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Summary

Dr. Christoph Scherrer und Thomas Greven

"Soziale Konditionalisierung des Welthandels.
Die Instrumente Sozialklausel, Verhaltenskodex und Gütesiegel in der Diskussion"
Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn 1999

Derzeit werden ca. 10 Prozent des Warenwerts im Welthandel unter Verstoß gegen Kernarbeiterrechte hergestellt. Zur Behebung dieses Mißstandes stehen drei Instrumente in der politischen Diskussion: Sozialklauseln in internationalen Handelsverträgen, Verhaltenskodizes für transnationale Unternehmen und soziale Gütesiegel.

Die zentralen Normen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in den Bereichen Vereinigungsfreiheit, Verbot der Zwangsarbeit, Verbot der Kinderarbeit und Verbot der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf sind fest im Völkerrecht verankert. Sie lassen sich auch ökonomisch gut begründen. So gehört das Verbot der Zwangs- und der Kinderarbeit zu den Grundprinzipien einer Marktordnung. Verstöße gegen Kernarbeiterrechte in einigen Ländern können dazu führen, daß aufgrund des Konkurrenzmechanismus des Weltmarkts diese auch in anderen Ländern nicht eingehalten werden. Der Verdrängungswettbewerb findet jedoch weniger auf der Achse Nord-Süd als vielmehr auf den Achsen Nord-Nord und Süd-Süd statt. Die Konkurrenz ist dort am schärfsten, wo mit ähnlichen Produktionstechniken vergleichbare Produkte angeboten werden. Bereits geringe Lohnkostenerhöhungen können Marktanteilsverluste auslösen. Zwar könnten sich alle Länder besser stellen, wenn sie Arbeiterrechte einhalten, doch besteht gleichzeitig für jedes einzelne Land ein Anreiz, die Rechte zu mißachten. Dieses Problem des kollektiven Handelns können Sozialklauseln, Verhaltenskodizes und Gütesiegel überwinden helfen.

Mittels Sozialklauseln soll die Gewährung von Handelsprivilegien von der Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen abhängig gemacht werden. Der Vorschlag der internationalen Gewerkschaftsbewegung sieht im Falle von Verstößen vor, daß nach einer gewissen Frist und nach Bereitstellung technischer Hilfen, ein gemeinsames Beratungsgremium von Welthandelsorganisation (WTO) und ILO auch Handelssanktionen empfehlen kann. Kritiker befürchten protektionistischen Mißbrauch. Die bisherige Handhabung der Sozialklauseln in der Handelsgesetzgebung der USA liefert jedoch keine Beweise, die den Protektionismus-Vorwurf erhärten könnten. Das von der internationalen Gewerkschaftsbewegung vorgeschlagene Verfahren für eine Sozialklausel in der WTO bietet für die Durchsetzung protektionistischer Interessen erst recht keine Spielräume.

Ein Verhaltenskodex ist eine schriftlich niedergelegte Richtlinie, die als Grundlage für das Verhalten transnationaler Konzerne gegenüber den staatlichen Behörden, ihren Belegschaften und der Umwelt im jeweiligen Gastland dienen. Inhaltlich unterscheiden sich die in den letzten Jahren zahlreich entstandenen Verhaltenskodizes hinsichtlich ihres arbeitspolitischen Regelungsinhaltes, ihrer Verbindlichkeit und der Mechanismen zur Überwachung und Durchsetzung. In der Regel enthalten die Verhaltenskodizes, die die Unternehmen sich selbst gegeben haben, keine Rechte auf Vereinigungsfreiheit und Tarifverhandlungen. Zudem fehlt ihnen eine vertragliche Verbindlichkeit sowie eine unternehmensunabhängige Überwachung. Bisher liegen nur spärliche Informationen zu ihrer Wirksamkeit vor. Bei einigen Firmen, wie z. B. Nike, war selbst für geringe Fortschritte hinsichtlich der Arbeitsbedingungen in den südostasiatischen Fabriken ein hohes und anhaltendes Mobilisierungsniveau notwendig. Ohne ein unabhängiges Monitoring unternehmen die Firmen nur geringe Anstrengungen, ihrem jeweiligen Verhaltenskodex Geltung zu verschaffen. Eine externe Überwachung wird jedoch von den meisten Unternehmen abgelehnt, ist zudem kostspielig und kann Gewerkschaften potentiell ersetzen. Letzteres Problem kann durch tarifvertragliche Vereinbarungen

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überwunden werden, doch sind nicht in jeder Branche starke Gewerkschaften vorhanden, die solche Vereinbarungen durchsetzen könnten.

Soziale Gütesiegel geben Aufschluß über Produktionsbedingungen gemäß sozialer Mindeststandards, um Konsumenten Präferenzentscheidungen zu ermöglichen. Sie stellen somit einen Anreiz zur Einhaltung von Verhaltenskodizes dar. Dies gilt allerdings lediglich für international gehandelte Konsumartikel und insbesondere für Markenartikel, deren Hersteller und Händler imagesensibel sind. Neben den Problemen für Verhaltenskodizes bestehen für Gütesiegel noch Folgende: Erstens reagieren die Konsumenten stärker auf Preissignale als auf moralische Ansprache. Zweitens können Gütesiegel zur Produktdifferenzierung mißbraucht werden: Im oberen Marktsegment rechtfertigt das Gütesiegel hohe Preise, im unteren Marktsegment können niedrige Preise dank weiterhin bestehender „unfairer„ Produktionsbedingungen den Massenabsatz garantieren. Drittens kann es zur Konkurrenz der Gütesiegel und damit zur Verwirrung der Konsumenten kommen.

Vergleichende Bewertung:

Eine international verbindliche Regelung zur Einhaltung von Kernarbeiterrechten einschließlich eines effektiven Sanktionsmechanismus, sprich also eine Sozialklausel in der WTO, ist den anderen Instrumenten eindeutig vorzuziehen. Eine solche Sozialklausel würde nicht nur imagesensible Markenartikeler betreffen, sondern alle Unternehmen in den WTO-Mitgliedsstaaten, die ihre Produkte grenzüberschreitend anbieten. Da die Anerkennung der ILO-Kernarbeiterrechte innerhalb der WTO mit deren Ratifizierung im Rahmen der ILO einhergehen würde, wären die Mitgliedsländer der WTO zudem angehalten, diesen Rechten auch gegenüber den binnenmarkt-orientierten Produzenten Geltung zu verschaffen. Die Multilateralität der WTO stellt zudem die Berücksichtigung der Interessen der Entwicklungsländer besser sicher, als Verhaltenskodexe und Gütesiegel, die auch ohne Zustimmung des jeweiligen Herstellerlandes vereinbart werden können. Die Multilateralität stellt zudem eine Sicherung gegen protektionistischen Mißbrauch dar.

Da eine solche Klausel jedoch auf starken Widerstand stößt, sollten die anderen Instrumente weiterhin in Betracht gezogen werden. Doch führt letztlich kein Weg an einer Reform des Regelwerkes der WTO vorbei, da derzeit die Gefahr besteht, daß Gütesiegelprogramme als Wettbewerbsverzerrungen und somit nicht WTO-konform gewertet werden können.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Dezember 1999

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