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Die Nachhaltigkeit von Entwicklungsprojekten der Friedrich-Ebert-Stiftung : Vortrag gehalten auf der Tagung "Die Nachhaltigkeit von Projekten und Programmen der Entwicklungszusammenarbeit" am 6.11.1992 in Mannheim / Peter Mayer - [Electronic ed.] - Bonn, 1992 - 31 S. = 55 KB, Text . - (Dialogreihe Entwicklungspolitik ; 5)
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2002


INHALT




[Seite der Druckausg.: 1-2 = Titelblatt]
[Seite der Druckausg.: 3-4 = Gliederung]

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1. Einführende Bemerkungen

Betrachtet man die entwicklungspolitische Diskussion der letzten Jahre, so begegnet man dem Begriff "Nachhaltigkeit" in den verschiedensten Verwendungsformen: es wird die nachhaltige Landwirtschaft, die nachhaltige Nahrungsmittelproduktion oder die nachhaltige Waldbewirtschaftung gefordert, von einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung, einem nachhaltigen ökonomischen Entwicklungspfad gesprochen, die Nachhaltigkeit von Organisationen angestrebt.

bim Kontext der Entwicklungszusammenarbeit wird in jüngster Zeit verstärkt die Nachhaltigkeit der Projekte gefordert, wobei auch hier zahlreiche unterschiedliche Definitionen in der Diskussion sind. Der Forderung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit ist voll zuzustimmen, wenn es schreibt: "Der Begriff 'Nachhaltigkeit/sustainability' sollte inhaltlich präziser gefaßt, Ursachen- und Wirkungszusammenhänge ermittelt und eine verbindliche Begriffsbestimmung für die Evaluierungarbeit festgelegt werden" [BMZ 1988, S.72.]. Die systematische Reflexion über dieses Thema verspricht nicht allein die Herausarbeitung von Fehlern, die in der Vergangenheit gemacht wurden, sondern auch die Identifikation wesentlicher Faktoren bei Planung, Durchführung und Nachbetreuung der Projekte, die für die Nachhaltigkeit der Projekte/Programme zentral sind, kurz, der Erfolgsfaktoren für gute Projekte.

Im folgenden soll mit der Definition gearbeitet werden, die von der Direktion für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe stammt und auf Projekte der Entwicklungszusammenarbeit Bezug nimmt:

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"Nachhaltig ist ein Entwicklungsprojekt/-programm dann, wenn die (ehemaligen) Projektträger und die Zielgruppen die mit dem Projekt erreichten Veränderungen ohne fremde Hilfe dauerhaft weiterführen" [DEH 1990,3.3.].

Zwei Aspekte sind also zentral für das Verständnis des Begriffes "Nachhaltigkeit": Die Langfristigkeit der Wirkung/des Projektnutzens und die Wirkung nach der Beendigung der finanziellen, organisatorischen und technischen Förderung durch eine (ausländische) Institution.

Zwei kritische Anmerkungen zur gängigen Verwendung des Konzeptes der Nachhaltigkeit sind an dieser Stelle notwendig.

  1. Es gibt Projekte, deren Projektnutzen vor allem in der Gegenwart anfallen soll. In der Sprache der Nutzen-Kosten-Analyse kann trotzdem der Nettonutzen enorm hoch sein, da ein hoher Gegenwartsnutzen einen geringen Nutzen in der Zukunft weit überkompensiert. Nachhaltigkeit im traditionellen Sinne ist somit kein Ziel. Hier muß der quasi-normative Charakter der Diskussion um Nachhaltigkeit abgelehnt werden. Der Umgang mit dem Konzept sollte keine falschen Prioritäten suggerieren. Es geht um maximalen Nettonutzen bei gegebenen Kosten.

  2. Zudem gilt es zu bedenken, daß Institutionen für bestimmte Phasen des Entwicklungsprozesses funktional sind, bei erfolgreich verlaufender Entwicklung aber in der nächsten Phase dysfunktional sein können (die Treuhandanstalt in Deutschland kann beispielhaft genannt werden, die "civics" in Südafrika könnten ebenfalls ein Beispiel sein). Nachhaltigkeit der Organisation kann in einem solchen Fall nicht sinnvoll gefordert werden.

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Bevor näher ausgeführt werden kann, welche Bedeutung das Problem der Nachhaltigkeit für die Arbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung hat, muß zunächst erläutert werden, worin die Besonderheiten der Arbeit einer politischen Stiftung, bzw. in dem vorliegenden Fall der Friedrich-Ebert-Stiftung liegen.

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2. Das Zielsystem der Arbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung

In den 1971 zwischen dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und den politischen Stiftungen erarbeiteten Grundsätzen heißt es:

Die politischen Stiftungen unterstützen Partner in Entwicklungsländern, die im Rahmen der durch die Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen festgelegten Ziele einen strukturwirksamen Beitrag leisten zur Verwirklichung der sozialen Gerechtigkeit, zur Verbreiterung der politischen Mitwirkung und zur Stärkung der wirtschaftlichen Eigenständigkeit ihres Landes".

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat es sich die Friedrich-Ebert-Stiftung zur Aufgabe gemacht,

mit Partnern in Entwicklungsländern bei der Herstellung sozial gerechter, pluralistischer und demokratischer Gesellschaften zusammenzuarbeiten.

In den Ländern des Südens leistet sie deshalb Beiträge zu den folgenden Zielen:

  • Verbesserung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen,

  • politische, wirtschaftliche und soziale Strukturreformen zugunsten benachteiligter Bevölkerungsschichten,

  • Demokratisierung politischer und gesellschaftlicher Strukturen,

  • Stärkung freier Gewerkschaften,

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  • wirtschaftliche Selbsthilfe, Selbstorganisation und politische Partizipation benachteiligter Bevölkerungsschichten,

  • Entwicklung und Verbesserung von pluralistischen Medien- und Kommunikationsstrukturen.

Jeder dieser Zielbereiche, in unserer Planungsterminologie können dies Programmschwerpunkte sein, könnte weiter präzisiert werden nach daraus resultierenden Oberzielen, Projektzielen etc. Wichtig scheint aber, daß an diesen Zielformulierungen deutlich gemacht werden kann, was die Friedrich-Ebert-Stiftung nachhaltig erreichen will:

Wir wollen nachhaltig Strukturen verändern (gesellschaftliche Rahmenbedingungen, wirtschaftliche Strukturen, Medienstrukturen) und wir wollen nachhaltig Organisationen stärken oder aufbauen, die innerhalb der gegebenen Strukturen für die Herstellung von sozialer Demokratie, Gerechtigkeit und wirtschaftliche Entwicklung und für die Förderung sozial benachteiligter Gruppen eintreten.

Aus dieser Beschreibung wird deutlich, daß die häufig zu beobachtende Einengung des Begriffes "Nachhaltigkeit" auf die "Nachhaltigkeit von Organisationen/Trägern" für unsere Arbeit nicht angemessen ist. Die nachhaltige Veränderung von Strukturen, von Gesetzen, von gesellschaftlichen Regelungen, von Einstellungen ist für unsere Arbeit ebenfalls von zentraler Bedeutung.

Um diese Überlegungen zu verdeutlichen, sollen im folgenden Projektbeispiele aus den verschiedenen Arbeitsbereichen der Friedrich-Ebert-Stiftung kurz skizziert und damit deutlich gemacht werden, welche Bedeutung der Begriff "Nachhaltigkeit" für uns konkret hat.

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3. Projektbeispiele aus der Arbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung

Die im folgenden dargestellten Projektbeispiele sind nur zum kleineren Teil bereits abgeschlossen. Die Auswahl ergibt sich vielmehr vor dem Hintergrund der Fragestellung, die Besonderheiten der FES-Arbeit und deren Implikationen für das Verständnis von Nachhaltigkeit deutlich zu machen. [Da der Verfasser vornehmlich mit Projekten im südlichen Afrika befaßt ist, stammen die meisten Projektbeispiele aus diesem Bereich.] Darüber hinaus bringt die Beschäftigung mit neueren Projektkonzepten häufig mehr für die Frage der Sicherung der Nachhaltigkeit als die Auseinandersetzung mit älteren Konzepten, deren Umsetzung aufgrund veränderter Rahmenbedingungen und zahlreicher Lerneffekte ohnehin nicht mehr zur Diskussion steht.


3.1 Der Beitrag zur Verfassungsentwicklung – Verfassungspolitische Beratung in Südafrika

In Südafrika arbeiten wir seit 2 Jahren zusammen mit dem ANC, aber auch anderen Organisationen der demokratischen Opposition an dem Thema "Erarbeitung konsensfähiger Vorschläge für eine neue Staats- und Verfassungsordnung mit starken rechts-, sozial- und föderalstaatlichen Elementen". Hierzu führten wir unter internationaler Beteiligung Konferenzen in Südafrika zu dem Themenbereich "Staatsordnung, Regierungsform, Wahlsystem" durch, wir unterstützten verschiedene diesbezügliche Forschungsarbeiten, wir entsandten Kurzzeitexperten aus Deutschland, die Studien erarbeiteten und Workshops/Gesprächskreise durchführten zu allgemeinen Verfassungsrechtsfragen, zu Fragen des Föderalismus, zu Fragen des Länderfinanzausgleichs, zur Kommunalverwaltung. Die

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Durchführung von Informationsreisen (exposure Programme) in Länder mit einschlägiger Erfahrung, nach Deutschland oder andere europäische Länder war in diesem Zusammenhang ein sehr wichtiges Instrument. Politisch besonders erfolgreich war beispielsweise ein Besuchsprogramm für eine neunköpfige Delegation des ANC Constitutional Committee in Deutschland mit einem verfassungspolitischen Workshop in Hannover, dem Besuch der obersten Bundesgerichte in Karlsruhe und Berlin sowie weiteren politischen und Fachgesprächen in Potsdam und Bonn.

Was heißt nun "Nachhaltigkeit" für uns in diesem Kontext? Ziel unserer Arbeit ist die Kompetenzstärkung wichtiger Vertreter der demokratischen Bewegung, damit diese die erworbene Expertise in die Verfassungsdiskussion einbringen und eine Verfassung geschaffen wird, die pluralistischen und demokratischen Ansprüchen genügt und dem diffizilen Komplex von Erwartungen an die Umgestaltung der durch die Apartheid geprägten Ordnung gerecht wird. In dieser zu erarbeitenden Verfassung drückt sich die Nachhaltigkeit aus: Wird eine solche Verfassung erarbeitet, wird sie durchgesetzt und wird sie akzeptiert, war unsere Arbeit/unser Beitrag nachhaltig.


3.2 Die Erarbeitung von Gesetzen und Verordnungen – Medienrechtsberatung in Namibia und Genossenschaftsrechtsberatung in Indonesien

Medienrechtsberatung in Namibia

Durch zahlreiche Beratungsmaßnahmen und Dialogveranstaltungen konnte die Friedrich-Ebert-Stiftung in Namibia auf die Ausgestaltung des "Namibian Broadcasting Commissions Act" Einfluß nehmen. In diesem Act werden für private Radio- und Fernsehstationen die gesetzlichen Rahmenbedingungen fest-

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gelegt. Nach unserer und anderer Einschätzung ist dieses Rundfunkgesetz das modernste in Afrika und entspricht den Anforderungen, die wir auch in Europa an ein Rundfunkgesetz formulieren.

Hier gilt: Nachhaltigkeit drückt sich in der Verabschiedung des Gesetzes aus, welches langfristige Geltung haben soll. Auch danach kann unter Umständen weiterer Beratungsbedarf bzgl. der Umsetzung, der Absicherung, daß Rundfunkfreiheit auch tatsächlich von den verschiedenen staatlichen Institutionen akzeptiert/geschätzt wird, daß Rundfunkfreiheit eine "Institution" wird, bestehen. Die Friedrich-Ebert-Stiftung ist in ihrem Instrumentarium auch hinreichend flexibel, um später notwendige flankierende Maßnahmen ergreifen zu können.

Genossenschaftsrechtsberatung in Indonesien

In vielen Ländern, beispielsweise in Indonesien oder in Simbabwe, haben wir in der Vergangenheit den genossenschaftlichen Gedanken gefördert und somit einen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung geleistet. Auch hier zielte häufig unsere Beratungsleistung auf die Inkraftsetzung eines Genossenschaftsgesetzes ab, in dem die Unabhängigkeit der genossenschaftlichen Institutionen vom Staat sichergestellt werden sollte, adäquate Kontroll- und Anreizstrukturen innerhalb des Systems festgeschrieben wurden etc. Nachhaltigkeit drückt sich auch hier in der Funktionalität und in der Akzeptanz des geschaffenen rechtlichen Rahmens aus.


3.3 Gewerkschaftsförderung – Themenorientierter Ansatz in Mexiko

In Mexiko, wo wir seit vielen Jahren mit der Gewerkschaftsbewegung zusammenarbeiten, haben wir uns lange damit beschäftigt, neue Themen wie "Umwelt und Gewerkschaft",

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"Strukturanpassungspolitik und daraus resultierende Anforderungen an die Gewerkschaften" zu bearbeiten. Mit verschiedenen Instrumenten wurde angestrebt, daß diese Themen in den Gewerkschaften diskutiert werden, die Gewerkschaften sich den Herausforderungen stellen, eigene Lösungskonzepte entwickeln und sich dem Modernisierungsdruck nicht entziehen. Dazu wurde mit eher regierungskonformen, aber auch oppositionellen Gewerkschaften zusammengearbeitet. Nachhaltig soll das Bewußtsein für Umweltfragen und für die Verantwortung der Gewerkschaften bei wirtschaftlichen Anpassungsmaßnahmen geschaffen oder gestärkt werden.


3.4 Der Aufbau einer Medieninstitution – Landfunkentwicklung in Simbabwe

Seit 1982 unterstützen wir in Simbabwe den Aufbau eines Landfunkprogramms mit der Bereitstellung von Technik, mit der Ausbildung von Fachpersonal, mit Beratung über Programmabwicklung etc. Via funktionierendem Landfunk sollen die ansonsten schwer erreichbaren Kleinbauern und Kleinbäuerinnen notwendiges Know-how in landwirtschaftlichen Fragen, aber auch Wissen über politische Ereignisse erhalten. Aber auch der umgekehrte Weg funktioniert: Mit Hilfe von Hörerclubs auf dem Land, die zum Großteil von Frauen getragen werden, gelangen Informationen über die Probleme der ländlichen Bevölkerung via den wöchentlichen Hörerclub-Sendungen zu der Regierung bzw. der politischen Administration ("Zwei-Wege-Kommunikation"). Nachhaltig kann hier trägerorientiert verstanden werden: Die Rundfunkstation soll nach Projektende in der Lage sein, ihrem Auftrag gemäß zu produzieren und frei von Interventionen des Staates relevante Informationen zu vermitteln. Zu fragen ist freilich, welche Bedeutung hier finanzielle Kriterien der Rentabilität haben können. Radiosendungen sind im Ausstrahlungsbereich

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quasi als öffentliches Gut zu betrachten [Dies gilt zumindest im simbabwischen Kontext, sieht man von unrealistischen theoretischen Spielereien ab.], das für die Zukunft von großer Bedeutung ist, es sei nur auf den engen Zusammenhang zwischen politischer Partizipation und Information oder auf den Zusammenhang zwischen Umweltzerstörung und Wissen um angepaßte Methoden der Bodenbewirtschaftung verwiesen.


3.5 Aufbau und Förderung eines Wirtschaftsverbandes – Organisationsentwicklung in Namibia

Wirtschaftsverbände wie Handwerkskammern, Industrie- und Handelskammern, Kleinunternehmerverbände u.a. sind als essentielle Akteure der Zivilgesellschaft für die Friedrich-Ebert-Stiftung naheliegende Partner. In Namibia arbeiten wir seit 1991 eng mit der Dachorganisation der Industrie- und Handelskammern zusammen, die neben der Erbringung von Serviceleistungen für Mitgliedskammern bzw. Firmen eine zentrale Rolle in der Artikulation der Interessen der mehrheitlich schwarzen Kleinunternehmer gegenüber der Regierung spielt. Schließlich zeigt dieser Verband auch beispielhaft auf, wie die Versöhnung von weiß und schwarz herbeigeführt und abgesichert werden kann. Bei dem "Institution building"-Ansatz, den wir dort verfolgen, ist die Analogie bzw. Affinität zu den üblichen Überlegungen der Trägerförderung relativ groß: Fragen der adäquaten Auswahl der Zielgruppe, des Aufbaus einer organisatorischen Struktur, die Transparenz, Leistungsanreize und Flexibilität ermöglicht, Fragen der Rentabilitätssicherung der Organisation sind nur einige der zentralen Überlegungen.

Eine nachhaltige Arbeit heißt für uns In diesem Zusammenhang, daß unser Partner in die Lage versetzt wird, nach einigen Jahren der Unterstützung und Zusammenarbeit die Aufgaben einer Kammerorganisation eigenständig wahrzunehmen.

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4. Schlußfolgerungen für unser Verständnis von Nachhaltigkeit

Um nachhaltig Strukturen in dem genannten Sinne (Gerechtigkeit, soziale Demokratie, wirtschaftliche Entwicklung) zu verändern, um einen strukturwirksamen Beitrag dazu zu leisten, wie wir dies in unserer Terminologie genannt haben [Strukturwirksamkeit zielt auf Breitenwirkung und auf Wirkung in der Zeit.], zielen Projekte auf

  • die Gestaltung von Verfassungen, Gesetzen und Verordnungen,

  • auf den Aufbau von Organisationen,

  • auf die Änderung von Einstellungen.

Ohne hier all zu sehr auf die theoretische Diskussion zur "Sustainability" eingehen zu wollen, ist doch der Hinweis auf die Institutionenökonomie wichtig, wo zwischen "rule-oriented" und "role-oriented" Institutionen unterschieden wird [Vgl. Goldsmith/Brinkerhoff 1990, S.9-14.]. Die Veränderung von Verfassung, Gesetzen, Verordnungen oder anderen Formen gesellschaftlicher Regelungen zielt auf "rule-oriented institutions" ab, die komplementäre Bildungs- und Überzeugungsarbeit bei wichtigen Meinungsträgern versucht sicherzustellen, daß die vereinbarte Regelung auch zur "Institution" wird.

Der Aufbau von Organisationen entspricht (cum grano salis) der "role-oriented institution". Auch hier kann Bildungsarbeit die Funktion haben, den Aufbau vorzubereiten, zu begleiten oder im nachhinein abzusichern. Auch hier soll erreicht werden, daß die Organisation zur "Institution" wird.

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4.1 Nachhaltigkeit und die Mitgestaltung/Veränderung von Verfassungen/Gesetzen/Verordnungen

Das Aufgreifen von wichtigen Themen und die Erarbeitung von neuen gesellschaftlichen Regelungen zusammen mit einer Vielzahl gesellschaftlich relevanter Gruppen gewinnt in unserer Stiftungsarbeit immer mehr an Bedeutung und überlagert die traditionelle Partnerorientierung.

Die Schaffung einer geeigneten Verfassung, geeigneter gesetzlicher Grundlagen, geeigneter Verordnungen und Durchführungsbestimmungen etc. muß vor dem Hintergrund des Wissens um Alternativen, um Vor- und Nachteile bestimmter Lösungen und der notwendigen Anpassungen an lokale Gegebenheiten erfolgen. Das Ziel der Nachhaltigkeit impliziert, daß involvierte Institutionen das entsprechende Wissen um Alternativen aufbauen, daß unterschiedliche Sichtweisen diskutiert werden, daß Dialog zwischen Institutionen/Personen stattfindet, daß Entscheidungen mit Bedacht getroffen werden und daß in Kraft getretene Gesetze und Verordnungen sich als tragfähig erweisen, d.h. den Gegebenheiten angepaßt sind und akzeptiert werden. Uns geht es also nicht allein um ein "technisch" gutes Gesetz, um eine perfekt formulierte Verordnung, sondern in Ergänzung dazu um die Bereitschaft verschiedener Interessengruppen, diese Regelungen zu akzeptieren, sie politisch mitzutragen und gegebenenfalls auch zu verteidigen. Nachhaltig wird unsere Arbeit nicht durch die Verabschiedung von Gesetzen, sondern deren Beachtung, deren Akzeptanz. Hier das notwendige Vertrauen, die Dialogbereitschaft, notwendige Kenntnisse zu vermitteln und notwendige Strukturen geschaffen zu haben, ist von essentieller Bedeutung.

Daß die Beratung in diesem Bereich sich stark von den relativ klar abgegrenzten Projektkonzepten anderer Institutionen der

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Entwicklungszusammenarbeit unterscheidet, muß betont werden, da dies unmittelbare Implikationen für das Meßproblem der Nachhaltigkeit hat.

Die obigen Hinweise machen auch deutlich, daß der Entstehungsprozeß gesellschaftlicher Regelungen nicht linear ist. Als essentiell politische Prozesse entziehen sie sich der Art der Antizipation notwendiger Maßnahmen, wie es im Fall der Organisationsentwicklung beobachtet werden kann. Und die Schwierigkeiten der Planung nehmen in dem Maße noch zu, wie die Zivilgesellschaft und die institutionelle Vielfalt in Ländern der Dritten Welt bedeutsamer wird.


4.2 Nachhaltigkeit und Organisationsentwicklung

Grundsätzlich gelten für die Friedrich-Ebert-Stiftung die gleichen Bedingungen für die Förderung der Nachhaltigkeit einer Organisation wie für andere Institutionen der Entwicklungszusammenarbeit: Die Schweizer Direktion für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe hat beispielsweise folgende 6 Bereiche unterschieden:

  1. Zielgruppenorientierung
  2. Organisatorische Leistungsfähigkeit
  3. Beachtung der Folgekosten und Rentabilität
  4. Technische Angepaßtheit
  5. Abstützung auf politische Entscheidungsträger
  6. Realistische Projektgestaltung

Dieser und ähnlichen Systematisierungen der Erfolgsbedingungen für einen nachhaltigen Organisationsaufbau soll hier keine eigene Systematik gegenübergestellt. Ein paar grundsätzliche Anmerkungen zu einigen der oben genannten Aspekten sollen genügen.

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zu 2) Organisatorische Leistungsfähigkeit

    Gleichgültig mit welchem Partner wir zusammenarbeiten, die Partizipation, der Wille, sich selbst zu helfen, die Integration in das sozio-ökonomische Umfeld, die Verantwortlichkeit der Organisationen gegenüber Mitgliedern sind zentrale Konzepte. Organisationsentwicklung darf daher auch nicht heißen, "Problemdruck von einer Organisation wegzunehmen, und den Willen zur Eigenanstrengungen zu lähmen" [Sülzer 1991,8.8.]. Hier gilt aufgrund des Volumens unserer Projekte und der Art unserer Partner, daß wir weniger leicht in die Gefahr geraten als große Institutionen, Eigenanstrengung zu substitutieren.

    Trotz einiger klarer Prinzipien für die Organisationsentwicklung gilt aber auch: "Es gibt keine Blaupausen für Organisationen" [Sülzer 1991,3.9.]. Eigenständige Problemlösungen müssen gefunden werden. Hier ist m.E. die Friedrich-Ebert-Stiftung aufgrund der Unterschiedlichkeit der Projekttypen im gesellschaftspolitischen Bereich, im Wirtschaftsförderungsbereich oder im Medienbereich weniger leicht als große Institutionen versucht, anderswo bewährte Konzepte vorschnell zu übertragen.

    Verschiedentlich können wir beobachten, daß die Nachhaltigkeit unserer Partner dadurch gefährdet wird, daß ihnen vom Staat, von der Privatwirtschaft, von ausländischen Gebern oder anderen Institutionen Aufgaben übertragen oder angetragen werden, die eigentlich von anderen Institutionen übernommen werden müßten, diese aber nicht zu leisten im Stande sind. Den damit einhergehenden Gefahren der Überlastung und poten-

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    tiellen Diskreditierung "guter" Organisationen muß vorgebeugt werden.

    Ein häufig anzutreffendes Problem, welches die organisatorische Leistungsfähigkeit beeinträchtigen kann, begegnet uns in Selbsthilfebewegungen, in Bürgerinitiativen, in Gewerkschaften und anderen Partnerinstitutionen. Diese werden häufig von Personen geführt, die ursprünglich aus Arbeitsbereichen entstammen, die mit den Anforderungen der Leitung einer (u.U. großen) Organisation wenig zu tun haben. Sie sind häufig inhaltlich sehr engagiert, administrativ und managementmäßig jedoch wenig geschult. Dies birgt Gefahren für die Professionalität des Managements. Trägerqualifizierung heißt daher häufig auch Vermittlung betriebswirtschaftlichen Know-hows [Vgl. auch BMZ 1991,3.40.].

    Die Nachhaltigkeit wird häufig auch durch das Faktum beeinträchtigt, daß die Personaldecke bei kleinen Organisationen von dem Engagement einer Person oder einiger weniger Personen abhängt. Diese Leistungsträger werden häufig von anderen Institutionen, von Regierung, Privatwirtschaft, anderen ausländischen Organisationen abgeworben, ohne daß die entstehenden Lücken schnell geschlossen werden können. Sinnvoll ist hier sicherlich die intensive Nachwuchsschulung, der permanente Aufbau von Humankapital. Dies ändert jedoch nichts an der verstärkten Virulenz dieses Problems in kleinen Organisationen – wie sie typisch sind für unser Partnerspektrum – und der potentiellen Beeinträchtigung der Stabilität der Organisation.

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zu 3) Beachtung von Folgekosten und Rentabilität

    Es ist völlig unstreitig, daß selbst in funktionierenden marktwirtschaftlichen Strukturen Marktunvollkommenheiten bestehen können, die die Bereitstellung von Gütern durch Private verhindern: Für Güter mit (starken) positiven externen Effekten bzw. öffentliche Güter werden sich keine privaten Produzenten finden (Marktversagen). Institutionen, die mit der Bereitstellung solcher Güter befaßt sind, dürfen daher nicht mit privatwirtschaftlichen Betrieben, die Standardkonsumgüter herstellen, verglichen werden. Es wäre inakzeptabel, wollte man heute im Rahmen der Neubewertung marktwirtschaftlicher Strukturen und der begrüßenswerten Betonung der finanziellen Eigenständigkeit von Institutionen jenen Institutionen den Boden entziehen, die essentielle gesamtwirtschaftliche oder gesamtgesellschaftliche Leistungen erbringen, denen aber keine privaten Erträge gegenüberstehen. Institutionen wie Gewerkschaften, Rundfunkstationen, unter bestimmten Umständen Industrie- und Handelskammern, Bürgerinitiativen etc. können als Beispiele solcher Organisationen aufgeführt werden, deren Output in manchen Fällen gesamtgesellschaftlich, nicht immer aber privatwirtschaftlich rentabel ist.

    Auf das Beispiel des Radiosenders wurde verwiesen, der eine gesamtgesellschaftlich sehr wichtige Funktion übernimmt (Übermittlung von Informationen zur Landwirtschaft, zur Politik etc.). Der Sender kann aber die Hörer nicht zur Finanzierung heranziehen. Darüber hinaus kann die private Wertschätzung der Informationen von dem gesellschaftlichen Wert differieren. Ein rein auf betriebswirtschaftliche Kategorien ausgerichtetes Verständnis von Rentabilität wäre in einem solchen Fall unsinnig.

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    Das Problem läßt sich auch an dem Beispiel der Finanzierungsmöglichkeiten einer Kammerorganisation verdeutlichen: Während in Deutschland aufgrund gesetzlicher Bestimmungen (Kammergesetz), Geschäftsgepflogenheiten (Mitgliedschaft bei Wirtschaftsverbänden) oder allgemeinem Entwicklungsstand (relative Höhe des Beitrages bezogen auf Umsatz oder Gewinn) die finanzielle Lebensfähigkeit der Verbände grundsätzlich gesichert erscheint, stellt sich die Situation in den meisten Ländern der Dritten Welt völlig anders dar. Die jährlichen Fixkosten und die variablen Kosten für qualifizierte Mitarbeiter etc. für einen von der Wirtschaft akzeptierten Verband sind so hoch, daß Mitglieder die Kosten für die Organisation nicht aufbringen können. Für die ersten Jahre der Existenz gibt es darüber hinaus einen "circulus vitiosus" der Art, daß ohne Leistungen des Verbandes die Unternehmer kein Interesse an der Mitgliedschaft haben, und ohne Mitgliedschaft keine Einnahmen zur Verfügung stehen, um die Leistungserbringung zu ermöglichen (dies gilt für den Fall freiwilliger Mitgliedschaft). Hier muß deutlich davor gewarnt werden, mit der (notwendigen) Diskussion um die Nachhaltigkeit der Organisationen falsche Erwartungen aufzubauen. Für eine längere Zeit ist die Leistungserbringung vieler Verbände in der Dritten Welt subventionsbedürftig, eine Anschubfinanzierung erscheint erforderlich.

    Die Notwendigkeit der betriebswirtschaftlichen Rentabilität muß auch in dem Gesamtkontext der extrem schwierigen ökonomischen Bedingungen in manchen Regionen der Dritten Welt relativiert werden. Am Beispiel unseres simbabwischen Partners, dem Kleinbauernverband, kann aufgezeigt werden, daß der wirtschaftliche und politische Kontext die Rahmenbedingungen für einen finanzstarken, eigenständigen und unabhängigen Verband außeror-

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    dentlich erschwert. Die Unsicherheit über die weitere Entwicklung in Südafrika, die militärischen Auseinandersetzungen in Angola und Mosambik, die Dürre im südlichen Afrika, natürlich auch zahlreiche interne Faktoren sind einige der Faktoren, die berücksichtigt werden müssen, will man realistische Anforderungen an die Entwicklung Simbabwes und an den Projektpartner formulieren. "Pick feasible objectives" gilt nicht allein für unsere Partner, sondern muß auch für uns gelten, wenn wir über Nachhaltigkeit reden. Bundesminister Spranger hat dies kürzlich so formuliert: "Kritisch überprüfen müssen wir auch die Vorstellung, auf absehbare Zeit in allen unseren Partnerländern die Grundlagen für eine Entwicklung legen zu können, die sich aus eigener Kraft trägt"
    [Spranger 1992.]. Brinkerhoff und Goldsmith formulieren diesbezüglich: "Self-financing is also a questionable indicator of sustainability, since developing countries are home to many organizations that provide essential Services, but whose clientele are so poorly endowed that they cannot perpetuate themselves without indefinite subventions from overseas"
    [Brinkerhoff/Goldsmith 1990, S.13.].

zu 5) Abstützung auf politische Entscheidungsträger

    Ein wohl zentraler Unterschied zwischen der Friedrich-Ebert-Stiftung und vielen anderen Institutionen ist die Betrachtung des polit-ökonomischen Rahmengerüstes für Institutionen aller Art. Das häufig in anderen Institutionen zu beobachtende simplifizierende Verständnis, der Präsident, die herrschende Partei etc. müsse ein Projekt unterstützen, ist nach unserem Verständnis falsch. Vielmehr ist es die Einbettung in das komplexe polit-ökonomische Gefüge, die essentiell ist. Dies kann in dem einen Fall die Einbeziehung der Opposition in die Entschei-

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    dungsfindung sein, in einem anderen Fall die Durchsetzung auch gegen die Interessen opponierender Gruppen. Unverzichtbar ist jedoch die Gesamtperspektive, die gedankliche Einbeziehung aller relevanten gesellschaftlichen Gruppen, die differenzierte Analyse der Macht- und Entscheidungsstruktur. Dieser Komplexität der Gesellschaft muß in der Projektgestaltung Rechnung getragen werden.

    Die Relevanz dieser Gesamtperspektive wird noch viel deutlicher, berücksichtigt man die Veränderung politischer Verhältnisse in der Zeit, wie es insbesondere in Afrika jetzt verstärkt zu beobachten ist. Eine Antizipation denkbarer politischer Veränderungen und ihrer Implikationen für Partnerorganisationen gehört somit ebenfalls zu den conditiones sine qua non, will man verhindern, daß nach Machtwechseln aus "intakten" Projekten Entwicklungsruinen werden.

    Ein anderes Problem bezüglich der Beziehung des Projektes zu politischen Entscheidungsträgern ist in Gewerkschaften, Genossenschaften, Bürgervereinigungen anzutreffen. Regierungen sind häufig versucht, Einfluß auf deren Verhalten zu nehmen, sie für ihre eigenen Zwecke zu instrumentalisieren. Dies kann sehr gefährlich für die Leistungsfähigkeit der betreffenden Organisationen sein und hat in der Vergangenheit viel Mühe und Anstrengung für unsere Partner und uns gekostet.

zu 6) Realistische Projektgestaltung

    Betrachtet man rückblickend jene Institutionen, deren Nachhaltigkeit gesichert werden konnte, zeigt sich, daß neben der Beachtung einiger organisatorischer Konstruktionsprinzipien und vor allem auch der Anpassung an

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    lokale Gegebenheiten, an die realistische Identifikation der Potentiale der Organisationen auch Flexibilität bei der Organisationsentwicklung vorhanden war. Die Friedrich-Ebert-Stiftung kann in der Projektgestaltung in Abweichung von anderen Institutionen häufig sehr flexibel auf Veränderungen bei Partnern reagieren. Dies war in Ländern in Transformationsprozessen oder mit einschneidenden strukturellen Veränderungen ein ganz wesentlicher Vorteil.


4.3 Nachhaltigkeit und die Änderung von Einstellungen

Mit beidem, dem Aufbau von Organisationen und der Institutionalisierung gesellschaftlicher Regelungen zusammen hängt die Änderung von Einstellungen. Viele Projekte beschäftigen sich direkt mit dem Ziel der Veränderung von Einstellungen (i.d.R. von Fach- und Führungskräften und wichtigen Entscheidungsträgern) zu wesentlichen Themen wie "Demokratie", "Pluralismus", "Gerechtigkeit", "Interessenausgleich", "Dialogbereitschaft und -fähigkeit", "Streikrecht" etc. Hier ergeben sich zahlreiche Analogien mit unserer gesellschaftspolitischen Bildungsarbeit hier in der Bundesrepublik Deutschland, mit der Durchführung von Seminarveranstaltungen, von Konferenzen, der Erstellung von Publikationen. Damit sollen bestimmte Themen in die Diskussion gebracht, soll Bewußtsein geschaffen, sollen nachhaltig Einstellungen aufgebaut oder verändert und Vorurteile abgebaut werden. Dies ist, so schwierig die Messung der Wirkung der betreffenden Maßnahmen auch sein mag, von zentraler Bedeutung, will man erreichen, daß geschaffene Strukturen auch in den Köpfen der Menschen Platz greifen. Erst dadurch, um die Sprache der Institutionenökonomie zu verwenden, werden Regelungen oder Organisationen zur "Institution". Unser Anliegen der Vermittlung von Einstellungen zu bestimmten Themengebieten geht pro-

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jektstrategisch manchmal der Implementierung der Regelung voraus, erfolgt zeitgleich oder erfolgt im Nachhinein.

Der Prozeß der Einstellungsänderung und Modernisierung, dessen Verlauf stark kulturspezifisch ist, erfordert Zähigkeit und Geduld. Zahlreiche soziologische und anthropologische Studien, die dieses Phänomen aufgreifen, verweisen auf die Komplexität dieses Prozesses, dessen Dauer, und die Schwierigkeit der Meßbarkeit dieses Prozesses auf individueller oder kollektiver Ebene.

Der Prozeß der Einstellungsänderung erfordert auch Flexibilität auf unserer Seite. Der Weg dort hin kann in aller Regel (um hier die Terminologie der Betriebswirtschaftslehre zu verwenden) nicht starr, sondern muß flexibel geplant werden. Als wir uns beispielsweise bemühten, die mexikanische Gewerkschaftsbewegung für das Thema Umweltschutz zu sensibilisieren und die traditionellen Gewerkschaften wenig Interesse zeigten, erwies sich die Zusammenarbeit mit neuen Gewerkschaften als sinnvoll. Flexibilität in der Projektdurchführung ist daher von wesentlicher Bedeutung, will man in diesem diffizilen Bereich erfolgreich sein.

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5. Bisherige Erfahrungen mit der Nachhaltigkeit unserer Projekte

Es gibt in der Friedrich-Ebert-Stiftung bisher keine systematische Auswertung unserer Projekte in Bezug auf die Nachhaltigkeit. Dies hat verschiedene Ursachen, wobei der hohe Personal- und Zeitaufwand und die Vielzahl unterschiedlicher Projekte, die eine methodisch ausgereifte Analyse sehr umfangreich werden ließe, an erster Stelle zu nennen sind. Eine methodisch saubere, quantitativ orientierte Darstellung, wieviel unserer Projekte nachhaltige Wirkung hatten und welche Faktoren dafür verantwortlich sind, kann daher an dieser Stelle nicht präsentiert werden. Allgemeine Schlußfolgerungen, die sich aus Projektberichten, aus internen Evaluierungen und Diskussionen mit Projektleitern ableiten lassen, sind jedoch möglich.

Bei der Herausarbeitung der Gründe, weshalb Projekte der Friedrich-Ebert-Stiftung nachhaltig oder nicht-nachhaltig waren, kann man sinnvollerweise nach (für das Land) externen Bedingungen, nach internen Rahmenbedingungen und nach Aspekten des Projektdesigns/der Projektimplementierung unterscheiden.

  1. Rückblickend betrachtet läßt sich eindeutig feststellen, daß die externen Bedingungen von fundamentaler Bedeutung für den Projekterfolg und damit für die Nachhaltigkeit waren. Gab es militärische Konflikte, war eine Demokratisierung der Gesellschaft aufgrund der internationalen Lage (Ost-West-Konflikt etc.) möglich, waren die weltwirtschaftlichen Bedingungen günstig? Auch ausgezeichnete Projektdesigns haben sehr begrenzten Erfolg, wenn, wie beispielsweise in Mosambik die politisch-militärische Lage Entwicklung nicht

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    oder kaum zuläßt, wenn ethnische Konflikte einem friedlichen Entwicklungsweg im Wege zu stehen scheinen.

  2. Auch die internen Bedingungen waren für die Nachhaltigkeit unserer Arbeit von wesentlicher Bedeutung. Ein Einparteienstaat, der z.B. Gewerkschaftsbewegung und Genossenschaftsbewegung instrumentalisiert, deren Einnahmen kontrolliert, deren Unabhängigkeitsbestrebungen und Versuche der politischen Artikulation mit Gefängnis sanktioniert, macht nachhaltige Aufbauarbeit in diesem Bereich schwierig. Gerade diese beiden Institutionen haben häufig mit dem Problem der staatlichen Intervention, der staatlichen Bedrohung zu kämpfen. Aber auch Wirtschaftsverbände, Medieninstitutionen, Bürgervereinigungen und andere gesellschaftspolitische Gruppen brauchen ein Mindestmaß an Rechtssicherheit, an Freiheit der Meinungsäußerung, um zu prosperieren. Dies heißt nicht, daß in solchen Fällen unser Engagement deswegen sinnlos gewesen wäre, aber ein nachhaltiger Aufbau von Organisationen oder von entwicklungsfördernden Regelungen ist unter diesen Bedingungen extrem schwierig.

  3. Bezüglich des Projektdesigns gibt es bei uns ähnliche Ursachen für nicht-nachhaltige Projekte wie jene, die wir auch von anderen Institutionen kennen: Mangelnde Zielgruppenorientierung, mangelnde politische Absicherung, mangelndes Know-how auf Seiten des Partners oder involvierter Institutionen, zu schnelle Implementierung, fehlende Flexibilität in der Projektimplementierung oder im Projektdesign selbst. Sicherlich spielte – eine noch so sorgfältige Personalauswahl ändert daran wenig – auch das Engagement und die Akzeptanz der entsandten Experten eine nicht unwesentliche Rolle für den Projekterfolg.

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6. Schlußbemerkung

Die Ausführungen haben gezeigt, daß unser Verständnis von Nachhaltigkeit in vielen Bereichen unserer Arbeit ein anderes ist als jenes, welches Institutionen der finanziellen oder technischen Zusammenarbeit eigen ist. Die Beeinflußung, die Mitgestaltung, die Veränderung von Strukturen in Form von Verfassungen, Gesetzen, Verordnungen oder Einstellungen sind wesentliche Zielbereiche unserer Arbeit. Manchmal läßt sich der Beitrag klar belegen, manchmal – wie im Fall der Änderung der Einstellungen gegenüber zentralen Konzepten wie Demokratie, Pluralismus, Dialogfähigkeit etc. – ist dieser Beitrag konzeptionell bedeutend schwieriger zu erfassen. Verfahren wie die Kosten-Nutzen-Analyse, so interessant sie in vielen Bereichen der Entwicklungszusammenarbeit sein mögen, greifen für diese Art von Zielsetzung zu kurz.

Auf dem Gebiet der Organisationsförderung entspricht das Verständnis von Nachhaltigkeit weitgehend jenem, welches von anderen EZ-lnstitutionen verwendet wird. Hinsichtlich der Berücksichtigung der polit-ökonomischen Rahmenbedingungen gibt es allerdings deutliche Unterschiede. Die Funktion und Gestalt unserer typischen Partner implizieren weitere Abweichungen.

Will man Nachhaltigkeit der Entwicklungsprojekte erreichen, dies wurde im letzen Abschnitt versucht zu zeigen, darf man den Blick nicht auf das Projektdesign reduzieren, sondern muß die komplexe Interaktion zahlreicher Faktoren vor Augen haben. Für die Nachhaltigkeit der Entwicklungsprojekte ist das erfolgreiche und entwicklungsfördernde Wirken von internationalen Institutionen wie UN, GATT, Weltbank, IWF, das erfolgreiche Wirken von bilateralen Institutionen in Fragen des Rüstungsexportes, der Sicherung von Menschenrechten, der

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Ausgestaltung der Ordnungspolitik etc. ebenso wichtig wie das Projektdesign. Und schließlich dürfen wir – die Erfahrungen in den Neuen Bundesländern führen uns das vor Augen – die Bedeutung von Einstellungen, von gedanklichen Dispositionen nicht unterschätzen.

Die Diskussion um Nachhaltigkeit mahnt zur Sorgfalt, zur Reflexion der Projektstrategien, sie weist auf die zahlreichen Bedingungen für erfolgreiche Entwicklungszusammenarbeit hin. Hierin ist auch der Vorteil für die politische Stiftung zu sehen. Allerdings sind noch zahlreiche konzeptionelle und methodische Fragen zu klären, bevor neben die qualitative Analyse unserer Arbeit auch eine quantitativ orientierte Auswertung treten kann. Die obigen Ausführungen sollen einen Beitrag zu dieser konzeptionellen Diskussion leisten.

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Literaturverzeichnis

Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit: Erfolge und Schwachstellen der Entwicklungshilfepraxis – Querschnittsauswertung der im Jahre 1986 durchgeführten Evaluierungen, Bonn 1988.

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Brinkerhoff, Derick W./Arthur A. Goldsmith: Introduction, in: Brinkerhoff, Derick W./Arthur A. Goldsmith: Institutional Sustainability in Agriculture and Rural Development, New York 1990.

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Leffler, Ulrich: Konzepte und Praxis der Trägeranalyse, Berlin 1990.

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