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V. Die Rolle von Presse, Medien und Menschenrechtsorganisationen als Watchdogorganisationen im Demokratisierungsprozess

Diese letzte Frage nach der offensichtlichen bleibenden Angst der jungen Demokratien vor zu unabhängigen gesellschaftlichen Akteuren stand auch im Mittelpunkt des nächsten Panels über die Rolle von Medien und Menschenrechtsorganisationen.

Die Journalistin Suzanne Kala-Lobé aus Kamerun wies in ihrem sehr engagierten Vortrag auf die emanzipatorische und aufklärerische Funktion von freien Medien hin, die freilich mit anderen Funktionen, wie der Konstruktion demokratischer Institutionen bzw. materiellen Interessen der beteiligten Verleger und Journalisten, in Konflikt geraten könne. Die Demokratisierungsprozesse seit 1990 hätten die Rahmenbedingungen der Pressearbeit in Kamerun grundlegend verändert, wo drei große Tageszeitungen nun in einem scharfen Wettbewerb stünden, und die Presse im Gegensatz zur autoritären Phase eben nicht nur eine pädagogische Aufgabe habe, sondern auch die Rolle des Volkstribuns übernehme. Nach anfänglichen Exzessen seien viele Medien nun ‚weiser’ geworden und man müsse fast die Gegenbewegung hin zum politisch-administrativen Nominalismus und der Sanktionierung des gesellschaftlichen Status quo befürchten. Die Perspektiven seien kaum verheißungsvoll, da die Printmedien durch die Vertriebsnetze gehandicapt seien, das Radio fest in der Hand konfessioneller Gruppen und Sekten und das Fernsehen nach wie vor ein Herrschaftsinstrument der an der Regierung befindlichen Gruppierungen seien.

Auch Reinhold Meyer von der Deutschen Welle betonte den fundamentalen Wandel in der Medienlandschaft des frankophonen Afrika, obgleich er einen weniger drastischen und vielmehr graduellen Prozess beobachtete. In einigen Ländern habe es tatsächlich schon vor 1990 unabhängige Medien gegeben, wie in Burkina

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Faso, Senegal oder Tschad. Die unabhängige Zeitungs- und Radioproduktion stehe nach wie vor vor gewaltigen Herausforderungen, da einige Regierungen weiterhin fast alle Mittel einsetzen würden, um unliebsame Journalisten mundtot zu machen. In vielen Redaktionen habe nun eine halb-offizielle die offizielle Zensur ersetzt, gegen die neue verfassungsrechtliche Instrumente wirkungslos seien. Die internationale Förderung von Journalistenverbänden und die Kodifizierung des Medienrechts seien weiterhin eine dringliche Aufgabe, die die Entwicklungspolitik aufgreifen müsse. Prinzipiell mangele es weiterhin an Medien, die auch Minderheiten und peripheren Gebieten eine Stimme geben würden. Die Vielsprachigkeit der meisten Staaten stelle in diesem Zusammenhang das wohl zentralste Problem bei der Entwicklung einer pluralen und demokratischen nationalen Medienlandschaft dar. Das Fernsehen und die elektronischen Medien seien demgegenüber im Rückstand, könnten aber mittelfristig als Katalysator bei der Überwindung der Stadt-Land-Kluft im Mediensektor dienen.

Der Generaldirektor der malischen Presseagentur Gaoussou Drabo stellte in seinem Vortrag die sehr unterschiedlichen Medienlandschaften der Region in den Vordergrund. Genauso wenig, wie sich die Demokratisierungsprozesse glichen, seien die Strukturen und Herausforderungen der Medien durch starke Unterschiede zwischen den Ländern geprägt. Zu den Stärken der Medien in seinem Land zählte er die wachsende Professionalisierung, die gewachsene Autonomie auch der staatlichen Presse sowie die Zusicherung staatlicher Unterstützung für öffentliche und private Medien. Hauptschwächen seien die mangelhaften rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen, die unzureichende Ausbildung des technischen und redaktionellen Personals, die geringe Leserschaft, die die Abhängigkeit von Werbung erhöhe, und der offensichtliche Einfluss politischer Interessen sowohl auf Seiten der Regierung, die die Medien wie früher zu PR-Zwecken missbrauche, wie auch auf Seiten der Opposition, wo politische Parteien die Redaktionen infiltrierten, da dies einfacher sei, als eine neue Zeitung zu schaf

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fen. Die Medien seien so etwas wie die verzogenen Kinder der Demokratisierung, die nun dem Vertrauensverlust bei der Bevölkerung mit einem kollektiven Ringen um mehr Qualität und Verantwortlichkeit begegnen müssten.

Diesem Plädoyer schloss sich auch der letzte Redner dieses Panels Alpha Abdallah Sall, Generalsekretär der senegalesischen Journalistengewerkschaft, an. Die Missstände seien offensichtlich und von den Vorrednern ausgeführt worden, aber keiner wolle deswegen zur Staatspresse der autoritären Zeiten zurückkehren. Die prekären materiellen Rahmenbedingungen könne man nicht ohne weiteres verändern, noch hoffen, dass dies durch Hilfe aus dem Ausland einfach passiere. Wirklich von Bedeutung seien daher Anstrengungen zur besseren Ausbildung, wie im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen im Senegal im Februar 2000. Zudem seien die Presseorgane selbst gefordert, ihre schwarzen Schafe auszusondern, wenn sie staatliche Sanktionen vermeiden wollten.

In der Diskussion wurde besonders die von den letzten beiden Rednern angemahnte Verantwortlichkeit und Staatstreue der Journalisten gerügt. Für eine freie Presse müsse die schonungslose Suche nach Wahrheit und nicht die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung das höchste Gebot sein. Wie vorher schon bei der Diskussion über die Zukunftsperspektiven der Zivilgesellschaft ließ sich in diesem Punkt freilich keine Einigkeit auf dem Podium und im Saal erzielen. Während den einen die Zukunftsfähigkeit von Staat und Verwaltung als höchstes Ziel erscheint, dem sich gesellschaftliche Aktivitäten auch im demokratischen Gemeinwesen unterzuordnen haben, rangiert bei anderen der Kampf um weitere gesellschaftliche Reformen und Emanzipation vor den Interessen eines als korrupt und oft wohl auch als unreformierbar geltenden Staatsapparates. Auch das Problem der Sprachen wurde in der Diskussion aufgegriffen. Hier stellten möglicherweise neue Technologien eine große Chance dar, die bisherigen personellen und logistischen Beschränkungen zu überwinden.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Mai 2001

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