen Umfang ausgleichen (vgl. Exkurs 1 und Tabelle 5). Die Mittel betrugen in Lomé IV/2 1,8 Mrd. ECU. Die EU hat in Lomé IV eine stärkere Kontrolle über die Verwendung der Mittel durchgesetzt, wobei diese insbesondere zur Diversifizierung eingesetzt werden sollen. Denn bis 1990 wurden die ausgezahlten Mittel teilweise für andere Zwecke als die vorgesehenen ausgegeben. Die hauptsächlich begünstigten Länder waren 1991: Côte d’Ivoire (18% der Mittel), Kamerun (18%), Äthiopien (12%), Uganda (9%), Sudan (8%), Papua-Neuguinea (4%) und Madagaskar (4%). Obwohl das STABEX-Subventionssystem einen Beitrag zum Ausgleich von Erlösminderungen leistet und damit auf den ersten Blick als sinnvolles Instrument angesehen werden könn-

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te, sind die langfristigen Wirkungen eher negativ, zumal es auch einige wesentliche Schwächen hat: a) Die Gesamtzahlungen sind auf bestimmte Plafonds begrenzt, so daß extreme Erlössenkungen nicht aufgefangen werden konnten (1993 bspw. Transferansprüche von 473 Mio. ECU bei 285 Mio. ECU zur Verfügung stehenden Mitteln). b) Die Zahl der einbezogenen Produkte ist begrenzt, es fehlen die Agrarprodukte, die durch die EG-Marktordnungen gestützt werden (wie Zucker und Tabak). c) Durch die Festlegung einer Abhängigkeitsgrenze (5%) besteht kaum ein Anreiz zur Diversifizierung. Die von STABEX begünstigten Länder konzentrieren sich noch stärker auf die Produktion der STABEX-Güter und verfestigen damit monokulturelle Strukturen. Länder, die die Abhängigkeitsschwelle durch die Diversifizierung ihrer Produktpalette unterschreiten, werden faktisch bestraft. [Benachteiligt werden damit auch Länder, die als Nicht-Unterzeichnerländer keinen Zugang zu Ausgleichszahlungen haben.]
d) Die Auszahlung der Mittel ist zum Teil sehr schleppend, weil zwischen den AKP-Ländern und der EU zunächst eine Rahmenvereinbarung der gegenseitigen Verpflichtung geschlossen werden muß. e) STABEX-Transfers sind ein Einkommenstransfer an die Regierung, sie sind Entwicklungshilfe ohne Lieferbindung. Sie sind in den AKP-Ländern besonders willkommen, weil sie nicht konditioniert sind.

Insgesamt sind die Wirkungen von STABEX-Zahlungen also eher schwach und begünstigen nur wenige Länder, die zumeist eher zu den Middle Income Countries (Ländern mit höheren durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen) gehören. Da STABEX sich an Waren ausrichtet und nicht an den Kriterien für Unterentwicklung, z.B. dem Pro-Kopf-Einkommen des jeweiligen Landes, ist die Lomé-IV-Reform mehr ein Beitrag zur Verbesserung der Lage der Länder mit mittleren Einkommen.

Erstmals kam es im Rahmen von Lomé II zur Errichtung eines Sonderfonds für Bergbauerzeugnisse (SYSMIN). Länder, die hauptsächlich mineralische Rohstoffe exportieren (wie Zaire, Zambia, Mauretanien, Liberia, Jamaika, Papua-Neuguinea) waren vom Ausgleichssystem, das auf landwirtschaftliche Rohstoffe zielte, de facto ausgeschlossen. Die Einrichtung des Fonds geht vor allem auf das Interesse der EG zurück, eine möglichst reibungslose Zufuhr an Rohstoffen zu sichern. Der Fonds stellt im Lomé IV/2-Abkommen bei Erlösausfällen für neun mineralische Rohstoffe 575 Mio. ECU zur Verfügung (siehe Tabelle 6). Die SYSMIN-Mittel stellen ein Anreizsystem für höhere Produktion von SYSMIN-Produkten dar. Sie sind somit wirkungslos in Richtung Diversifizierung (siehe Exkurs 2).

STABEX und SYSMIN wurden bislang als heilige Kühe der Kooperation angesehen, bedürfen aber, wie sich aus oben Gesagtem ergibt, einer grundlegenden Reform.

Strukturanpassungsprogramme

Die EU reagierte auf die Strukturanpassungsprogramme (SAP) mit einem Sonderprogramm zugunsten hochverschuldeter und armer AKP-Länder. Dieses Programm finanziert seit 1988 rasch auszahlbare und nicht projektgebundene Hilfen. Die Inanspruchnahme von Mitteln des EU-Sonderprogramms ist an die Bedingung geknüpft, daß SAP durchgeführt werden. Die Mittel werden in enger Abstimmung mit der Weltbank und dem IWF vergeben. Insgesamt zielen die Mittel auf weniger drastische SAP unter Berücksichtigung sozialer Komponenten. Zudem sollen die SAP auf regionaler Ebene koordiniert werden, um den Intra-AKP-Handel zu vergrößern. Die im Rahmen der EU-SAP gebildeten Gegenwertmittel (siehe Exkurs 3) sollen schrittweise in die makro-ökonomische Konzeption der betreffenden Länder integriert werden. Der Einsatz der Gegenwertmittel reicht aber bei weitem nicht zur Kompensation der negativen Folgen der SAP aus.

Industrieförderung

In Artikel 17 des Lomé-IV-Vertrages werden als Ziele der Industrialisierung ein sich selbst tragendes Wachstum und eine ausgewogene und vielfältige Entwicklung genannt. Insbesondere soll die vertikale und horizontale Diversifizierung der Volkswirtschaften unterstützt werden. Für diese

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Zielsetzung werden jedoch immer weniger Mittel zur Verfügung gestellt. Konzeptionell konzentriert sich die Kooperation auf den modernen Sektor. Daran ändern auch die Mittel für Kleinstprojekte, die z.T. in die Förderung der Klein- und Mittelindustrie gehen, nur wenig. Die Schwächen der Industrieförderung werden auch an der Tätigkeit der beiden Institutionen – Europäische Investitionsbank (EIB) und Centre for the Development of Industry (CDI) – deutlich, die im Rahmen der Lomé-Konvention mit der industriellen Entwicklung befaßt sind.

Die EIB – Europäische Investitionsbank ist verantwortlich für zwei Kreditformen: Kredite aus eigenen Ressourcen und Risikokapital aus dem EEF. Sie hat während der 60er und 70er Jahre vor allem Investitionen von großen Unternehmen finanziert. Dies begann sich langsam zu ändern und während der 90er Jahre wurden Mittel für Kreditlinien (global loans) für lokale Banken und Finanzinstitutionen bereitgestellt, die hauptsächlich an mittlere und kleine Unternehmen vergeben wurden. Die EIB weist zahlreiche Schwachstellen auf, was u.a. damit zu tun hat, daß die EIB – anders als die International Finance Corporation (IFC) – nicht direkt in den AKP-Staaten präsent und tätig ist und keine Ausrichtung auf die Klein- und Mittelindustrie des informellen Sektors und auf industrielle Cluster hat.

Das CDI – Centre for the Development of Industry – ist eine gemeinsame Einrichtung der EU und den AKP-Staaten. Das CDI soll in erster Linie die Entwicklung und Diversifizierung der Industrie fördern, indem es Kontakte zwischen Investoren aus der EU und den AKP-Staaten knüpft. Im Lomé IV/1 stehen dem CDI insgesamt 60 Mio. ECU zu Verfügung, d.h. pro Jahr 14,6 Mio. ECU (= 0,5% des Lomé-Budgets). Das CDI kann wegen seiner unzureichenden Ausstattung nur eine marginale Rolle spielen. Es ist auch durch strukturelle Schwächen gekennzeichnet, wozu inadäquate Ressourcen, Verausgabe der Hälfte der Gelder in Europa und Konzentration der Aktivitäten in Brüssel, sehr breiter Wirkungskreis mit sehr geringen Mitteln für einzelne Länder und mangelnde Integration in die Politik anderer Lomé-Instrumente sowie inadäquate interne Strukturen und die Vernachlässigung der Entwicklung lokaler Kapazitäten in den AKP-Staaten gehören. Insgesamt machen die Anstrengungen von EIB und CDI deutlich, daß der industriellen Kooperation zwischen der EU und den AKP-Staaten eine untergeordnete Rolle zugedacht ist.

Regionale Kooperation

Die Unterstützung der regionalen Kooperation spielte bereits seit Lomé I eine große – und wachsende – Rolle. In Lomé IV wurden 1,25 Mrd. ECU für regionale Kooperation zur Verfügung gestellt. Der Schwerpunkt der Förderprogramme liegt auf der Verbesserung der Infrastruktur. Für die sieben Regionen innerhalb der AKP-Staatengemeinschaft stehen regionale Indikativprogramme, die länderübergreifende Programme und Projekte finanzieren, zur Verfügung. Trotz einiger Fortschritte durch die Fördermaßnahmen im Rahmen von Lomé ist die regionale Kooperation zu wenig auf konkrete Förderung gerichtet, weil vor allem ein traditioneller Projektansatz verfolgt wird. Ein besonderes und kontraproduktives Problem stellen die SAP dar. Sie setzen nationalstaatlich an und sollen das jeweilige Land den internationalen Wettbewerbsbedingungen anpassen.

Demokratie und Menschenrechte

Die EU hat in den letzten Jahren in zahlreichen Aktivitäten deutlich gemacht, daß sie die Bedeutung der Demokratie in der Kooperation mit Ländern der Dritten Welt sehr unterschiedlich gewichtet. Leicht lassen sich einige typische – sich teilweise überschneidende – Verhaltensmuster rekonstruieren, wie Menschenrechtswahrung (gilt seit 1990 für die meisten Länder), Ausgrenzung (wie im Falle Sudan), stillschweigende Duldung von Menschenrechtsverletzungen (wie im Fall Nigeria), strategische Interessensabwägung (wie in Nigeria, Zaire und Liberia) und Klientelbeziehungen (frankophones Afrika).

Seit dem Beschluß des Rates der EG vom 28. November 1991 agierte die Kommission mit der sogenannten Budgetlinie B7-522, die dazu dienen soll, Mittel zur Unterstützung von Demo-

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kratie und Einhaltung von Menschenrechten bereitzustellen. Im Beschluß heißt es, daß die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten „einem positiven Konzept, das die Achtung der Menschenrechte fördert und die Demokratie unterstützt, hohe Priorität„ einräumen. Menschenrechtsinitiativen könnten in folgenden Bereichen aktiv unterstützt werden: Abhaltung von Wahlen, Stärkung der Rechtsprechung, Förderung von NROs und Dezentralisierung. Falls es zu schwerwiegenden Fällen von Menschenrechtsverletzungen komme, kann die EU einen abgestuften Maßnahmenkatalog beschließen, wozu u.a. Demarchen und Änderungen in der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit bis hin zur Aussetzung der Kooperation gehören. Seit 1992 wurden jährlich ca. 15 Mio. ECU für Aktionen in AKP-Staaten zur Verfügung gestellt. Es ist auffällig, daß in Ländern mit sehr schweren Verletzungen der Demokratie und der Menschenrechte keine direkten EU-Maßnahmen stattfinden. Obwohl seit 1989 ein gewisser Fortschritt feststellbar ist, zeigt sich, daß gegenüber wichtigen Ländern wirtschaftliche Interessen offenbar Vorrang haben. In Ländern mit geringerer Wirtschaftskraft werden von der EU eindeutigere Signale gesetzt als in Ländern mit bedeutendem Wirtschaftspotential (22% der Importe aus den AKP-Ländern stammen aus Nigeria, vor allem Öl), wie das folgende Beispiel Nigeria zeigt: Das Land fällt seit Jahren durch erhebliche Menschenrechtsverletzungen auf. Den schrecklichen Höhepunkt bildete die Hinrichtung von Ken Saro-Wiwa Ende 1995. Angeklagt wurden sowohl die internationalen Ölkonzerne, allen voran Shell, als auch die Militärregierung Abacha, die trotz zahlreicher weltweiter Proteste den Menschenrechtskämpfer umbrachte. Bislang kam es aber weder zu einem Einfrieren von Geldern noch zu einem von vielen verlangten Wirtschaftsboykott.

Analysiert man die bisherige Politik, so erkennt man dahinter das Prinzip der menschenrechtlichen Doppelstandards. Diese lassen sich aus den unterschiedlichen Interessen herausfiltern. Ergebnis ist, daß korrupte Diktaturen und Länder mit Menschenrechtsverletzungen bis 1989 aus der Realpolitik der EU, der USA und der einzelnen europäischen Nationen Nutzen ziehen konnten. Das unterschiedliche Vorgehen bei Ländern mit Verletzungen der Menschenrechte – wie etwa Kenia und Nigeria – zeigt, wo derzeit die Grenzen einer konsistenten und kohärenten Entwicklungspolitik liegen.

Ohne Zweifel sind die zahlreichen EU-Menschenrechtsaktivitäten (z.B. in der Wahlbeobachtung) sinnvoll. Hiermit hat die EU ein wichtige Funktion einzunehmen, die sie von den USA bspw. unterscheidet. Hier könnte sie einen bedeutenden Durchbruch für eine auf Partnerschaft beruhende Entwicklungskooperation einleiten und sich auch eindeutig von den Fehlern der Vergangenheit abgrenzen. Es scheint aber, daß aufgrund des Fehlens von Operationalisierungskriterien und Richtlinien die Umsetzung der politischen Konditionalität erst am Anfang steht. Auch ist es von Bedeutung, daß viele Staaten und Gesellschaften im Zerfallen begriffen sind, wobei sich die Frage stellt, welche Akteure Entwicklung und Demokratie befürworten. Die deutsche Politik hat zumindest in einigen afrikanischen Ländern eine eher positive Rolle gespielt, an die man anknüpfen sollte.

Das Partnerschaftsprinzip ist eines der wesentlichen Prinzipien der Lomé-Kooperation. Ein vergleichbares Instrument existiert in keiner anderen Kooperationsvereinbarung – weder bilaterale noch multilaterale Entwicklungszusammenarbeit kennt partnerschaftliche Modelle. In der Diskussion um die Menschenrechte, aber ebenso in anderen Bereichen der Entwicklungszusammenarbeit, werden auch die Grenzen des Dialogmodells deutlich. Im partnerschaftlichen Dialog zwischen EU und AKP-Staaten läßt sich bislang nicht recht erkennen, an welcher Stelle Menschenrechtsverletzungen und Demokratie wirklich thematisiert werden (siehe Exkurs 8). In Menschenrechtsfragen standen und stehen sich bis heute die Interessen der Machthaber vieler AKP-Staaten und die Menschenrechtskonzeption der EU diametral entgegen. Im übrigen nehmen die EU-Mitgliedsländer die Forderungen nach mehr Demokratie und Einstellung aller Menschenrechtsverletzungen unterschiedlich wahr und ernst. Auch hier stehen bspw. die strategischen Interessen Frankreichs den Menschen-

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rechtsinteressen entgegen. Das Partnerschaftsprinzip stößt auch insoweit an Grenzen, als in den Partnerschaftsorganen die Vertreter von Staaten, Beamte und vorbestimmte Delegierte zusammentreffen. Parlamentarier aus den AKP-Ländern sind eher selten anzutreffen. Ein partnerschaftlicher Dialog unter Einschluß von Entwicklungs- und Umwelt-NROs und von gewählten Vertretern wird seit langem gefordert, ist aber bislang nicht einmal ansatzweise diskutiert worden.

Kooperationsverträge zwischen der EU und Regionen der Dritten Welt sollten institutionelle Regeln enthalten. Zu fragen ist auch, welche Organisationen und Institutionen in die Regelung sehr komplexer Probleme eingebunden werden sollen. Dazu gehören in jedem Fall das Europäische Parlament sowie Institutionen der Zivilgesellschaft in der Dritten Welt, NROs aus dem Norden und unabhängige Beobachter.

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3. Gibt es eine Zukunft für Lomé?

Die AKP-Länder und die EU pflegen ein historisch gewachsenes Netzwerk, das allerdings strukturelle Heterogenitäten, Asymmetrien und Blockierungen gefördert hat. Die Kooperation sollte sich zum Ziel setzen, das Abgleiten der AKP-Staaten in die weitere Marginalisierung zu verhindern. Dies ist mit der Lomé-Kooperation bisher nicht gelungen, weil die Instrumente nur eine eingeschränkte Wirkung hatten. Zudem wurden, wo sie griffen, teilweise falsche Signale und Anreize gegeben, die zur Verfestigung von Asymmetrien und struktureller Heterogenitäten beitrugen. Die selbst-gesteckten Ziele – Beseitigung der Armut, Begünstigung sich-selbst-tragender Wirtschaftsstrukturen und Beförderung von demokratischen Strukturen – wurden bestenfalls ansatzweise avisiert. Zwar haben einzelne Projekte und Programme bzw. in extremen Krisensituationen Nothilfe- und Nahrungsmittelhilfe sowie die Stabilisierungsfonds zur Linderung von Problemen beigetragen, dies rechtfertigt jedoch nicht die Fortsetzung der derzeit existierenden Lomé-Konvention. Zu sehr spielen in der Entwicklungskooperation im Rahmen von Lomé klientelistische Beziehungen, strategische und wirtschaftliche Interessen hinein, die dem Entwicklungskonzept, der Armutsbekämpfung, der Begünstigung von Industrialisierungsprozessen und der Herstellung kohärenter Strukturen entgegenstehen. Die AKP-Länder tragen trotz aller Veränderungen weiterhin die Bürde des typischen „kolonialen„ Spezialisierungsmusters in den Handelsbeziehungen. Es bestehen kurz- und mittelfristig nur geringe Chancen der Produktion und des Exports von mehr industriellen Gütern.

Wie kann es nach diesen Erfahrungen mit der Kooperation weitergehen? Drei Möglichkeiten sollen diskutiert werden.

Geostrategische Abhängigkeiten

Nach dem Ansatz der wechselseitigen Abhängigkeiten (die EU hat ein Interesse an einem strategisch relevanten Hinterland, die AKP-Länder wünschen die Fortsetzung einer historisch gewachsenen Klientelbeziehung) könnte das Modell so wie bisher weitergeführt werden. Insbesondere Frankreich zieht aus geostrategischen Gründen eine Fortsetzung der Kooperation vor. Graduelle Reformen sind in diesem Modell möglich. Die grundlegenden Probleme aber bleiben bestehen. Eine weitere Liberalisierung des Welthandels und die Konzepte der WTO werden den Bedarf an Transaktionsgeldern zur Kompensation der weiteren Marginalisierung erhöhen. Die derzeitige Mittelausstattung reicht nicht zu einer solchen Kompensation aus. Ob die EU bereit ist, mehr Mittel zur Verfügung zu stellen, scheint jedoch fraglich. Von Bedeutung für die EU könnte höchstens die Rohstoffsicherung sein. Diese wäre aber sicherlich ebenso gewährleistet, wenn mit einigen wenigen Rohstoffländern gesonderte Verträge abgeschlossen würden. Daher hängt die Fortsetzung der Lomé-Kooperation in der jetzigen Form vor allem von einem Austarieren der verschiedenen Interessen innerhalb der EU und nicht vom Wunsch der AKP-Staaten nach Kompensationsleistungen ab.

Strategische Kooperationen

Die Diskussion der Kooperation hat darunter gelitten – und dies gilt auch für die Diskussionen

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zwischen der Kommission der EU und den Vertretern der AKP-Ländern –, daß vielfach von einer stetigen Ausdehnung der hegemonialen EU-Entscheidungskompetenz ausgegangen wurde und wird. Die Dominierten und Schwächeren kritisierten diesen Neokolonialismus, die Macht des Geldes und die Kälte der geschäftsmäßigen Verhandlungen. Neuere Ansätze der strategischen Allianzen von Unternehmen zeigen nun, daß es auch einen Lohn der Abhängigkeit gibt, den Autonomiegewinn. In Systemen (von Kooperationspartnern) erhöhen sich in einigen Bereichen die Abhängigkeiten der Dominierten tatsächlich, um dafür aber in anderen Autonomiespielräume zu gewinnen. Die meisten AKP-Länder sind vom Rohstoffexport abhängig. Die Schwäche des postkolonialen Spezialisierungsmusters konnte bislang in eine Stärke umgewandelt werden, weil den AKP-Ländern aufgrund des Ost-West-Konflikts strategische Bedeutung zukam. Die Autonomiegewinne könnten die AKP-Länder heute z.B. aus der Bedeutung des tropischen Regenwaldes für das Weltklima, aus den Abhängigkeiten der EU von der Energie- und Rohstoffzufuhr, aus dem Migrationsdruck und aus den Konkurrenzbeziehungen zu den USA und Japan, ziehen. Insgesamt aber sind die Autonomiespielräume der AKP-Staatengemeinschaft, die nötig sind, um Verregelungen durchsetzen zu können, seit 1989 erheblich geringer geworden.

Interaktionsnetze zwischen EU und AKP existieren durch verschiedene gemeinsame Institutionen. Eine weitere Verregelung der Gegenseitigkeit wäre in solch einer strategischen Allianz jedoch erforderlich, z.B. für eine Währungskooperation, für die Durchführung von Strukturanpassungsmaßnahmen mit menschlichem Gesicht, für die Sicherheit der Zufuhr von Rohstoffen und Energie, für die Ressourcen- und Umweltverantwortung in der Weltgesellschaft, für die zukünftige Nutzung der tropischen Regenwälder und für die Eindämmung von Bürgerkriegen und Migrationsströmen. Ein derartiges Konzept der strategischen Kooperation setzt an den historisch gewachsenen „natürlichen„ Beziehungen an und macht deutlich, daß es sich um „ungleiche„ Partner (mit hegemonialen Machtstrukturen) handelt, die sich der globalen Verantwortung stellen (Umwelt, Armut). Die Autonomie des schwächeren Kooperationspartners würde sich durch Entgrenzungstendenzen und dem gemeinsamen Interesse an der Lösung von Umwelt- und Ressourcenproblemen vergrößern und die Handlungsspielräume für kooperative Strategien sich erweitern. Eine derartige strategische Kooperation hat aber aufgrund der Entwicklungen des letzten Jahrzehnts kaum Realisierungschancen. Die EU und die AKP-Staaten haben die Möglichkeiten zur strategischen Kooperation nicht genutzt. Eine strategische Kooperation ist auch angesichts von Globalisierung und Triadenblockbildung und der Heterogenität der Kooperationsländer eher unwahrscheinlich. Bei den Kooperationspartnern sind zudem keinerlei Bemühungen für eine derartige Perspektive erkennbar.

Ausschluß der AKP-Länder

Die Gefahr „externer Ausschlüsse„ – d.h. weitere Marginalisierung der AKP-Staaten – ist groß. Wesentliche Gründe dafür sind der Wegfall der Sowjetunion als strategischer Gegenpart der OECD-Welt, der liberalisierte Welthandel, in dem die AKP-Länder weiter verlieren werden, und die Triadenblockbildung mit den Zentren Japan, Nordamerika und der EU. Die Neuordnung der Entwicklungspolitik befindet sich somit in einer entscheidenden Phase. Das Sonderverhältnis zwischen der EU und den AKP-Staaten ist lediglich aus der Sicht Frankreichs von Bedeutung. Die Entwicklungspolitik der EU wendet sich vom Präferenz- und Subventionsmodell ab und will zu den AKP-Staaten „normale„ Wirtschafts- und Kooperationsbeziehungen wie zu Lateinamerika, zu dem Mittelmeerdrittländern, Asien und Osteuropa aufnehmen. Die hierarchisierten Beziehungen sollen aufgehoben werden. Was an ihre Stelle tritt, ist offen. Die letztgenannte Entwicklungsmöglichkeit scheint derzeit von allen am wahrscheinlichsten. Das im Maastricht-Vertrag geforderte Kohärenz- und Komplementaritätsgebot verpflichtet die EU und die Mitgliedsstaaten sogar zu größerer und planvoller Abstimmung ihrer Entwicklungspolitik. Notwendig ist eine „tiefgreifende Neuorientierung der Politik und ihrer Instrumen-

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te„ [Reithinger 1995: 387; vgl. auch Dauderstädt/Kesper 1994.], d.h. Beseitigung der Zersplitterung der Programme und Instrumente, Auflösung des planlosen Nebeneinanders von gemeinschaftlicher und nationaler Entwicklungspolitik und Stärkung der EU bei der Planung und Durchführung ihrer Programme. D.h. das Lomé-Modell würde bei konsequenter Anwendung des Maastricht-Vertrages zu einem Auslaufmodell. Ob es eine Übergangsphase zur Anpassung, neue Instrumente und andere Kooperationsformen geben wird, läßt sich angesichts der unterschiedlichen Konzepte innerhalb der EU und der derzeit wichtigeren Auseinandersetzungen um die Wirtschafts- und Währungsunion kaum absehen. Die Gefahr des „Durchwurstelns„ in der EU-Entwicklungspolitik ist ziemlich groß. Verbleibt die AKP-Staatengruppe in der seit Jahren zu beobachtenden Lethargie, werden nicht einmal die überfälligen Diskussionen um die Zukunft von Lomé, geschweige denn perspektivische Diskussionen, geführt werden. Am Ende würde unter solchen Umständen eine unsolidarische Realpolitik stehen. [Vgl. Dauderstädt/Kesper 1994: 11.] Diesen negativen Perspektiven könnte durch eine grundlegende Reform der Lomé-Kooperation, die die Prinzipien der Partnerschaft, Demokratie und faire Handelsbeziehungen ins Auge faßt, entgegengewirkt werden. Hier besteht eine wesentliche Option für einen deutschen Beitrag zu einer Lomé-Reform.

[Seite der Druckausg.: 20 = Leerseite]


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