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3. Die wichtigsten UN-Institutionen im Folgeprozess


Die Generalversammlung der Vereinten Nationen ist formal das höchste zwischenstaatliche Entscheidungsgremium im Sozialgipfel-Follow-up. Ihr werden im Aktionsprogramm vor allem drei Aufgaben zugewiesen [Fn 7: Vgl. UN Doc. A/CONF.166/9 vom 19. April 1995 ("Report of the World Summit for Social Development"), paras. 94-98.] :

  • Sie soll die Umsetzung der Sozialgipfel-Ergebnisse überprüfen. Dieses Thema soll in den kommenden Jahren regelmäßig auf der Tagesordnung der Generalversammlung stehen. Im Jahr 2000 soll zu diesem Zweck eine Sondersitzung der Generalversammlung durchgeführt werden.

  • Sie soll den internationalen Dialog über kritische soziale Fragen fördern. Zu diesem Zweck kann die Generalversammlung Treffen hochrangiger Vertreter durchführen, bei denen auch erörtert werden soll, mit welchen politischen Maßnahmen diese 'kritischen sozialen Fragen' im Rahmen internationaler Zusammenarbeit behandelt werden sollen.

  • Sie soll über Maßnahmen beraten, die die Kohärenz bei der Umsetzung der Sozialgipfel-Ergebnisse innerhalb des UN-Systems sicherstellen. Dabei geht es vor allem um die verbesserte Koordination der Aktivitäten von UNO, Bretton-Woods-Institutionen und WTO. Dies ist eine der Aufgaben der Arbeitsgruppe der Generalversammlung, in der gegenwärtig die Verhandlungen über die "Agenda für Entwicklung" stattfinden.

Angesichts dieser eher vagen Aufgabenbeschreibung ist unklar, welche Rolle die Generalversammlung im Sozialgipfel-Follow-up praktisch spielen wird. Im April 1996 wird sie sich im Rahmen einer Sondertagung mit der Bedeutung der öffentlichen Verwaltung und einer guten Regierungsführung ("good governance") für die Umsetzung der Ergebnisse der Weltkonferenzen auf nationaler Ebene befassen. Daneben können die Ergebnisse der Arbeitsgruppe der Generalversammlung zur "Agenda für Entwicklung" für den Prozeß wichtige Impulse bringen. Ansonsten wird sich die Generalversammlung wohl hauptsächlich darauf beschränken, die Berichte anderer UN-Gremien zu erörtern und deren Empfehlungen zu übernehmen. Dies betrifft vor allem den ECOSOC.

Der ECOSOC soll - trotz seiner schwachen Position im UN-System - bei der Koordination und Überwachung des Folgeprozesses eine zentrale Rolle spielen. In der Kopenhagen-Erklärung und dem Aktionsprogramm werden vor allem vier Aufgabenbereiche genannt [Fn 8: Ebd., paras. 93-98.] :

  • Die systemweite Koordination. Diese zunächst rein technisch anmutende Aufgabe ist politisch keineswegs unumstritten. Denn 'systemweit' schließt den Ausführungen des Aktionsprogramms zufolge sowohl die Sonderorganisationen des UN-Systems, einschließlich IWF und Weltbank, als auch die WTO ein. Die Sonderorganisationen sollten in engere Arbeitsbeziehungen zum ECOSOC gebracht werden, gemeinsame Treffen des ECOSOC mit dem Entwicklungsausschuß von IWF und Weltbank sollten in Betracht

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    gezogen werden, und die Generalversammlung sollte die Möglichkeit prüfen, die Koordination unter anderem durch Berichte der Bretton-Woods- Institutionen und der WTO an den ECOSOC zu verbessern.

Darüber hinaus wird vorgeschlagen, gemeinsame Treffen des Generalsekretärs und der Leiter von IWF, Weltbank, ILO und der Fonds und Programme der Vereinten Nationen vor den Sitzungen des Entwicklungsausschusses durchzuführen. Die ILO unterstützt diese Idee ausdrücklich:

"This recommendation should be taken seriously, as it could lead to better harmonization of global policies in order to reconcile the objectives of economic rigour with the equally important objective of greater social justice worldwide." [Fn 9: ILO Doc. GB.264/5, November 1995 ("Action to be taken by the ILO in giving effect to the Declaration and Programme of Action adopted by the World Summit for Social Development"), para. 6.]

Die Leiter von IWF, Weltbank und WTO haben den Anspruch des ECOSOC auf systemweite Koordination bei der Jahrestagung des Rates im Juli 1995 in Genf scharf zurückgewiesen. Weltbankpräsident Wolfensohn stellte unmißverständlich fest: "Ich möchte mit Ihnen arbeiten, aber nicht von Ihnen koordiniert werden." [Fn 10: Vgl. IPS Hintergrunddienst Nr. 29, 22. Juli 1995.]

  • Die Überprüfung und Bewertung der Fortschritte bei der Umsetzung der Gipfelbeschlüsse. Dies soll gemäß Commitment 10 (f) der Kopenhagen-Erklärung unter anderem auf Grundlage der Berichte nationaler Regierungen geschehen. Das Aktionsprogramm greift den Vorschlag regelmäßiger nationaler Berichte auf:


"The promotion of an integrated approach to the implementation of the Programme of Action at the national level, in accordance with national specificities, requires:
[...]

  1. Regularly assessing national progress towards implementing the outcome of the Summit, possibly in the form of periodic national reports, outlining successes, problems and obstacles. Such reports could be considered within the framework of an appropriate consolidated reporting System, taking into account the different reporting procedures in the economic, social and environmental fields." [Fn 11: Vgl. UN Doc. A/CONF.166/9 vom 19. April 1995 ("Report of the Word Summit for Social Development"), para. 83 (j) [Hervorhebung durch den Autor].]


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Bei der Sitzung der Kommission für soziale Entwicklung im April 1995 haben bereits einige Regierungen angekündigt, daß sie derartige nationale Berichte über ihre Umsetzung der Kopenhagen-Beschlüsse anfertigen werden [Fn 12: Vgl. UN Doc. E/1995/102, para. 9.].
Die Bundesregierung steht dieser Form der Berichterstattung bisher eher ablehnend gegenüber.

  • Die Ausarbeitung eines gemeinsamen Rahmens für die Umsetzung aller Weltkonferenzen im Wirtschafts- und Sozialbereich. Eine Koordination der Konferenz- Follow-ups ist erforderlich, um zum einen Doppelarbeit (etwa beim Thema Armutsbekämpfung) zu vermeiden, zum anderen der Sektoralisierung entgegenzuwirken. Dies betrifft sowohl die zwischenstaatliche Ebene, als auch die Ebene der Sekretariate. Der ECOSOC befaßte sich auf seiner Jahrestagung im Juli 1995 mit diesem Thema. Erste Überlegungen und Ergebnisse liegen inzwischen vor (siehe folgendes Kapitel).

  • Die Mobilisierung finanzieller Ressourcen. Hier hat der ECOSOC vor allem die Aufgabe, neue und innovative Finanzierungsquellen zu überprüfen. Dies zielt unter anderem auf die Möglichkeit internationaler Steuern, wie z.B. der Tobin-Tax, ab. Die Formulierungen im Aktionsprogramm enthalten, anders als die Entwürfe in der Vorbereitungsphase, allerdings keinerlei konkrete Vorschläge. Dort heißt es lediglich:


"In addition to augmenting the flow of resources through established channels, relevant United Nations bodies, in particular the Economic and Social CounciI, should be requested to consider new and innovative ideas for generating funds and, for this purpose, to offer any useful suggestions." [Fn 13: UN Doc. A/CONF.166/9 vom 19. April 1995 ("Report of the World Summit for Social Development"), para. 93.]



In welcher Form der ECOSOC diese Aufgabe erfüllen wird, ist bislang ungeklärt. In jedem Fall ist er im Rahmen seiner jetzigen Struktur und Autorität nicht annähernd in der Lage, die Koordinations-, Kontroll- und Forschungsaufgaben selbst zu übernehmen. Ähnlich wie die Generalversammlung wird er sich hauptsächlich auf die Entgegennahme und Verabschiedung von Berichten beschränken. Die eigentliche Arbeit wird 'nach unten' delegiert. 'Nach unten' bedeutet in diesem Fall vor allem an die Fachkommission des ECOSOC für soziale Entwicklung.

Die Kommission für soziale Entwicklung hat bisher ein Schattendasein geführt. Das Aktionsprogramm verweist auf diese Kommission und fordert den ECOSOC auf, das Mandat, die Agenda und die Zusammensetzung dieser Kommission zu überprüfen und ihre Stärkung in Betracht zu ziehen [Fn 14: Ebd., para. 95 (e).].
Die Ergebnisse der Beratungen im ECOSOC deuten darauf hin, daß die Kommission im Folgeprozeß des Sozialgipfels eine Schlüsselrolle übernehmen könnte - ähnlich wie die Kommission für nachhaltige Entwicklung (CSD) im Follow-up des Rio-Gipfels. Weiteres dazu im folgenden Kapitel.

Die regionalen Wirtschaftskommissionen des ECOSOC sollen die Umsetzung der Kopenhagen-Beschlüsse auf regionaler und subregionaler Ebene fördern. Zu diesem Zweck

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sollten sie in Zusammenarbeit mit anderen Regionalorganisationen und -banken alle zwei Jahre ein Treffen "auf hoher politischer Ebene" durchführen, bei der die Umsetzung der Gipfelentscheidungen in der jeweiligen Region überprüft wird. [Fn 15: Ebd., para. 95 (g).]

Dem Komitee für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte wird eine "wichtige Rolle" bei der Überwachung derjenigen Resultate des Sozialgipfels zugewiesen, die sich auf die Erfüllung des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte durch die Vertragsstaaten beziehen [Fn 16: Ebd., para. 95 (h).].
Dies wird allerdings nicht konkretisiert. Menschenrechtsorganisationen kritisierten in Kopenhagen, daß das Komitee keine Überwachungsrechte gegenüber IWF, Weltbank und Welthandelsorganisation erhielt. Darüber hinaus greift das Aktionsprogramm von Kopenhagen nicht die Empfehlung der Wiener Menschenrechtskonferenz auf, die Möglichkeit der Individualbeschwerde im Rahmen eines Optional Protocol zum Pakt zu prüfen.

Dem IWF und der Weltbank werden im Aktionsprogramm für den Folgeprozeß vielfältige Aufgaben übertragen. In erster Linie sind sie aufgefordert, in ihre Politik, und vor allem in ihre Strukturanpassungsprogramme, Ziele sozialer Entwicklung zu integrieren und gemeinsam mit den Vereinten Nationen künftig die Wirkungen dieser Programme auf die wirtschaftliche und soziale Entwicklung eines Landes zu untersuchen. [Fn 17: Ebd., para. 92.] Das Aktionsprogramm betont daneben die Notwendigkeit, Mittel für die IDA Debt Reduction Facility zu mobilisieren und sich mit dem Problem multilateraler Schulden (d.h. in erster Linie Schulden der Länder bei IWF und Weltbank) zu befassen. [Fn 18: Ebd., para. 90.] Die Aktivitäten der Bretton-Woods-lnstitutionen im Kopenhagen-Prozeß sollen, wie bereits erwähnt, in engerer Koordination und Kooperation mit den Vereinten Nationen erfolgen.

Obgleich die WTO hinsichtlich der Rahmenbedingungen für soziale Entwicklung eine besondere Verantwortung hat, wird sie in den Beschlüssen von Kopenhagen nur an einer Stelle ausdrücklich erwähnt. [Fn 19: Ebd., para. 98.] Sehr vage wird sie dort "eingeladen zu überlegen, wie sie zur Umsetzung des Aktionsprogramms beitragen könnte". Obgleich sie damit im direkten Follow-up wohl keine aktive Rolle spielen wird, werden ihre handelspolitischen Entscheidungen den Folgeprozeß erheblich beeinflussen.

Es fällt auf, daß die beiden Institutionen, die am stärksten mit den Themen des Weltsozialgipfels befaßt sind, im Aktionsprogramm erst am Ende Erwähnung finden:

Die ILO soll zwar aufgrund ihrer dreigliedrigen Struktur und ihrer Erfahrung eine besondere Rolle im Follow-up spielen, über die Frage, wie diese Rolle aussehen soll, konnten die Regierungen jedoch offensichtlich keinen Konsens erreichen. So beschränken sie sich auf die Aufforderung an die ILO, "zur Umsetzung des Aktionsprogramms beizutragen". [Fn 20: Ebd., para. 98 (c).] Aber auch ohne konkrete Aufgabenbeschreibung wird die ILO das Kopenhagen-Follow-up in vielfältiger Weise inhaltlich mitgestalten, unter anderem durch die regelmäßige Veröffentlichung eines Weltbeschäftigungsberichtes (nächste Ausgabe: World Employment 1996)

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und durch die Beiträge ihrer "Arbeitsgruppe für die soziale Dimension der Liberalisierung des Welthandels" [Fn 21: Grundlage für die Tätigkeit dieser Arbeitsgruppe ist die Studie "Die soziale Dimension der Liberalisierung des Welthandels" vom November 1994 (ILO Doc. GB.261/WP/SLD/1).].

Dem UNDP wird schließlich im Follow-up die Koordinationsfunktion auf der Länderebene zugewiesen. [Fn 22: UN Doc. A/CONF.166/9 vom 19. April 1995 ("Report of the World Summit for Social Development"), para. 99.]
Auf die Rolle von UNDP im konzeptionellen Bereich - immerhin stammt das Konzept der "menschlichen Entwicklung", das die Ergebnisse des Weltsozialgipfels mitgeprägt hat, von UNDP - geht das Aktionsprogramm nicht ein.

Trotz dieser umfassenden Liste von UN-Gremien fällt auf, daß einige Organisationen bei den Kopenhagen-Beschlüssen "vergessen" wurden. Zu nennen ist hier vor allem die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD), die an keiner Stelle der Kopenhagen-Dokumente erwähnt wird.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Mai 2000

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