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Die Jakarta-Konferenz 1995 - und die offenen Problempunkte
Runder Tisch I


Thomas Weidenbach [WDR-Köln]: Moderator

Ich bin Journalist und beschäftige mich - wie einige von Ihnen wissen - seit einigen Jahren mit diesem Themenbereich, weil ich seit der Umweltkonferenz in Rio alle Vertragsstaatenkonferenzen beobachtet und als Journalist darüber berichte und die verschiedenen Personen und Interessenkonflikte in diesem Themenbereich kennengelernt habe. Ich hatte auch die undankbare Aufgabe, daß, worüber wir hier auf einem sehr hohem Niveau diskutieren in der Öffentlichkeit klar zu machen, weil in der Öffentlichkeit viele von diesen Fragen ja überhaupt nicht bekannt sind. Das war es im Prinzip schon zu mir.

Hier oben sieht es jetzt so aus, daß Herr von Websky vom Bundesumweltministerium zuerst zehn Minuten sprechen soll, dann Herr Plän aus der Sicht der NROs dazu Stellung nimmt und anschließend ebenso Frau Diana Pombo aus der Sicht einer lateinamerikanischen NRO. Danach hat das Publikum die Möglichkeit, Kommentare abzugeben oder Fragen zu stellen.

Michael von Websky [Unterabteilungsleiter BMU] : Impulsreferat

Ich gehe mal davon aus, daß Sie alle hier mit dem Thema recht vertraut sind, was aber nicht ausschließt, daß Sie ab und zu mal wieder in den Text der Konvention hineingucken sollten, denn der Text klärt viele Streitfragen. Der Text der Konvention läßt aber auch erkennen, welche Fragen nach harter politischer Diskussion eben nicht so sauber gelöst worden sind. Es sind die Stellen, wo der Text z.T. undeutlich ist, sehr lange Paragraphen hat oder sogar intellektuelle Positionen enthält, die nicht ganz miteinander vereinbar sind.

Die Konvention ist ja neben der Klimakonvention die zweite wichtige Konvention, die 1992 in Rio de Janeiro gezeichnet worden ist. Sie ist inzwischen in Kraft getreten. Etwa 140 Staaten haben sie sogar ratifiziert. Ich werde nicht müde daran zu erinnern, daß dies auch eine Naturschutzkonvention ist und nicht nur eine Konvention über Gentechnik, genetisches Material, Zugang, Gewinntransfer und Patentrechte, sondern eben auch eine Konvention, die insgesamt dem Naturschutz einen gewaltigen Sprung nach vorne verhelfen soll. Es ist kein Geheimnis, daß wir in Deutschland diese Konvention auch benutzen wollen, um die eigene Diskussion in unserem Lande in Bezug auf den Naturschutz voranzubringen. Wir haben gerade gegenwärtig den dritten Anlauf zur Novellierung unseres Bundesnaturschutzgesetzes unternommen. Und die Diskussion über die Vorbereitung der dritten Vertragsstaatenkonferenz im November diesen Jahres [1996] und die Diskussion über die Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes, so hoffen wir, verstärken sich gegenseitig.

Im Naturschutz geht es, kurz gesprochen, darum, daß die klinischen Methoden der Roten Listen, wo man nur auf einzelne Arten schaut und sich darauf beschränkt, daß es bestimmte Naturschutzgebiete gibt, ganz offenkundig unzulänglich sind - jedenfalls als Strategie in einem so dicht besiedelten Land wie Deutschland und daß wir eine Naturschutzstrategie brauchen, die das gesamte Staatsgebiet betrifft, also vor allem Dingen die verschiedenen Typen von Schutzgebieten und auch die „freie Landschaft", die nicht unter irgendeinem Schutzstatus steht. Es geht also um eine flächendeckende Strategie zum Schutz, zur Erhaltung unserer Kulturlandschaften und der biologischen Vielfalt insgesamt. So sehen wir die Konvention. So hat sie für uns auch den entscheidenden gesellschaftspolitischen Wert.

Art.19: Umgang mit Biotechnologie

und Nutzungsregelung

(1) Jede Vertragspartei ergreift, sofern angebracht, Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und politische Maßnahmen, um für die wirksame Beteiligung derjenigen Vertragsparteien, insbesondere unter den Entwicklungsländern, welche die genetischen Ressourcen für biotechnologische Forschungsarbeiten (!!) zur Verfügung stellen, an diesen Arbeiten zu sorgen, die nach Möglichkeit in diesen Vertragsparteien durchgeführt werden sollen

(4) Jede Vertragspartei übermittelt selbst alle verfügbaren Informationen über die Nutzung und die von ihr vorgeschriebenen Sicherheitsbestimmungen für den Umgang mit diesen Organismen sowie alle verfügbaren Informationen über die möglichen nachteiligen Auswirkungen der einzelnen betroffenen Organismen für die Vertragspartei, in die diese Organismen eingebracht werden sollen....

Nun zu Jakarta speziell. Das war die zweite Vertragsstaatenkonferenz [November 1995]. Die erste in Nassau ein Jahr vorher war ja ein recht mühseliges Unterfangen, wo man sehr, sehr viel Zeit mit den rules of procedures verbracht hat. Das haben wir auch in Jakarta getan, aber
Jakarta war wohl die erste Vertragsstaatenkonferenz, wo man bereits dies und jenes zur Sache diskutieren konnte. Kernstück in Jakarta war die Einigung auf ein Mandat zur Aushandlung eines sog. Biosafety-Protocol, also ein völkerrechtlicher Zusatztext über die sichere Weitergabe von genetisch modifizierten lebenden Organismen. Über die Einzelheiten, was das Mandat enthält, was es schwierig macht, können wir vielleicht auch noch reden.

Seele des Mandats ist der Artikel 19 Abs. 4 der Konvention, der davon spricht, daß man sich auf einer Vertragsstaatenkonferenz möglichst rasch einigen möge, ob ein solches Protokoll notwendig ist und, wenn ja, mit welchem Inhalt. Das sind zwei ganz verschiedene Prüfungsstufen. Im übrigen gab es in Jakarta ganz erfreuliche Ergebnisse beispielsweise zum sog. Clearinghouse Mechanism. Wenn Sie in den Text gucken, dann ist in den Artikeln 16, 17, 18, 19 sehr viel die Rede von Technologietransfer und vom Know-how-Transfer und das ist ausgesprochen schwierig zu organisieren. Ein Ansatzpunkt dafür ist der besagte Clearinghouse Mechanism CHM.

Bei dem Modell geht man davon aus, daß es ein Netzwerk von kundigen Stellen gibt. Das können staatliche Behörden sein, das können Universitäten sein, das können auch anders organisierte Stellen sein, die international darüber Auskunft geben können, wer beherrscht welche Technologien und welche nationalen Rechtsvorschriften und welche Praktiken gibt es. Also ein komplexes Informationssystem. Einigkeit besteht darüber, daß wir keine neue große internationale Bürokratie haben wollen, also kein Institut in Montevideo oder in Montreal mit 1000 Mitarbeitern, welches in großen Datenbänken all diese Informationen verwaltet und auf Anfrage bereit halten kann. Der Grund ist ganz einfach: es wäre erstens eine internationale Bürokratie, über deren Leistungsbereitschaft und Effizienz man sich schon im vornherein viele Gedanken machen muß, und zweitens ist das, was in all diesen Dateien mühselig aufgenommen wurde, im selben Moment schon veraltet. Das heißt, der CHM muß absolut aktuell arbeiten, denn es handelt sich um Rechtsmaterien, die einem sehr schnellen Wandel unterworfen sind.

Es hat einige Fortschritte in Jakarta bei der Organisation des Know-How-Transfers der wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit gegeben.

Es hat leider wenig Fortschritte gegeben in Hinblick auf das Finanzierungsinstrument.

Das ist ein Streit, der Ihnen bürokratisch und langweilig erscheinen mag, der aber für das praktische Funktionieren der Zusammenarbeit zwischen den Staaten von allergrößter Bedeutung ist. Da geht es um verschiedene Dinge:

Global Environment Facility, GEF:

Gemäß Art.39 der Biodiversitätskonvention kann GEF nur interimistisch tätig werden und auch nur, wenn es im Sinne von Art.21 umfunktioniert wird. Art.21 nennt dafür vor allem 2 Elemente: (1) die politische Autorität der COP anerkennen , und (2) selbst nach demokratischen Spielregeln operieren.

GEF hat gegen Punkt (1) dadurch verstoßen, daß es sich gegen die Formulierung „unter der Autorität der COP arbeiten" in seinem Reglement gewehrt hat. Paragraph 6 des Reglements spricht jetzt nur noch von der akzeptierten Orientierung durch die COP ("guidance" und being "accountable to" the COP). GEF verstößt auch gegen den zweiten Punkt, allein dadurch, daß seine Politik von Staaten bestimmt wird, die die Konvention nicht ratifiziert haben (USA). Damit wird die GEF-Politik von Staaten maßgeblich beeinflußt, die sich nicht mit der Konvention einverstanden erklärt haben und sich folglich nicht durch sie gebunden fühlen.

Aus beiderlei Gründen dürfte GEF nicht als das einzige geeignete Durchführungsinstrument der Konvention angesehen werden.

Erstens: die Konvention sieht vor, daß sie einen eigenen Finanzierungsmechanismus braucht, um ihre operativen Projekte zu bezahlen. Da besteht im Moment noch völkerrechtlicher Streit, ob dieser Finanzierungsmechanismus die GEF sein soll, die Global Environment Facility, ein junges Unternehmen der Weltbank mit einem eigenen Budget von zur Zeit 2 Mrd. US-$ für die Dreijahres-Tranche 1995, 96, 97 mit einer eigenen Verwaltung. Chef der Verwaltung ist Mohammed El-Ashry.

Bei der Klimakonvention ist man da schon einen Schritt weiter. Man hat insbesondere ein Verwaltungsübereinkommen anerkannt. Darin ist die Kooperation zwischen dem GEF und dem Sekretariat geregelt. Das ist im praktischen Leben ungeheuer wichtig, in Jakarta ist das dummerweise gescheitert.

Man hat das vorbereitete sog. Memorandum of Understanding, was diesen Finanzmechanismus zwischen dem Sekretariat der Konvention und dem GEF regelt, verworfen - aus Naivität, z.T. aus Destruktion. Man kann es nur ahnen, es waren vielleicht auch Ungeschicklichkeiten von Seiten des GEF im Spiel. Der Sache hat es sehr geschadet, denn wir werden und auf der 3. Vertragsstaatenkonferenz im Herbst

diesen Jahres [Buenos Aires, November 1996] erneut diesem Thema widmen müssen und mir persönlich ist sehr schleierhaft, wie man ein sichtbar besseres und zweckmäßigeres Memorandum of Understanding zwischen dem Biodiversitätssekretariat und dem GEF regeln soll.

Also, es geht darum, welche Projekte müssen wie angemeldet werden? Welche Anforderungen stellt man an die Dokumentation? Gibt es Prioritätenlisten? Gibt es regional Prioritäten? Gibt es ein Windhundprinzip „First in, first serve", ja oder nein? Gibt es bestimmte qualitative Reihungen für Projekte erster, zweiter oder dritter Wahl? Wie ist die Finanzierung zu gestalten für Projekte, die sich über mehrere Jahre erstrecken müssen? Meistens ist es ja so, daß man bei einem komplizierten Projekt eine schlanke Auf-Galopp-Phase hat, mit Planungskosten, dann kommen relativ große Transferkosten, dann kommen im dritten, vierten und fünften Jahr wieder eine abfallende Phase der Übergabe, der Projektkonsolidierung. Also ein Projekt erstreckt sich über drei oder vier Jahre. Wie finanziert man das? Wie ist das haushaltstechnisch abzusichern? Das mag Ihnen langweilig erscheinen, ist aber von der Verwaltung her ganz schwierig in den Griff zu bekommen.

Ein zweiter Streit über den Haushalt, der ganz unglücklich ist, sind die Beitragszahlungen zu den Sekretariatskosten, das sog. Sekretariatsbudget. Da gibt es natürlich die UN-Beitragsskalen, die mehr oder weniger im Gebrauch sind und die Frage, ob man sie, so wie sie in den UN gelten, übernimmt.

Und dann gibt es noch einen dritten Komplex, nämlich, wenn man sich nicht einigen kann, wie man abstimmt: 3/4, 4/5, einigt man sich auf Konsensbetrieb? Was bedeutet das, wenn ein Staat Vetorecht hat? All diese Fragen sind leider Gottes in Jakarta offengeblieben und werden in Buenos Aires im Herbst diesen Jahres wieder aufkommen.

Ganz wichtig ist auch eine bürokratische Sache gewesen, die Ihnen auch unwichtig erscheinen mag: die Grundsätze für die Nationalberichte. Das Berichtswesen spielt eine ganz große Rolle in der Zusammenarbeit der Völker. Jeder muß zeigen, was er zu Hause macht. Er muß sagen, was er geschafft hat. Er muß sagen, was er nicht geschafft hat. Er muß die Gesetze, die Verwaltung, die Geldbeiträge angeben, die Projekte beschreiben. Es muß nach einem bestimmten vergleichbaren Ritual berichtet werden. Und dazu wurden die Eckpunkte in Jakarta beschlossen. Die ersten großen Nationalberichte, die wir überhaupt fertigen müssen, müssen wir 1997 vorlegen, also auch nicht im Herbst 1996 [Buenos
Aires]. Weil die Deutschen aber so fleißig sind, so schnell und so gut sind, haben sie trotzdem bereits 1995 einen ersten Bericht vorgelegt. Den kann ich nur allen empfehlen. Den gibt es gratis im BMU. Das ist ein
erster Versuch der Bundesregierung, darzustellen, welche Kapitel umzusetzen sind und wie. Eine Strategie - eine langfristige Strategie enthält er natürlich noch nicht.

Ein letzter Punkt noch: Es gibt eine gedruckte Tagesordnung für die Konferenz in Buenos Aires. Es ist, glaube ich, das einfachste, wenn diese Tagesordnung hier einfach abgelichtet und verteilt wird, die Tagesordnung des technisch-wissenschaftlichen Ausschusses, der ja sechs Wochen vorher, nämlich in der ersten Septemberwoche in Montreal tagt. Diese beiden Konferenzen hängen intim zusammen und viele Dinge, die auf der 3. Vertragsstaatenkonferenz in Buenos Aires besprochen werden, werden im technisch-wissenschaftlichen Ausschuß vorbesprochen. Ganz entscheidend ist, daß das Sekretariat bestimmte Papiere vorbereitet, u.a. Papiere zum Schutz der geistigen Eigentumsrechte und für die Implementierung der Konvention. Ich glaube, alles weitere sollten wir der Diskussion überlassen.

Thomas Weidenbach [WDR, Köln]:

Thomas Plän ist jetzt an der Reihe, wobei ich anmerken möchte, das nicht zu vergessen, was Sie, Herr von Websky, am Schluß gesagt haben. Das Thema unserer Veranstaltung ist gerade die Biodiversitätskonven-
tion unter Berücksichtigung der Fragen des Zugangs zu genetischen Ressourcen und der Fragen der Rechte am geistigen Eigentum. Wir sollen uns darauf ein bißchen konzentrieren. Da würde mich nun gerade von Dir, Thomas [Plän], interessieren, daß Du die Diskussion von Rio über Bahamas bis nach Indonesien unter diesem Gesichtspunkt ein bißchen reflektiert.

Thomas Plän [Institut für Naturschutzforschung, Regensburg]:
Impulsreferat

Ein paar Worte zu meiner Person. Ich bin gemeinsam mit Gudrun Henne von ECOTERRA, die Sie später noch erleben werden, Doyén des Forums Umwelt & Entwicklung, der Arbeitsgruppe Biologische Vielfalt. Auf den internationalen Tagungen vertrete ich also mit ihr gemeinsam die deutsche NRO-Szene auf der internationalen Ebene und versuche da, in besonderem Maße sowohl national wie auch im internationalen Verbund, Einfluß zunehmen. Ich selber bin Geschäftsführer des Instituts für Naturschutzforschung, das sich mit Biodiversitätsforschung und Umweltinformation befaßt und eine Gründung aus den Reihen des BUND ist. Ich will mich in der Tat konzentrieren auf die beiden Aspekte des Zugangs zu genetischen Ressourcen und der Eigentumsfragen und dreigeteilt vorgehen: Ihnen ganz kurz die Beschlußlage von Jakarta vor Augen führen, eine Bewertung abgeben und dann einige Ideen, Erwartungen formulieren, wie es in Richtung Buenos Aires weitergehen könnte.

Was den Zugang zu genetischen Ressourcen angeht, war die Beschlußlage in Jakarta äußerst mager. Sie lautete in etwa, daß das Sekretariat der Konvention weiterhin Informationen über Regelungsmechanismen zur Umsetzung des relevanten Artikels 15 der Konvention zusammentragen soll, einschließlich der Interpretation von Schlüsselbegriffen, die in diesem Artikel 15 vorkommen. Schlüsselbegriffe sind: der Prior Informed Consent, Mutually Agreed Terms, Fair and Equitable Sharing of Benefits. Weiterhin soll eine Kompilierung der sozialen und ökonomischen Bewertung genetischer Ressourcen - einschließlich der Nachfrage der Industrie nach genetischen Ressourcen - vom Sekretariat geleistet werden. Außen vor geblieben ist der von einigen Signatarstaaten, und v.a. von dem Signatarstaat USA betriebene Wunsch, die menschlichen genetischen Ressourcen unter dem Regime der Konvention über biologische Vielfalt abzuhandeln.

Was die Beschlußlage hinsichtlich der Eigentumsrechte angeht, lautete der Auftrag von Jakarta an das Sekretariat der Konvention, die Position der Konvention zu den TRIPS zu überprüfen. Es soll eine entsprechende Studie in Auftrag gegeben werden. Es soll darüber hinaus mit dem Sekretariat der WTO Kontakt aufgenommen werden, um zum einem über die Ziele und Aktivitäten der Konvention über biologische Vielfalt zu informieren. Zum zweiten sei die WTO bei der Erstellung des eben erwähnten Analysepapiers um Unterstützung zu bitten. Das Sekretariat soll weiterhin mit allen Interessenvertretern den Kontakt suchen, insbesondere dem privaten Sektor und indigenen und lokalen Gemeinschaften, um ihre Anliegen bei der Umsetzung der Konvention besser berücksichtigen zu können. Anzumerken ist vielleicht in diesem Zusammenhang, daß in Jakarta beschlossen worden ist, daß in das Sekretariat ein Vertreter der Indigenen mit aufgenommen wird. Und schließlich soll eine Vorstudie erarbeitet werden vom Sekretariat zum Einfluß des IPR-Systems auf die Ziele der Konvention, inklusive die Beziehung von IPR und traditionellem Wissen und die Rolle von IPR beim Transfer von Biotechnologie.

Kurz zur Bewertung beider Aspekte.

Was die Frage der Zugangs- und Nutzungsrechte biologischer Ressourcen angeht, blieben zwar alle Fragen in Jakarta, bis auf die erfreuliche Ausklammerung der menschlichen Ressourcen, offen, aber auf der Ebene der Konvention ist Bewegung in die Diskussion und in die Meinungsbildung zu diesem komplizierten Themenfeld gekommen. Der Streit ist insbesondere entbrannt, inwieweit Biochemikalien unter genetische Ressourcen als deren Derivate u.ä. zu subsumieren seien, wie beisp. von Indien oder Malaysia gefordert wurde. Auch wenn definitorisch genetische Ressourcen unter der Konvention im Artikel 2, wo die Definition der Begriffe festgelegt wird, über die DNA/RNA und ihre Vermehrungsfähigkeit definiert sind, wird die Konvention nicht umhinkönnen, denke ich, in irgendeiner Form Biochemikalien als deren Derivate (oder z.T. direkt oder indirekt in den Vermehrungsprozeß einbezogen), in irgendeiner Weise mit zu berücksichtigen. Sehr stark diskutiert wurden Aspekte, inwieweit Fragestellungen zu genetischen Ressourcen in Form eines rechtlich verbindlichen Protokolls weiterentwickelt werden sollen. Es gab Vorstöße bspw. von den Solomon Inseln und Papua Neuguinea für ein Protokoll über Rechte bezüglich menschlicher Gene. Malawi sprach sich für ein allgemeines Protokoll zu genetischen Ressourcen aus. Es wurde auch hinsichtlich der menschlichen Gene dargelegt, daß die Vertragsstaatenkonferenz den Internationalen Gerichtshof befragen soll, ob menschliche Gene patentiert werden können.

FAO Undertaking:

Das International Undertaking on Plant Genetic Resources hatte noch in den 80er Jahren bis um 1990 herum das Verständnis von der Artenvielfalt als gemeinsamem Erbe der Menschheit für international gültig erklärt. Das aber in den 80er Jahren immer deutlichere Verwertungsinteresse der Pharma- und Agro-Industrien an den genetischen Rohstoffen aus tropischen Ländern führte während der 8. GATT-Verhandlungen (Uruguay-Runde) zu heftigen Positionskämpfen zwischen den USA und einer Reihe von SÜD-Ländern. Hier muß allerdings festgehalten werden, daß derzeit innerhalb der FAO heftig um Regelungen gerungen wird, wie das rechtlich unverbindliche Undertaking, das die FAO 1983 verabschiedet hatte, in den Rahmen der Biodiversitätskonvention gestellt werden kann. In der ab 1994 gültigen WTO wurde jedenfalls weitgehend das US-Interesse niedergeschrieben: Patentierung von gentechnisch veränderten Organismen muß jedes Mitgliedsland sowohl zulassen als auch anerkennen.

Die Frage ist in der Tat, wie für den Fall des revidierten FAO Undertaking on Plant Genetic Resources, das in Leipzig verhandelt (wurde), die Patentierung der menschlichen Gene angegangen werden darf. Denn das Undertaking soll als Protokoll der Konvention unterstellt werden. Wie soll mit den rechtlich hierdurch nicht erfaßten Ressourcen der Mikroorganismen und Tieren und ihren Derivaten unter der Konvention verfahren werden? In der Endfassung der Beschlußformulierung wurde das Thema „Zugang zu genetischen Ressourcen" herausgenommen. Statt dessen werden Aufträge an das Sekretariat vergeben, zu prüfen, inwieweit genetische Ressourcen, die vor Inkrafttreten der Konvention gesammelt worden sind, unter der Maßgabe der Konvention abgehandelt werden könnten und wie marine genetische Ressourcen außerhalb nationaler Rechtsprechung - also außerhalb der Hoheitsgebiete - zu behandeln wären. Dennoch bedürften diese Fragen bis zur nächsten Vertragsstaatenkonferenz intensiver Diskussion.

Ähnlich wie bei der Diskussion hinsichtlich des Zugangs zu genetischen Ressourcen wurde auch in der Endfassung des Beschlusses zu IPR eine Reihe von weiteren Beschlußvorschlägen des Entwurfs gestrichen. Etwa die spezifische Prüfung eines sui generis IPR-Systems für indigene und lokale Gemeinschaften oder jene der Einbeziehbarkeit von Prior In-
formed Consent und Mutually Agreed Terms in Patentprozeduren und
-anmeldungen. Die dieser Frage zuzumessende Bedeutung hat Indien im abschließenden Plenum nochmals deutlich gemacht. Es sieht ganz eindeutig die Notwendigkeit, eine Studie zu Patentierungsprozeduren zu erstellen, wobei ein Mechanismus den PIC sicherstellen und den Hinweis auf die Herkünfte des biologischen Materials und das Wissen um die Patentapplikationen einschließen muß. Eine Position, die auch bvon den NRO in Jakarta geteilt worden ist.

Thomas Weidenbach [WDR, Köln]:

Dann kommen wir jetzt zu Frau Pombo aus Kolumbien, die hauptsächlich ihre Einschätzung aus Sicht der NGOs aus dem sogenannten Süden einbringt.

Diana Pombo [Institut für Umweltmanagement, Kolumbien]:
Impulsreferat

Ich bin Geschäftsführerin des Instituts für Umweltangelegenheiten in Bogotá in Kolumbien. Dieses nichtstaatliche Institut arbeitet seit einigen Jahren als Koordination für eine recht große Gruppe, bestehend aus
lokalen Organisationen, Nichtregierungsorganisationen und Vertretern des wissenschaftlich-akademischen Sektors, an der Erarbeitung von Vorschlägen, die sich insbesondere auf den Schutz des traditionellen Wissens und den Zugang zu genetischen Ressourcen im Rahmen der Weiterentwicklung der Biodiversitätskonvention beziehen. Wir haben uns dieser Aufgabe gewidmet und im Rahmen des Möglichen einige umfangreiche Prozesse angestoßen, um den nicht-staatlichen Sektor zu der breitestmöglichen koordinierten Bearbeitung anzuregen. Diese Prozesse sind äußerst interessant, denn die aufgekommenen Vorschläge stammen von den Menschen selber und spiegeln ihre Interessen wider. Die Bandbreite der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Sektoren, die an den Prozessen teilnehmen, ist dabei sehr groß.

Trotz aller - bereits erwähnten - Ungereimtheiten ist die Biodiversitätskonvention Ergebnis eines Konsenses, und im allgemeinen zeichnen sich Konsensbeschlüsse nicht durch eine sehr große Kohärenz aus. Im Gegenteil, diese Konvention weist viele Inkohärenzen auf. Nichtsdestotrotz eröffnen sich für uns einige weitreichende Möglichkeiten. Ich möchte mich im weiteren insbesondere den beiden Themen widmen, die Gegenstand der heutigen Diskussion sind: also dem Zugang zu genetischen Ressourcen und der Schutz des traditionellen Wissens im Bezug auf das, was bislang in Kolumbien erreicht worden ist. Ich werde einen sehr kurzen Überblick über die Positionen zu diesen beiden Themen geben.

Im Bezug auf den Zugang zu genetischen Ressourcen besagt die Konvention, daß die Souveränität der Staaten über ihre natürlichen Ressourcen auf ihren Territorien anerkannt wird. Aus diesem Grunde muß jedwede Entwicklung einer Gesetzgebung, um auf nationaler oder internationaler Ebene den Zugang zu genetischen Ressourcen zu regeln, einerseits auf der Ausübung dieser Souveränität beruhen. Andererseits verfügt sie die Einrichtung von drei grundlegenden Kriterien, die bereits Herr Plän genannt hat: auf Kenntnis der Sachlage gegründete vorherige Zustimmung, einvernehmlich festgelegte Bedingungen und ausgewogene und gerechte Teilung der Ergebnisse und Vorteile aus der Nutzung.

Seit zwei Jahren arbeiten Kolumbien, Peru, Ecuador und Venezuela - alle Staaten des Andenpaktes - an einer subregionalen Gesetzgebung im Bezug auf den Zugang zu genetischen Ressourcen. Dabei ist das Thema der Ausübung der Souveränität von besonderer Bedeutung, wenn man sie in Beziehung zu den einvernehmlich festgelegten Bedingungen setzt. Die Frage ist, wie kann man eine Definition über einvernehmlich festgelegte Bedingungen mit dem souveränen Recht eines Staates kombinieren, um zu bestimmen wer und wer nicht Zugang zu den Ressourcen auf seinem Gebiet erhält. Über dieses Thema hat es eine sehr breite Diskussion gegeben, da viele Staatenvertreter, konkret in den Diskussionen im Rahmen der Übereinkunft von Cartagena, die Ansicht vertreten, daß wenn es eine Souveränität über die genetischen Ressourcen gibt, einvernehmlich festgelegte Bedingungen nicht möglich sind. Somit muß man fragen: Worauf beziehen sich diese einvernehmlich festgelegten Bedingungen, wenn man gleichzeitig über die Ausübung der Souveränität über die genetische Ressourcen redet?

Übereinkunft von Cartagena:

Im Gesetzesblatt der Mitgliedsstaaten der Andenregion, hat die Kommission der Übereinkunft von Cartagena eine detaillierte Festschreibung des Komplexes „Zugangsrechte zu Genetischen Ressourcen" vorgenommen und beschlossen und dabei nachdrücklich die nationalstaatliche Souveränität über die Biodiversität unterstrichen.

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Vgl. Gaceta Oficial, Año XII, No.213, Lima, 17 de Julio de 1996

Eine weitere Frage bezüglich der genetischen Ressourcen lautet: Wer sind die Ursprungsländer? In diesem Fall unterscheidet man sehr stark zwischen genetischen Ressourcen im ursprünglich natürlichen Zustand - oder auch im ausgewilderten Zustand, bei denen man grundsätzlich die Ursprungsländer benennen kann, und Ressourcen im ex-situ Zustand, also Ressourcen, die in Verbindung mit der Versorgung der Landwirtschaft in den jeweiligen Ländern stehen. Letztere haben in ihrer Varietät in den einzelnen Ländern meist, vielleicht als Ergebnis der Grünen Revolution, nur einen sehr geringen Anteil an den originären Ressourcen der Ursprungsländer. Aus diesem Grunde kann die einheitliche Politik eines Landes, aus Schutzgründen den Zugang zu ihren in-situ Ressourcen zu regeln und einzuschränken, Nachteile für dieses Land haben, wenn man die Ressourcen in der Landwirtschaft miteinbezieht, da es sich dabei um Produkte handelt, bei denen man bereits weitgehend die traditionelle Vielfalt von Kultursorten und -rassen verloren hat und auf einen freien Austausch angewiesen ist. Also, aus diesen Gründen gibt es Meinungsunterschiede zwischen unseren Ländern bezüglich der Festlegung von Zugangsregelungen für genetische Ressourcen im Bezug auf die Ausübung der nationalen Souveränität. Es gibt zahlreiche Vorschläge, auf die wir vielleicht später detaillierter in der Diskussion zurückkommen können.

Der andere Begriff des ausgewogenen und gerechten Vorteilsausgleiches ist ebenso sehr konfliktträchtig und schwer zu bearbeiten, denn jeder Zugang zu den genetischen Ressourcen selber, zu den materiellen Komponenten der biologischen Vielfalt ist auch ein Zugang zu dem Wissen, das mit diesen Ressourcen verbunden ist. Es gibt einen unauflöslichen Zusammenhang zwischen den materiellen und immateriellen Komponenten der natürlichen Ressourcen. Auch in unseren Ländern wird anerkannt, daß es verschiedene Formen dieses Wissens gibt, dabei kann es sich um akademisches Wissen handeln oder auch um traditionelles Wissen, das sich durch schrittweise Innovationen auf der Grundlage von traditionellen Verfahren des Schutzes und der Verbesserung der biologischen Vielfalt aufbaut. Letzteres ist sehr eng an die biologische Vielfalt, an die materiellen Komponenten der biologischen Vielfalt gebunden. Im Zusammenhang mit diesen zwei sehr unterschiedlichen kulturellen Kontexten, aus denen sich Wissen entwickelt, ist abzuleiten, daß die Vorteile aus der Nutzung der Biodiversität nicht allein wirtschaftlich definiert sind. Allerdings redet die Konvention nur von wirtschaftlichen Vorteilen, von Vorteilen aus dem verbesserten Zugang zu Technologien und Vorteilen, aus zukünftigen Entwicklungen der Biotechnologie basierend auf den Ressourcen eines Urspungslandes, welches Zugangsregelungen aufgestellt hat. Der damit beschriebene Vorteilsausgleich hat somit in Wirklichkeit eine sehr bedeutsame Neubestimmung zum Ziel, was in kultureller Hinsicht einen Wert bedeutet und was nicht. Wenn eine Gemeinschaft in einem sehr engen Beziehungsgeflecht zwischen ihrem Territorium, ihrer Kultur und der nicht-komerziellen Nutzung der biologischen Vielfalt lebt, ist es von Wichtigkeit, ihre Werte und ihre Definiton von möglichen Vorteilen zu respektieren. Es ist also nicht notwendig, als Ausgangspunkt zu sagen: Da gibt es einige Vorteile und Gewinne, und die müssen nun aufgeteilt werden. Vielmehr gibt es Vorteile, die sich nur auf eine spezifische Gemeinschaft, auf eine Gruppe von Gemeinschaften beziehen können, die einen gemeinsamen Lebensraum und eine gemeinsame Kultur haben. Zu diesen Gruppen gehören die indigenen Völker, - im Falle Kolumbiens - die schwarzen Volksgruppen und die bäuerlichen Gemeinschaften. In der Mehrzahl der Staaten werden die afroamerikanischen Volksgruppen nicht als Ethnie anerkannt, in Kolumbien sehr wohl. Daher behandeln wir die Organisationen der schwarzen Volksgruppen ebenbürtig wie indigene und lokale Gemeinschaften.

Ausgehend von dieser Betrachtung kann nun die Definition von Vorteilen bezüglich der Rechte auf geistiges Eigentum erfolgen. Ein Aspekt ist dabei, daß die Rechte der Gemeinschaften auf ihr Wissen nicht das Kriterium des individuellen Eigentums erfüllen. Wir sprechen daher von kollektivem Eigentum und von Rechten am kollektiven geistigen Eigentums, die viel weiter gefaßt sind und in Zusammenhang mit Menschenrechten an Kollektivgütern, mit nicht-individuellen, kollektiven Menschenrechten gesehen werden müssen.

Es gibt bereits eine Definition - und auch eine Diskussion - über die verschiedenen Formen des Schutzes kollektiven Wissens. Eine davon kann die Entwicklung von sui generis Systemen des Schutzes geistigen Eigentums sein. Andere Formen umfassen mehr die Stärkung der kulturellen Selbstbestimmung von Gemeinschaftsorganisationen, bezogen auf Landrechte und Rechte zur Ausübung einer Kultur in einem Gebiet oder auch Einspruchsrechte, Vetorechte bei jeglichen Vertragstypen zwischen dem Staat, als jener Institution, die den Zugang erlaubt, und einer Forschungseinrichtung oder einem Biotechnikunternehmen, die den Zugang zu genetischen Ressourcen wünscht. Im konkreten Fall von Kolumbien ist der Prozeß bereits ziemlich weit gediehen, Drei-Parteien-Verträge im Rahmen der Entwicklung einer Zugangsgesetzgebung zu formulieren.

Im der Übereinkunft von Cartagena, wo zwischen den Mitgliedsstaaten noch Meinungsunterschiede über die nationalen Gesetzgebungen bestehen - sind wir zu der Ausarbeitung verschiedener Verträge zwischen dem Anbieter genetischer Ressourcen und der nachfragenden Partei gelangt. Je nach dem, wie die nationalen Bestimmungen aussehen, kann danach der geeignete Vertragstyp gewählt werden.

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Diskussion Runder Tisch I

Frank Begemann [Informationszentrum für genetische Ressourcen, Bonn]

Ich habe momentan weniger eine Frage als mehr eine Klarstellung zu dem, was Herr Plän vorhin gesagt hatte, als er die Leipziger Konferenz erwähnte. Wir sind beteiligt bei der Vorbereitung der Konferenz und sind sehr eng im Kontakt mit der FAO. [ Z ur Position des bundesdeutschen Informationszentrums für Genetische Ressourcen und der Zentralstelle für Agrardokumentation und -information (ZADI) hatte Dr. Frank Begemann bei der Konferenz den gerade erschienen Band 3 der Schriften zu Genetischen Ressourcen ausgelegt: „Zugang zu Pflanzengenetischen Ressourcen für die Ernährung und Landwirtschaft - Der Diskussionsprozeß in Deutschland", Bonn 1996] Es wird also tatsächlich nicht sein, daß das International Undertaking on Plant Genetic Resources for Food and Agriculture in Leipzig verhandelt wird. Es wird einen Fortschrittsbericht geben. Die weiteren Verhandlungen werden erst Anfang Dezember weitergeführt in einer Sondersitzung der Kommission der FAO zu diesem Themenkomplex und die drei strittigen Punkte - Geltungsbereich, Zugang zu genetischen Ressourcen und Farmers’ Rights - werden erst dann weiter behandelt. Wir hoffen allerdings, daß in Leipzig informell die Diskussion weitergeführt werden kann, so daß man vielleicht schon einige Vorbereitungen treffen kann für die Dezembersitzung, daß man dann im Dezember eigentlich schon den Durchbruch schaffen könnte. Das ist aber zum jetzigen Zeitpunkt noch sehr viel Spekulation.

Klaus Naumann [BAYER AG]:

Ich möchte fragen, welche Chancen bestehen, die begriffliche Problematik genetischer Ressourcen, die sehr komplex ist, der Realität anzupassen und auseinander zu ziehen: Nämlich die genetischen Aspekte auf der einen Seite zu lassen und auf der anderen Seite den informativen Teil, der insgesamt mit dem Leben der Organismen als solchem zu tun hat. Die Realität, die dahinter steckt, ist, daß Informationen aus der Biosphäre im allgemeinen z.B. für die pharmazeutische Wirkstoff-
forschung von Belang sind. Die Bedeutung der genetischen Information ist für diese Fragestellung von untergeordneter oder nicht vorhandener Bedeutung. Und wenn man fortwährend einen Begriff verwendet, der so ambivalent ist, der gleichzeitig zwei auseinanderstehende Begriffswelten verbindet, wird man die ganze Diskussion auf die Dauer sehr erschweren und man läuft in vieler Weise an der Realität, an der Tagespraxis, derer, die das betreiben, vorbei. Z.B. wir in der Industrie, wir in den Forschungslaboratorien werden laufend Schwierigkeiten haben und Sie, von der politischen Seite her, werden über Sachen reden, die nicht das betreffen, worum es geht.

Dieter Berg [BAYER AG]:

Meine Frage geht - im Anschluß an das, was Herr Naumann gesagt hat - in Richtung auf Schutz und v.a. Patentschutz von Erfindungen, die aus Untersuchung von biologischem Material aus Drittländern resultieren können. Normalerweise wird eine Probe gesammelt, wird abgegeben an jemanden, der vermehrt, der screent, der untersucht, der die Struktur aufklärt. Wer ist eigentlich der Erfinder im Drittland? Ein ganz wesent-
licher Punkt. Das kann nicht der Staat sein, das muß eine Person sein, die benannt wird, um das eine persönliche Erfinderschaft zu nennen. Was könnte das sein?

Michael von Websky [BMU]:

Weil das sehr wichtige und sehr schwierige Fragen sind, hat die Bundesregierung mit der Pharmaindustrie und unter Beteiligung von Umweltverbänden einen Gesprächszyklus begonnen. Wir haben eine Sitzung gehabt, wir werden eine weitere Sitzung haben, vielleicht noch mehrere. Zu den hier angeschnittenen Fragen:

Herr Naumann [BAYER AG] hat natürlich völlig recht, wenn man sich hier über die genetischen Ressourcen unterhält, sollte man das mit einer gewissen intellektuellen Disziplin tun und sich auf bestimmte Definitionen einigen. Das wird sicherlich gelingen. Ich habe auch die Erfahrung gemacht, daß solche schwierigen Fragen, die natürlich keiner sofortigen Antwort zugänglich sind, sondern wo sich die Antwort mit der Diskussion entwickelt, daß die Diskussion auch wenn sie kontrovers verläuft, Lernprozesse steuert. Das gilt sowohl bei der Wirtschaft als auch in den politischen Parteien, in den Verbänden und natürlich auch in der Regierung. Insofern sind diese Gespräche, die jetzt begonnen haben, von ganz großer Bedeutung. Zur Frage von Herrn Berg [BAYER AG], Patentschutz und wer ist Erfinder. Das ist neben der Frage der Neuigkeit und des Verfahrens eine der Schlüsselfragen. Sie wissen, daß es neben dem Europäischen Patentübereinkommen noch die WIPO [World Intellectual Property Organisation] in Genf als UN-Organisation gibt, die bisher weltweit die verschiedenen Patentsysteme reflektiert und Informationen verteilt. Ob und wieweit sogenannte gewerbliche Schutzrechte als Patente und Lizenzen die freie Forschung behindern oder nicht und inwieweit Patente und Lizenzen geeignet sind, den fairen Gewinnausgleich zu behindern oder auch nicht, sind die Kernfragen, über die wir uns zur Zeit natürlich auch unterhalten. Ganz sicher ist es so, daß diese exklusiven Eigentumsrechte schon ex definitionem eine Teilhabe Dritter erschweren und wir müssen uns neue Spielregeln einfallen lassen, um die Grundregeln der Konvention zu erfüllen. Wichtig ist aber, daß die Konvention in den entscheidenden Artikeln erstens einmal diese gewerblichen Schutzrechte im Prinzip anerkennt und zweitens, daß die Konvention beispielsweise im letzten Teil von Artikel 15 klar sagt, daß diese Interessenausgleiche - v.a. was den fairen Gewinnausgleich angeht - zu mutual agreed terms erfolgen soll, d.h. aufgrund von ausgehandelten vertrag-
lichen Lösungen. Diese sind flexibel, die sind örtlich und regional angepaßt, die können sich auch ändern und das sind auch keine Standardlösungen, die andere Staaten und andere Firmen beliebig abschreiben können. D.h. es wird eine große Flexibilität auch in Zukunft vorherrschen.

Ich darf vielleicht jetzt auch überleiten zum Thema INBio und zum Vertrag mit Merck. Sie wissen, daß dort die Firma für eine Mill. Dollar Prospektionsrechte erworben hat. Eine Delegation aus Costa Rica war vor einiger Zeit hier bei uns in Deutschland und hat auch das Umweltministerium besucht. Wir haben dabei gelernt, daß es inzwischen eine ganze Reihe ähnlicher Verträge gibt, die Costa Rica geschlossen hat, mindestens vier oder fünf mit anderen Firmen, die alle inhaltlich wohl etwas unterschiedlich sind. Und wir wollen in diesem Gesprächskreis jetzt auch mit der Pharmaindustrie herausfinden, welche Modellösungen sind denn schon in der Praxis angedacht oder welche gibt es, um dann Hilfestellungen leisten zu können, solche Modelle als Lösungsmodelle offenzulegen, um den beteiligten Regierungen und den beteiligten Firmen vernünftige Anhaltspunkte zu geben, also Rahmenpunkte vorzugeben.

Was wir sicherlich nicht machen werden - weder als Bundesregierung noch innerhalb der EU -, das wäre auch contra legem, gegen den Vertragstext, etwa zu versuchen, diese Zugangsmodalitäten und die Modalitäten des fairen Gewinnausgleichs in einem völkerrechtlichen Text normieren zu wollen. Das wird nicht gehen, wäre auch nicht hilfreich, denn die Spannbreite der Optionen wäre so groß, daß eine Checkliste denselben Zweck erfüllt und verpflichtende völkerrechtliche Normen
wegen ihrer breiten Anwendung dann nicht hilfreich sind.

Ein letzte Zusatz noch zu dem wichtigen Begriff des Prior Informed Consent (PIC), also das Land, wo sich die Ressource befindet, muß der Prospektion und der Nutzung der Ressource in Kenntnis aller Umstände vorher zustimmen. Es ist ganz sicher, daß wir darüber - über diese Teile, was erfaßt das alles und worüber muß man sich einigen - grundsätzliche völkerrechtliche Einigungen herbeiführen müssen. Es ist aber auch sicher, daß hier eine intensive Überschneidung mit den bereits weit fortgeschrittenen völkerrechtlichen Verhandlungen besteht, die bei UNEP zum PIC geführt werden, welches also im Bereich Import/Export gefährlicher Abfälle schon in der Baseler Konvention eine Rolle spielt. Es gibt jedenfalls dort eine weit fortgeschrittende Diskussion. Und ich würde schon empfehlen, daß das, was man für die Biodiversitätskonvention braucht und was man dort schon zum PIC angedacht hat, zusammenführt. Denn materiell sind das dieselben Probleme und ich kann mir schlecht vorstellen, daß man prinzipiell unterschiedliche Lösungen findet.

Diana Pombo [Institut für Umweltmanagement, Bogotá/Kolumbien]

Ich möchte insbesondere auf zwei sehr wichtige Fragen eingehen: Wer ist der Erfinder? und: Wie geht man im Bezug auf den Zugang zu genetischen Ressourcen mit dem Informationsproblem um? Meiner Meinung nach werden damit zwei zentrale Aspekte angesprochen, die man seit geraumer Zeit versucht im Rahmen des Zugangs zu genetischen Ressourcen und des geistigen Eigentums zu regeln und wozu es immer noch keine Lösungen gibt.

Die Probleme entstehen aufgrund des existierenden Patentsystems und in gewisser Weise auch aufgrund der Pflanzenzüchterrechte. Beides sind Rechtssysteme, die auf lebende Materie angewandt werden. Wenn man ein Produktionsverfahren patentiert, dann ist das Unternehmen, welches dieses Verfahren entwickelt hat, der Erfinder. Schwierig wird es, wenn das Verfahrenspatent auch auf das Produkt ausgeweitet wird, das dank der Erfindung, Innovation oder Verbesserung seitens eines Unternehmens oder eines Erfinders hergestellt wurde. Wird das Produkt patentiert, bedeutet das, daß z.B. auch das Vorwissen, das in einer Gemeinschaft entwickelt wurde, eingeschlossen ist. Die Frage ist nun, wo die Grenze zwischen dem kollektiven Wissen und dem zusätzlichen Beitrag, den der Erfinder beisteuerte, zu ziehen ist. es besteht im Rahmen der Erfindung kein Eigentumsrecht an der Materie in ihrem natürlichen Zustand, sondern nur auf den zusätzlich geschaffenen Beitrag. Es ist sehr schwierig - und bisher ist es uns auch nicht gelungen -, diese Grenze zu ziehen, weder was die Definition innerhalb des Patentsystems anbelangt noch im Bezug auf den Schutz des traditionellen Wissens. Das liegt daran, daß die notwendigen Mechanismen und die erforderlichen Voraussetzungen fehlen. Weder das Anmeldeverfahren für Patente noch die Erlangung von Pflanzenzüchterrechten sehen für neue Produkte, die auf kollektiven Innovationen beruhen, eine Anerkennung vor. Es ist ein Thema, zu dem ich die Herren von Bayer einladen möchte, uns dabei zu helfen, mit der Definition ein wenig voranzukommen und Überlegungen anzustellen, wie ein Mechanismus zum Schutz kollektiven Wissens aussehen und wie auch das rechtliche Umfeld gestaltet werden könnte, in dem man das Recht auf die Innovation anwendet. Man muß dabei immer im Bewußtsein haben, daß es sich um zwei Beiträge aus unterschiedlichen Wissenssystemen handelt. Eines kann Gegenstand des Privateigentums sein, das andere nicht. Wenn wir hier von einem Wissen reden, das sich durch schrittweise Innovationen in einem nicht-kommerziellen Rahmen entwickelt hat, kann es nicht nur einfach traditionell genannt werden, sondern es handelt sich tatsächlich um eine Innovation. Und da es eine Innovation ist, die aus einem anderen kulturellen Zusammenhang stammt und wo es nicht Gegenstand des Privateigentums ist, stellt sich die Frage, wie man das rechtliche Umfeld eines jeden Systems definiert. Sollte es uns gelingen, diese Fragen zu beantworten, dann würden wir damit eine Vielzahl von Problemen lösen, die sich in der plausiblen Klage über Biopiraterie oder anderer Kritiken der Gemeinschaften gegenüber der Industrie manifestieren. Die Unternehmen vertreten dabei die Position, daß die Organisationen der Gemeinschaften und die Regierungen ihnen nicht die Möglichkeiten aufzeigen, wie man zu klaren Regeln, auf die sie angewiesen sind, gelangt. Die Thematik ist von hoher Bedeutung und wird aufgrund ihres problematischen Inhaltes noch Gegenstand vieler Treffen und Studien sein.

Thomas Plän [Institut für Naturschutzforschung, Regensburg]

Ja, Herr Naumann [BAYER AG], Sie haben den Finger auf die Wunde gelegt, die im Augenblick die Konvention beherrscht. Weil die Konven-
tion in relativ überstürzter Art und Weise 1992 fertiggestellt werden mußte, ist man bei dieser definitorischen Trennung oder Einbeziehung genetischer Ressourcen, biologischer Ressourcen nicht so vorgegangen, daß es für die, die sich mit der Konvention auseinandersetzen, hinreichend klar ist, und es wird sicher noch einen langen Diskussionsprozeß geben in dieser Richtung. Ich habe vorhin gesagt, per definitionem spricht man von genetischen Ressourcen. Wenn Sie die Konvention durchgehen, dann werden Sie aber auch die Begrifflichkeit biologische Ressourcen finden, so daß man - im Artikel 8c ist es aufgeführt - davon ausgehen kann, daß die Leute, die die Konvention mitverfaßt haben - zumindest einige von ihnen - diese austauschbar gesehen und verwendet haben.

Es ist in der Tat auch ein wenig schwierig nachzuvollziehen, daß ein Genprodukt, dann wenn man das Gen auch braucht, also ein Naturstoff, unter dieses Zugangsrechtsregime fällt; in dem Moment, wo man aber das Gen nicht haben will, weil man es nicht durch gentechnische Verfahren im Labor produzieren möchte, sondern es einfach in-vivo oder aus in-vitro Verfahren gewinnen möchte, dann dieses Zugangsregime nicht besteht.

Ich glaube, daß es die Intention gewesen ist, sehr wohl die genetischen Ressourcen und ihre Derivate - die biologischen Ressourcen - zu erfassen. Das von Herrn Websky [BMU] zitierte Modell INBio, das ja schon vor der Konvention existierte, ist genau von diesem Geiste getragen, aber es wird sich noch eine sehr ausführliche und kontroverse Diskussion, was diesen Fall angeht, entwickeln.

Zu der Frage von Herrn Berg [BAYER AG] hinsichtlich der Eigentumsrechte möchte ich nochmals sagen, daß es sicherlich erforderlich ist, in einer Form, wie es auch hier eben angesprochen und gesehen worden ist, ein Gemeinschaftsrechtsregime zu etablieren. Das wird auf der nächsten Vertragsstaatenkonferenz ein zentraler Diskussionsgegenstand sein, wie ein sui-generis-Regime zum Schutz von Gemeinschaftsrechten an genetischen Ressourcen und des Wissens, der Innovationen und der Praktiken lokaler und indigener Gemeinschaften verfaßt sein soll. Solche Rechtsregime sollten nach unserer Auffassung die Rechtssysteme lokaler und indigener Gemeinschaften akzeptieren und dauerhaft schützen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-bibliothek | 12.1. 1998

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