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[INTERNATIONALE ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT]
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Abschließende Diskussionsrunde

Christoph Matschie [MdB, SPD]: Moderator

Zur weiteren Struktur unserer Diskussion schlage ich vor, daß wir vielleicht noch einmal nachfragen, wie die Vorstellungen einer indigenen Universität genauer aussehen, um ein plastischeres Bild zu bekommen von dem, was da geplant ist, was da angedacht ist. Auch um besser abschätzen zu können, in welche Entwicklungsrichtung die indigenen Völker selber weitergehen wollen und wo möglicherweise in diesem Bemühen auch Ansätze zur Kooperation liegen.

Und dann würde ich gern noch mal die Frage aufgreifen, die hier noch im Raum steht: ist diese Konvention über die biologische Vielfalt eigentlich überfrachtet mit all den Anforderungen, die wir hier diskutieren?

Anschließend daran auch die Frage, welche Erwartungen gibt es denn an die dritte Vertragsstaatenkonferenz, die im November in Buenos Aires stattfindet? Dort werden ja besonders indigene Themen mit auf der Tagesordnung stehen. Es geht unter anderem um die Rolle der Innovationen und der Kenntnisse indigener Bevölkerung und um die Zugangsregelung zu genetischen Ressourcen. Die Frage also, welche Erwartungen gibt es von Seiten der indigenen Völker, aber auch von Seiten der Nichtregierungsorganisationen und der Unternehmen an diese dritte Vertragsstaatenkonferenz?

Bevor wir dann weiter fortfahren mit den Wortmeldungen, würde ich zunächst noch einmal als Einstieg Herrn Viteri bitten, die Vorstellungen zu dieser indianischen Universität noch etwas zu präzisieren.

Alfredo Viteri [OPIP/COICA, Ecuador]:

Gut, nur kurz zu der Universität, da es eigentlich nicht mein Thema ist. Es handelt sich um ein Projekt der Organisation der indigenen Völker von Pastaza. Eine multidisziplinäre Kommission von indigenen Experten ist gegründet worden, die von Professoren der Universitäten von Quito beraten wird. Diese Gruppen von Akademikern zeichnet sich dadurch aus, daß sie sich mit dem Prozeß der indigenen Entwicklung intensiv befaßt. Wir arbeiten in einer ersten Phase an der Zielbestimmung und der Organisation der Lehrpläne, in dem wir die Machbarkeitsstudien auswerten. Es handelt sich nicht um die herkömmliche Art von städtischen Universitäten. Sie trägt zwar den Namen einer Universität, jedoch ist es eigentlich ein Zentrum für höhere Ausbildung, wo die wissenschaftlichen [nordatlantischen] Kenntnisse und die indigenen Kenntnisse gleichzeitig zugänglich sind. Diese Universität wird in beiden Wissenssystemen Ausbildungsbereiche mit dem Ziel entwickeln, eine Konvergenz, eine Synthese herzustellen. Aufgabe ist es, technische und menschliche Ressourcen aufzubauen, die der Entwicklung der indigenen Gesellschaft in Amazonien dienen können. Sie ist nicht als geschlossene Universität - ausschließlich für die Indigenen - konzipiert. Sondern mittels der Ausbildung sollen auch Beiträge zur Fortbildung menschlicher Ressourcen in anderen Kulturen geleistet werden, die bereit sind, sich mit indigenem Wissen zu befassen und die sich vor allem mit der Entwicklung Amazoniens beschäftigen. Die Universität wird grundsätzlich Schwerpunkte in Bereichen wie Ethnobotanik, inklusive des Schamanenwissens und Umweltwissenschaften haben. Akademische Laufbahnen und Wissenschaften, die traditionell bereits an anderen Hochschulen gelehrt werden, werden nicht aufgenommen. Es handelt sich also um eine wirkliche Alternative zu den bestehenden Universitäten. Innerhalb dieses Prozesses haben wir Kontakte mit anderen wissenschaftlichen Einrichtungen aufgenommen, vor allem mit Forschern und Experten, die Studien im ökologischen Bereich betreiben, um deren Meinung zu hören und um zu sehen, wie sie mit ihren Erfahrungen zur Vervollständigung dieses Projektes beitragen können. Was nun in der Endphase ansteht, ist die juristische Absicherung und die Verhandlungen mit dem Staat, damit die Universität ihre Arbeit aufnehmen kann.

Christoph Matschie [MdB, SPD]: Moderator

Mir war es wichtig, ein klareres Bild von dieser Idee zu bekommen, weil ich glaube, daß das ein wichtiger Baustein auf dem Weg zu einem stärker gleichberechtigten Dialog ist, der die Grundvoraussetzung dafür ist, was wir hier verhandeln. Aber jetzt hat Frau Pombo das Wort.

Diana Pombo [Institut für Umweltmanagement, Bogotá/Kolumbien]:

Ich möchte nur eine Anmerkung zu der Universität machen und dann allgemein auf das Thema Zugang zu genetischen Ressourcen und Zugang zum Wissen eingehen.

Wenn man über den Zugang zum Wissen redet, geht es nicht darum, wie die Indigenen ihren eigenen Prozeß der Wissensvermittlung und -weiterentwicklung gestalten, sondern es geht vielmehr um die Beziehung zwischen der traditionellen, der indigenen oder der bäuerlichen Kultur einerseits und der westlichen Kultur andererseits. Im Mittelpunkt steht also nicht die Frage, was mit dem Wissen im Kontext der ursprünglichen Kultur geschieht. Es geht vielmehr um das Problem, daß Zugang zu einem Wissen geschaffen wird, was dann zwecks Nutzung aus seinem Kontext herausgenommen wird. Das Wissen wird also isoliert. Hierbei kommt dann sehr klar die Bedeutung der genannten Initiative zum Vorschein. Darum sollte man auch nicht den Namen Universität verwenden, denn ich glaube, die Verwendung des Begriffes hat hier zur Verwirrung geführt.

Aber was geschieht nun in Wirklichkeit? Ein integrales Wissen wird aus seinem Kontext isoliert, es wird zu kommerziellen Zwecken verwendet, die in dem ursprünglichen Kontext des Wissens nicht von Bedeutung waren. Stellen wir einen Vergleich mit dem wirtschaftlichen Kontext an: Wenn ich, aus einer westlichen Kultur stammend, zulasse, daß jemand in mein Haus eintritt, dessen Eigentümer ich bin und dieser mein Wissen zu etwas nutzen will, für das ich eigentlich keine Verwendung habe, dann habe ich auch kein Interesse daran, die Frage zu klären, ob ich diesen Zugang zulasse. Ich bin nicht so großzügig, mir den Kopf darüber zu zerbrechen, wie ich jenen in ihrer Kultur helfe und es interessiert mich auch nicht, was die dort herstellen. Ähnliches gilt m.E. auch für das Verhältnis der indigenen Kulturen, der Teilhabe und der wirtschaftlichen Gewinne, wenn die stärkere Kultur in Wirklichkeit für die andere Seite von geringer Bedeutung ist.

In Kolumbien haben wir interessante Erfahrungen mit der Untersuchung zu diesem Kontext gemacht. Wir haben festgestellt, daß der Grad der kulturellen Stärke oder der Autonomie, der in den einzelnen indigenen, schwarzen und bäuerlichen Gemeinschaften erreicht wird, annähernd umgekehrt proportional zu der Bereitschaft ist, kommerzielle Beteiligungen zu akzeptieren. Daraus erklärt sich auch in gewisser Weise das Interesse einiger Unternehmen, in einer ersten Phase die kulturelle Integrität zu schwächen, um dann einen besseren Zugriff auf das Wissen zu haben. Wenn erst einmal eine bäuerliche, indigene oder schwarze Gemeinschaft der eigenen Kultur nicht mehr soviel Wert beimißt, dann ist sie auch viel eher empfänglich für ökonomische Gewinnbeteiligungen und beginnt, sich auch für Patente oder für Kompensationsformen, für wissenschaftliche Erkenntnisse zu interessieren. Wenn es aber um die Bewertung eines Wissens geht, das über Jahrtausende die Erhaltung der biologischen Vielfalt unterstützt hat, sieht der Fall anders aus.

Ich denke, daß es sehr lohnend ist, sich solcher Aktivitäten wie dem aufgezeigten Beispiel bewußt zu werden und es auch richtig einzuordnen. Aber es sollte nicht versucht werden, die Ansprüche an eine Universität aus rein westlicher Sicht zu erheben. Es geht einfach darum, Respekt für eine andere Kultur zu zeigen.

In diesem Zusammenhang ist ein Aspekt von besonderer Bedeutung: In Kolumbien gibt es eine Gesetzgebung , die den indigenen Gruppen das Eigentum an ihren Territorien garantiert. Das heißt, in Kolumbien muß jedes Unternehmen, das in indigenen Gebieten arbeiten möchte, die indigenen Völker als Landeigentümer und den Staat als den allgemeinen Verwalter der nationalen Ressourcen anerkennen. Der Staat kann keine Verträge abschließen, ohne daß er die Zustimmung der Gemeinschaften zuvor erhalten hat. In anderen Ländern gilt diese Regelung nicht. In Venezuela, um das andere Extrem innerhalb des Andenpaktes im Vergleich zur kolumbianischen Situation zu nennen, werden die Indigenen als Staatsbürger angesehen, ohne daß sie besondere Rechte in der nationalen Gesetzgebung als Indigene bezüglich ihres Wertesystems in ihren Territorien besitzen würden. Es müssen also bezüglich der Beziehungen mit indigenen Völkern zwei unterschiedliche Ebenen betrachtet werden: zum einen der Grad der kulturellen Autonomie und zum anderen die Unterstützung, die Indigene im Rahmen der nationalen Gesetzgebung in bezug auf ihren Lebensraum erfahren.

Christoph Matschie [MdB, SPD]: Moderator

Ich würde vorschlagen, daß wir noch einmal auf die Frage von vorhin zurückkommen, inwieweit eigentlich die Konvention über die biologische Vielfalt, auf deren Grundlage wir hier diskutieren, überfrachtet ist und dann weiterzugehen zu der Frage, welche Erwartungen müssen wir an diese Konvention stellen und vielleicht zugespitzt speziell an die nächste Vertragsstaatenkonferenzen.

Aber zunächst zu der Frage: ist die Konvention überfrachtet?

Frau Roßbach [Klimabündnis, Europabüro, Frankfurt]:

Es ist mir sehr wichtig, nochmals Stellung zu dieser Frage zu nehmen, die hier im Zusammenhang mit meinen Ausführungen auftauchte, daß die Konvention aus indigener Sicht die nationale Souveränität bei der Anerkennung der Rechte über die biologische Vielfalt in den Vordergrund schiebt, und daß sie das zu Ungunsten der indigenen Völker tut. Damit tauchte die Frage auf, ob es nun nicht zuviel verlangt sei, daß die Konvention alle Fragen des Übergriffes des Staates auf indigene Völker zu regeln hätte.

Das Problem ist ein anderes. Das Problem ist, daß die Konventionen hier weniger genau und weitreichend ist als andere internationale Bestimmungen auf UN-Ebene. Also, was ich damit ausdrücken wollte ist, - auch angesichts der Besorgnis der indigenen Völker - daß wir zu so etwas wie einer Kohärenz internationaler Normen auf UN-Ebene kommen müßten. Am besten hätte die Biodiversitätskonvention Definitionen übernommen, die etwa die ILO als Unterorganisation der Vereinten Nationen schon ausgearbeitet hat. Hier sehen die indigenen Völker die Gefahr eines Rückschrittes in der Biodiversitätskonvention. Also, hier geht es nicht darum, die Konvention zu überfrachten, sondern es geht darum, eigentlich schon etablierte Regelungen auch in die Biodiversitätskonvention einzuführen. Und das scheint mir ganz entscheidend zu sein.

Ich möchte das noch mal an einem Fall deutlich machen. In der Biodiversitätskonvention ist die Rede von lokalen und indigenen Bevölkerungsgruppen. Hier ist natürlich die Definition, wer denn das ist, sehr schwierig. Ersteinmal ist nicht klar getrennt, wie sich eine indigene Bevölkerungsgruppe von einer lokalen, bäuerlichen unterscheidet, und es ist nicht geklärt, was die indigene Gemeinschaft ist. Also, man wird sich das in dieser Verbindung lokal und indigen vorstellen als eine Dorfgemeinschaft. So ist die Begrifflichkeit in der Biodiversitätskonvention. Die ILO-Konvention geht sehr viel weiter. Sie spricht von Völkern, daß heißt eine Definition, die man kennt, eine Gruppe von Menschen, die eine gemeinsame Sprache, Kultur, Geschichte haben, auch ein gemeinsames Territorium und die sich über ein Zusammengehörigkeitsgefühl eben zusammen gebunden fühlen. Allerdings schränkt sie dies in Hinblick auf nationalstaatliche Souveränität ein.

Also, die Konvention geht hinter bereits Etabliertes zurück und das ist das, was hier angesprochen werden sollte und worum es geht. Eine Interpretation der Konvention vorzunehmen, ist konkret das Anliegen der Weltallianz indigener Völker, die diese schon gültige Norm zur Grundlage hat.

Dasselbe gilt auch für viele andere Bestimmungen, die eigentlich entweder zuweit gefaßt sind und zuwenig spezifiziert oder ungenau oder eben sogar hinter die schon geltenden Bestimmungen zurückfallen. Das wollte ich hier nur noch einmal deutlich machen.

Lassen Sie mich noch etwas weiteres anfügen: die indigene Position umfaßt immer eine Doppelstrategie und zwar einerseits immer auf diese internationale Ebene zu schauen, möglichst diese weitreichenden Normen in die Konvention zu integrieren; andererseits aber auch immer diese pragmatische Herangehensweise. D.h. zum einen Kritik an dem geltenden Regelwerken zur Sicherung geistiger Eigentumsrechte, eine Kritik die z.T. soweit geht, daß die Konvention als kolonialistisch angesehen wird. Zugleich wird sie aber auch als individualistisch bezeichnet, damit nicht passend für die Indigenen. Gleichzeitig gehen die Organisationen aber doch hin und sagen, wir wollen uns das im einzelnen doch einmal angucken, ob das Patentrecht, ob das Warenzeichenrecht, oder was auch immer, nicht doch in dem einen oder dem anderen Falle für uns tauglich ist. Ich meine, hier finden sich jeweils diese beiden Strategien und das sollte man auch klar im Auge behalten.

Klaus Naumann [BAYER AG]:

Bei der Lektüre des Wortlautes der Biodiversitätskonvention kann man nicht ausschließen, daß sie in gleicher Weise auch für unser eigenes Land gilt. Und wenn ich das so sehe, was da steht, ist es eigentlich ein neuartiger Schritt, eine Weiterführung einer Entwicklung, die, sagen wir mal, im frühen Mittelalter begonnen hat, als dem einzelnen Rechte zu Gunsten des Staates weggenommen worden sind. Das war früher das Recht auf die Bodenschätze, das wurde ein Königsregal, quasi im Besitz des Staates. Die Wasserrechte wurden später dem einzelnen weggenommen.

Und jetzt haben wir rechtlich vollzogen, wenn ich mich einmal hier als Bewohner des Landes sehe, daß ich über das, was in meinem eigenen Garten wächst, nicht mehr verfügen kann. Denn über diese Informationen, die da drinstecken, die irgendeinen Nutzen haben oder irgendwie zur Biodiversität gehören, die irgendwie eine Mutante eines Ackerwildkrautes in meinem Garten sind, darüber kann ich nicht mehr verfügen, sie sind jetzt Staatsbesitz. Ich verfolge diesen Sachverhalt zurück auf die Problematik „Indigene versus Staat". Da ist es so, daß die Indigenen eben meist keine niedergeschriebenen verbrieften Rechte haben und wenn man dann die Frage nach der Nutzung stellt, so ist es immer eine Vertragsfrage verbunden mit der zentralen Frage: Wer ist denn der Inhaber von Rechten? Es ist keiner Inhaber von Rechten, der keine verbrieften Rechte hat. Von der rechtlichen Seite her mit Sicherheit eine ganz verflixte Kiste, wo man eben im Einzelfall den tatsächlichen Sachverhalt peinlich genau überprüfen muß.

Wir haben hier gerade gehört, in Kolumbien ist es so, daß es da in einer gewissen Weise verbriefte Rechte gibt. In einem anderen Land ist es völlig offen. Im dritten Fall ist nicht definiert, was eine lokale Gruppe ist. Sind unsere Ostfriesen, wo alle diese Dimensionen eines indigenen Volkes auch zu treffen, sind die in einer gleichen Weise zu behandeln, über den Besitz an Informationen über ihr Watt, Informationen über Salzpflanzen, die da wachsen? Rechtlich überhaupt gar kein Unterschied. D.h. also das Gleiche, was eine Gruppe in Ecuador fordert, könnte, das gibt der Text so her, in gleicher Weise auch hier von lokalen Gruppen gefordert werden. Es ist also eine ganz schwierige Angelegenheit, wenn man das richtig unter die Lupe nimmt.

Darell Posey [Institut für Ethnobiologie Amazoniens,

Belem/Brasilien]:

Es gibt Rechte, die in Gesetzen niedergeschrieben werden und andere, die nicht aufgeschrieben sind, nämlich moralische und ethische Prinzipien. Bezüglich einiger Teile sollte die Diskussion über geistiges Eigentum niemals eine Diskussion über gesetzlich verbriefte Rechte sein. Denn wenn man über Gesetze redet, bedeutet dies, daß sofort alles in die Hände von Anwälten gerät und dadurch wird alles noch viel komplizierter. Viel wichtiger ist es, daß es Ethik und Moral gibt - hauptsächlich mit Blick auf die Industrie. Ich glaube, daß sich die Veränderungen, die im Bereich des geistigen Eigentums indigener Völker eintreten werden, sich eher in der Modifizierung der Arbeitsprinzipien und der Arbeitsethik innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinde und der Industrieunternehmen vollziehen werden.

Einige Bemerkungen noch zur Konvention über die biologische Vielfalt. Verschiedene Sachverhalte sind dabei offensichtlich. Erstens, die Konvention fordert die Nutzung und Anwendung von Wissen, Innovationen und Praktiken der indigenen Völker und traditioneller und lokaler Gemeinschaften. In einem anderen Abschnitt, im Artikel 14 werden das Wissen, die Innovationen und Praktiken als traditionelle Technologien bezeichnet und sind genauso wie das industrielle Eigentum Objekte des Schutzes geistigen Eigentums. Es handelt sich also um eine vollständig neue Situation gegenüber der Vergangenheit und es stellt sich die Frage, wie wir nun mit diesem Thema umgehen werden. Einfach zu sagen, das Konzept des geistigen Eigentums als solches sei überhaupt nicht auf alle indigenen Völker übertragbar, ist m.E. nicht wahr. Z.B. die Schutzpolitik, die in der Weinproduktion angewandt wird. Die gesetzlich vorgeschriebene Herkunftsbezeichnung könnte durchaus für einige indigene Völker interessant sein, die Produkte herstellen. Beispielsweise könnte in Amazonien die Erzeugung von Paranußöl als ein spezielles Produkt indigener Völker registriert werden. Mit der Herkunftsbezeichnung würde zertifiziert und garantiert, daß es sich um ein Produkt indigenen Ursprungs handelt. Die Zertifizierung von Erzeugnissen des Kunsthandwerks funktioniert bereits bei vielen indigenen Völkern in Kanada, Australien und anderen Ländern. In einigen, allerdings sehr wenigen Fällen ist sogar eine Patentierung möglich.

Mit Blick auf die Biodiversitätskonvention stelle ich fest,

• daß es notwendig ist, das indigene Wissen zu schützen,

• daß die existierenden Instrumente zum Schutz des geistigen Eigentums keine adäquate Lösung bieten

• daß es erforderlich ist, im Rahmen der Konvention einen alternativen Prozeß zu starten, in dem sui generis Systeme, also speziell angepaßte Systeme, erörtert werden.

Unsere exakte Position dazu ist, daß die Konvention einen Dialogprozeß mit den indigenen und traditionellen Völkern von mindestens zehn Jahren finanzieren sollte, z.B. mit Mitteln der EU und denen anderer Ländern, damit diese ihre eigenen Prinzipien - nicht die des Nordens - entwickeln können. Wie man etwa in dieser Diskussion weiterverfahren sollte und wie traditionelle Technologien geschützt werden könnten.

Dabei sollte man sich bewußt sein, daß es nicht um geistiges Eigentum geht, da das geistige Eigentum für die indigenen Völker mit Ästhetik, Moral, Ethik, Religion, Wissenschaft und Kultur verbunden ist. Es handelt sich vielmehr um eine holistische Vision. Es ist ungewiß, wie weit man in zehn Jahren mit dem Prozeß kommen wird, aber er muß begonnen werden.

Christoph Matschie [MdB, SPD]: Moderator

Vielleicht können wir an dieser Frage, die ja vorher auch eine Rolle gespielt hat, nochmals weiterarbeiten. Inwieweit läßt sich so etwas, wie geistiges Eigentum abgrenzen. Sie haben ja gesagt, ein Unternehmen wie BAYER AG hat natürlich ein Interesse daran, klar machen zu können, wo ist welcher Anteil in einem bestimmten Produkt. Wie muß dann entsprechend der Gewinn aus diesem Produkt verteilt werden. Das sind die zwei Säulen, die ja die Konvention auch anspricht.

Die eine Frage nach dem Schutz der biologischen Vielfalt zeigt ziemlich eindeutig, daß hier ohne die indigenen Völker, die in diesen Regenwäldern leben, ein Schutz dieser Wälder nicht denkbar ist, denn sie sind Teil dieses Waldes.

Die andere Frage nach der Nutzung gilt auch der Übervorteilung der indigenen Völker bei der Festlegung von geistigem Eigentum.

Die Frage zunächst noch einmal an Sie, Herr Berg: welche Vorstellungen haben Sie denn, wie man geistiges Eigentum und Nutzungsrechte in diesem Zusammenhang definieren könnte. Und dann würde ich gerne einmal von Herrn Viteri hören, wie er zu solchen Vorstellungen steht, wie er das abgrenzen würde oder ob es aus seiner Sicht gar nicht denkbar ist, so etwas abzugrenzen. Denn, soweit ich weiß, haben sich die indigenen Völker in ihrer Erklärung zur letzten Vertragsstaatenkonferenz überhaupt gegen den Begriff geistiges Eigentum gewandt.

Dieter Berg [BAYER AG]:

Ja, Sie wollen eine richtig umfassende Antwort - am besten in zwei Minuten. Ich glaube, wir haben hier zwei Komplexe, über die wir nachdenken müssen. Der eine ist der Schutz der indigenen Völker. Ich glaube, hier sind wir am Tisch alle ziemlich uni sono, daß man etwas tun muß. Dazu habe ich bis jetzt keinen Widerspruch im Auditorium gehört und daß hier Handlungsbedarf besteht, scheint mir auch klar zu sein.

Der zweite Punkt: wenn man jetzt den Schutz der indigenen Völker in diesen Schutz miteinbaut, auch in Kooperationsvereinbarungen, dann läßt sich sagen, ein indigenes Volk ist dadurch am besten geschützt, daß es gar nicht angetastet wird, keine Interaktionen mit anderen hat, denn dann ist auch am wenigsten Mißbrauch zu erwarten, am wenigsten Fehlentwicklung. Aber wir wollen auch sagen, wir wollen einen Weg zur Kooperation mit indigenen Völkern finden und dann lautet die Frage: was ist geistiges Eigentum, wenn aus dieser Kooperation etwas kommerzialisiert wird. Nur über diesen Teil möchte ich im Moment reden.

Die kulturellen Probleme, die dahinterstehen, sind hier ganz andere. Die hatten Sie [Herr Viteri] vorhin schon angesprochen. Wenn Sie hier Ihr eigenes „Haus" zitieren, wissen und sicherstellen wollen, wer in dieses Haus hineingeht und wer nicht. Aber nehmen wir einmal an, ein indigenes Volk hätte einen Vertreter aus einem Unternehmen in sein Haus hineingelassen und der Nasenfaktor stimmt und man kommt in eine Kooperation. Dann ist es mit ziemlicher Sicherheit so, daß das, was im Lebensraum des indigenen Volkes funktioniert, noch lange nicht weltweit funktioniert. Und Firmen wie die unsere entwickeln Präparate für eine weltweite Applikation.

Aber man könnte ja diesen Fall einmal konstruieren: wenn es weltweit funktioniert, dann würde man sicherlich sehr schnell zu einer Einigung kommen und sagen: "okay, wir nehmen Dein Verfahren. Du machst hier weiter, was Du willst. Wir nehmen das Verfahren und setzen es weltweit um." Dann ist das geistige Eigentum völlig geklärt. Das geistige Eigentum liegt bei einer Person des indigenen Volkes oder beim Volk, sagen wir einmal. Wenn aber eine Weiterentwicklung stattfinden muß, um ein solches geistiges Eigentum nutzbar zu machen, dann wird immer eine Grauzone entstehen, die dann heißt, wie hoch ist wessen Anteil und das kann man eigentlich nur im Sinne von Fairneß erledigen. Und Fairneß kann man am besten zeigen, wenn klare Regeln existieren. Denn sonst kommt immer der Vorwurf auf, der auch gerade eben so versteckt kam, man könne auch jemanden über den Tisch ziehen.

Meine Erfahrung ist die, das macht man immer nur einmal. Ein zweites Mal ist der andere Partner nicht mehr da, um über den Tisch gezogen zu werden. Also, Fairneß ist hier ein ganz entscheidender Punkt. Fairneß, Verständnis für die gegenseitige Situation, aber auch Regeln, die diese Fairneß von beiden Seiten gleich interpretiert sehen. Nicht sehr konkret?!

Christoph Matschie [MdB, SPD]: Moderator

Herr Viteri, können Sie aus Ihrer Sicht nochmals sagen, wo Sie mögliche Ansatzpunkte für solch einen Ausgleich, für solche Regelungen sehen, auch in bezug auf die Frage, wie soll geistiges Eigentum abgegrenzt werden? Geht so etwas aus Ihrer Sicht und was erfolgt dann natür-
licherweise für eine Aufteilung des Nutzens aus dem, was da als geistiges Eigentum abgegrenzt wird?

Alfredo Viteri [OPIP/COICA; Ecuador]:

Wir reden über zwei unterschiedliche Verständnisse von Rechten an geistigem Eigentum. Das individuelle und das kollektive Recht. Innerhalb der indigenen Völker entwickelt sich das Wissen in einer alltäglichen, kollektiven Atmosphäre, in einer kollektiven Dynamik. Es ist inhärenter Bestandteil einer kollektiven Kultur. Beispielsweise sind das kulturelle Wissen, die soziale Organisation und das Recht am Territorium allesamt gemeinschaftlich. Warum verkauft der Indio sein Land nicht? Was muß man anbieten, um einen biodiversitätsreichen Wald zu erwerben?

Für die Indigenen ist der Verkauf eines Stück Landes oder eines Waldes gleichbedeutend mit einem Verkauf eines Stücks Wissen, eines Stücks Kultur, eines Stücks Leben. Dadurch wird die Sache kompliziert. Es ist nicht wie ein Recht an geistigem Eigentum, für das irgend jemand Geld gibt und ein Forscher einen Vertrag mit einem bestimmten Ziel abschließt und nach zehn Jahren intensiver Arbeit Ergebnisse abliefert, die dann patentiert werden. Das Recht am geistigen Eigentum - zumindest im Falle des Amazonasbeckens - umfaßt verschiednene Wissensarten, gemeinsames Wissen aller Völker. Demnach müssen Abkommen geschlossen werden, die im vorhinein dem kollektiv geschaffenen Recht der Völker Respekt zollen. Es muß Garantien geben, daß dieses Recht der Gemeinschaften und der Völker, die dieses Wissen geschaffen haben, anerkannt wird. Wir reden nicht von individuell erzeugten Arbeiten. Die Sachlage unterscheidet sich grundsätzlich von den üblichen ökonomischen, wissenschaftlichen Sichtweisen der Industriegesellschaften über den Prozeß der Wissensbildung. Daher besteht eine Notwendigkeit, besondere Regelungen aufzustellen, damit diese Rechte der indigenen Völker im Rahmen der Konvention abgesichert werden. Ebenso ist es erforderlich, sie mit anderen Aspekten der Ausübung politischer Rechte zu verbinden, sie mit einem von der Verfassung verbrieften Recht zu ver-binden. Ich sehe keine andere Möglichkeit, um Abkommen zu erreichen. Kurzfristig ist das kaum zu erreichen.

Ich denke, daß eine stärkere Partizipation der indigenen Völker in den multilateralen und internationalen Organisationen nötig ist, in denen energisch größere Gestaltungsräume der politischen Entscheidung in diesem Bereich geöffnet werden.

Frau Roßbach [Klimabündnis, Europabüro, Frankfurt]:

Ich wollte kurz zu dieser Frage noch etwas nachschicken. Zur Frage Abgrenzung geistigen Eigentums und wie sehen das indigene Völker. Zumindest im Papier der COICA steht mehrfach: „... und Raum schaffen für das Gespräch zur Klärung von ...", „... und Konferenzen abhalten zum Thema ....". Was sich darin ausdrückt, denke ich, haben Sie, Herr Posey gemeint: die Konvention gibt eigentlich den Raum und bietet die Möglichkeit, genau solche Klärungsprozesse indigener Völker untereinander zum Abgleich ihrer Vorstellungen durchzuführen. Ich denke, daß wäre auch für die Zukunft wichtig.

Also, das Klimabündnis würde sich freuen und würde es gern tun, gemeinsam mit dem Bündnispartner COICA in einem gemeinsamen Vorhaben dahin zu kommen, daß Raum, Finanzen und Zeit da sind, damit die Indianerorganisationen ihre eigenen Konzepte klären können. Sie sollen ihre traditionellen Konzepte klären können, wobei auch eine Analyse der nationalstaatlichen Indianergesetzgebung vorgenommen wird, wobei man definieren kann, welche Rechte wären denn geeignet - jetzt nicht nur Rechte am geistigen Eigentum - sondern Rechte an biologischen Ressourcen und daß man dann schließlich noch die vorhandenen internationalen Normen analysiert oder eben Vorschläge für neue Normen macht. Ich denke, daß ist ein Prozeß, den die indigenen Organisationen in dieser Frage auch dringend benötigen.

Christoph Matschie [MdB, SPD]: Moderator

Würde das heißen, aus Sicht der indigenen Völker müßten die Verhandlungen zeitlich weiter hinausgeschoben werden? Wir dürfen nicht zu schnell zu Ergebnissen bei der Präzisierung der Konvention mit Protokollen kommen? Ich spitze das mal so zu und füge hinzu, die Konvention über die biologische Vielfalt erfaßt auch noch andere Bereiche. Es geht ja nicht nur um die Situation der indigenen Völker, sondern ein wesentliches Ziel ist ja der Schutz der biologischen Vielfalt weltweit, was im Zusammenhang mit den Protokollen zur Konvention auch wieder einen gewissen zeitlichen Druck erzeugt.

Heißt das also, wir sollten uns mehr Zeit lassen mit der Ausfüllung dieser Konvention oder heißt es am Ende möglicherweise, bestimmte Fragen müssen außerhalb dieser Konvention geregelt werden? Wir hatten ja schon die Frage, ob die Konvention überfrachtet ist. Ich stelle diese zusätzliche Frage zunächst einmal in den Raum.

Diana Pombo [Institut für Umweltmanagement, Bogotà/Kolumbien]:

Mein Kommentar zielt etwa in dieselbe Richtung. Ich möchte kurz einige Diskussionsergebnisse aus Kolumbien zu diesen Fragen darstellen. Zwar wurden von verschiedenen Organisationen diese Ansichten geäußert, aber ich weiß nicht, ob es ihnen gefallen würde, wenn ich in ihrem Namen spreche, ohne sie zuvor um Einverständnis gebeten zu haben. Also spreche ich nur für mich.

Grundsätzlich gibt es verschiedene Elemente, die m.E. lohnenswert sind, sie näher zu bestimmen. Eines davon ist das kollektive Wissen. Darüber gibt es viel Verwirrung, die dadurch entstanden sind, daß man die Idee der Gemeinschaft mit der Idee von Kollektivität vermengt hat. Wenn von kollektivem Wissen die Rede ist, heißt das nicht notwendigerweise, daß damit nur das Wissen einer einzelnen Gemeinschaft gemeint ist, vielmehr kann es sich um das gesamte Wissen, das vielleicht alle Organisationen von Gemeinschaften zusammen haben, handeln: z.B. alle indigenen Völker, bäuerlichen und schwarzen Gemeinschaften in einem Tal. An der pazifischen Küste und im Amazonasbecken [Kolumbiens] ist beispielsweise eine Abgrenzung von Völkern und Gemeinschaften, die über ein gemeinsames Wissen verfügen, im Falle der Bauern und der schwarzen Gemeinschaften kaum möglich. Folglich ist das Wissen über die Zeit in alle Gemeinschaften eingegangen. Dieses Wissen bezeichnet man als kollektives Erbe einer oft schwer definierbaren Kollektivität. Wenn das Wissen diese Eigenschaften besitzt, kollektiv akkumuliert und über den Raum verteilt zu sein, kann es nicht Gegenstand der individuellen Aneignung sein, weder durch eine Person, noch durch ein Unternehmen, noch durch eine Gemeinschaft als juristische Person. Ebensowenig kann es Gegenstand von Patenten oder anderer Formen des Schutzes geistigen Eigentums sein. Wie sieht die Anwendung dieses Prinzips nun in der Praxis aus?

Im konkreten Fall eines Unternehmens, das teilweise kollektives Wissen nutzen und ausgehend davon ein neues pharmazeutisches oder kosmetisches Produkt entwickeln möchte, gibt es immer Diskussionen darüber, wo die Grenze zu ziehen ist, zwischen dem, was von dem Unternehmen patentiert werden kann und was nicht patentierbar ist. Aber immerhin gibt es ein allererstes grundsätzliches Prinzip: wenn das Produkt, das das Unternehmen entwickeln möchte, von seiner Verwendung her identisch mit dem der Gemeinschaften ist, kann kein Patent erteilt werden. Wenn die Verwendungsart verschieden ist, muß das diskutiert werden. Daraus entsteht die Notwendigkeit, - wenn sich die Möglichkeit ergibt, auch in Kooperation mit den Unternehmen - Mechanismen zum Schutz des Wissens, vollständige Systeme zum Schutz des Wissens zu entwickeln. Es ist aber klar, daß die Schutzform nicht der individuelle Schutz, das individuelle Eigentum, weder Patente noch individuelle Züchterrechte sein können, sondern daß es sich um kollektive Schutztitel handelt. Darauf folgend müßte dann im Falle, daß Gewinne anfallen, gefragt werden, welche Art von Nutzen entstanden ist und wie dieser Nutzen aufgeteilt werden könne. Wichtig ist nur, daß dies nicht auf der Basis der individuellen Aneignung von Wissen geschieht, wenn die Verwendung mit der ursprünglichen Nutzung übereinstimmt.

Ich möchte noch einen weiteren wichtigen Punkt ansprechen. Zwei Besonderheiten hat man in den lateinamerikanischen Gesetzgebungen untersucht. Zum einen ist da die Anerkennung ursprünglicher Rechte der indigenen Völker in der brasilianischen Verfassung. Dabei handelt es sich um Rechte, die vor der Existenz des Rechtsstaates erworben worden sind. In Brasilien sind diese Rechte anerkannt und in Kolumbien befindet man sich auf dem Weg zu solch einer Anerkennung. Es ist jedoch nicht ganz klar, was Darell Posey damit meinte, als er sagte, wir würden uns den Rechtsanwälten ausliefern, die im nachhinein Rechte erfinden, nachdem es die Rechte der indigenen Gemeinschaften bereits gibt.

Der zweite Punkt: Da es eine sehr enge Beziehung zwischen der Schaffung von Zugangsregeln und den Regelungen des geistigen Eigentums gibt, kann eine einfache Schlußfolgerung gezogen werden. Wenn die Zugangsregeln in irgendeiner Weise verletzt werden, sind mögliche Patentierungen oder andere Rechte an geistigem Eigentum, die ansonsten auf Grundlage der existierenden Gesetzesgebung möglich gewesen wären, null und nichtig. Hier sind wir bei einem Problem angelangt, was im Andenpakt herrscht. Seit zwei Jahren arbeiten wir an einer gemeinsamen Gesetzgebung, aber wir konnten uns noch nicht auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen, der später in die Gesetzgebungen der Mitgliedsstaaten übernommen wird. Aber dieses Prinzip erfüllt auch wiederum das Argument, daß mit dem Zugang zu den Ressourcen auch ein Zugang zu den immateriellen Komponenten geschaffen wird. Eine Regulierung des Zugangs läßt sich nicht von den Regelungen geistigen Eigentums trennen.

Elmar Römpczyk [Friedrich-Ebert-Stiftung]:

Ich schließe in einer gewissen Weise an das an, was Diana Pombo gerade gesagt hat, versuche aber ein paar von den losen Fäden, die noch von vorher in der Luft hängen, da hinein zu knüpfen und zwar mit dem Ziel einer Frage an Herrn Berg.

Ich denke, wir haben jetzt einiges gehört, was mehr als nur das Thema Patentrecht und geistiges Eigentum und Biodiversität umfaßt. Darin ist auch noch eine ganze Menge Politik mit angesprochen, nämlich in dem Sinne von Regelungsbedarf. Es muß noch manches geklärt werden. Und wenn ich mir einfach einmal ein paar der Stichworte in Erinnerung rufe, die Sie [Herr Berg] vorhin auch schon mal erwähnt hatten, daß Ihnen z.B. ein starker qualifizierte Partner wichtig ist, mit dem Sie sich arrangieren können. Lassen wir einmal beiseite, worin sich diese Stärke zeigt. Sie sagten auch „Fall-zu-Fall-Prüfung". Auch dieses hängt mit dem ersten zusammen, mit dem starken Partner.

Wir haben jetzt etwas, was den Hintergrund für einen starken Partner bildet, am Beispiel INBio gehört, nämlich, etwas anders ausgedrückt, daß es klare, starke politische Stabilität in Costa Rica gibt. Das hat es auch für die Unternehmen attraktiv gemacht, dort hinzugehen. Es gab das „Problem" der indigenen Völker nicht, das haben wir ja heute morgen gehört, oder besser gesagt, das gibt es in Costa Rica nicht mehr. Dieses „Problem" gibt es aber in anderen Ländern, auf die das Modell INBio ausgeweitet werden soll. Deswegen müssen wir uns also mit der indigenen Frage beschäftigen, auch wenn sich das im Moment ein wenig konfus anhört. Aber alle diese Dinge muß man versuchen zusammenzubinden.

Wenn ich mir also jetzt überlege, ich will starke Partner, ich will stabile Rahmenbedingungen politischer Art, ich muß mit meinen neuen Projekten in Gegenden gehen, in denen es indigene Völker gibt. An welcher Stelle ist denn dann ein Unternehmen, wie Ihr eigenes, interessiert, daran mitzuarbeiten, daß es geklärte Rahmenbedingungen gibt, daß man dann in geklärte Vertragsbedingungen einsteigen kann?

Denn wenn diese Verhältnisse nicht geklärt werden, wenn Rahmenbedingungen nicht in dieser Form geklärt werden, dann ist vor dem Hintergrund unserer Diskussion heute Nachmittag absehbar, daß es Konflikte in einer ganzen Reihe von Ländern geben wird. Nicht daß ich etwas gegen Konflikte habe, wenn es darum geht, Rechte einzuklagen und deutlich zu machen. Aber es gibt Konflikte, die dann auch für jedes externe Unternehmen zu einer völlig anderen Situation führen werden, als z.B. in Costa Rica heute. Das heißt also, ein Unternehmen wie Ihres und andere müssen sich auch mit diesen Rahmenbedingungen beschäftigen, also nicht nur um die technischen Lösungen - wie komme ich an bestimmtes genetisches Material heran, sondern wie kann ich das in einer geregelten Form tun.

Nun die konkrete Frage, gewissermaßen als Rundung aus der Diskussion der letzten zwei Stunden: Wo haben Sie denn Punkte entdeckt, die Notwendigkeit, um mit indigenen Völkern als Partnern über die Regelung des Szenario so zu reden, daß beide Seiten etwas davon haben? Ich bin immer noch bei der Voraussetzung für konkrete Verhandlungen über den Zugang zu ganz bestimmten Pflanzen oder Tieren und deren Verwertung. Man muß den Einstieg gewissermaßen politisch vorbereiten für das, was dann später geschehen soll. Deswegen also meine Frage: Sehen Sie in dieser Diskussion schon Ansatzpunkte, über die wir dann vielleicht auch noch ein wenig in die Tiefe gehen könnten?

Dieter Berg [BAYER AG]:

Ich hatte ja auch mit der letzten Folie direkt einen Bezug dazu hergestellt, wie ich selbst vorhin gesagt habe. Mir erscheint es diffus, zu wenig konkret zu sagen, wir, die Industrie, versuchten, die Interaktion zwischen einer Regierung eines Landes und indigenen Völkern mit zu organisieren.

Wir müssen das konkret an Projekten aufhängen. Meines Erachtens ist es tatsächlich so, wir müßten Pilotprojekte fahren, um diese Regelung letztendlich zu induzieren. D.h., man müßte wirklich schauen, welche Art von Kooperationen gibt es? Wie kann man die initiieren und zwar nach den neuen Regularien? Gar nicht erst die Historie neu aufwärmen. Und dann die Frage stellen: Wie kann ich unter Wahrung aller Rechte, vor allem die der indigenen Völker, einen Zugang bekommen, wenn er von allen Seiten gewünscht wird? Und das ist für mich nicht theoretisch am Tisch zu machen. Dazu gehört ein konkretes Projekt und dazu gehört ein konkreter Wunsch nach einer Kooperation.

Ich muß dann doch noch einmal auf Ihre letzte Frage zum Patentrecht zurückkommen. Es wird heute immer wieder diskutiert und als sehr wichtig angesehen. Ich glaube, wenn man die Situation hat, daß ein traditionelles Verfahren bei einem indigenen Volk seit Jahrhunderten durchgeführt wird, dann kann man davon ausgehen, daß darauf nie ein Patent erteilt wird. Ein Patentprüfer würde sagen, das ist Stand der Technik, das ist irgendwo publiziert, mit Sicherheit irgendwo berichtet, da ist
irgendwo drüber gesprochen worden. Da bekommen Sie kein Patent mehr drauf. Also wir reden eigentlich über eine Situation, die wahrscheinlich so nicht eintreten wird. Denn eintreten werden wohl mögliche Verfahrensverbesserungen, denen dann möglicherweise wieder Patente entnommen werden können. Also wir reden von Anfang an eigentlich über die Frage, wie können wir, wenn mit indigenen Völkern so eine Kooperation ans Laufen kommt, ihnen Rechte einräumen, die unabhängig von Patentrechten sein werden? Und da geht es eigentlich um die Frage eines fairen Kooperationsvertrages, um nichts anderes. Und das ist m.E. geübte Praxis, daß man die fair hinbekommt. Es wird keiner gezwungen, etwas zu unterschreiben, was ihm nicht paßt. Und man macht es auch nur einmal, jemanden über den Tisch zu ziehen.

Ich glaube, daß die Grundlage, die man heute hat, eigentlich vernünftig ist. Deshalb mein Vorschlag: Suche nach geeigneten Kooperationsprojekten, wenn man jemals die Frage der indigenen Völker involvieren will. Definition dieser Projekte und dann eine Pilotstudie, um zu sehen, wie kommen wir in der Kooperation zwischen Landesregierung, indigenem Volk und Industriepartner zurecht.

Christoph Matschie [MdB, SPD]: Moderator

Dann möchte ich die Frage, gleich noch einmal weiterreichen an Herrn Viteri. Herr Berg sagte, die Absicht laute, zu fairen Vereinbarungen, zu fairen Verträgen zu kommen. Könnten Sie noch einmal umreißen, was für Sie die Grundbedingungen für eine solche faire Vereinbarung wären?

Alfredo Viteri [OPIP/COICA, Ecuador]:

Wir sprechen von der Übertragung von Patentrechten an indigene Völker, weil es ein legales System gibt, das die Rechte an geistigem Eigentum und an Patenten regelt. Wie können nun innerhalb dieses Rahmens die Rechte an indigene Völker übertragen werden? Ich denke, man sollte vielleicht umgekehrt ansetzen. Es ist notwendig, damit aufzuhören, immer davon zu reden, man müsse uns dies oder jenes übertragen, wenn von Rechten eines Volkes die Rede ist. Man könnte diesen Ansatz vielleicht schon paternalistisch nennen.

Wir fordern nicht, daß wir Patente erhalten, vielmehr möchten wir, daß unsere Rechte als Volk, als Gesellschaft anerkannt werden, die kollektiven Rechte an dem von uns entwickelten und angewandten Wissen und an unseren biodiversitätsreichen Terrritorien.

Hier wurde auch davon geredet, daß es notwendig wäre, spezifische Projekte durchzuführen, um in einen Verhandlungsprozeß treten zu können, in deren Rahmen man die Zusammenarbeit und die Partizipation bei der Bestimmung von Patenten untersucht. Das bedeutet, daß man erst einmal fragen muß, was das für ein spezifisches gemeinsames Projekt sein soll, in das die Interessen des Unternehmens und die Interessen des indigenen Volkes einfließen.

Von Seiten einiger Unternehmen bestehen zur Zeit Absichten, Drei-Parteien-Verträge zwischen dem Unternehmen, dem Staat und dem indigenen Volk über spezifische Projekte in Ecuador abzuschließen. Aber wenn dann die indigenen Völker ihre Vorstellungen über den Umgang mit Informationen, über einen aus ihrer Sicht gerechten Vorteilsausgleich äußern, erheben sich häufig Stimmen, die sagen, die indigenen Forderungen seien übertrieben. Meistens haben daher diese Treffen des Dialogs zwei bis dreimal stattgefunden und wurden dann abgebrochen. Der Grund liegt in dem isolierten Ansatz solcher spezifischer Projekte, in denen grundsätzliche Vorstellungen in Verbindung mit den Rechten indigener Völker nicht zur Kenntnis genommen werden. Eine tiefgründigere Beschäftigung mit den Rechten indigener Völker ist daher m.E. erforderlich. Die COICA hat z.B. Vorschläge zu den hier angesprochenen Themenbereichen Schutz des geistigen Eigentums, Partizipation und Vorteilsausgleich erarbeitet.

Ein weitere Punkt ist, daß die Vorstellungen nur sehr allgemein behandelt werden und ich vermute, daß die Diskussion über indigene Rechte damit bewußt hinausgezögert wird. In bezug auf die Konferenz in Buenos Aires sollte genau das Gegenteil geschehen. Die Diskussion über indigene Rechte sollte vertieft werden - im Interesse der Staaten und der Privatunternehmen, im Interesse des Nordens, der seine eigenen Probleme lösen muß - da es Kräfte gibt, die Druck ausüben und Interesse daran haben, möglichst zügig in der Erforschung der biologischen Vielfalt voranzukommen und darin zu investieren. Allerdings sollte man nicht vergessen, daß sich die biologische Vielfalt auf den Territorien der indigenen Völker befindet. Daher denke ich, müßte das Hinauszögern genau auf der anderen Seite geschehen: nicht die Diskussion über die Rechte der indigenen Völker sollte verschleppt werden, sondern die Forschungs- und Investitionsbemühungen der Unternehmen des Nordens.

Christoph Matschie [MdB, SPD]: Moderator

Ich denke, daß ist ein sehr guter Ansatzpunkt. Nicht die Frage des Schutzes der biologischen Vielfalt muß vertagt werden, sondern die Fragen zu den ganzen konkurrierenden Interessen, die es ja auch noch im Umfeld der biologischen Vielfalt gibt. Also, nicht nur die direkte Nutzung der Ressourcen, sondern ich denke an Bergbau, Erdöl und ähnliches, was ja auch in diesen Gebieten - bis hin zur Abholzung - als konkurrierende Nutzung organisiert ist. Wir haben es ja da mit einem sehr breiten Spektrum zu tun, so daß es notwendig ist, in dieser Frage des Schutzes der biologischen Vielfalt sehr schnell voranzukommen.

Die Frage ist, wie können wir das möglichst gut koppeln mit den Rechten der indigenen Völker und wie können wir auch andere Instrumente, außerhalb der Konvention nutzen, um die Rechtsstellung der indigenen Völker zu verbessern.

Giselle Tamayo [INBio]:

Ich möchte gerne die nächsten fünf bis zehn Minuten dazu nutzen, um einige Dinge nicht nur über INBio, sondern auch über Costa Rica klarzustellen. Costa Rica hat 1994 ein Gesetz über Wildlebewesen verabschiedet und bereits die Konvention über die biologische Vielfalt ratifiziert. In diesem Sinne hat das Land seine Vorstellungen, wie der Zugang zu den biologischen Ressourcen zu gestalten sei, schon sehr gut definiert. Im Rahmen dieser Regelungen muß jede Institution, die ein Forschungsabkommen oder ähnliches abschließen möchte, zuvor das Umweltministerium um Erlaubnis fragen. Ich hatte schon vorher grob das Verfahren geschildert.

Costa Rica ist ganz sicher ein besonderes Land. Es ist untypisch für Mittelamerika und für Lateinamerika, wie auch schon Elmar Römpczyk sagte. Seit 1948 haben wir kein Militär, unsere Verfassung von 1948 ist relativ jung, auch wenn sie an einigen Stellen revidiert werden müßte. Und die Novelle des Gesetzes über Wildlebewesen wurde in den Jahren 1993/94 offen diskutiert. Wir haben ein sehr hohes Bildungsniveau, wir haben auch ein hohes wissenschaftliches Niveau, das es uns ermöglicht Dinge zu tun, die jenseits unserer traditionellen Möglichkeiten liegen. Das, was uns vielleicht am meisten fehlt, sind technologische Ressourcen. Im Abgleich zwischen dem makropolitischen System auf internationaler Seite, also der Konvention, und der Makropolitk auf der nationalen Seite, also dem Gesetz über Wildlebewesen, ist es nun erforderlich, eine Strategie zum Schutz der biologischen Vielfalt auszuarbeiten.

Diese Strategie sollte sich im Bereich zwischen den drei bereits genannten Konzepten bewegen: der Schutz der Biodiversität, Erhalt des Wissens um die biologische Vielfalt und Nutzung derselben als dynamisches Dreieck.

Eines der Dinge, die ich von Teilnehmern draußen vor der Tür hörte und auch hier im Saal, war, daß INBio sich vor allem durch die Prospektion auszeichne. Aber die Arbeit von INBio umfaßt viel mehr:

• die gesellschaftliche Dimension im Bereich der Schulbildung und auch der Hochschulbildung;

• im Bereich der Motivation und der Verbreitung von Informationen

• und auch beim Angebot von Fortbildungs-Workshops, nicht nur national sondern auch international

Z.B. haben wir letztes Jahr einen Workshop zur Bioprospektion mit Vertetern aus Madagaskar, Kamerun, Ghana und Kenia veranstaltet. Auch schauen wir ein wenig über die Grenzen in die Nachbarländer, z.B. haben wir gerade einen Prospektions-Workshop mit Leuten aus Belize durchgeführt. Zu diesen Personenkreisen gehören Vertreter des staatlichen Sektors, von Nichtregierungsorganisationen, alle jene Personen, die an der Entwicklung einer Prospektionspolitik beteiligt sind.

Die sozialen Aufgaben weiten sich auch auf den Bereich des Ökotourismusses aus. Im Rahmen des Inventarisierungsprogrammes sind außerdem die Parataxonomisten zu nennen [ Als Parataxonomisten werden die in Schnellkursen ausgebildeten Sammler von Insekten, Pflanzen und sonstigen Trägern genetischer Informationen bezeichnet, von denen INBio inzwischen mehrere Hunderte eingesetzt hat] . Dabei handelt es sich um ein interessantes System, an dem die Gemeinschaften, die in der Nähe der Schutzgebiete leben, teilhaben und uns im Inventarisierungsprozeß helfen. Bei der Inventarisierung sind neben den Parataxonomisten auch nationale und ausländische Experten beteiligt.

Schließlich noch einige Anmerkungen zur Prospektion, die ich ja schon einigermaßen erläutert habe. Was für uns von großer Wichtigkeit ist, auch das hat Elmar Römpczyk bereits angedeutet, sind die vertraglichen Regelungen mit interessierten Dritten. Eine Vorauszahlung, ein sog. „upfront payment" ist vorgesehen und 10% dessen gehen direkt in die Schutzgebiete. Wir haben auch über die Royalties gesprochen, von denen zukünftig ebenfalls 50% den Schutzgebieten zukommen. Allerdings ist der Technologietransfer besonders hervorzuheben, denn er ermöglicht uns die vorhandene Kompetenz zu erhöhen. Wir müssen schließlich auch immer darauf achten, daß unsere Verträge im Einklang mit der Konvention über die biologische Vielfalt stehen.

Gudrun Henne [ECOTERRA, Berlin]::

Ich wollte noch versuchen, einen Zusammenhang zu uns hier in Deutschland herzustellen. Wir haben den ganzen Nachmittag über vieles, über das INBio-Beispiel gehört und über die Bedürfnisse und die Not der Indigenen in den anderen Ländern. Meine Frage lautet, was können wir hier machen, außer daß wir uns das nur anhören. Wir sind ja auch nicht die BAYER AG, die ihr Verhalten ändern könnte. Was bedeutet es eigentlich für Deutschland und die deutsche Politik?

Was müssen wir jetzt eigentlich zu Hause machen, welchen Druck müssen die NRO ausüben, welche anderen Konzeptionen müssen die Rechtsgestalter und die Politikgestalter im Kopf haben?

Dazu kommt die Frage, ob das BMZ z.B. seine gesamte Politik, alle Projekte überprüfen muß, ob in irgendwelchem Maße Rechte Indigener betroffen sind, ob Indigene irgendwie involviert oder tangiert sind. Alle Entwicklungsprojekte müßten eigentlich vor dem Hintergrund untersucht werden, ob die Ziele der Konvention beeinträchtigt werden und eben vor allem auch, inwieweit indigene Rechte verletzt werden.

Und dann geht es natürlich um das Kooperationsmodell, das die Bundesregierung eben gerade ausarbeitet. Da muß man sich auch ganz nachdrücklich mit den möglichen Auswirkungen befassen. Ich weiß nicht, ob eines der Panelmitglieder etwas dazu sagen möchte.

Christoph Matschie [MdB, SPD]: Moderator

Ja, da kann ich als Volksvertreter vielleicht später noch einmal etwas dazu sagen. Um die erste Diskussion noch etwas zuzuspitzen, würde ich jetzt die Teilnehmer am Podium bitten, noch einmal kurz und ein bißchen zusammenfassend zu sagen, was kurzfristig jetzt und zwar auch mit Blick auf die nächste Vertragsstaatenkonferenz der Biodiversitätskonvention notwendig wäre. Einmal mit Blick auf die Vertragsstaatenkonferenz, aber vielleicht auch kurzfristig darüber hinaus in anderen Bereichen.

Wir hatten ja vorhin festgestellt, daß die Konvention gerade in bezug auf die indigenen Völker nur einen Teil der Problematik abdecken kann.

Frau Roßbach [Klimabündnis, Europabüro, Frankfurt]:

Das aller kurzfristigste - und damit kann ich gleich auch Stellung nehmen zu der Frage, was wir hier tun können - heißt: uns erst einmal dafür stark machen, daß die Rechte indigener Völker auf internationaler Ebene anerkannt werden.

Ich habe versucht darzulegen, daß dies ein Anliegen an die Biodiversitätskonvention ist. Ich denke, da wird es auch einen großen Handlungsspielraum geben. Aber was wir hier tun können, ist sowohl für die ILO-Konvention als auch für die Unterstützung der UN-Deklaration über die Rechte indigener Völker aktiv einzutreten.

Dieter Berg [BAYER AG]:

Was kurzfristig zu regeln ist, habe ich vorhin angesprochen. Wir müssen hier die Theorie in die Praxis umsetzen, das heißt, wir sollten die Regelmechanismen definieren, mit denen Kooperationen möglich werden.

• Wir sollten als Anwender und Verwender dieser Informationen genau wissen, welche Ansprechpartner für uns wo wichtig sind.

• Wir sollten Pilotprojekte induzieren.

Das Problem der indigenen Völker ist für mich menschlich sehr gut nachvollziehbar, nur ich glaube nicht, daß die Industrie hierbei eine Rolle spielen kann, denn es ist eine politische Aufgabe, für Anerkennung indigener Völker zu sorgen. Das kann nicht Aufgabe der Industrie sein. Ich habe zwar eine sehr klare persönliche Meinung dazu, aber die ist für die Industrie nicht wichtig. Ich meine, hier liegt das Problem. Wenn wir Hilfestellung geben können, dann erwarten wir eigentlich, daß die Politik auf uns zukommt, denn wir können von uns aus dieses Problem nicht lösen. Also deshalb meine Bitte: ein festes Regelwerk für die Kooperation, für Möglichkeiten der Kooperation mit Drittländern, mit indigenen Völkern und das so rasch wie möglich. Alles, was an Grauzone da ist, hilft uns eigentlich nicht weiter.

Christoph Matschie [MdB, SPD]: Moderator

Herr Viteri, Sie hatten vorhin gesagt, manche Entwicklungen sind erst langfristig realisierbar. Trotzdem die Frage, wo denken Sie, liegt kurzfristig vor allem Handlungsbedarf vor, was die Situation der indigenen Völker betrifft, und zwar im Hinblick auf die Verhandlungen in einigen Monaten zu der Konvention über die biologische Vielfalt [COP III], aber möglicherweise auch darüber hinaus in anderen Bereichen?

Alfredo Viteri [OPIP/COICA, Ecuador]:

Meiner Ansicht nach ist es grundlegend wichtig, die indigenen Völker und Organisationen zu unterstützen. Zweifellos entwickeln sie sehr konkrete Aktivitäten in bezug auf den Diskussionsprozeß über geistiges Eigentum, über die Bewirtschaftung der biologischen Vielfalt und über nachhaltige Entwicklung. Die konkreten lokalen Initiativen, die sich in verschiedenen indigenen Organisationen bilden, sollten erkannt, verstanden und unterstützt werden. Weiterhin halte ich es für erforderlich, eine Reihe von spezifischen Aktivitäten und Workshops durchzuführen, um sich vertiefend mit Kooperationsmechanismen und Mechanismen, die zur Anerkennung und Durchsetzung der allgemeinen Rechte indigener Völker führen, auseinanderzusetzen.

Ich denke, daß man über den Horizont der Konvention und der Konferenz in Buenos Aires hinausschauen sollte. Der Prozeß wird viel Zeit beanspruchen und es ist eine Zukunftsvision notwendig.

Christoph Matschie [MdB, SPD]: Moderator

Ich möchte noch auf die Frage eingehen, was kann eigentlich hier in Deutschland getan werden, gerade von Seiten der Politik. Aber bevor ich dazu komme, zunächst Frau Fleuth:

Frau Fleuth [BMZ, Umweltreferat]:

Als Vertreterin des BMZ wollte ich kurz sagen, was wir zur Zeit machen oder planen. Es ist gerade gefordert worden, daß BMU und BMZ zusammen versuchen sollen, die Theorie in die Praxis umzusetzen. Wir sind dabei, zusammen mit Vertretern der deutschen Industrie, mit Vertretern aus Institutionen der Entwicklungsländer und mit Vertretern des BMU und des BMZ einen konkreten Kooperationsvertrag oder ein Kooperationsmodell zu entwickeln, um zu sehen, welche Rollen bei der Entwicklung eines Kooperationsvorhabens zu spielen sind.

Wir sind dabei, einen Masterplan zu erstellen. Frau Thies von der GFA hat das im Auftrag der GTZ übernommen. Es ist Anfang Juli [1996] ein Workshop vorgesehen, der die verschiedenen Akteure zusammenbringen soll und das Ziel dabei ist, an einem konkreten Pilotmodell zu prüfen, wie die Rahmenbedingungen aussehen könnten.

• Welche Regelungsmechanismen sollen für eine Kooperation existieren?

• Wie kann die konkrete Vertragsgestaltung aussehen?

• Was kann die deutsche Entwicklungszusammenarbeit auf der Seite des Partners des Entwicklungslandes leisten?.

• Wie können die Kapazitäten, die soeben mehrmals angesprochen wurden, die Stärken der Träger gefördert werden, so daß eine klare Verhandlungsposition da ist?

Das alles sind Themen, die in so einem Kooperationsmodell konkret angegangen werden sollen. Das ist es, was derzeit in Planung ist und ich hoffe, daß wir im Juli [1996] schon zu ersten Ergebnissen kommen können.

Das wollte ich allerdings auch noch sagen, daß diese Veranstaltung hier in der Ebert-Stiftung, die ja unabhängig von unserem Vorhaben vorbereitet und gelaufen ist, natürlich stark dazu beigetragen hat. Das war für mich und ich glaube auch für Herrn Auer vom BMU schon eine große Unterstützung, um einfach die verschiedenen Facetten mitzubekommen, die bei dem Thema existieren.

Christoph Matschie [MdB, SPD]: Moderator

Dann bleibt für mich vielleicht nur noch zu ergänzen: natürlich hat Deutschland auch eine Aufgabe im Bereich der internationalen Rechtssetzung, jedenfalls sehe ich das so. Ich habe es sehr bedauert, daß die Bundesrepublik, oder besser: die Bundesregierung, nicht bereit war, die Ratifizierung der ILO-Konvention 169 zu unterstützen, und daß die Mehrheit des Parlamentes sich dem angeschlossen hat, mit der Begründung, daß wir ja selber keine indigenen Völker auf unserem Territorium hätten.

Ich selber glaube, daß gleichwohl indigene Völker durch die Wirtschaftsmacht Deutschland und durch die weltwirtschaftlichen Aktivitäten unserer Unternehmen auch berührt werden. Darüber hinaus ist dies natürlich eine politische Zeichensetzung. Beispiel: die Österreicher, die ja auch keine indigenen Völker haben, haben die Konvention ratifiziert, eben weil sie sagen, es ist wichtig als Vorbildfunktion für die Staaten, die indigene Bevölkerung auf ihrem Territorium haben. Daneben hat der Industriestaat eine gewisse Verantwortung für die wirtschaftlichen Aktivitäten der eigenen Unternehmen.

Darüber hinaus wird - das ist in der Runde ja auch angesprochen worden - seit 1982 an einer internationalen Konvention über die allgemeinen Rechte der indigenen Völker gearbeitet. Auch hier gäbe es die Möglichkeit, daß sich Deutschland stärker engagiert, diese Allgemeine Erklärung zu einem Abschluß zu bringen. Das heißt, sie endlich mal in die Generalversammlung der UN zu bringen, um sie abschließend zu diskutieren, denn sie wird jetzt seit 14 Jahren durch Gremien gezogen und ist eigentlich ausgereift. Also hier gibt es Handlungsspielräume für die deutsche Politik und ich hoffe, daß es da auch in den nächsten Jahren gelingt, gemeinsam noch ein Stück weiterzukommen.

Elmar Römpczyk [Friedrich-Ebert-Stiftung]:

Du hast jetzt eigentlich mit Deinem Statement das Schlußwort gesprochen, und dabei die Politik wieder mit eingebracht. Leider sind wir dennoch nicht an dem Punkt angelangt, wo wir sagen könnten, jetzt läßt sich „der Sack zubinden", wir tragen ihn mit dem Gefühl nach Hause, da sei jetzt alles drin. Vielmehr haben wir durch diese Diskussionen heute gemerkt, daß es noch sehr viele offene Fragen gibt, an denen intensiv weitergearbeitet werden muß.

Besonders, was jetzt zuletzt gesagt worden ist, hat das eigentlich nur unterstrichen: Wir müssen - und das ist eigentlich der Ausblick, den ich als Stiftung geben würde - versuchen, vielleicht in einem halben Jahr eine weitere Veranstaltung zu organisieren und diese dann noch präziser vorzubereiten. Dazu sind alle eingeladen, ihre entsprechenden Empfehlungen, ihre Rückmeldungen an uns zu geben und zu sagen, daß war vielleicht noch immer zu generell, dieses oder jenes Thema ist noch viel wichtiger, laßt uns die Debatte auf folgende Weise führen.


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