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[INTERNATIONALE ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT]
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TEILDOKUMENT:




Zugespitzt: Indigene versus Bayer AG
Runder Tisch III


Christoph Matschie [MdB, SPD]: Moderator

Wir haben uns heute vormittag über einige Vorstellungen unterhalten, wie man Interessenkonflikte um die Nutzung biologischer oder genetischer Ressourcen bewältigen kann. Wir haben über die Konvention Biologische Vielfalt gesprochen, wir haben über das INBio-Abkommen gesprochen. Wir haben uns - kurz gesagt - um es ein bißchen zuzuspitzen - heute vormittag mit dem großen Lauschangriff auf die Biodiversität befaßt und ich möchte die Runde heute Nachmittag von einer anderen Seite beginnen, nämlich zunächst Herrn Viteri als einen Vertreter einer indigenen Dachorganisation in Ecuador fragen, aus welchem Blickwinkel Sie die ganze Diskussion betrachten, was für Sie biologische Vielfalt in Ihrer Region bedeutet und welche Nutzungsformen für diese Naturressourcen Sie sich vorstellen.

Alfredo Viteri [indigener Dachverband OPIP/COICA, Ecuador]: Impulsreferat

Erst einmal möchte ich mich dafür bedanken, daß ich zu dieser wichtigen Veranstaltung über biologische Vielfalt eingeladen wurde. Bevor ich auf die Fragen im einzelnen antworte, möchte ich auf den Kontext des hier diskutierten Themas eingehen. Zuvor einige kurze Bemerkungen zu meiner Person und meinem Hintergrund. Ich stamme aus der Provinz Pastaza aus dem ecuatorianischen Amazonien und bin Mitglied der Organisation der indigenen Völker von Pastaza. Zur Zeit leite ich eine Station in einer indigenen Quechuagemeinschaft, die sich mit Biodiversität und mit Technologien der Waldwirtschaft befaßt. Wir arbeiten dort an der Entwicklung von Alternativen und Vorschlägen zum Umweltmanagement, der Entwicklung indigener Technologien und indigenen Wissens sowie der Bewirtschaftung der biologischen Vielfalt.

Ich möchte mich zu vier grundsätzlichen Aspekten des Schutzes der biologischen Vielfalt äußern. Normalerweise geht man in diesen Gesprächskreisen und in Studien über den Schutz der biologischen Vielfalt von einem Szenario aus, in dem der Mensch getrennt von dem betroffenen Raum gesehen wird und in dem er in der Pflicht steht, die biologische Vielfalt zu erhalten. Er ist verpflichtet, darüber zu entscheiden, was mit den übrigen Lebewesen geschehen soll, die in der natürlichen Umwelt dieses Planeten leben. Die indigene Vorstellung der Quechua-Völker von Amazonien ist dagegen eine vollständig andere. Wir betrachten uns als Teil der biologischen Vielfalt. Auch wir sind nur weitere Lebewesen innerhalb der natürlichen Umwelt. Es ist wichtig darauf hinzuweisen, daß es den Menschen nicht ansteht, über die anderen Lebewesen dieses Planeten zu entscheiden. Innerhalb dieser Konzeption haben wir gelernt, mit der Natur zu leben, mit den anderen Lebewesen im gegenseitigen Respekt zu einander zu leben. Diese andere Konzeption führt dazu, daß auch unser Konzept der biologischen Vielfalt anders zu verstehen ist. Ich vertrete eine andere Vision, die der hier und auch allgemein im Westen vertretenen gegenübersteht.

Die Befassung mit dem Schutz der biologischen Vielfalt bedeutet die Befassung mit einem integralen Problemkomplex. Der Schutz der biologischen Vielfalt betrifft eine Vielzahl unserer Ansichten. Grundsätzlich ist er eng verbunden mit der Anerkennung der individuellen und kollektiven Rechte der indigenen Völker: die kollektiven Rechte am Territorium, die Rechte auf kulturelle Identität, die Rechte zu bestimmen und zu entscheiden, wie ein Programm zur integralen Entwicklung der Gesellschaft umgesetzt werden kann, das Recht, über die Zukunft unserer Völker und unserer Ressourcen, die sich in unseren Territorien befinden zu entscheiden und das Recht, unser Wissen zum Nutzen der Gesellschaft einzusetzen. Mit anderen Worten: Das Problem des Schutzes der biologischen Vielfalt in Amazonien ist engstens mit der Frage der Anerkennung der Rechte auf Selbstbestimmung der indigenen Völker verbunden.

Ich möchte auch noch eine Anmerkung zum Zugang zur biologischen Vielfalt machen. Wir reden dabei auch über den Eingriff in das Wissen anderer Leben. Wessen Interessen sind es? Was sind die Ziele? Wo erfolgt der Zugang? Das sind die Fragen, die diskutiert werden. Die Gebiete mit hoher biologischer Vielfalt - zumindest in Amerika - sind die amazonischen Wälder, in denen verschiedene Völker, verschiedene indigene Nationen leben. Andere Gebiete haben sehr viel ihrer ursprüng-
lichen Vielfalt verloren. Das bedeutet, wenn wir vom Zugang zur biologischen Vielfalt reden, dann heißt das, in die indigenen Territorien einzudringen. Wie geschieht dieser Zugang? Der Zugang zu indigenen Territorien bedeutet auch den Zugang zu der Kosmovision, zum Denken indigener Völker. Wie kann man nun das Denken der Indigenen verstehen? Verschaffen wir uns Zugang zur Vision der Indios von der Natur, um sie zu respektieren oder um sie zu verändern? Der Zugang zur biologischen Vielfalt bedeutet den Eingriff in die Kultur der indigenen Völker, den Eingriff in die soziale und politische Organisation der indigenen Gesellschaften. Der Zugang zu den Ressourcen der Biodiversität bedeutet auch den Eingriff und die Veränderung eigener wirtschaftlicher Modelle der indigenen Gesellschaft. Modelle, die geschaffen und entwickelt worden sind, ohne die Natur zu beeinträchtigen. Dieser Eingriff bedeutet daher, die Modelle indigener Völker hin zu einer Marktwirtschaft zu orientieren, sie bedeutet die direkte Beeinflussung der Umwelt und der Natur und, wie ich bereits sagte, den Zugang zum indigenen Wissen und zu den Informationen der indigenen Völker. Dieses Wissen wurde nicht in fünf oder zehn Jahren durch eine Schulerziehung vermittelt, sondern hat sich über Jahrtausende aufgebaut. Dank dieses Wissens schafften es die Indios zu leben, Technologien zu entwickeln und effiziente Methoden der Bewirtschaftung und des Schutzes von Waldressourcen aufzubauen.

Glauben Sie etwa, daß es den Gesellschaften der Wälder, den Indios, gelungen wäre, zu existieren und zu überleben, ohne Kenntnisse und ohne Wissen zu haben? Nein, der Indio lebt, weil er dieses andersartige Wissen hat und weil er Technologien entwickelt.

Ein weiterer Punkt ist das geistige Eigentum. Wir leben in einer Welt, in der die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Länder des Westens, des Nordens mit der absoluten Wahrheit gleichgestellt werden. Demnach ist es angeblich das einzige System, sind es die einzigen Methoden und Technolgien, das einzige Wissen, das wirklich der Menschheit dient. Unser historisches Wissen, unser Wissen der Weisheit des Altertums sei bloßer Empirismus, sei dumm und primitiv. Durch diese Gleichschaltung verweigert man die Anerkennung dieses Wissens und indem man das tut, verkennt man die Kompetenz und die Möglichkeiten, die das kollektive Wissen einer Gesellschaft hat. Zumindest sollte es zur Kenntnis genommen und rechtlich anerkannt werden. Recht an geistigen Eigentum muß die Existenz des kollektiven Wissens indigener Völker anerkennen. Es besteht die Notwendigkeit zu verstehen, daß es auch andere Konzepte, andere Indikatoren zur Bewertung der Natur, von Ökosystemen und der Biodiversität gibt. Es gibt nicht nur die ökonomischen Indikatoren, es gibt nicht nur den Markt, um die Werte der Natur, der Ökosysteme und der Biodiversität festzulegen. Es gibt Systeme, in denen der ökonomische Faktor überhaupt nicht vorkommt. Wenn wir von den Rechten an geistigem Eigentum reden, ist es auch wichtig zu verstehen, daß die indigenen Völker verschiedene Techniken und Methoden der Wissensentwicklung, der Anwendung und des Transfers dieses Wissens erarbeitet haben. Dieser Austausch geschieht auf den Grundsätzen der Gegenseitigkeit und der Solidarität zwischen den Gesellschaften, Kulturen und Völkern. Damit soll gesagt werden, daß die Entwicklung und der Zugang zu diesem Wissen, die Teilhabe und der Austausch der Kenntnisse niemals unter dem Aspekt des Kaufens von Wissen gesehen werden kann, wie es leider der Fall bei wissenschaftlichen Kenntnissen ist. Unser Wissen ist uns sehr kostbar. Wie kann nun ein Gleichgewicht zwischen den Wissens-
systemen hergestellt werden? Wenn das eine System dem anderen keine Wertschätzung entgegenbringt, ist das schwierig.

Ein weiterer Aspekt ist der sogenannte Vorteilsausgleich. Auch dieses Thema ist kompliziert. Vielleicht ist er für viele - für die Regierungen und die privaten Untenehmen - der wichtigste Aspekt bei der Behandlung der Biodiversität. Die Frage lautet: Von welcher Art Vorteile reden wir? Es ist unklar, ob die Unternehmen oder Staaten z.B. wirklich Priorität einer anderen Art von Vorteilen geben können, die nicht ökonomisch definiert sind. Wie wird anerkannt werden, daß die indigenen Völker die Eigentümer der Territorien sind, in denen es die biologische Vielfalt gibt, und das sie die Kenntnisse von den Funktionen der biologischen Vielfalt haben? Wie kann ein marginalisierter Partner anerkannt werden? Was sind die primären und was sind die sekundären Vorteile und Gewinne? Das Problem mit dem Erdöl hat es gezeigt. Der Staat hat das Erdöl zur strategischen Ressource erklärt und niemals in den Gesetzen den Vorteilsausgleich mit den indigenen Völkern festgelegt, in deren Territorien das Erdöl gefördert wird. In Ecuador wird eine Umweltgesetzgebung diskutiert, in der man die Souveränität des Staates über die biologische Vielfalt erklärt. Im Gesetz zu Landeigentum gibt es Artikel, die dem Staat das Recht einräumen, indigene Territorien im Falle einer strategischen Bedeutung zu Gebieten öffentlichen Interesses zu deklarieren. Die Frage ist also: Was wird mit den Ressourcen der biologischen Vielfalt geschehen, wenn die nationale Souveränität über sie festgeschrieben wird und auf dieser Grundlage Konzessionen zur Ausbeutung biologischer Ressourcen auf indigenen Territorien erteilt werden? Unter dem Druck der Marktwirtschaft und dem Druck einer räuberischen Technologie - wie im Falle des Erdöls - könnten wir in eine erdrückende Situation gelangen. Wir würden zu Opfern einer unkontrollierten Ausbeutung der Ressourcen biologischer Vielfalt, in deren Zusammenhang das indigene Wissen ohne jede Gegenleistung genutzt und transferiert wird. Dieser Wandel würde bei den indigenen Gesellschaften in den Wäldern nicht nur zur wirtschaftlichen Verarmung führen, sondern auch zu einer kulturellen Verarmung, zum Verlust an Wissen und zur Zerstörung der Identität. Darüber hinaus würden sich die indigenen Gesellschaften im Zeichen einer zerstörten Naturvision und unter dem Diktat der Marktwirtschaft selber zu potentiellen Räubern an den natürlichen Ressourcen entwickeln und den Wald umwandeln. Die Frage bei diesem komplexen Problem ist: Gibt es das Interesse, gibt es den politischen Willen der Staaten, die Rechte indigener Völker anzuerkennen, sie als Eigentümer ihrer Territorien als Träger des Wissens über Biodiversität gleichberechtigt teilhaben zu lassen? Gibt es den Willen der Privatunternehmen, dieses Recht anzuerkennen und darüber hinaus die indigenen Völker nicht nur als direkte Verhandlungspartner, sondern als die wichtigsten Verhandlungspartner zu akzeptieren? Wir sind sehr skeptisch, weil wir gesehen haben, was mit anderen Ressourcen passierte. Während man in Foren die Normen und Gesetze diskutiert, sind bereits jetzt Pharma-
unternehmen in Ecuador am Werk. Sie schwächen die indigene Gesellschaft, indem sie sie aufspalten, indem sie Führer von Gemeinschaften bestechen, um so genetsiche Ressourcen nutzen und transferieren zu können. Gibt es also einen wahrhaften Willen der Unternehmen, die mit biologischer Vielfalt arbeiten, damit unter den herrschenden Rahmen-bedingungen von Normen, Gesetzgebungen und internationalen Konventionen ein ausreichender Impuls ausgeht. Ich glaube, daß diese Frage viele Unternehmen nicht interessiert. Vielmehr interessiert es sie, wie lang die Zeiträume sind, in denen sie mit Hilfe des Staates in die Territorien der Gemeinschaften zur Nutzung der biologischen Vielfalt investieren können - aus Gründen, die wir alle kennen.

Schließlich möchte ich anmerken, daß die indigenen Völker von Pastaza in Amazonien sehr klare Verantwortlichkeiten übernehmen. Wir erarbeiten integrale Pläne zum Umweltmanagement indigener Territorien. Unser Territorium umfaßt ca. 2 Mill. Hektar tropischen Wald. Zum jetzigen Zeitpunkt will der Staat rund 4000 Hektar dieses Gebietes an Erdölfirmen abtreten und es gibt auch schon Pharmaunternehmen, die in
Pastaza verhandeln und arbeiten. Angesichts dieser Entwicklung haben wir Antworten formuliert: zur Bewirtschaftung der natürlichen Rohstoffe, zur Zonierung und Organisation der indigenen Territorien, zur Forschung und Entwicklung des indigenen Wissens. Wir haben eine Infrastruktur errichtet, um mit der Vermehrung von Tierarten - einschließlich vom Aussterben bedrohter Tierarten - zu beginnen. Wir setzen Programme auf Gemeinschaftsebene um, um traditionelle Pflanzenkulturen und Tierrassen und wertvolle Medizinal- und Nahrungspflanzen wiedereinzuführen und zu erhalten - und zwar einschließlich technologischer Aspekte. Wir definieren Ökosysteme von hohem natürlichen und kulturellen Wert, um sie erhalten und schützen zu können. Wir sind der Ansicht, daß es heutzutage von fundamentaler Wichtigkeit ist, die Weiterentwicklung des indigenen Wissens zu stärken und zu fördern, daß es die indigenen Gesellschaften selber sein sollten, die ihr bedrohtes Wissen erhalten, daß sie es weiterentwickeln, anwenden und für die Stabilisierung und Entwicklung ihrer Gesellschaften einsetzen. Die Darstellung des Nutzens aus indigenen Wissen wie z.B. die Bewirtschaftung der natür-
lichen Umwelt und das Wissen über die biologische Vielfalt soll Ergebnis dieser Anstrengung sein, die von den indigenen Gemeinschaften selbst ausgehen. Es soll ein effektiver Beitrag dieser Gesellschaften sein, ihr Wissen zu nutzen. Wir erhoffen uns keine Hilfe des Staates durch Umweltschutzprogramme. Wir hoffen nicht darauf, daß der Staat die Umwelt schützen wird und daß Experten die richtigen Diagnosen erarbeiten - es gibt unser Wissen und wir können sehr viel zur Lösung der Probleme auf diesem Feld beitragen.

Christoph Matschie [MdB, SPD]: Moderator

Ganz herzlichen Dank, Alfredo Viteri für die Darstellung der indigenen Sicht.

Auch Sie, Herr Berg, haben ja intensiv zugehört. Wir haben hier eine ganz anderen Sicht von biologischer Vielfalt erfahren. Die Sicht indigener Völker, die sich als Teil der biologischen Vielfalt verstehen, die in ihr leben, denen diese biologische Vielfalt, die Sie u.a. als Firma nutzen wollen, Heimat ist. Die Indigenen sagen, Zugang zur biologischen Vielfalt ist Intervention auch in ihr Leben. Meine Frage an Sie [Berg]: Wo liegt denn das Interesse einer Firma wie BAYER AG an diesem Zusammenhang und können Sie sich auf solche Überlegungen wie sie eben geäußert wurden, einstellen?

Dieter Berg [BAYER AG]:

Ja, ich habe wirklich sehr intensiv zugehört. Aber bevor ich die Frage beantworte, vielleicht ganz kurz etwas zu meiner Person, denn Sie sollten schon wissen, mit wem Sie sprechen. Ich bin im Pflanzenschutz tätig und dort zuständig für die Biotechnologie, also genau für den Bereich, der sich auch mit Gentechnik befaßt, der sich mit Nutzung von Naturstoffen befaßt, d.h. wir sind aktiv in diesem Geschäft tätig.

Ich habe, Herr Viteri, Ihren Appell mit sehr viel Verständnis entgegengenommen. Sehr viel Verständnis nicht als allgemeines Wort, sondern ich glaube, Ihre Situation zumindest menschlich nachvollziehen zu können. Hier sind Gefahren im Verzug, Gefahren, die wir vielleicht gemeinsam abwenden müssen. Nun ist im traditionellen Verständnis eines Chemieunternehmens - eines Großunternehmens - moralische Verantwortung nicht in der ersten Priorität, was Interessen in diesen Ländern anbelangt, sondern moralische Verantwortung für die Mitarbeiter ist selbstverständlich. Also das ist ein Gebiet, mit dem wir uns neu zu befassen haben, möchte ich damit sagen. Es ist kein Routinegebiet, kein Problem, für das wir schon die Lösung auf dem Tisch hätten. D.h. diese neue Situation, die wir haben, also auch dieses Biodiversitätsabkommen versetzt uns in eine neue Lage, auf die wir möglichst konstruktiv zu reagieren haben. Aber wenn wir reagieren wollen, müssen wir die Situation erst analysieren und ich habe mit Herrn Naumann zusammen einige Folien vorbereitet, die - glaube ich - es einfacher machen, die Sicht und das Verständnis, wie wir es haben, vielleicht haben müssen, auch Ihnen einmal vorzuführen.

Zunächst einmal ist ein solches Abkommen ja nichts anderes als ein Regelwerk. Dieses Abkommen regelt nämlich die Sammlung und Verwertung der daraus gewonnenen Erkenntnisse von Organismen, von - was nicht ganz klar ist, aber möglicherweise auch - aktiven Prinzipien, die daraus gewonnen werden, und auch von den genetischen Informationen, die in diesen Organismen enthalten sind. D.h., wir haben nicht immer nur die Information, die primär abgeleitet werden kann - ich komme gleich noch einmal darauf zurück, was ich meine - sondern auch Sekundärinformationen, die in diesem allgemeinen Rahmenvertrag mit erfaßt sind. Wenn man sich anschaut, was eigentlich im Detail gemeint ist, dann ist einmal der Punkt Gefährdung der Biodiversität, das ist das, was Herr Viteri mit Leidenschaft vorgetragen hat und was ich mit Leidenschaft auch unterstreichen werde. Die Gefährdung der Biodiversität ist durch Dinge wie Ökotourismus und andere Faktoren gegeben, ist aber nicht der Faktor, wo wir selbst als chemische Industrie betroffen sind.

Auf der Folie No.1 ist der Teil aufgezeigt, der uns unmittelbar betrifft und wo wir auch versuchen wollen und versuchen werden konstruktiv mitzuarbeiten. Wenn Sie sie sich anschauen, dann ist die Nutzung der Biodiversität eines Landes direkt eingängig. Da ist einmal die Frage: Kann ich Materialien, Naturstoffe aus einem Südland oder Organismen zur Produktion interessanter Güter nutzen? Oder kann ich die Informationen, sprich die genetischen Informationen, daraus nutzen, oder kann ich die Informationen, die ich erhalte, wenn ich z.B. Leitstrukturen analysiere, nutzen? Sie sehen, die Nutzung geht immer in Richtung Pharma, Pflanzenzüchtung, sprich life sciences.

BAYER AG Folie 1 [ die hier nicht vom Original reproduzierten Folien wurden von Herrn Berg und Herrn Naumann während des Seminars präsentiert]

Vom natürlichen Rohstoff zur chemischen Struktur. Im Ursprungsland: detaillierter Standard-Test

scale-up of production

micoderivization

down-stream processing

search for lead structure

clinical/field studies

optimized structure

safety studies

„full development plan"

data package for registration

natural product as lead

direct comercialization



[aus Sicht des Chemie-Unternehmens]

Sie können einmal einen lebenden Organismus direkt nutzen, bspw. biologischen Pflanzenschutz. Wir sollten uns darüber im klaren sein, daß diese heute als biologische Pflanzenschutzpräparate angebotenen Präparate alle solche Organismen sind, die auf Erfahrungen indigener Völker beruhen, z.B. Einsatz von Mitharhyzium als Bodeninsektizid. Also, ein nemato-heptopathogener Pilz als Bodeninsektizid ist nichts anderes als die Nutzung indigenen Wissens. Natürlich gehen, wenn man solche Kenntnisse hat, auch Naturstoffe daraus hervor, chemische Individuen, die man weiterverfolgt. Und diese Weiterverfolgung solcher chemischer Individuen, das ist unser tägliches Brot und davon leben wir. Wir versuchen, solche Präparate entweder direkt zu einem Wirkstoff zu entwickeln oder die daraus gewonnenen Erkenntnisse umzuwandeln in Form einer Leitstruktur, umzuwandeln in neue Chemie. Und ich sehe, daß die Sammlung und das Screening endemischer Organismen in bezug auf Inhaltsstoffe, Gene, Genprodukte schon eine vertragliche Regelung brauchen und das ist genau der Versuch, der uns hier vorliegt. Diese Regelung antwortet auf die Frage: wie geht eine kooperierende Partei mit einem liefernden, also einem abgebenden Land um? Und dieser Vertrag regelt im Prinzip die Konditionen für Research and Development; d.h., es ist eine Rückvergütung vorgesehen, die im einzelnen auszuhandeln ist und auf jeden Fall im Falle einer Kommerzialisierung Aufteilung des wirtschaftlichen Erfolges vorsieht.

Jetzt wollte ich Sie schon ein bißchen provozieren, denn den wirtschaftlichen Erfolg einer Erfindung habe ich versucht, am Beispiel eines Mikroorganismus zu skizzieren. Es beginnt im allgemeinen damit, daß Sie eine Pflanze, einen Mikroorganismus oder einen Makroorganismus aus einem Land bekommen, verbunden mit Vorkenntnissen, die indigener Natur sein können. Sie können sagen, die Erfahrung legt nahe, daß ein Präparat mit der einen oder anderen Indikation erzielt werden kann. Dann müssen Sie trotzdem mit diesem Organismus umgehen und diesen Organismus zunächst einmal selektieren. D.h. Sie müssen unter Tausenden von Organismen, denjenigen heraussuchen, der sich für Sie lohnt zu bearbeiten. Dieser Vorgang - kurz Screening genannt - ist arbeitsintensiv. Sie wissen das. Sie machen es ja in INBio zum großen Teil selbst. Sie kommen am Ende eines solchen Screeningverfahrens zu einer Probe, von der Sie wissen, daß sich Wirkung zeigt.

Und die nächste Frage, die sich stellt lautet: worauf beruht die Wirkung? Es gibt immer physikalische, chemische Prinzipien, die wirken. Sie müssen also das chemische Prinzip einer solchen Probe identifizieren, die Struktur aufklären und dann die Frage stellen, kann ich mit dieser Substanz direkt umgehen, d.h. ist die Substanz gut genug, kann ich die Substanz von den physikalischen, physikalisch-chemischen Eigenschaften, Aufnahme, Transport eindeutig identifizieren? Kann ich sie direkt vermarkten? Oder kann ich sie nur als eine Information einsetzen, von der ich neue Substanzen gewinnen kann, sprich als Leitstruktur.

In beiden Fällen, egal wie die Nutzung aussieht, ist eine Vergütung für das Land und die Völkergruppe des Ursprungs vorgesehen. Aber lassen Sie mich weiter provozieren.

Ich habe einen solchen Fall einfach mal transferiert auf einen alltäglich stattfindenden Fall, daß nämlich ein Land A, das kann auch Deutschland sein, einen jungen Mann ausbildet und in diesen jungen Mann investiert. Das heißt, ein Bürger aus Deutschland - oder sagen wir mal aus einem Land A - genießt eine Erziehung, eine Ausbildung und hat sogar noch promoviert. Anschließend geht er ins Ausland und ist dann für eine Fremdfirma tätig und hat dort das Glück eines Wissenschaftlers, ein hoch erfolgreiches Präparat bereitzustellen. So, dieser innovative Wirkstoff wird anschließend verkauft. Da stellt sich die Frage, wer hat die geistigen Rechte an diesem Wirkstoff, das Land oder der Erfinder? Ich weiß, das ist Provokation, aber ich habe das ganz bewußt gemacht, weil da das Problem liegt, von dem wir reden.

Ein weiteres Problem, wenn Sie schon geistiges Eigentum anerkennen (das tun wir natürlich) liegt dann in der Frage, wie groß ist der Anteil am geistigen Eigentum? Wie kann man ihn definieren? Wir haben die Frage nach Teilen von geistigem Eigentum, wie schon mehrfach diskutiert, aber man muß sich fragen, was ist wessen Anteil?

Wenn Sie sich diese Standardprozeduren in Folie No.2 einmal anschauen, dann beginnt alles damit, daß Sie einen Organismus sam-
meln. Das ist sicherlich im Ursprungsland geschehen. Sie screenen

Bayer Folie 2

Problematische Stufen im Entwicklungsprozeß gentechnischer Produkte

Stufe

Know-How Quelle

diversity of samples

CO (CC)

chemical diversity


fermentation technology

CO / CC

screening systems
test battery robots

CC (CO)

isolation /
structure elucidadtion

CC (CO)

detailed testing

CC

development capability

CC

lead structure strategy

CC

commercialization

CC


CO = Country of Origin


CC = Chemical Company

BAYER Folie 3

Wie könnte NORD-SÜD-Kooperation funktionieren ?

• Projekte von gemeinsamem Interesse genau definieren

• die Institutionen der COs in die Lage versetzen, direkt zu verhandeln

• die Institutionen der COs in die Lage versetzen, direkt zu verhandeln

• Verhandlungen über Entgelte getrennt führen für Forschungsphasen und Vermarktungsphasen

• Entgelte müssen angemessen und fair sein

• Verhandlungsprozesse werden pragmatisch geführt

diesen Organismus und erhalten erste Hinweise auf Aktivität. Das kann Information sein, die auf Kenntnissen indigener Völker beruht, es kann aber auch einfaches Screenen in Tiermodellen oder irgendwelchen Modellen sein. Das kann entweder im Ursprungsland gemacht werden oder in dem Land, wo die Entwicklung später stattfindet, aber es muß dann breit gescreent werden, um den Kandidaten für die Entwicklung zu finden. Es muß wieder isoliert werden - das aktive Prinzip. Es muß die chemische Struktur aufgeklärt werden. Man muß, wenn man nicht direkt vermarkten kann, Partialstrukturen, also solche Anteile von Strukturen zuordnen, die für die Aktivität verantwortlich sind, um daraus eine Leitstruktur zu entwickeln und damit andere Verbindungen oder Derivate herstellen zu können. Sie müssen dann die Derivate wiederum
screenen, um die richtigen Entwicklungskandidaten herauszusuchen. Sie müssen dann an einem solchen Kandidaten eine Entwicklung durchführen. Und schließlich müssen Sie ein System haben, mit dem Sie produzieren und verkaufen können. Ich glaube, die meisten Schritte erfolgen schon nach Kooperationsmustern. Ich will mit dieser Betrachtungsweise nicht den Wert von irgendeinem Anteil vorbestimmen, ich will damit nur sagen, man muß ihn von Fall zu Fall diskutieren. Also eine feste Regel 50/50 kann es sicherlich nicht geben, eine feste Regel 5% zu 95% für den anderen Partner sicher auch nicht.

Ein drittes Beispiel habe ich noch herausgesucht, wieder ein Extrembeispiel. Ein Land ist erfolgreich tätig, eine Struktur zu entwickeln: nehmen wir das Beispiel INBio, das schon mit dem florimobilen Nematozid erfolgreich tätig ist. Aber es hat keine Nutzungsmöglichkeit und publiziert nur die Daten. Das ist eigentlich der häufigste Fall in der wissenschaftichen Literatur, daß Sie Daten in einer Publikation wiederfinden, die in einem Land erstellt worden sind, das eben nicht in der Lage war, ein Präparat zu entwickeln. Normalerweise passiert es dann, daß in einem entwickelten Land oder bei einer Firma ein Wissenschaftler eine solche Publikation liest und sagt: Aha! Derivate davon könnten vielleicht für mich interessant sein. Ich synthetisiere einmal um diese Struktur herum. Beispiel Phyrethroide aus Phyrethrum. Phyrethride werden gefunden und vermarktet, aber durch chemische Verarbeitung werden sie zu Phyrethroiden. Und dann findet derselbe Prozeß wieder statt. Dann heißt es auf einmal, Lesen der Publikation, Verarbeiten der Information, Umsehen in chemischen Programmen und schließlich die Entwicklung eines Produktes. Bei all dem ist im Prinzip natürlich nur derjenige aktiv beteiligt, der die Wissenschaft in einem entwickelten Land, in einer Firma beherrscht. Und die Frage, vor der wir hier eigentlich stehen, lautet in all diesen Fällen: Wie hoch ist wessen Anteil? Und wie ist vor allen Dingen der zu vergütende Anteil?

Ich glaube, daß diese Konvention zwangsläufig einige offene Fragen hinterläßt. Deshalb sitzen wir wohl auch hier. Trotzdem sehe ich den Sinn der Konvention darin, biologische Diversität zu garantieren und zu schützen und natürlich auch im Falle der Kommerzialisierung die erfindenden Parteien zu schützen. Aber wir müssen diese Konvention noch aus der Theorie in die Praxis umsetzen. Und da bestehen sicherlich einige Probleme. Mein Vorschlag lautet und ich glaube, es ist ein pragmatischer Vorschlag: wir müssen Fall für Fall aufgreifen; für jeden Fall zunächst Einzelbestimmungen im gemeinsamen Interesse erarbeiten. Das kann man tun, indem man zunächst Erfahrungen in gemeinsamen Projekten sammelt, die man einfach mal als Erfahrungsprojekte beginnt und natürlich muß man sich die Kooperationspartner nach beiden Gesichtspunkten - nämlich der Industrie, die kooperieren will, und derjenigen, die was abgeben, aussuchen.

Christoph Matschie [MdB, SPD]: Moderator

Ihr Beitrag, Herr Berg, hat noch einmal deutlich gemacht, mit welchem Blick Sie dieses Feld betrachten. Soweit ich das verstanden habe, ist für Sie Voraussetzung, daß Sie Zugang zu dieser Vielfalt haben, um sie untersuchen zu können und möglicherweise Präparate daraus entwickeln zu können.

Im Statement von Herrn Viteri lautete die Ausgangsfrage: Müssen nicht die indigenen Völker viel mehr Mitspracherecht haben? Schon bei der Frage, nach dem Zugang zu ihrer Region und der Erlaubnis für eine Firma, solches Screening durchzuführen, müßte ein Regelmechanismus ansetzen.

Frau Roßbach, Sie arbeiten ja für das Klimabündnis - ein Versuch europäischer Institutionen, mit Einrichtungen indigener Völker gemeinsam Probleme abzuarbeiten und in unserem Fall, Interessen indigener Völker zu vertreten. Wo sehen Sie denn das Kernproblem in dieser Auseinandersetzung und wo mögliche Lösungswege?

Frau Roßbach [Klimabündnis, Europabüro, Frankfurt]:

Impulsreferat

Lassen Sie mich eingangs kurz eine Art Standortbestimmung als Klimabündnis zu den hier verhandelten Problemen vornehmen. Denjenigen unter Ihnen, die das Klimabündnis nicht kennen, sei gesagt: es handelt sich um ein noch immer etwas ungewöhnliches Bündnis unterschiedlicher Partner aus Nord und Süd mit der gemeinsamen Zielsetzung des Klimaschutzes - und zwar eines lokalen Klimaschutzes, der also lokale Partner in Nord und Süd unter der gemeinsamen Zielsetzung zusammenführt. Lokale Akteure sind einerseits europäische Kommunen und andererseits Indianerorganisationen aus Amazonien - und zwar insbesondere die COICA, ein Dachverband von Indianerorganisationen aus den fünf wichtigen Amazonasanrainerstaaten [ COICA steht für Coordinadora de Organizaciones Indígenas de la Cuenca Amazonica (Koordination indigener Organisationen der Amazonasanrainerstaaten); 1984 in Lima/Peru gegründet, um sich als indigene Organisationen gegenseitig zu stärken. Beteiligt sind Organisationen aus Bolivien, Brasilien, Kolumbien, Ecuador und Peru] . Klimabündnis, ein Bündnis des lokalen Klimaschutzes, bedeutet Energieeinsparung und Verkehrsminderung europäischer Städte und heißt Regenwaldschutz als Beitrag zum Klimaschutz in Amazonien. Dabei hat das Klimabündnis ganz klar definiert, daß die beste Art des Regenwaldschutzes der Schutz der indigenen Völker und deren Unterstützung bei der Durchsetzung ihrer Rechte ist, weil eben indigene Völker in der Vergangenheit unter Beweis gestellt haben, daß sie in der Lage sind, den Regenwald zu bewirtschaften, ohne ihn zu zerstören. In diesem Bündnis nun verpflichten sich die Städte, die Bündnispartner in Amazonien zu unterstützen. Dabei gibt es drei Ebenen der Unterstützung: Das eine ist konkrete Solidarität. Das zweite ist auch eine Unterstützung von kleinen Projekten und das dritte - und darauf wird es im wesentlichen hier ankommen - etwas, was man internationale Zusammenarbeit nennen könnte.

Internationale Zusammenarbeit heißt für das Klimabündnis, die Positionen der indigenen Organisationen, insbesondere auf internationaler Ebene, zu verstehen und eben zu unterstützen. Das ist auch der Hintergrund für meine Ausführungen. Ich will nämlich hier versuchen, die Positionen der indigenen Organisationen in Hinblick auf Schutz, Nutzung und auch Sicherung biologischer Ressourcen zu referieren - oder besser gesagt - zu interpretieren, im Hinblick auch auf Aufgaben für das Klimabündnis oder seine Unterstützungsarbeit. Bei diesem Versuch, Klarheit darüber zu gewinnen, was indigene Positionen sind, habe ich - das darf ich Ihnen auch sagen - mir vier Dokumente gründlich angeschaut.

Da ist zum einen ein Dokument der schon genannten COICA, die im Klimabündnis auch im Vorstand des Vereins mit zwei Vertretern zugegen sind. Bei dem Dokument handelt es sich um die Abschlußerklärung eines Regionalseminars der COICA mit dem Thema „Geistige Eigentumsrechte und Biodiversität." Dieses Seminar fand 1994 in Santa Cruz (Bolivien) statt. Hierbei wurde eine Standortbestimmung der COICA zu diesem Thema vorgenommen.

Ein zweites Dokument wurde uns freundlicherweise von den Organisatoren der heutigen Veranstaltung zur Verfügung gestellt. Einige kennen es wahrscheinlich. Es stammt vom Indigenous Peoples Biodiversity Network und hat den Titel „Erklärung der Indigenen Völker zu Zugangs- und zu geistigen Eigentumsrechten".

Die Mataatua-Erklärung wird einigen unter Ihnen möglicherweise auch bekannt sein. Es war die erste Konferenz über kulturelle und geistige Eigentumsrechte in Neuseeland. Dieses Dokument ist auch über die UNO weiterverbreitet worden. Ich habe dieses Dokument herangezogen, auch wenn es Fragen der Biodiversität eher am Rande behandelt und eher kulturelle Güter indigener Völker in den Mittelpunkt rückt.

Und schließlich, als ein weiteres Dokument, der Entwurf einer Erklärung der Internationalen Allianz der indigenen und in Stämmen lebenden Völker der Regenwälder, in der 31 Organisationen indigener Völker weltweit zusammengeschlossen sind. Dieser Entwurf trägt den Titel: „Die Konvention über biologische Vielfalt, die Bedenken der indigenen Völker" und ist gewissermaßen ein Auftragspapier, das für das Sekretariat der Konvention erstellt wurde und Stellungnahmen dieser Weltallianz indigener Regenwaldvölker in Hinblick auf die Umsetzung der Konvention beinhaltet.

Wenn man nun diese vier Dokumente liest, meine ich, daß man mehr oder weniger deutlich zwei Stoßrichtungen ausmachen kann - auch wenn die Dokumente nach Umfang und Charakter unterschiedlich sind. Und zwar lassen sich einmal grundlegende Zielsetzungen oder fast Philosophien erkennen und dann auf der anderen Seite Positionen für die konkrete Arbeit. Diese grundlegenden Zielsetzungen, meine ich, lassen sich bei allen vier Dokumenten finden und knüpfen an dem an, was Herr
Viteri anfangs ganz klar und deutlich gesagt hat. Die Frage der Nutzung, des Zugangs und der Gewinnbeteiligung an biologischen Ressourcen wird von den indigenen Völkern in erster Linie nicht über die Suche nach Modellen, auch nicht über konkrete Fragen der Gewinnbeteiligung oder Vertragsregelung diskutiert, sondern ganz klar als eine Frage der Sicherung ihrer indigenen Rechte verstanden.

Jegliche Regelung, die im Zusammenhang mit Biodiversität erfolgen soll, soll im Kontext - das ist die ganz klare Botschaft - mit dem Recht auf Selbstbestimmung erfolgen. Und hier, bei der Definition von Selbstbestimmung, kann man wohl die Definition zugrunde legen, die auch in dem - man kann sagen - gegenwärtig wichtigsten internationalen Dokument einer internationalen Konvention zu indigenen Völkern enthalten ist, nämlich der ILO-Konvention 169. Sie beinhaltet weitestgehende Selbstverwaltungsrechte, aber nicht staatliche Souveränitätsrechte. Dabei kommt - auch das hat Herr Viteri angesprochen und das findet sich in den Dokumenten wieder - der Frage des Territoriums eine ganz prioritäre Rolle zu. D.h., ohne Territorium gibt es keine Weiterexistenz dieser Völker und der Verlust dieses Territoriums stellt die besondere Bedeutung dieser Völker im Sinne der Bewahrung der Artenvielfalt, wie sie auch in internationalen Konventionen, gerade auch in der Biodiversitätskonvention, enthalten ist, natürlich in Frage.

Und als drittes wesentliches Element sei gesagt, daß die Organisationen sehr darauf drängen, daß alle konkreten weiteren Regelungen im Zusammenhang mit der Umsetzung der Biodiversitätskonvention direkt abgestimmt mit eben den schon existierenden internationalen Normen - ich erwähnte die ILO-Konvention - erfolgen soll oder aber mit der in Arbeit befindlichen Allgemeinen Erklärung der Rechte indigener Völker, die seit nunmehr 14 Jahren vor der UNO verhandelt wird und in einem Ausarbeitungsstadium ist. Der Hintergrund hierfür ist ganz klar: Die indigenen Völker sind schon seit langen Jahren dabei, ihre Rechte zu definieren, haben hier auf internationaler Ebene einige Erfolge erzielt und wollen nun, daß diese Erfolge auch in die Umsetzung der Biodiversitätskonvention einfließen. Und das ist sehr wichtig, weil - wir haben es schon heute morgen gehört - die Biodiversitätskonvention sehr schnell und hektisch zu Ende gebracht wurde. Dabei sind genau die existierenden Bestimmungen auf internationaler Ebene zu indigenen Völkern nicht einbezogen worden, so daß teilweise Begrifflichkeiten oder auch Bestimmungen der Biodiversiätskonvention hinter diesen anderen Regelungen zurückfallen. Deshalb also ganz klar die Botschaft, hier die schon existierenden Normen oder Vorschläge für die weitere Interpretation und Umsetzung der Konvention über biologische Vielfalt zugrunde zu legen. Soweit die zentralen Ergebnisse aus dieser Lektüre, was die allgemeine Zielrichtung betrifft.

Ich möchte Ihnen jetzt noch eine Art Sammlung von konkreten Vorschlägen für die unmittelbare Zukunft referieren.

Eine sicherlich sehr weitgehende Forderung ist ein Moratorium für alle Arten von Bioprospektion in indigenen Territorien bis nicht nur indigene Rechte anerkannt sind, sondern auch durchgesetzt worden sind. Dazu vielleicht doch noch die Anmerkung: Insgesamt werden die Bestimmungen der Biodiversitätskonvention, die die indigenen Völker betreffen, als positiv bewertet. Dennoch ist man von indigener Seite bemüht, zu einer - man könnte das nennen - positiven Auslegung der Bestimmungen zu kommen. Das heißt z.B., daß gerade alle Bestimmungen, die die nationale Souveränität und die nationalen Rechte an biologischen Ressourcen betreffen, den indigenen Völkern in Hinblick auf die eigenen Territorien fast zu weitgehend sind. Sie möchten gerne darüber reden, wie eine Begrenzung der nationalen Souveränitätsrechte, so wie sie in der Biodiversitätskonvention enthalten sind, im Sinne einer vorteilhaften Interpretation für die indigenen Territorien erreichbar sein könnten.

Ganz wesentlich sind auch die Bestimmungen, die die Errichtung von Schutzgebieten der Biodiversität im Sinne der in-situ Erhaltung vorsehen. Hier kann es aus indigener Sicht nicht nur darum gehen, daß Indigene nicht vertrieben werden, was bei anderen Naturschutzeinrichtungen in der Vergangenheit durchaus der Fall war. Hier besteht vielmehr die Zielvorstellung, daß man solche Schutzgebiete praktisch gleichzeitig als indigenes Territorium anerkennt und damit eben Indigenen die Kontrolle und die Verwaltung dieser als Territorien anerkannten Gebiete überträgt. Es sollen auf alle Fälle Sonderrregelungen für die Zugangsrechte zu Ressourcen auf Indianergebiet geschaffen werden, für die indigenes Einverständnis vorausgesetzt wird. Natürlich sind hier in diesen eher pragmatischen Überlegungen auch die Fragen der Verteilung von Gewinnen von Bedeutung, aber eigentlich untergeordnet unter die eingangs skizzierten globalen Ziele der internationalen Verabschiedung indigener Rechte.

Pragmatisch und einfach ist der Vorschlag, daß sich ein Gremium aus dem Sekretariat oder ein noch zusammenzustellendes Gremium direkt mit anderen zusammensetzt und koordiniert (z.B. mit der Arbeitsgruppe indigener Rechte), die an der Allgemeinen Erklärung der Rechte indigener Völker beteiligt waren.

Konkrete Forderungen betreffen auch ein Ablehnungsrecht bezüglich des Zugangs zu biologischen Ressourcen auf indigenen Territorien - das ist auch einer der Vorschläge aus den Papieren. Dazu kommt ein Einspruchsrecht gegen Patentierung von Gegenständen indigenen Wissens und - das wurde heute morgen verschiedentlich schon angesprochen - die Prüfung von Möglichkeiten ganz eigener, auf die indigenen Erfordernisse zugeschnittener Rechtsregime hinsichtlich der Sicherung biologischer Ressourcen. Dabei wird nicht nur darauf gedrängt, daß es hierbei um die Sicherung kollektiver Rechte gehen müsse, sondern im Raum steht auch die Forderung nach einem generationsübergreifenden Schutz.

Soweit die Zusammenfassungen aus den Dokumenten, wobei es sich - wenn ich das noch einmal für die konkrete Arbeit zuspitzen darf - vor allen Dingen um personellen und zeitlichen Raum für die indigenen Organisationen handelt, um ihre Vorstellungen zu konkretisieren und weiterzuentwickeln. Ich denke, hier wird noch viel Arbeit zu tun sein. Wirklich wichtig ist aber eben, daß die schon erreichten - die schon anerkannten - Rechte indigener Völker auf internationaler Ebene hier einfließen können.

Christoph Matschie [MdB, SPD]: Moderator

Bevor ich die Runde eröffne, ist mir schon noch daran gelegen, das Gespräch noch einmal ein bißchen zwischen Ihnen, Herr Berg, und Ihnen, Herr Viteri, zu vertiefen.

Zunächst an Sie, Herr Viteri, die Frage: Würden Sie auch die Forderung erheben, wir brauchen zunächst ein Moratorium beim Zugang zu den biologischen Ressourcen in Territorien indigener Völker oder würden Sie sagen, unter bestimmten Bedingungen ist so ein Zugang möglich? Würden Sie Herrn Berg gestatten, Zugang zu Ihren Territorien zu haben? Sie haben gehört, welche Vorstellungen er hat, wäre das unter diesen Vorstellungen denkbar? Oder welche Bedingungen wären aus Ihrer Sicht notwendig, damit Herr Berg in Ihrer Region Prospektierung durchführen und dort Erkenntnisse gewinnen kann, die er vermarkten darf?

Alfredo Viteri [OPIP/COICA, Ecuador]:

Zum ersten Punkt, der Notwendigkeit eines Moratorium für Aktivitäten der Bioprospektion auf indigenen Territorien. Die damit verbundene Frage lautet: für wie lange soll dieses Moratorium gelten?

Das Moratorium könnte ein interessantes Instrument sein, wenn es dadurch möglich wird, mehr Klarheit über die Errichtung des Dialoges und über die vollständige Teilhabe der indigenen Völker zu erreichen. Ich möchte an dieser Stelle die Position darstellen, die wir in Ecuador bezüglich des Zugangs zu Ressourcen der biologischen Vielfalt haben. Wir sind der Ansicht, daß es den indigenen Völkern selbst zukommt, ihre eigene Kompetenz zur Bewirtschaftung und Nutzung der Ressourcen der biologischen Vielfalt zu entwickeln. Dadurch soll über gleichberechtigtere Austauschverhältnisse und Beziehungen und in einem Umfeld, das nicht nur die wirtschaftlichen Aspekte umfaßt, ein Beitrag für andere Völker erreicht werden. Wir fordern das Recht, unser Wissen zu nutzen und Institutionen zu schaffen, in denen dieses Wissen angewandt und fortentwickelt wird. Wir haben deshalb auch ein langfristiges Projekt für eine Indigene Universität des Waldes ins Leben gerufen, an der dieses Wissen weiterentwickelt werden soll. Wir fordern unser Recht ein, in den Zeiten des gegenwärtigen Wandels, den die Welt erlebt, an einer neuen Gesellschaft zu arbeiten, indem wir von innen heraus unsere Potentiale nutzen und die Kenntnisse fortentwickeln. Für uns ist es daher sehr schwierig, jetzt bilaterale Verträge abzuschließen, durch die unser Wissen, der reiche Wissensschatz ohne eindeutige Bedingungen und ohne einer weitergefaßten Zielsetzung genutzt werden kann. Ich glaube, daß die Führer der indigenen Völker entschlossen sein werden, mit Unternehmen wie der BAYER AG und anderen Firmen zu reden, wenn darin die Gleichberechtigung der Gesprächspartner eingeschlossen ist, wenn man den indigenen Völkern zubilligt, daß sie die Eigentümer sind und daß sie vollständige Rechte besitzen, politische Entscheidungen über die Bewirtschaftung der Ressourcen zu fällen. Wenn es sich aber lediglich um einen Dialog handelt, der nur Vereinbarungen im ökonomischen Bereich umfaßt, um daraufhin eigenständige Verhandlungen mit dem Staat einzugehen, glaube ich, wird es sehr schwierig sein. Wir, die indigenen Völker, sind der Ansicht, daß der Staat, obgleich er unbestritten der Herr über das Recht und Ressourcen ist, in der Pflicht steht, nicht nur die Rechte an der biologischen Vielfalt anzuerkennen, sondern auch an den natürlichen Ressourcen und an den indigenen Territorien.

Dies reicht über den Kampf der indigenen Völker hinaus und strahlt auch auf die Errichtung von Rahmenbedingungen aus, die die Entwicklung der indigenen Gesellschaft im Lichte der Gesellschaften und Kulturen der Welt auf eine integrale Weise zulassen. Das sind unsere Vor-stellungen und danach müssen die Gespräche und Verhandlungen in diesem Bereich auch die Vorstellungen der indigenen Völker miteinbeziehen und untermauern.

Christoph Matschie [MdB, SPD]: Moderator

Ja, das waren klare Bedingungen, die da genannt wurden für eine Zusammenarbeit. Vielleicht noch eine Frage an Herrn Berg, bevor wir die Runde aufmachen. Können Sie sich auf solche Bedingungen einlassen, hier mit gleichberechtigten Partnern unter diesen Umständen zu verhandeln? Sehen Sie hier vielleicht neue Konkurrenz wachsen? Ich denke hier noch mal an das Stichwort, möglicherweise eine eigen Universität der indigenen Völker, eigener wissenschaftlicher Entwicklung und auch des Bestrebens, die eigenen Kenntnisse weiter zu entwickeln und zu vermarkten. Ist da für Sie eine Partnerschaft denkbar oder wächst da neue Konkurrenz? Auf was können Sie sich einlassen?

Dieter Berg [BAYER AG]:

Ja, es gibt hier zwei Aspekte, über die wir nachdenken müssen. Der eine Aspekt ist die völkerrechtliche Frage. Da ist ein betriebswirtschaftliches Unternehmen eigentlich nicht gefragt. Das ist eine politische Entscheidung. Wenn wir die mal vorab im Augenblick beiseite lassen. Die Kooperation mit Partnern, egal wo in der Welt, erfordert auf beiden Seiten Kenntnisse und Know-how. Also ein gut ausgebildeter Partner ist uns eigentlich der liebste. Denn auch das Sammeln, das sinnvolle Sammeln, das intelligente, verständnisvolle Sammeln und Kooperieren erfordert Ausbildung, erfordert Kenntnisse auch technische Einrichtungen, d.h.
eine Universität wäre aus unserer Sicht überhaupt nicht hinderlich, im Gegenteil.

Christoph Matschie [MdB, SPD]: Moderator

Sie würden diese Universität auch unterstützen?

Dieter Berg [BAYER AG]:

Wie eine Universität sich finanziert, das.... Wenn Sie eine Kooperation eingehen, dann wird normalerweise definiert, was an Kooperationsvolumen dahinterstehen muß, sei es apparative Ausstattung, sei es Personalbedarf, seien es Dinge wie Chemikalien, Aufarbeitungsgerätschaften und ähnliches. Und das ist eine Investition, die getätigt wird. Und wenn sie notwendig ist, wird sie überall auf der Welt getätigt. Also, wenn ein Projekt definiert ist - im Rahmen eines Projektes - fließt dann selbstverständlich Geld. Aber lassen Sie mich zum anderen Problem kommen, was glaube ich, hier noch nicht so ganz offen angesprochen worden ist. Es gibt zwei grundsätzlich konträre Haltungen: zum einen die bei indigenen Völkern vorherrschende, langfristig ein commitment zu bekommen, langfristig unterstützt zu werden, um ihre Position auch langfristig zu sichern. Dem steht aus ökonomischer Sicht in Projekten eine relative Kurzfristigkeit entgegen. D.h. man macht kurz- bis mittelfristige Forschungsprojekte über einen Zeitraum von drei, fünf oder acht Jahren - also in der Größenordnung - und kann sich sicher sein, daß sie nach fünf oder acht Jahren beendet sein werden. Für eine Firma, die betriebswirtschaftlich kalkulieren muß, ist kein commitment über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten zu erwarten. Und da ist ein grundsätzliches Problem, wenn man die Situation indigener Völker sieht, dann ist die absolute Notwendigkeit ein langfristiges commitment - und das kann ein Unternehmen nicht geben.

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Diskussion Runder Tisch III

Giselle Tamayo [INBio]:

Ich möchte mich auf den Kommentar von Herrn Berg und seine Beispiele beziehen und vielleicht das Beispiel noch ein wenig ausweiten. Vielleicht können wir ein bißchen die Frage erhellen, die jetzt am Ende aufkam, nämlich: welchen Anteil hat das Ursprungsland, aus dem die Proben stammen?

Dafür möchte ich ein Beispiel anführen, daß für uns auch von großem Interesse ist, und zwar Insektizide. Nehmen wir eine Probe, z.B. eine Pflanze, die weiterentwickelt werden soll, die in gewisser Weise durch Beobachtungen aufgefallen ist, da sie von Insekten nicht gefressen wird. Uns reicht es herauszufinden, ob die Pflanze von Insekten und, wenn ja, von welchen Insekten gefressen wird. Die Natur hingegen hat Jahrmillionen dafür gebraucht, bis sich in dieser Pflanze ein Wirkstoff entwickelt hat, der sie gegen bestimmte Insekten schützt. Das steht hinter der Frage: man beginnt damit einen Wirkstoff zu isolieren, es wird aber vollständig vergessen, wie lange die Natur gebraucht hat, um diesen Wirkstoff zu entwickeln - um diese wissenschaftliche Entdeckung erst möglich zu machen. In diesem Sinne machen wir nichts anderes, als die Natur zu entdecken, oder anders gesagt: zu entdecken, daß man mit Wasser kocht. Denn das Phänomen gab es bereits vorher. Das gilt aber nicht nur für Insektizide, denken wir z.B. an Antibiotika oder andere Dinge, wir kommen immer darauf zurück, Informationen aus der Natur zu gewinnen. Darum ist es von Wichtigkeit, die Natur zu respektieren und genau deswegen sieht sich INBio in der Pflicht, etwas der Natur zurückzugeben; nicht nur die Ressourcen der biologischen Vielfalt zu erhalten, sondern die Natur an sich zu erhalten, die Millionen von Jahren zu respektieren, die die Natur für eine Selektion brauchte.

Marina Steindor [MdB, Bündnis 90/Die Grünen]:

Ich finde die Debatte ungeheuer spannend. In einigen Punkten haben mich die Argumente allerdings etwas verwirrt. Der Vertreter von BAYER AG hat sehr stark darauf reflektiert, daß er eigentlich die Pflanze nicht braucht, er muß auch nicht in den Urwald gehen, er braucht eigentlich nur die Formel, die Publikation und dann synthetisiert er. Das ist der eine Pfad.

Dann hat Herr Viteri sehr anschaulich von den kulturellen Aspekten am Verhältnis zur Natur von indigenen Völkern gesprochen, auch das sehr gespannte Verhältnis zu den gängigen Naturwissenschaften skizziert, um dann am Ende eine Universität im Regenwald zu fordern. Da habe ich die Frage, was soll denn da für Wissenschaft gemacht werden? Denn in dem Augenblick, da der Vertreter von BAYER AG sich positiv auf dieses Projekt bezogen hat, entstanden in seinem Kopf gleich Vorstellungen eines klassisch naturwissenschaftlichen Labors mit bestimmten Apparaturen, die er dann als BAYER AG-Vertreter selbstverständlich mit größtem Vergnügen unterstützen und dort zur Verfügung stellen würde. Ich habe den Eindruck, daß sich da in der Herangehensweise etwas bricht, daß es nicht unbedingt kompatibel ist.

Bei der sehr interessanten Exegese der Papiere zu den Beschlußlagen von bestimmten indigenen Gruppen habe ich den Eindruck gewonnen - auch in den Ausführungen von Herrn Viteri -, daß die Biodiversitätskonvention in einer gewissen Weise überfrachtet wird, daß versucht wird, sie als Instrument zu nutzen gegen historisch katastrophale Übergriffe der jeweiligen Staaten auf die indigenen Völker, wo ihnen etwas angetan worden ist, wo Nutzungsrechte an die Industrie für die Gewinnung eines Rohstoffes auf dem Gebiet von indigenen Völkern bspw. in Ecuador erteilt worden sind. Für mich zielt die Frage jetzt auf die Strategie: versuchen die Indigenen jetzt im Vorfeld der Verhandlungen mit der Industrie sicherzustellen, daß die indigenen Völker mehr Schutzrechte erhalten als sie es über den Staat bisher erreichen konnten? Ist die Stoßrichtung praktisch die, zu versuchen, nicht noch einmal diese schlimme Erfahrung zu wiederholen, die man mit seinem Staat erlebt hat, der - nach der Konvention - als ausgewiesener nationaler Souverän, das Eigentumsrecht an der Biodiversität hat?

Ich weiß nicht, ob ich das klar ausgedrückt habe, aber es scheint nun so zu sein, daß hier quasi hintenherum über die Verhandlungen mit der Industrie eine Auseinandersetzung geführt werden soll, die nach unserem Verständnis eines Staates, eines Staatsgebildes eigentlich auf einer anderen Ebene ausgefochten gehört. Dieser Punkt interessiert mich als Parlamentarierin brennend. Insbesondere, da die indigenen Völker jetzt im Rahmen der Biodiversitätskonvention auch einen speziellen Sitz im Sekretariat bekommen haben - also die Debatte dort noch sehr virulent werden wird.

Thomas Weidenbach [WDR, Köln]:

Ich habe auch eine Frage an Herrn Berg. Und zwar ausgehend von der Überlegung, daß indigene Völker ein Moratorium in Erwägung ziehen oder als Forderung in den Raum stellen, hätte mich mal interessiert, welche Auswirkungen nach Ihrer Einschätzung dies überhaupt auf die Pharmaunternehmen haben würde? Ist ethnobotanisches Wissen, ist indigenes Wissen etwas, das in der heutigen Produktentwicklung eines internationalen Konzerns wie BAYER AG eine Rolle spielt oder nicht?

Ist das sozusagen ein Faustpfand, der gar keiner ist oder ist das tatsächlich etwas, was reelle Macht in den Händen der indigenen Völker darstellt? Oder ist das etwas, von dem wir nur glauben, daß indigene Völker mit ihrem traditionellen Wissen auch über Macht verfügen?

Das ist das eine: ethnobotanische Forschung im Verhältnis zu dem, was INBio und Merck betreiben, was überhaupt nichts mit ethnobotanischem Wissen zu tun hat - reines, nicht selektives Massenscreening.

Und das zweite was mich interessiert, auch auf dem Hintergrund der Diskussion von heute morgen: Hat sich bei BAYER AG eigentlich seit Inkrafttreten der Biodiversitätskonvention irgend etwas verändert? Irgend etwas im Abschluß von Verträgen mit anderen Ländern, mit Institutionen?

Sie haben ja schon erzählt, daß Sie zahlreiche Kooperationsverträge haben und daß Kooperation per se überhaupt nichts Neues für Ihre Firma bedeutet. Aber die ganz neuen Gedanken des Naturschutzes, der Fragen von benefit-sharing, den Beteiligungen - das ist ja schließlich auch nationales Recht hier in der Bundesrepublik. Hat das also in irgendeiner Form Einfluß gehabt auf Ihre Form der Verträge oder handelt es sich hier um etwas, das im Augenblick zwar per se Recht ist, aber keine Auswirkungen hat?

Dieter Berg [BAYER AG]:

Zur Frage oder Bemerkung von Ihnen über die Evolution und die Erkenntnisse, die daraus gewonnen werden. Darin liegt der Charme einer solchen Forschung, darin liegt die Chance. Es muß sich erweisen, ob diese Chance tragfähig ist. Es gibt noch kein Paradebeispiel dafür - kein praktisches Beispiel. Aber ich glaube schon - das geht auch in die Frage der Ethnobotanik ein - an die statistische Chance auf Erfolg durch Beobachtung evolutiver Verhalten und ich glaube, das ist der Charme dieser Forschung, daß man Standortvorteile sieht, daß man weiß, welche Pflanzen befallen werden, welche nicht, daß man sich z. B. von Insekten nicht befallene Pflanzen anschaut, und daß sich nur hier eine Chance auf einen wissenschaftlichen Erfolg erhöht.

Frau Steindor meint, man brauche die Pflanze nicht. Das ist im Prinzip auch richtig. Ich möchte hier mit zwei Beispielen zeigen, wo die Pflanze, wenn sie dann genutzt wird, hinderlich war. Das eine ist Taxol, was wahrscheinlich die meisten kennen, das aus Taxus gewonnen wird. Ursprünglich aus der Rinde, jetzt aus den Nadeln - ein Krebsmittel. In diesem Fall ist die Produktion von Taxus so aufwendig und flächenaufwendig, daß Natur- und Umweltschützer zwangsläufig die Frage stellen, auf wessen Kosten geht das? Aus der Rinde war es nicht produzierbar, weil der Anteil, die Menge der Pflanzen einfach zu hoch war. Ob es aus Nadeln zu einem vernünftigen Produkt führen kann, ist auch noch fraglich.

Das zweite Beispiel, und das wird Herr Naumann besonders gerne hören, das ist für mich Neem, ein ganz klassisches Beispiel - ein Insektizid aus dem Samen einer Pflanze. Wenn man dann mal umrechnet und die Argumente gehört hat, warum eigentlich ein solches Präparat auch aus umweltschützerischen Gesichtspunkten nicht vermarktet werden sollte, muß man sich die Frage stellen, in welcher Qualität, in welcher Menge muß ein Inhaltsstoff in einer Pflanze vorkommen, wenn diese dann als Pflanze vermarktet werden soll. Ich glaube, wir limitieren uns hier selbst und ich gebe Ihnen hiermit völlig Recht: wir brauchen die Strukturen, um chemisch daran arbeiten zu können. Die Vermarktung von Pflanzeninhaltsstoffen mag in einigen speziellen Indikationen für die Pharmaindustrie möglich sein, sie ist sicherlich nicht beim Pflanzenschutz möglich, wo größere Tonnagen gehandelt werden müssen.

Dann hatten Sie die Frage gestellt, Frau Steindor, eine indigene Universität, was forschen? Daß ich zunächst an Naturwissenschaften denke, ist klar. Wenn Sie jemanden fragen, der von einer mechanischen Firma kommt, der hätte vielleicht gedacht, an Windenergie und Wasserenergie zu forschen, also Gebieten, die man sinnvollerweise nach bestem Wissen und Gewissen im Firmeninteresse fördern kann. Dazu müßten Sie weitere Partner fragen, die sicherlich auch andere Interessen haben und dann werden Sie sicherlich auch schon eine Universität zusammenkriegen, die eine ganz nette Anzahl von Disziplinen hat.

Zu der Bemerkung, daß das Abkommen möglicherweise überfrachtet wird, gebe ich Ihnen Recht. Sie sehen ja schon an diesen Standpunkten, von den Rechten indigener Völker bis hin zu der chemischen Struktur, wenn sie nachsynthetisiert wird, das ist ein ganz schöner Bogen. Wenn man das genau anschaut, ist das Abkommen wohl doch überfrachtet worden, denn inhaltlich ist es so breit angelegt, daß alles darunter fällt und wir sitzen ja auch hier eigentlich, um miteinander zu reden, um zu verstehen, was darunter fällt, um überhaupt einmal kennenzulernen, wer ist an dem ganzen Prozeß überhaupt beteiligt. Ich glaube, das ist ein gutes Zeichen dafür, daß das Abkommen überfrachtet ist. Meiner Meinung nach trifft das jedenfalls zu.

Dann hatten Sie noch die Frage nach den Kooperationspartnern gestellt, wenn der nationale Souverän die Gelegenheit nutzt, um den indigenen Völkern vorab Schwierigkeiten zu bereiten. Das ist eine Rolle, die können wir eigentlich gar nicht ausfüllen. Wenn wir verhandeln, gehen wir normalerweise zu einem Institut, zu einem Wissenschaftler, der die Kompetenz hat und mit dem wir über wissenschaftliche Problemstellungen und über die Möglichkeiten der Kooperation diskutieren. Wir gehen nicht zu einer Regierung mit der Forderung: „Geh mal in das indigene Volk und kümmere Dich darum, daß wir das und das kriegen." Die Vorgehensweise sehe ich bei weitem nicht. Die Vorgehensweise ist immer, ein Projekt zu haben und dieses Projekt zu definieren und dann die Frage zu stellen, mit wem müssen wir reden? Zunächst mit dem vor Ort und wenn es um indigenes Wissen geht, dann werden wir mit dem indigenen Volk reden oder mit dem Vertreter dieses Volkes.

Und da sind wir bei der Frage, die Herr Weidenbach gestellt hat, nämlich die Auswirkung indigener Kenntnisse auf die Forschung. Es gibt eine ganze Reihe von Entwicklungskandidaten, die gewissermaßen „einfach mal so" bearbeitet worden sind. Ich denke da an eine Kooperation unserer Firma mit China, wo auch die Frage nach empirischen Heilpflanzen, also natürlichen Inhaltsstoffen, gestellt wurde. Es gab eine ganze Reihe interessanter Wirkungen. Letztendlich waren die aber nicht vermarktbar. Mir fällt im Moment ein Handelspräparat ein; auf Forschungsebene schon einiges mehr. Wir selbst haben ein Projekt, das läuft allerdings nicht in Kooperation mit Externen, sondern innerhalb Deutschlands. Dabei hat die Standortwahl bestimmter Pilze, die Beobachtung, daß daneben keine Nematoden mehr an Hölzern oder an Pflanzen auftreten, dazu geführt, daraus ein Nematozid zu isolieren. Also, wenn Sie so wollen, gab es hierbei auch die ethnobotanische Beobachtung. Ich glaube, daß das nur die Statistik erhöht.

Dann wollten Sie noch wissen, inwieweit diese Ergebnisse des Biodiversitätsabkommen in die Verträge einfließen. Also, ich habe noch keinen Vertrag gesehen, in dem stand, daß die Ergebnisse daraus für Umweltschutz zu verwenden seien. Wir haben solche Verträge noch nicht geschlossen. Mit INBio gibt es die natürlich, aber in unserem Fall haben wir noch keinen geschlossen, das taucht in Verträgen noch nicht auf.

Uwe Kerkow [freier Journalist]:

Ich habe nur an Herrn Viteri und Frau Roßbach eine ganz konkrete Frage. Ich glaube, in Artikel 15 gibt es einen Passus, der den indigenen Gemeinschaften Rechte an der Biodiversität einräumt. Auch wenn das nicht sehr präzise gefaßt ist: reicht das oder reicht das nicht? Das ist im Grunde eine Ja/Nein Antwort.

Alfredo Viteri [OPIP/COICA, Ecuador]:

Ich möchte noch ein paar grundsätzliche Anmerkungen zu der Universität machen. Die Organisation der indigenen Völker von Pastaza hat vor einem Jahr eine Kommission gegründet, die an einer Machbarkeitsstudie für die Errichtung der Universität arbeitet. Als Grundstock wurden 5.000 Hektar Wald, ausgestattet mit wertvollen Ökosystemen, ausgewiesen. Hier soll der Sitz der Universität sein. Bis Oktober diesen Jahres [1996] hoffen wir, die erste Projektphase abzuschließen, d.h., daß die Lehrpläne und die Funktionsweisen der Universität bestimmt sind. Es handelt sich um eine alternative Universität, die den Interessen der indigenen Völker an der Entwicklung ihrer Gesellschaft Rechnung trägt und ihre Suche nach einem gleichberechtigteren interkulturellen Austausch unterstützt. Zu der Arbeit, die wir im Rahmen des Projektes leisten, gehören auch die Erstellung eines Finanzierungs- und eines Operationsplanes.

Ich wollte aber auch noch etwas zu dem Aspekt sagen, welche Aktivitäten zum Aufbau von Kooperations- und Dialogmechanismen notwendig sind, insbesondere in bezug auf die Privatunternehmen, die nur ein kurzfristiges Forschungsinteresse bei der Entwicklung der Bioprospektion haben. Ich denke, es ist allseits bekannt, daß wenn wir vom Wissen und von der Erforschung der genetischen Ressourcen reden, wir über die Entwicklung der Wissenschaft in diesem Bereich reden. Nach der Informatik wird dieses Wissensfeld auch die Wissenschaft weltweit beeinflussen und verändern. Eine neue Ära der Biotechnologie hat begonnen und viele Aspekte des Lebens auf dieser Erde sind davon betroffen.

Die Unternehmen, die Universitäten und Politiker haben m.E. bei der Diskussion über die Biodiversität sehr genaue Projekte im Kopf. Auch wir Indios wissen genau, worüber wir reden und für uns können diese punktuellen kurzfristigen Verträge nur einen Teil der interdependenten Wirklichkeit, der Gesamtvision widerspiegeln. Deshalb ist die Erkenntnis der indigenen Völker wichtig, daß es sich hierbei um ein Projekt für ein neues Leben im nächsten Jahrtausend handelt.

Zu der Frage, ob der Artikel 15 der Konvention uns betrifft, kann ich nur sagen, daß er sehr weitgefaßt ist und in vielerlei Hinsicht im bezug auf indigene Rechte präzisiert werden muß. Weiterhin ist grundsätzlich festzustellen, daß es große Widersprüche gibt, daß die Visionen der Staaten, der Unternehmen und der indigenen Völker weit auseinandergehen. Das war geschichtlich immer schon so, nicht nur in diesem Fall. Und immer waren es die indigenen Völker, die letztendlich die Opfer waren. Wir haben den Anspruch, eine unterschiedliche Sicht der Dinge zu haben, sehr teuer bezahlt.

Ich denke, daß es wichtig ist, zu Abkommen zu gelangen, damit zu beginnen, die Rechte zu respektieren, welche wir an der biologischen Vielfalt besitzen und auf eine andere Sicht der Dinge. Schließlich sollte auch die Teilhabe der Indigenen rechtlich abgesichert sein. Sie sollten nicht nur bei Konferenzen angehört werden, sondern sie sollten auch im Rahmen von internationalen Konventionen die Möglichkeit zur Mitsprache und zur Gestaltung politischer Räume haben. Es geht nicht allein darum, die Stimmen zu hören, sondern auch Wertschätzung für die Präsenz indigener Völker in den internationalen Entscheidungsgremien zu üben. Das ist für uns von fundamentaler Bedeutung.


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