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[Seite der Druckausg.: 5]


Einleitung
Günther Maihold


Kommunale Selbstverwaltung und Dezentralisierung sind Kernelemente der Demokratie. Sie qualifizieren die Demokratie, sie stellen die Verbindung zwischen Bürgern und Institutionen her. Öffentliches Leben und staatliches Handeln werden auf dieser Ebene zu einer unmittelbaren staatsbürgerlichen Erfahrung. Dies gilt für die deutsche Politik ebenso wie auch für die Entwicklungszusammenarbeit. Insofern wird der Leser in der vorliegenden Darstellung in variierenden nationalen, regionalen und kontinentalen Bezügen viele Fragestellungen wiedererkennen, die auch aus der deutschen Kommunalpolitik bekannt sind. Allerdings ist auch eine Fülle von neuen Gesichtspunkten enthalten, die die Breite kommunalpolitischer Erfahrungen in den Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas widerspiegeln und die damit verbundene Schwierigkeit, in der Bildungs- und Beratungstätigkeit die richtigen Ansatzpunkte zu finden. Das Bemühen um die Förderung von kommunaler Selbstverwaltung und Dezentralisierung reiht sich damit in den Bestand an Erkenntnissen aus der entwicklungspolitischen Praxis ein, die der landläufig vorhandenen Auffassung entgegenstehen, „Entwicklung" in ihren vielen Dimensionen lasse sich an der „deutschen Elle" messen. Die Friedrich-Ebert-Stiftung vertritt auch in diesem Arbeitsfeld die Position, daß nur das Eingehen auf die nationalen Besonderheiten und das Zusammenführen unterschiedlicher Partner in einem konkreten Problembereich tragfähige Lösungen bewirken kann. Die Beratung kommunalpolitischer Fragen und des Dezentralisierungsprozesses sind insofern maßgeblicher Teil des Auftrages zur Demokratieförderung der Stiftung.

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Kommunale Selbstverwaltung, Dezentralisierung und Demokratie im Entwicklungsprozeß

Weithin sind kommunale Selbstverwaltung und Dezentralisierung als zentrale Voraussetzungen gerade für eine tragfähige Entwicklung in den Ländern des Südens anerkannt, deren demokratische Erfahrung oftmals nur kurz oder stark institutionalistisch geprägt ist. Sowohl in Afrika wie in Asien und Lateinamerika wirken in der kommunalen Demokratie jedoch die spezifischen politischen und administrativen Traditionen nach, so daß das unterstützende und beratende Handeln einer auf die Demokratieförderung verpflichteten politischen Stiftung sich den jeweiligen nationalen Bedingungen anzupassen hat. Gleichwohl bleibt die Integration der kommunalen Selbstverwaltung in den demokratischen Staatsaufbau eine übergreifende Aufgabe, bei der lokale, regionale und nationale Interessen zusammengeführt werden müssen.

Dabei wirken eine Fülle von Faktoren zusammen: die Besonderheiten kolonialer Traditionen, die Spezifika von Kommunalverfassungen, die Auswirkungen der vorhandenen Sozialstruktur und ethnischer Identitäten, die überlieferten Selbstverwaltungsvorstellungen, das prägende Staatsverständnis, die Struktur der politischen und sozialen Akteure auf lokaler und nationaler Ebene, die Art der kommunalpolitischen Kultur und der politischen Legitimationsmuster etc. Schon allein diese unvollständige Aufzählung weist aus, daß die kommunalpolitische Beratungsarbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung in Afrika, Asien und Lateinamerika wenig mit Modellübertragung zu tun haben kann. Gefragt ist stattdessen das beharrliche Wirken vor Ort, das sich auf lokale Kontakte stützen kann und lokalen Sachverstand zu mobilisieren weiß. Gerade im Politikfeld kommunale Selbstverwaltung und Dezentralisierung wird in besonderem Maße erkennbar, wie unverzichtbar die kontinuierliche Anpassung der Handlungsstrategien und die Belebung der Koalition der Unterstützer für die kommunale Autonomie ist, wenn dieser schwierige Transformationsprozeß erfolgreich vorangebracht werden soll.

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Wertorientierte Kommunalberatung

„Partizipation", „Politisierung" und „Professionalisierung" sind die Zentralbegriffe, die die Entwicklungszusammenarbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung mit Bezug auf die Stärkung kommunaler Selbstverwaltung und Dezentralisierung orientieren. Damit sind Veränderungen im politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozeß der Kommunen angesprochen, aber auch Bemühungen gemeint, die sich auf die Stärkung der lokalen Ebene als Entwicklungsraum kommunaler Umweltpolitik, Sozialpolitik und Wirtschaftspolitik beziehen. Nicht zuletzt gilt es auch jene Initiativen hervorzuheben, die die Vertretung lokaler Interessen im Konzert des nationalen Interessenaustrages etwa durch Förderung von Städte- und Gemeindebünden zum Ziel haben.

  • „Partizipation" bezeichnet die gestiegenen Mitwirkungsansprüche der Bürger an kommunalpolitischen Entscheidungen. Bürgerinitiativen, Selbsthilfebewegungen, Nichtregierungsorganisationen und lokale Bündnisse haben neue Formen politischer Beteiligung außerhalb der bestehenden politischen Institutionen ausgebildet, denen sich das „politische Establishment" dauerhaft nicht entziehen kann.
  • „Politisierung" beschreibt die Entdeckung des lokalen Handlungsfeldes als politische Gestaltungsaufgabe durch die Bürger, unabhängige lokale Organisationen und Kleinparteien. Abhängig von den Strategien der lokalen Machtstrukturen, die auf diese Politisierung mit Handlungsmaximen antworten, die von der Abwehr bis zur Vereinnahmung der Beteiligungsansprüche reichen, hat sich ein Wandel von konsens- zu konfliktorientierten Mustern kommunalpolitischen Handelns ausgeprägt. Nicht zuletzt gestärkt von der immer umfangreicher auf lokale Fragen ausgerichteten Präsenz der Massenmedien hat sich in manchen Ländern ein dynamisches kommunalpolitisches Leben ausgebildet, das in schroffem Gegensatz zur ritualisierten Politik auf nationaler Ebene und dem nur eingeschränkten Interesse der Bürgerschaft steht. Die lokale Politik fungiert in dieser Hinsicht oftmals als „Gegengift" zur sich ausbreitenden Politikverdrossenheit in den Gesellschaften des Südens.
  • „Professionalisierung" ist eine zentrale Aufgabe, die sich auf das Handeln von Bürgern, Parteien und Verwaltung sowie die Ge-

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    staltung der Beziehungen zwischen ihnen bezieht. Die Kommunalpolitik steht oftmals vor der schwierigen Aufgabe, bei in der Regel sehr engen Handlungs- und Finanzierungsspielräumen ein Leistungsprofil zu entwickeln, das geeignet ist, den Erwartungen in der Bürgerschaft gerecht zu werden. Der kommunale Wirkungskreis bedarf daher umfassender Professionalisierungsbemühungen hinsichtlich der Entscheidungsabläufe in den Verwaltungen, in der „Qualität" der Beteiligungsformen der Bürgerschaft und in der politischen Leistungsfähigkeit der Träger des bürgerschaftlichen Engagements. Insofern reichen die Beratungsmaßnahmen von der elementaren Kenntnis des Kommunalwahlrechts bis zu Planungsmodellen partizipativer Stadt- und Gemeindeverwaltung. Zunehmend ist auch deutlich geworden, daß nur das Zusammenwirken von Akteuren aus der Wirtschaft, öffentlichem Sektor und lokalen Strukturen (public-private-partnership) für bestimmte Probleme Lösungen bereitzustellen vermag. Hierfür müssen Kommunikations-, Planungs- und Lernstrukturen gefunden werden, wenn die Service-Funktion der Kommunen gewährleistet werden soll.



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Finanzielle Voraussetzungen kommunaler Aufgaben

Einen Schwerpunkt in der folgenden Darstellung nimmt die Frage der Finanzausstattung der Kommunen ein: Die kommunalen Ordnungs-, Leistungs- und Planungsaufgaben haben sich in den hier dargestellten drei Kontinenten sehr unterschiedlich ausgebildet. Gleiches gilt für die Grundlagen der Finanzverfassung, wobei sich jedoch eine immer stärkere Abhängigkeit der Kommunen von Finanzzuweisungen erkennen läßt. Damit sind die Finanzspielräume der Kommunalpolitik oftmals nicht autonom bestimmbar, Chancen zur Ausweitung der Selbstfinanzierung sind generell nur sehr begrenzt vorhanden. Die gesamtwirtschaftliche Funktion der kommunalen Haushalte wird jedoch zunehmend als wichtige Dimension anerkannt. Das gleiche gilt für den interkommunalen Finanzausgleich als wichtigem Element des Dezentralisierungsprozesses, um so die Chance zu gleichwertigen Lebensverhältnissen im nationalen Territorium sicherzustellen.

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Der kommunale Wirkungskreis ist und bleibt eine zentrale Größe für die Qualität von Demokratie überall auf der Welt. Dieser Erkenntnis fühlt sich die Friedrich-Ebert-Stiftung verpflichtet, wenn ihre Arbeit auf die Ausgestaltung „lebendiger Demokratie" gerichtet ist. Nachweis dieses Bemühens ist die vorliegende Publikation, in der Ausschnitte aus der kommunalpolitischen Beratungstätigkeit in den drei Entwicklungskontinenten aus Berichten der Auslandsmitarbeiter der FES zusammengetragen wurden. Sie spiegelt die Vielfalt in der Tätigkeit der politischen Stiftung wider. Und diese Vielfalt ist eines der allgemein anerkannten Elemente des Erfolges in der Entwicklungszusammenarbeit. Gleichzeitig werden aber auch die Beschränkungen erkennbar: Flächendeckende Bildungs- und Beratungsprogramme können die politischen Stiftungen nicht umsetzen, hier sind Kooperationen mit anderen Trägern gefragt. Erkennbare Beiträge zur Stärkung der kommunalen Demokratie durch die Entwicklungszusammenarbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung sind in dieser Broschüre ebenso ablesbar wie auch die Mißerfolge. Dies ist kennzeichnend für entwicklungspolitisches Handeln weltweit; dem entspricht das Bemühen um die Verbesserung bisheriger Anstrengungen. Auch hierzu soll diese Publikation einen Beitrag leisten.

Dr. Günther Maihold
Leiter der Projektgruppe Entwicklungspolitik


[Seite der Druckausg.: 10 = Leerseite]


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | März 2000

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